Dr. Norden Bestseller 154 – Arztroman: Und wäre die Liebe nicht
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»Wir gehen jetzt, Mami!« schallte es durch das Haus, und Georgia Schilling sprang von ihrem Schreibtisch auf. Sie stolperte fast, so hastig lief sie in die Diele.
»Wohin geht ihr?« fragte sie ihre Töchter Nadine und Jessica.
»Wir haben dir doch gestern schon gesagt, daß wir zu einer Party eingeladen sind«, erwiderte Nadine ziemlich schnippisch. »Dein Gedächtnis läßt auch schon nach.«
Ja, sie hatten es gesagt, Georgia erinnerte sich. Aber an diesem Tag war soviel auf sie eingestürmt, daß sie es vergessen hatte.
Sie nahm sich zusammen und beherrschte sich, obgleich der schnippische Ton von Nadine ihr keineswegs gefallen hatte. »Darf ich fragen, wo diese Party stattfindet?« preßte sie zwischen den Zähnen hervor.
»Bei Kai«, erwiderte Jessica, »du kennst ihn doch, Mami.«
»Er feiert seinen einundzwanzigsten Geburtstag«, fügte Nadine hinzu. »Und falls dein Gedächtnis dich ganz im Stich lassen sollte, er heißt mit Nachnamen Jennings, und sie wohnen in der gleichen Straße wie die Nordens. Außerdem bin ich zwanzig, und du brauchst dich nicht so anzustellen, wenn wir abends ausgehen.«
Georgia straffte sich. »Wie stelle ich mich denn an?« fragte sie.
»Ziemlich spießig«, erwiderte Nadine.
»Sei doch nicht so«, sagte Jessica leise. »Mami meint es doch nicht böse.«
»lch wünsche euch viel Spaß«, sagte Georgia müde. Ja, sie war sehr müde.
»Papa wird ja wohl auch bald kommen«, sagte Jessica. »Er wird sich ja für die Forschung nicht ganz aufarbeiten wollen.«
»Keine Diskussionen mehr, Jessi, mir hängen sie zum Halse heraus«, sagte Nadine, und gleich darauf fiel die Tür ins Schloß.
So ist das Leben, dachte Georgia, man hat es mir ja vorausgesagt,
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Dr. Norden Bestseller 154 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller
– 154 –
Und wäre die Liebe nicht
Patricia Vandenberg
»Wir gehen jetzt, Mami!« schallte es durch das Haus, und Georgia Schilling sprang von ihrem Schreibtisch auf. Sie stolperte fast, so hastig lief sie in die Diele.
»Wohin geht ihr?« fragte sie ihre Töchter Nadine und Jessica.
»Wir haben dir doch gestern schon gesagt, daß wir zu einer Party eingeladen sind«, erwiderte Nadine ziemlich schnippisch. »Dein Gedächtnis läßt auch schon nach.«
Ja, sie hatten es gesagt, Georgia erinnerte sich. Aber an diesem Tag war soviel auf sie eingestürmt, daß sie es vergessen hatte.
Sie nahm sich zusammen und beherrschte sich, obgleich der schnippische Ton von Nadine ihr keineswegs gefallen hatte. »Darf ich fragen, wo diese Party stattfindet?« preßte sie zwischen den Zähnen hervor.
»Bei Kai«, erwiderte Jessica, »du kennst ihn doch, Mami.«
»Er feiert seinen einundzwanzigsten Geburtstag«, fügte Nadine hinzu. »Und falls dein Gedächtnis dich ganz im Stich lassen sollte, er heißt mit Nachnamen Jennings, und sie wohnen in der gleichen Straße wie die Nordens. Außerdem bin ich zwanzig, und du brauchst dich nicht so anzustellen, wenn wir abends ausgehen.«
Georgia straffte sich. »Wie stelle ich mich denn an?« fragte sie.
»Ziemlich spießig«, erwiderte Nadine.
»Sei doch nicht so«, sagte Jessica leise. »Mami meint es doch nicht böse.«
»lch wünsche euch viel Spaß«, sagte Georgia müde. Ja, sie war sehr müde.
