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Weltwärts nach Tansania: Ein Jahr als Freiwillige in Afrika
Weltwärts nach Tansania: Ein Jahr als Freiwillige in Afrika
Weltwärts nach Tansania: Ein Jahr als Freiwillige in Afrika
Ebook357 pages4 hours

Weltwärts nach Tansania: Ein Jahr als Freiwillige in Afrika

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About this ebook

Schon immer wollte die Autorin als Ärztin in afrikanischen Ländern tätig sein, doch wegen ihres langen Medizinstudiums lag dieses Ziel in weiter Ferne. Stattdessen gab´s erstmal Erfahrungen in einem afrikanischen Krankenhaus. Nach dem Abitur also ab in den Osten des afrikanischen Kontinents mit Unterstützung des „weltwärts“-Programms der Bundesregierung und ihres Trägers IN VIA Köln. Am Kilimanjaro, im Norden des Landes, war sie ein Jahr lang als Krankenschwester in einer kleinen Krankenstation namens „Faraja Health Care“ in Tansania eingesetzt.
In ihrem Buch schildert sie ihre Zeit vor Ort. Sie spart nichts aus in ihren Berichten, beschreibt sowohl Höhen als auch Tiefen des Lebens einer deutschen Freiwilligen in Tansania und überdenkt eigene und gesellschaftliche Strukturen und Denkmuster. Zwölf Monate werden so zusammengefasst und ein roter Faden wird erkennbar: Vom unsicheren Ankommen in fremder Umgebung und dem ersten Kontakt mit Kiswahili und Medizin, über die Annäherung an die Tansanier, den Erwerb neuer Verhaltensmuster, gesellschaftlicher Normen und vom Vokabelnpauken, von der Anpassung an das Leben vor Ort und den Krankenhausalltag bis zum Abschied nach einem Jahr. Es geht sowohl um alltägliche Dinge wie das Duschen aus einem Eimer und dem Essen mit den Fingern, als auch um Patientenschicksale und Medizin, die der unausgebildeten Freiwilligen zu schaffen machten.
Dieses Buch dient als die etwas andere Vorbereitungslektüre für diejenigen, die es ins außereuropäische Ausland zieht und die auf der Suche nach einer umfassenden Darstellung sind.
LanguageDeutsch
Release dateJan 25, 2016
ISBN9783860402610
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    Book preview

    Weltwärts nach Tansania - Lisa Lombardo

    info@interconnections.de

    Vorwort

    Auf den folgenden Seiten beschreibe ich ein Jahr meines Lebens. Zwölf Monate, die ich nicht wohlbehütet im schönen Deutschland verbrachte, sondern im Osten des afrikanischen Kontinents, in Tansania, wo ich als Freiwillige in einem Krankenhaus arbeitete. Ich hielt meine Erlebnisse in einem Blog fest, der dazu diente, mir alles von der Seele zu schreiben und gleichzeitig Freunde und Familie auf dem Laufenden zu halten. Das funktionierte sehr gut. Der Blog half mir sehr – mehr als das: Er wurde ein großer Erfolg. Immer wieder bekam ich Mails und Nachrichten von mir unbekannten Lesern, die dennoch mein Leben in Tansania mit Interesse verfolgten.

    Auch nach meiner Rückkehr half mir das Geschriebene. Ich nahm mir einige Zeit, um alles noch einmal zu lesen – noch einmal zu durchleben. Ich sah die große Entwicklung, die ich vollzogen hatte, wie einen roten Faden vor mir.

    Doch all das war nicht zu Ende gedacht. So entstand die Idee zu diesem Buch, einer überarbeiteten und kommentierten Version meines Blogs, die verdeutlichen soll, wie mich dieses Jahr veränderte. Wie sich meine Anschauung auf meinen Dienst, mich selbst, die ganze Welt gewandelt hat, wie sich Probleme mit der Zeit relativierten und an welchen Stellen neue auftraten.

    Dieses Buch stellt mit Hilfe der Blogartikel, die ich in Tansania erstellte, die Wahrnehmungen und Meinungen dar, die ich vor Ort zu den Geschehnissen hatte. Auf diese Texte folgt anschließend jeweils ein Kommentar, der nach Beendigung meines Dienstes, mit ein wenig Zeit und Abstand zu dem Erlebten, verfasst wurde.

