Mami 1804 – Familienroman: Der Erwachsenenschreck
By Edne Maere
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Das Läuten des Telefons zerriß gnadenlos die herrliche Traum-Kulisse eines silberweißen Karibikstrands, an dem sich Palmen sanft im Winde wiegten und bunte Surfsegel auf schaumgekrönten Wellen tanzten. Mit einem unwilligen Knurren, die Augen noch geschlossen, tappten Simones Finger nach dem Hörer, der auf dem Nachttisch lag. Sie drückte die Emp-fangstaste und meldete sich mit heiserer Stimme. "Doktor Ruthland, Gott sei Dank, daß ich Sie erreiche!" Schwester Brunhilde klang erleichtert. "Tut mir leid, daß ich Sie stören muß, aber der Personalmangel, Sie wissen ja. Und das ist wirklich ein komplizierter Fall. Vierzehn Monate alter Säugling mit schweren Krampfanfällen…
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Mami 1804 – Familienroman - Edne Maere
Mami –1804–
Der Erwachsenenschreck
Roman von Edna Meare
Das Läuten des Telefons zerriß gnadenlos die herrliche Traum-Kulisse eines silberweißen Karibikstrands, an dem sich Palmen sanft im Winde wiegten und bunte Surfsegel auf schaumgekrönten Wellen tanzten. Mit einem unwilligen Knurren, die Augen noch geschlossen, tappten Simones Finger nach dem Hörer, der auf dem Nachttisch lag. Sie drückte die Emp-fangstaste und meldete sich mit heiserer Stimme.
»Doktor Ruthland, Gott sei Dank, daß ich Sie erreiche!« Schwester Brunhilde klang erleichtert. »Tut mir leid, daß ich Sie stören muß, aber der Personalmangel, Sie wissen ja. Und das ist wirklich ein komplizierter Fall. Vierzehn Monate alter Säugling mit schweren Krampfanfällen…«
»Ich komme.« Simone unterbrach das Gespräch, bevor Schwester Brunhilde zu einem ausführlichen Bericht ansetzen konnte und öffnete endlich die Augen.
Der dunkle Schopf neben ihr in den Kissen bewegte sich leicht. Dann tauchte ein sonnengebräuntes Gesicht auf, blaue Augen blinzelten in den hellen Morgen.
Albert schaffte es, nach nur drei Stunden Schlaf und unsanft geweckt, noch umwerfend gut auszusehen! Simone beugte sich über ihn, um ihm einen Kuß auf das schlafwarme, leicht zerknitterte Gesicht zu hauchen.
»Schlaf nur weiter, Schatz. Der Anruf war für mich.«
Alberts Miene verfinsterte sich.
»Heißt das, daß du schon wieder fortmußt?« Entgegen Simones Rat war er jetzt hellwach. Er richtete sich auf und sah sie an. »Du hast einen Achtundvierzig-Stunden-Dienst hinter dir. Verdammt, Simone, das ist pure Ausbeutung.«
Sie hatte bereits die schlanken Beine aus dem Bett geschwungen und schlüpfte in ihren Bademantel.
»Da gebe ich dir recht, mein Schatz«, schmunzelte sie dabei, als mache ihr diese Arbeitsregelung überhaupt nichts aus. »Aber so ist es eben in meinem Beruf. In allen Krankenhäusern werden die Ärzte ausgebeutet. Ich kann ja froh sein, daß ich meine Assistentenzeit hinter mir habe. Sonst käme ich wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zum Schlafen.«
»Ach, kommst du etwa dazu?« Alberts Stimme klang bitter.
»Ein paar Stunden hatte ich ja«, versuchte Simone zu scherzen, was allerdings danebenging, denn Alberts Miene heiterte sich keineswegs auf.
In Windeseile suchte sich Simone frische Kleidung aus dem Schrank und ging ins Badezimmer hinüber.
»Hier kommt die Uhrzeit, die Uhrzeit, die Uhrzeit, hurra!« säuselte der Rundfunkchor, als Simone das Radio einschaltete. »Es ist genau sechs Uhr und dreißig Minuten.«
Gähnend stieg Simone unter die Dusche und drehte den Wasserhahn auf.
»Wie stellst du dir eigentlich unser Eheleben vor?« Albert war ihr ins Badezimmer gefolgt. Er drehte das Radio leiser und ließ sich auf dem Wannenrand nieder. »Normalerweise heiratet man ja wohl, um den weiteren Lebensweg gemeinsam zurückzulegen. Aber so wie ich es sehe, werde ich mein Junggesellendasein weiterführen, weil meine Frau eigentlich mit ihrem Krankenhaus verheiratet ist.«
Simone seufzte. Sie hatte absolut keine Lust, jetzt eine Grundsatzdiskussion zu führen. Natürlich hatte Albert recht. Sie hatte kaum Freizeit und war wirklich mehr im Krankenhaus anzutreffen als zu Hause. Aber das brachte ihr Beruf nun mal mit sich. Auch, wenn sie sich eines Tages mit einer eigenen Praxis selbständig machen sollte, würde sich an ihrer Arbeitszeit wohl kaum etwas ändern. Jedenfalls nicht, wenn sie ihrem Beruf weiterhin engagiert und verantwortungsvoll nachgehen wollte.