»Papa wird ja wohl auch bald kommen«, sagte Jessica. »Er wird sich ja für die Forschung nicht ganz aufarbeiten wollen.«
»Keine Diskussionen mehr, Jessi, mir hängen sie zum Halse heraus«, sagte Nadine, und gleich darauf fiel die Tür ins Schloß.
So ist das Leben, dachte Georgia, man hat es mir ja vorausgesagt, als ich Holger geheiratet habe. Mutter hat es gesagt, Ruth hat es gesagt, nur Vater war stolz, daß sich der junge Professor Schilling für mich entschieden hat. Aber Vater war ja auch besessen von seiner Arbeit. Und bei uns war es auch nicht anders als jetzt.
Knapp zwanzig war sie gewesen und Holger Schilling bereits vierunddreißig, als sie vor den Traualtar traten, aber sie hatte andächtig, ja anbetend zu ihm aufgeblickt. Und dann war sie mit ihm nach Amerika gegangen, wo er in einem Atomforschungszentrum eine führende Stellung hatte.
Nadine kam zur Welt, und sie hatte gar nicht mehr gespürt, wie wenig Zeit ihr Mann für sie hatte, und schon anderthalb Jahre später folgte dann auch Jessica.
Sie war von den lebhaften Kindern voll beansprucht worden. Ja, erst jetzt, neuerdings dachte sie darüber nach, daß sie von einer richtigen Ehe eigentlich gar nichts zu erzählen wüßte. Wie sollte sie da den Kindern einen Vorwurf machen, wenn ihnen der Vater fast ein Fremder geblieben war.
Erst vor fünf Jahren waren sie nach München zurückgekehrt. Leicht hatten es die beiden Mädchen nicht gehabt, sich in die veränderten Verhältnisse zu finden. Leicht war es für sie auch nicht in der Schule gewesen, den Anschluß zu finden.
Und sie selbst? Ja, sie waren wieder in der Heimat. Sie hatte sich drüben nicht wohl gefühlt. Sie hatte sich angepaßt, hatte sich ja immer anpassen müssen. Manchmal war ihr der Gedanke gekommen, daß Holger nur deshalb eine junge Frau genommen hatte, weil diese noch keine eigene Persönlichkeit entwickelt hatte.
Ja, sie waren dann in der Heimat angekommen, lebten nun aber in einer fremden Stadt, in der Georgia wieder keine Freunde hatte. Sie lebten in München, von dem alle Amerikaner schwärmten. Sie hatten ein sehr schönes Haus am Stadtrand, Nadine und Jessica fanden Freunde, und sie fanden München ganz herrlich.
Sie wurden erwachsen, und immer öfter war Georgia allein. Sie fühlte sich frustriert, aber darüber hatte sie bisher nur mit einem einzigen Menschen gesprochen, das war Dr. Daniel Norden.
Ablenken solle sie sich, ins Konzert gehen oder in die Oper, ins Theater, aber allein mochte sie nicht gehen und hier hatte Holger noch weniger Zeit als in den Staaten.
Die Mädchen hatten andere Interessen. Sie gingen lieber in die Disco oder auf Partys, sie machten auch Wochenendausflüge, und Georgia konnte nichts dagegen sagen. Jetzt waren sie ja mündig, wenngleich sie beide noch zur Schule gingen.
Daß sie selbst mal eine Party gaben, erlaubte Holger nicht, so gern Georgia auch die jungen Leute, mit denen ihre Töchter verkehrten, näher kennengelernt hätte. Überhaupt war Holger Schilling in letzter Zeit sehr eigenartig geworden. Oder ich bilde mir das nur ein, weil ich immer mehr spürte, daß dies keine Ehe mehr ist, sagte sich Georgia.
Sie entschloß sich jetzt, einen Abendspaziergang zu machen. Wenigstens einen solchen gönnte sie sich manchmal. Doch da kam ihr Mann nach Hause.
Wieder wurde sie von dieser seltsamen Unruhe ergriffen, als sie ihn auf das Haus zukommen sah. Sehr blaß war er, richtig hager geworden. Die Schultern hingen vornüber, der Blick war zu Boden gesenkt. Sie beobachtete ihn vom Fenster aus und sah, wie er stehenblieb und an seine Brust griff.