    In den ersten Wochen in Tansania habe ich mich noch nicht mit Themen wie Rassismus, Stereotypen oder Entwicklungspolitik beschäftigt – das kann man aus meinen Artikeln herauslesen. Ich habe mich, obwohl ich viele Dinge aus dieser Zeit heute nicht mehr so schreiben würde, dennoch dazu entschieden, sie wörtlich zu übernehmen, um die Entwicklung in meinem Denken darzustellen. Dennoch ist jede Situation erst nach dem Lesen beider Texte als vollständig dargestellt anzusehen, nur die Kombination aus Blogartikel und Kommentar erläutert meine aktuelle Meinung zu den Erlebnissen.

    Die Adjektive „Schwarz und „Weiß werden bewusst großgeschrieben, weil sie nicht der Beschreibung vermeintlich biologisch begründeter Unterschiede dienen, sondern zwei Gruppen meinen, die aus Rassismus heraus konstruiert wurden.

    Außerdem muss vorab noch gesagt werden, dass ich nur über meine persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Erlebnisse sprechen kann und dieses Buch eine Darstellung meiner Meinung zu den Themen ist, die mich während des Jahres bewegt haben. Anhand dieser Schilderungen kann weder auf das Krankenhaus Faraja Health Care als Ganzes oder Himo als ganzes Dorf, noch auf Tansania als gesamtes Land oder gar Afrika als Kontinent geschlossen werden. Ich kann ausschließlich ein Bild meiner eigenen Erfahrungen wiedergeben, keine Abhandlung oder Lösung zu den Problemen, über die ich beschreibe.

    Ich wünsche mir eine offene Herangehensweise an die Lektüre dieses Buches und hoffe, die Leser hinterfragen Strukturen, Denkmuster und Verhaltensweisen.

    Lisa Lombardo

    Busbahnhof. morgendliche Eile bei den Verkäuferinnen

    ___________________________________

    Auslandsaufenthalt, Bildung, Jobben

    Tausende von Möglichkeiten, kostengünstig oder gar umsonst die Welt anzusehen. Ratgeber zu den Themen Aupair, Freiwilligendienste, Jobs, Praktika, Working Holiday

    www.interconnections-verlag.de

    Tansania

    Ankommen

    Dar es Salam und quer durchs Land

    1.Woche

    Nach der Panik der letzten Wochen und der Traurigkeit der letzten beiden Tage, die nur aus Verabschiedungen bestanden, überlagerten endlich Aufregung und Vorfreude alle Zweifel. Gemeinsam mit meinen beiden Mitfreiwilligen Tamino und Teresa, war ich in Addis Abeba, Äthiopien, angekommen. Nach einem kurzen Zwischenstopp flogen wir weiter nach Dar es Salam in Tansania, wo wir ein Jahr lang leben und arbeiten sollten. Ich würde in einem Krankenhaus arbeiten, Teresa und Tamino sollten in verschiedenen Schulen eingesetzt werden. Nächsten Monat würde noch Anne, eine Hebamme, zu uns stoßen.

    Die Angst um unser Gepäck war unbegründet gewesen. Alles war angekommen, fast alles war unversehrt geblieben.

    Der erste Tag, den wir in Dar es Salam verbrachten, war seltsam. Als wir unsere Visa im Immigration Office abholen wollten, war dieses bereits geschlossen. Mit Hilfe der „guten Beziehungen" unseres tansanischen Mentors Father Makiluli erhielten wir die Visa nach kurzem Warten trotzdem. Man teilte uns mit, dass wir später jedoch Probleme bekommen würden, denn leider liefen die Visa viel zu früh oder zu spät ab. Das wollte Father in einem Monat klären, wenn er Anne, die vierte Freiwillige im Bunde abholen würde.