»Laß uns ein anderes Mal dar-über streiten«, versuchte sie, den Disput zu ersticken. »Schatz, es tut mir leid, aber ich muß mich beeilen. Reichst du mir bitte mal das große blaue Handtuch?«
Jetzt war es Albert, der seufzte, aber er kam Simones Bitte nach und reichte ihr das Gewünschte.
Simone war eine schöne Frau. Ihre schlanke Gestalt mit den langen Beinen zog, zu Alberts Stolz aber auch Leidwesen, die Blicke der Männerwelt auf sich, während ihr langes honigblondes Haar bei den Frauen blanken Neid hervorrief.
Sie wirkte so jugendlich frisch, daß sie von den Eltern ihrer kleinen Patienten immer wieder mißtrauisch gefragt wurde, ob sie wohl noch Studentin sei. Dabei arbeitete sie bereits seit drei Jahren als Stationsärztin im St. Joseph-Krankenhaus und wurde, noch hinter vorgehaltener Hand, bereits als neue Oberärztin der Kinderstation gehandelt, sobald Dr. Lauterbach seinen Professorenposten an der Heidelberger Universitätsklinik antreten würde.
Albert graute es vor dieser Zeit. Denn wenn Simone erst einmal als Oberärztin für die Geschicke der kleinen Patienten und der gesamten Station verantwortlich zeichnete, würde sie wahrscheinlich noch viel weniger Freizeit haben als jetzt.
Nach Alberts Meinung aber gehörte eine Frau, sobald sie einen festen Partner mit ehrlichen Absichten gefunden hatte, nicht mehr in die ersten Reihen der Berufsfront. Dann sollte sie nur noch arbeiten, um sich zu Hause nicht zu langweilen, und die Karriere den Häßlichen und Verschmähten überlassen, deren Leben sonst sowieso keine Höhepunkte bot.
Das sagte er ihr auch, als sie ihrem Blutdruck in der Küche hastig mit einer Tasse Pulverkaffee den nötigen Kick verabreichte.
»Ich mag jetzt nicht mit dir darüber diskutieren«, wiederholte sie gereizt. »Tut mir leid, aber ich habe wirklich keine Zeit mehr. Tschüs.« Sie beugte sich vor, um Albert einen Kuß zu geben, aber er wandte das Gesicht ab, so daß ihre Lippen nur seine Wange berührten. »Mach’s gut.« Sie wirkte plötzlich unterkühlt. »Ich weiß nicht, wann ich nach Hause komme. Rufe mich einfach auf dem Handy an.«
Albert verharrte in beleidigtem Schweigen, doch Simone ließ sich davon nicht von ihren Pflichten abhalten. Schon lief sie aus dem Haus, um gleich darauf in ihren Wagen zu steigen, der wie immer in der Einfahrt parkte.
Gerade, als sie den Wagen rückwärts auf die Straße setzen wollte, flog im Nachbarhaus die Tür auf und ein braunhaariger Wirbelwind fegte in den Garten. Ohne nach rechts oder links zu schauen rannte der Kleine auf die Fahrbahn und wäre beinahe unter die Räder des Wagens geraten, wenn Simone nicht reaktionsschnell eine Vollbremsung hingelegt hätte.
Der Knabe störte sich nicht an dem Kreischen der Reifen auf trockenem Asphalt. Ebensowenig kümmerte er sich um die junge Frau, die in Bademantel, eine Zahnbürste über dem aufgelösten Haar schwenkend, hinter ihm her stürzte.
»Darius, Liebling!« Die Frau wedelte im Laufen aufgeregt mit den Händen. »Bleib stehen, mein Süßer. Ich will dir doch bloß was sagen.«
»Laß mich!« schrie das liebenswerte Bürschchen und rannte weiter, wobei es mit einem für Simone in der Eile nicht zu definierenden Gegenstand an ihrem Wagen entlangschrabte, was erstens ein häßliches Geräusch verursachte und zweitens einen unschönen Kratzer im Lack hinterließ.
Simone war mit einem Satz aus ihrem Wagen gesprungen.
»Eh, spinnst du?« schrie sie dem Knirps hinterher, der fröhlich lachte und wie ein Gummiball auf der Straße herumzuhüpfen begann.
»Darius, Liebling!« rief die junge Frau im Bademantel, die inzwischen von der wilden Jagd total außer Atem war. »Jetzt hör doch mal mit diesem Spiel auf. Ich find’ das gar nicht lustig.«
»Aber ich!« freute sich der Knirps und setzte sich erneut in Bewegung. Diesmal suchte er sich die Blumenrabatte eines weiteren Anliegers aus. All die schönen Blüten, die freundlich über den weißlackierten Gartenzaun nickten, wurden Opfer der zwei wütenden Kinderfäuste, die sie rücksichtslos zerpflückten.
Staunend sah Simone dem Wüten des Kindes zu. Sie kannte solche Aggressionsfälle. Manche der Kinder, die sie in ihrer Klinik behandeln mußte, zeigten ähnliche Verhaltensmuster, aber sie waren meistens wesentlich älter als dieser Knabe und hatten