Sie lief zur Haustür, aber sie wußte genau, daß sie ihn nicht fragen durfte, ob ihm etwas fehle. Sie kannte die Antwort darauf ganz genau. Was du dir immer gleich einredest, lautete diese.
Doch an diesem Abend sagte er es selbst. »Mir ist nicht gut. Ich weiß überhaupt nicht, was los ist. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich muß etwas aufgeschnappt haben. Um mich herum hustet und nießt ja auch alles.«
»Ich mache dir einen Tee, Holger«, sagte sie.
»Vielleicht habe ich auch Hunger. Ich weiß gar nicht, ob ich heute schon etwas gegessen habe.«
Er war ein richtiger zertreuter Professor geworden. Jessica hatte es vorhin gesagt.
»Was möchtest du essen, Holger?« fragte sie geduldig.
»Was hast du denn da? Und wo stecken unsere Töchter?«
»Sie sind zu einer Party gegangen.«
»Sie haben wirklich nichts anderes mehr im Kopf«, nörgelte er. »Was soll bloß mal aus ihnen werden? Mein Vater hätte mir was erzählt, wenn ich mit zwanzig Jahren noch auf der Schulbank gehockt hätte.«
Er ist wahrscheinlich nie richtig jung gewesen, dachte Georgia, als sie ihm wunschgemäß ein Filetsteak zubereitete.
Aber kaum hatte er einen Bissen gegessen, schob er den Teller von sich.
»Ich habe keinen Hunger«, murmelte er. »Ich bin müde.«
Sie trat hinter ihn und legte ihre Hand auf seine Stirn, aber er wehrte sie heftig ab.
»Rede mir bloß nicht ein, daß ich krank bin. Ich habe noch viel zu tun, und am Montag muß ich in die Staaten fliegen.«
In diesem Zustand? dachte sie, er hat doch sogar Fieber. Aber sie sagte es nicht.
»Für wie lange?« fragte sie.
»Ich weiß es noch nicht. Vielleicht bleibe ich drüben. Ihr kommt dann nach, wenn die Kinder mit der Schule fertig sind.«
Und in diesem Augenblick wurde Georgia zum erstenmal bewußt, daß sie nichts mehr für ihn empfand.
»Ich gehe nicht noch einmal nach Amerika«, entfuhr es ihr.
Er kniff die Augen zusammen. »Das kannst du halten, wie du willst. Ich muß meine gute Zeit noch nützen.«
Gute Zeit? Ein Frösteln kroch über ihren Rücken. Steckt vielleicht eine andere Frau dahinter? fragte sie sich dann. Aber auch das machte ihr nichts aus.
Sie hörte, wie er im Bad gurgelte. Sie betrachtete sich im Spiegel. Eine Frau von vierzig Jahren und sehr ansehnlich war sie. Das konnte sie sich ohne Eitelkeit zugestehen. Sie war mädchenhaft schlank und gut gewachsen. Nadine hatte fast schon ihren Umfang, was dem Mädchen sehr willkommen war, denn gar zu gern zog sie die Kleider ihrer Mutter an.
Auch in bezug auf Nadine hatte Georgia ihre Sorgen.
Sie hatte ihre Heimlichkeiten, selbst wohl vor Jessica. Und es hatte den Anschein, als würde sie Jessica nur mitziehen, um sich durch sie ein Alibi für manches zu schaffen, was sie nicht eingestehen wollte.
Ich muß mit beiden mal reden, dachte Georgia. Es kann doch nicht alles auseinanderbrechen.
Doch wie schnell sollte sie das Gefühl und auch die Gewißheit bekommen, vor einem Abgrund zu stehen!
*
»Ich finde es nicht gut, daß wir Mami so oft allein lassen«, sagte Jessica zu ihrer älteren Schwester.
»Sie kann doch auch was unternehmen«, meinte Nadine gleichmütig. »Sie verkriecht sich in ihrem Bau und ist nur darauf bedacht, bei ihrem Tyrannen nicht anzuecken. Wenn mir ein Mann so etwas bieten würde, dem würde ich etwas erzählen.«
»Du sprichst jetzt von unserem Vater, Nadine«, sagte Jessica,