    Nachdem wir noch vier Stunden im Berufsverkehr festgesteckt hatten, checkten wir endlich im Hotel vom „really best friend of Father Makiluli" ein. Die Unterkunft war richtig gut. Nur die Dusche, deren Duschkopf nicht funktionierte, sondern in der lediglich ein Wasserhahn zirka einen halben Meter über dem Boden installiert war, trübte etwas die Stimmung. Man kann sich vorstellen, wie komfortabel diese Dusche war. Trotzdem war sie sehr erfrischend, nach einer Reise von fast vierundzwanzig Stunden.

    Am nächsten Morgen gingen wir um halb sechs zur Busstation, wo ich mich zum ersten Mal unwohl fühlte, weil unzählige „Kondukta" auf uns losstürmten, die uns überreden wollten, mit ihrem Bus zu fahren, und wie wild auf uns einredeten. Ich hätte mehr Swahili lernen sollen.

    Das Gleiche dachte ich mir an der Raststätte, wo ich nicht einmal in der Lage war, mir etwas Essbares zu bestellen. Ohne Father hätten wir in den ersten Tagen nichts hinbekommen. Mit seiner Hilfe aßen wir Chipsi (Pommes Frites) und kamen nach neun Stunden in Himo an.

    Während der Fahrt, wenn wir mal nicht schliefen, sahen wir Afrika pur. Kleine Dörfer am Rand der Straßen, winkende Kinder und die Faszination, die Mzungu (Weiße) bei unseren Mitfahrern auslöste. Sie vergruben ihre Hände immer wieder rein zufällig in unseren Haaren oder berührten zwischen den Sitzen hindurch unsere Arme.

    Nach neun Stunden auf einer unerwartet guten Straße kamen wir in unserem Zuhause auf Zeit an. „Das letzte Staubloch", sagte Philip, einer unser Vorgänger. Er und Cora würden noch eine Woche gemeinsam mit uns hier verbringen, weshalb ich auch noch nicht mein Zimmer beziehen konnte. Also war ich zunächst in meinem Zuhause auf Zeit, in einem Zimmer auf Zeit, das war aber für den Anfang in Ordnung.

    Nachdem wir das Nötigste ausgepackt hatten, gingen wir zum Sapa (Abendessen) ins Kilacha von Father: Dort trafen wir all die Menschen, die in den nächsten zwölf Monaten wichtig für uns werden sollten und uns mit offenen Armen empfingen: Die Schwestern aus den Grundschulen, sowie Doctor und Mama Minja, die das Krankenhaus leiteten, in dem ich arbeiten würde. Es gab sehr gutes Essen, das hier mit den Fingern gegessen wurde, Blessings (Segenswünsche), gute Wünsche und Karibus (Willkommensgrüße) von allen Seiten. Ich fühlte mich also sehr wohl, war gespannt auf die erste Nacht und glaubte, dass dies hier ein richtiges Zuhause werden könnte.

    Am nächsten Morgen fuhren wir mit Philip nach Moshi, um weitere Dinge zu besorgen, nämlich Geld zu wechseln und eine afrikanische Sim-Karte zu kaufen, damit ich endlich mal Zuhause anrufen konnte, was sonst nämlich ein kleines Vermögen gekostet hätte.

    Afrikabilder

    Wenn ich heute an den Tag der Ausreise vor mittlerweile mehr als sechzehn Monaten zurückdenke, sehe ich nur mein „naives Selbst" vor mir. Ich hatte mir nicht im Geringsten vorstellen können, was auf mich zukommen würde. Was ich alles erleben würde. Wäre ich auch gegangen, wenn ich gewusst hätte, was alles passieren würde? Ich bin mir nicht sicher.

    Ich stieg jedoch „voller Vorfreude ins Flugzeug und ließ Deutschland für ein Jahr hinter mir. Welche Vorstellungen mich begleiteten, mich überhaupt dazu gebracht hatten, zu gehen, wird schon im ersten Artikel sehr deutlich, europäische Afrika-Romantik. „Afrika pur schreibe ich an einer Stelle. Was bedeutet das?

    Für mich hieß das damals – und für die meisten Deutschen bedeutet das immer noch – „ein Land der Widersprüche": Savanne und Hunger. Löwen und AIDS. Bananen und Krieg. Armut und deutsche Entwicklungshelfer, die das Land voranbringen. Es dauerte eine lange Zeit, bis ich mich von diesem stereotypen Denken lösen konnte.

    Warum zum Beispiel fällt es Europäern so schwer, Afrika als Kontinent zu bezeichnen? Europäer sprechen immer vom „armen Land Afrika. Afrika ist jedoch ein Kontinent mit über fünfzig unabhängigen Staaten. Das ist den meisten Europäern bewusst, aber dennoch ist die Bezeichnung nicht aus der deutschen Sprache wegzudenken. Liegt das daran, dass wir uns so wenig mit den verschiedenen Kulturen Afrikas auseinandersetzen, sodass wir keine Unterschiede sehen? Scheren wir deshalb alle afrikanischen Länder über einen Kamm? Liegt es an der europäischen Berichterstattung über afrikanische Länder in den Medien, in der immer nur die gleichen Eindrücke dargestellt werden? Wenn in jedem afrikanischen Land Hunger, Leid und Krieg herrschen, kann man es gleich unter einem Namen zusammenfassen: „Armes Afrika! Oder ist aus Kolonialzeiten immer noch der Wille in uns, alles so zu bezeichnen, wie wir es für richtig halten, weshalb noch hundert Afrikaner zu uns kommen und um die „Unabhängigkeit ihrer Herkunftsländer in der deutschen Sprache" bitten können – wir Weißen sprechen wie wir wollen.

    Als ich also an meinem ersten Tag, auf meiner ersten langen Reise durch Tansania von Dar es Salam an der Küste nach Himo im Norden des Landes, von „Afrika pur" sprach, meinte ich, dass es aussehe, wie es für Europäer auszusehen habe. Außerhalb von Dar es Salam folgen recht schnell große, weitgehend dünn besiedelte Teile Tansanias; Savanne also. Außerdem sieht man so manches Dorf, das wir aus europäischer Sicht als arm bezeichnen würden.

    Die Großstadt Dar es Salam passt nicht ins Bild. Sie ist schwierig einzuordnen, weshalb ich sie ignorierte. Das hatte ich schon so erlebt, als ich vor zwei Jahren vier Wochen lang in Kenia arbeitete. Dort war es mir die ersten Tage sehr schlecht ergangen, weil wir uns in Nairobi aufhielten und diese Stadt so gar nicht in mein Bild von Afrika passte. Ich war aber mit dem Ziel, im „armen Afrika helfen und sinnvolle Arbeit leisten zu wollen, nach Kenia gereist (genau wie ein Jahr später auch nach Tansania). Wenn man dann in Großstädten wie Nairobi oder Dar es Salam ankommt, wird deutlich, dass diese Vorstellungen und Ziele berichtigt werden müssen. Doch das ist schmerzhaft für den Gutmenschen, sodass er Großstadterfahrungen ausblendet und sich an die Eindrücke, die zu seinen Vorstellungen passen, klammert, um sein Bild von Afrika und das seiner selbst aufrecht erhalten zu können. Dies will ich jedoch weder europäischen Touristen oder Freiwilligen, noch meinem „naiven Selbst vorwerfen: Es braucht Zeit und Erfahrung, um „hinter die Kulissen" schauen zu können, Strukturen und Denkmuster zu erkennen und diese zu hinterfragen.

    Aber wie an einigen Stellen ersichtlich ist, beginnt dieser Prozess des Erkennens mit der Ankunft. Zumindest hat er bei mir schon in den ersten Stunden eingesetzt: Die Straßen sind „unerwartet gut, das Internet „gar nicht so langsam wie erwartet. Doch es sollte noch Monate dauern, bis ich meine Vorurteile weitgehend abschütteln konnte.

    Lauter erste Male

    1. Woche

    Das war sie also: Meine erste Woche 6.845 km von Zuhause entfernt, die eine Million neuer Erfahrungen bereithielt. Da war zum Beispiel meine erste Nacht im neuen Zuhause, unter meinem geliebten Moskito-Netz. Ich hatte lange nicht mehr so gut geschlafen, obwohl draußen fast rund um die Uhr Lärm herrschte: Motorräder knatterten, Hühner gackerten, der Hahn krähte ab drei Uhr morgens einmal die Stunde, Kinder spielten, Männer diskutierten, Kühe muhten, und solange der Strom da war, dröhnte uns Bongo Flava (Swahili-Hip-Hop) von beiden Seiten zu. Das war der einzige Nachteil daran, zwischen zwei Bars zu wohnen. Der Strom war aber, laut Philip leider oder Gott sei Dank, in den letzten beiden Monaten immer wieder unterbrochen. Meist war er tagsüber, wenn man ihn weniger brauchte, vorhanden, aber sobald die Sonne gegen halb sieben unterging weg, so dass wir mit unseren Dynamo-Taschenlampen durch das Haus tapsten. Das einzig Störende daran war nur, dass man im Dunkeln auf dem Plumpsklo im Hof immer mit mehrbeiniger Gesellschaft rechnen musste. Bis jetzt habe ich aber nur eine Kakerlake in der Küche getroffen.

    Schlimmer wurde es zu Ende der Woche, als der Strom über vierundzwanzig Stunden am Stück ausgefallen war. Wie ich von Dr. Minja erfuhr, war dies kein Problem schlechter Leitungen, sondern des Strommonopols in Tansania. Der einzige Stromlieferant des Landes, Tanesco, erzeugte Strom nämlich zu einem Großteil per Wasserkraft. Leider war im Moment, in der Trockenzeit, so wenig vorhanden, dass nicht mehr genügend für das ganze Land geliefert werden konnte sondern streng rationiert werden musste. In dieser Woche war also der Schalter für unseren Bezirk abgestellt. In der letzten Nacht der Woche hatte es aber so stark geregnet, dass wieder Hoffnung auf ein Anstellen vor Beginn der Regenzeit im November aufkeimte.

    Das nächste „erste Mal" war an meinem ersten Morgen hier: Die erste Dusche ohne fließendes Wasser. Das war lustig und angenehmer als die Dusche in Dar es Salam. Also: Man nahm einen großen und einen kleinen Eimer, füllte den großen mit eiskaltem Wasser aus dem Tank im Hof und kippte das Wasser mit dem kleinen Eimer über sich. Das funktionierte bestens, und ich bin stolz, dabei stets nur einen halben Eimer Wasser verbraucht zu haben. Meine Technik würde sich bestimmt noch verbessern lassen. Trotzdem gab ich die Hoffnung auf, irgendwann mal wieder saubere Füße zu haben, denn überall war dieser feine rote Sand, der sich vor allem von den Füßen nicht mehr löste. Das erging uns jedoch allen so und störte deshalb nicht weiter. Man konnte sich sein Wasser natürlich vor dem Duschen auch erhitzen, was ich überflüssig fand. Für uns Neuankömmlinge war es richtig heiß. Obwohl es 26°C warm war, froren sowohl Cora und Philip wie auch die Einheimischen. Es wurde jetzt aber von Monat zu Monat heißer, sodass ich wohl im nächsten Sommer bei diesen Temperaturen auch gerne Mütze und Winterjacke anziehen würde.

    Zu Beginn der Woche waren wir das erste Mal in Moshi, der nächsten größeren Stadt im Umkreis. Wir fuhren mit Philips Land Rover, was sehr schnell und sehr entspannt ging. Beim nächsten Mal fuhren wir mit dem Dalladalla, weil Philips Wagen mal wieder kaputt war, weshalb er in der Werkstatt stand. Zwischenzeitlich wurde er wieder repariert, war wieder kaputt und wurde nochmals repariert. Dalladallas sind Kleinbus-Taxis, die für neun Leute plus Fahrer gebaut, in Tansania aber mit zwanzig bis dreißig Mitfahrern besetzt wurden. Das war eine lustige Angelegenheit und außerdem ein gutes und billiges Beförderungsmittel. Mit dem Dalla brauchte man zwischen einer halben und einer ganzen Stunde für die Strecke zwischen Moshi und Himo. Für die Hinfahrt bezahlte man 700 tansanische Schilling (35 €Cent), für die Rückfahrt 1.000 TSH (50 €Cent).

    Beim ersten Besuch in Moshi kaufte ich meinen ersten Kanga. Kangas sind afrikanische Multi-Funktionstücher, die von den Frauen hier als Röcke, Oberteile, Kopfbedeckung, Tragesack für ihre Kinder und als Ausdrucksmöglichkeit genutzt werden. Die Kangas sind mit verschiedenen Sprüchen bedruckt, die früher, wie zum Teil auch heute noch, die einzige Möglichkeit der Meinungsäußerung für Frauen waren.

    Beim Abklappern von verschiedenen Läden und kurzen Gesprächen mit an Wazungu (Weißen) interessierten Einheimischen fühlte ich mich immer sicherer, wurde lockerer, verstand immer mehr Swahili und baute mehr davon in mein Englisch ein. Deshalb zogen Teresa und ich, selbstsicher wie wir jetzt waren, alleine los, um bei Frankie, einem der wenigen Ladeninhaber, der nicht versuchte, an Weißen das Dreifache zu verdienen, Wasser und Vocha (Handy-Guthaben) zu kaufen. Das war ein mittelgroßer Fehler! Denn am nächsten Tag mussten wir wieder nach Moshi fahren, um neue Handys zu kaufen. In dem ganzen Stress, auf Swahili-Englisch einzukaufen, habe ich nicht registriert, dass tansanische SIM-Karten keinen PIN haben. So habe ich mein Handy gesperrt und brauchte nun ein Neues.

    Das Einzige, was wirklich schlimm für mich war, war die Unselbständigkeit. Ich hoffte, dass sich das in den nächsten Tagen oder Wochen ändern würde. Ich merkte aber, wie schnell ich lernte. Beim Einkaufen zum Beispiel, wenn ich reden musste, lernte ich automatisch. Ich war also im Gegensatz zu meinem ersten Tag durchaus in der Lage, mir etwas zu essen zu bestellen oder ein Kanga zu kaufen. Ich musste mich auch über kleine Erfolge freuen.

    Die nächsten hundert ersten Male erlebte ich beim Essen. Sapa am ersten Abend mit Ndizi (Kochbanane), Wali (Reis) und Mboga (Spinat). Chipsi Mayai (Chipsi sind Fritten und Mayai ist Ei. Zusammen wurde daraus ein Omlett mit Fritten) und Obstsalat mit Joghurt und Honig im besten Café in Moshi.

    Ebenfalls gewöhnungsbedürftig, wie die Unselbstständigkeit, aber auch lehrreich, war es, überall aufzufallen und von den meisten Menschen auf die eigene Hautfarbe reduziert zu werden. Egal, wo man hinkam, immer war jemand da der „Ey Mzungu (Weißer)!" hinter uns herrief. Vor allem Männer waren nicht sehr zurückhaltend mit ihren Absichten.

    Auch das ständige „Jambo!, das im Swahili so nicht existiert, nervte und verärgerte, wenn man seine Absicht kannte. Jemand der auf „Jambo antwortete, outete sich damit als naiver Tourist und konnte mit dem dreifachen Preis für alle Waren rechnen. Wenn man, wie wir, jedoch „Sijambo oder „Shikamoo, die richtigen Begrüßungsformeln, zurückrief, merkten die meisten Tansanier, dass man sich ein bisschen auskannte und ließen mit sich handeln. Dann zahlten wir meistens einen anständigen Preis, den auch ein Einheimischer bezahlen musste. Auch lustig war die Anrede „Hello Rafiki!. „Rafiki heißt Freund. Als solcher wurde man hier schnell bezeichnet, wie Philip uns erzählte, auch von Leuten, die man überhaupt nicht kannte.

    Am Freitag sollten wir das erste Mal in unsere Einsatzstätten gehen. Father Makiluli wollte uns abholen und uns zu den einzelnen Stellen bringen, damit wir sie besichtigen konnten. Philip meinte schon, dass wir vor zehn Uhr nicht mit Father rechnen müssten. Um halb zwei suchten wir uns dann etwas Essbares, da von Father immer noch jede Spur fehlte.

    Wir waren das erste Mal ganz ohne Swahili sprechende Hilfe am Chapati-Stand und haben richtig gut und preiswert gegessen. Chapati sind leckere Fladen, mit einer Art Bohnensuppe, die zwar niemand von uns bestellt hatte, aber trotzdem schmackhaft waren. Das Ganze bekamen wir dreimal in großen Portionen für insgesamt Eintausendachthundert TSH (90 €Cent).

    Anschließend begaben wir uns dann alleine auf den Weg in das Faraja Health Care, das Krankenhaus, in dem ich arbeiten sollte, welches direkt in unserer Straße lag. Dr. Minja, mein Chef, hatte natürlich wie immer keine Zeit, sodass uns eine der Schwestern kurz durch die Räumlichkeiten führte, die auf den ersten Blick zumindest echt gut aussahen.

    Dann saßen wir wieder in unserem Wohnzimmer, bis uns Father um viertel nach vier am Nachmittag doch noch abholte. Wir besuchten die beiden Grundschulen von Teresa und Tamino. Anschließend lud uns Father zum Chai ya maziwa (Tee mit Milch) zu sich nach Hause ein. Dort erlebten wir typisch tansanische Gastfreundschaft: Wir wurden an einen Tisch gesetzt, bekamen Chai und Erdnussbutter-Sandwiches gereicht und Father ging. Alleingelassen zu werden, ist eine große Ehre für Gäste, weil es ausdrückt, dass ihnen der Gastgeber vertraut. Nach einer halben Stunde kam Father wieder zurück und brachte uns nach Hause.

    Von dort aus ging es jedoch gleich weiter zu den Minjas zum Abschiedsessen von Cora und Philip, die bald mit ihrem Land Rover in Richtung Deutschland aufbrechen wollten. Zuerst wurde Keki (Kuchen) von den Ehrengästen Cora und Philip angeschnitten. Danach fütterten sie einander und dann ihre Gäste. Das ist eine lustige Tradition. Anschließend gab es natürlich jede Menge richtig gutes Essen: Reis, Nudeln, Mboga, Chipsi, allerlei Fleisch und Melone.

    Als wir alle zusammen saßen, sagte Doctor, dass Carla (meine Vorgängerin) Vegetarierin gewesen sei und dass er hoffte, dass wir alle „normal seien. Darauf meldete ich mich zu Wort und erklärte, dass ich auch nicht „normal sei und ebenfalls kein Fleisch esse. Gut, dass ich das hinter mich gebracht habe. Es ist akzeptiert! Gott sei Dank!

    Blick über Himo vom Dach des Krankenhauses aus

    Samstag war die Abschlussfeier von Coras siebter Klasse in der St. Ritaliza School in Holili, in der Teresa bald arbeiten würde. Die Schule lag wunderschön auf einem Berg, sodass man links das Flachland Kenias und rechts die Pare und Usambara Berge Tansanias sehen konnte. Den Kilimandscharo haben wir leider immer noch nicht gesehen, obwohl er von unserer Haustür aus sichtbar sein sollte. Jedoch nicht bei diesem wolkigen Wetter. Father sagte, der Berg sei gerade im Badezimmer, um sich zu stylen. Hoffentlich zeigt er sich bald.

    Aber zurück zur Schulfeier. Das war eine anstrengende Sache, obwohl ein schönes Programm geboten wurde. Die Kinder haben gesungen und getanzt, Reden gehalten, und es wurde gebetet. Das Problem an der ganzen Sache war nur, dass sie sich über sechs Stunden hinzog. Wir hatten nicht mal gefrühstückt. Außerdem wurde natürlich fast nur Swahili gesprochen, was uns sehr ermüdete. Wir waren völlig fertig, als um halb vier endlich das Chakula (Essen) serviert wurde, das aus der typischen Mischung Reis, Nudeln, Gemüse, Ndizi (Kochbananen) und Fleisch bestand. Es war nur leider nicht ganz so gut wie bei Mama Minja, denn obwohl Tamino netterweise mein Fleisch herausfischte, habe ich unverhofft auf diversen Knochenteilen herum gekaut.

    Wir waren froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Sogar Strom gab´s

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