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Die Wupper
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Ebook111 pages1 hour

Die Wupper

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Die Wupper ist ein vielfältiges und eigenwilliges Schauspiel. Das erste Drama der Dichterin thematisiert soziale und religiöse Gegensätze im Industriemilieu des Wuppertals. Anstelle der klassischen Handlungsentwicklung, die noch Gerhart Hauptmann bevorzugte, werden schlaglichtartig und atmosphärisch verdichtet Szenen aneinandergereiht. An den Schicksalen von Mitgliedern der Unternehmerfamilie Sonntag und der Arbeiterfamilie Pius werden existenzielle Grundfragen dargestellt.

Bei der ersten Aufführung nach dem Krieg, 1958 in Düsseldorf, in der Inszenierung von Hans Bauer und mit dem Bühnenbild von Teo Otto, kam es zu wütenden Protesten. Im 1966 neu eröffneten Schauspielhaus Wuppertal war Die Wupper dann ein großer Triumph.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 25, 2016
ISBN9783960551522
Die Wupper

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    Die Wupper - Else Lasker-Schüler

    Impressum

    Die Wupper

    Else Lasker-Schüler

    ISBN 9783960551522

    erstmals erschienen 1909

    Rechte an dieser Ausgabe:

    Ideenbrücke 2016

    Personen

    Frau Charlotte Sonntag, Fabrikbesitzerin

    Ihre Kinder:

    Heinrich

    Eduard

    Marta

    Dr. jur. Bruno von Simon

    Großvater »Großvatter« Wallbrecker

    Amanda Pius, seine Tochter

    Carl Pius, sein Enkel

    Mutter Pius, Carls Großmutter väterlicherseits

    Drei Herumtreiber:

    Der Pendelfrederech

    Lange Anna

    Der gläserne Amadeus

    August Puderbach, Färber

    Lieschen, sein Schwesterchen

    Grete Stomms, Lieschens Freundin

    Willem, Zuhälter, ehemaliger Weber

    Rosa, die Riesendame

    Die Herren mit dem grauen Zylinder

    Dienstboten im Hause Sonntag:

    Auguste

    Berta

    Fabrikarbeiter, Fabrikarbeiterinnen, Herumtreiber, Kroatenjungen, Jahrmarktleute, Kinder usw.

    Der erste und vierte Aufzug spielen im Arbeiterviertel, der zweite im Garten vor einer Villa, der dritte auf dem Jahrmarkt, der fünfte in einer Art Gartenzimmer derselben Villa. Die Schlußverwandlung des fünften Aufzuges spielt im Arbeiterviertel.

    [Anm.: Die Sprache ist dialektal geprägt. Auch der unsichere Gebrauch schwieriger hochsprachlicher Ausdrücke ist beabsichtigt und nicht Folge von Druckfehlern.] 

    Erster Akt

    Arbeiterviertel einer Fabrikstadt im Wuppertale. Hintergrund bergiger Wald. Links im Tal fließt ein schmaler Wupperarm, nach hinten in einer Biegung auslaufend. Über den Fluß führt eine Brücke zu einem Weg, an dem Pius’ zerfallenes, einstöckiges Häuschen liegt. Rechts hinten ein Gäßchen mit hohen, alten, schmutzigen Arbeitermietshäuschen. Im ersten, nur noch halbsichtbaren Hause wohnen im obersten Stockwerk Puderbachs.

    Links von der Wupper eine Wiese – in der Ferne sieht man dampfende Schornsteine von Fabriken und andere Häuser usw.

    Vor Pius’ Häuschen steht eine Bank, neben dieser ein breiter Strauch. Vor einem Steg, der im Hintergrund in den Wald führt, brennt eine alte Laterne, die während des ersten Aufzuges langsam erbleicht.

    Großvatter Wallbrecker; Carl Pius; Frau Amanda Pius; Mutter Pius; Lieschen Puderbach; August Puderbach; der Pendelfrederech; Lange Anna; der gläserne Amadeus; zwei Helfershelfer; Kroatenjungen.

    Großvatter Wallbrecker: Hör auf dein’ alten Großvatter, Carl, schmeiß den Gelehrtenkrams beis Gerömpel. Du bist man so recht was für’n Meister, Gesellen müßt de unter dein Kommando hab’n.

    Carl: Laß mich man erst Pastor sein, Großvatter, dann werden die Meister meine Gesellen.

    Großvatter Wallbrecker: Und das Liesken drüben sollst du doch frein.

    Carl (überlegen wie zu einem Kind): Die heirat mich um so lieber.

    Großvatter Wallbrecker: Fünfundzwanzig Jahr hab ich mit dem Liesken sein Großvatter am Webstuhl gesessen, und doch war das Leichentuch zu klein für uns zwei. – (Pause) – Es nimmt en Pastor schon, aber, zum gelehrten Mann gehört en feines Weib un zum Pastor eine Pastorin – un der alte Großvatter gehört auch nicht rein ins Treibhaus!

    Carl: ’nen bequemen Sorgenstuhl kauf ich dir, Großvatter, auf einem weichen Polster sitzt du und tust den ganzen Tag nix andres wie schlafen, spazierengehen und schmökern. Was sagst de dazu, Vatter Wallbrecker?

    Großvatter Wallbrecker: Mit die Kaplans komm ich in Kollektion, daß Vatter Wallbreckers Enkelsohn Pastor is, sie haben mich schon das Haus eingelaufen wegen dein Vater sein lutherschen Glaubens.

    Carl: An was du alles denken tust.

    Großvatter Wallbrecker: Tum Tingelingeling, Carl, die alte Truthenne hat auch dein Vater immer in die Ohren gelegen. Ein fleißiger Färber wars; (zeigt auf das Wasser der Wupper) da rinnt sein Blut. — Fällt dem mit einmal ein, er taugt für die Arbeit nich mehr, un giftig is er geworden auf sein Herrn und seine Gemahlin. Aufgeblasen war se ja man mit die seidene Röck, aber en Hochmut darf sie ja hab’n bei so viel Geld. Am hellen Tag auf dem Marktplatz hat er ihren adeligen Bloßen verhaun.

    Carl: Das hat dir woll großen Kummer gemacht, Großvatter, weil du es nicht vergessen kannst.

    Großvatter Wallbrecker: Tum Tingelingeling, ein Jahr hab’n sie ihm für seine Missetat ins Loch gesteckt.

    Carl Beileid bezeugend.

    Großvatter Wallbrecker: Er war ja sonst ein ehrlicher Arbeiter gewesen. (Carl nickt.)

    Großvatter Wallbrecker: Un die alte Truthenne hat ihm bald besucht. Mit ihre Quacksalben hat sie eine feine Madame den Brand an de Waden geschmiert. Siehst de, Carl, un nu meint Amanda, dir steckt man auch mal rein wie dein überdrüssiger Vatter und deine studierte Großmutter.

    Carl: Die Zeiten hab’n sich geändert, Großvatter.

    Großvatter Wallbrecker: Siehst de, da hab’n wirs, bald denkst de auch an dein alten Großvatter Taback nich mehr (Kindlich schlau).

    Carl: Laß man gut sein.

    Großvatter Wallbrecker: Wie alt bist de nu, Jung! Puderbachs Aujust bringt schon zehn Taler nach Haus. Da läuft er mit seine Schwester, wie mit sein Schatz.

    Man sieht beide geschwisterlich vom Wald heimwärts kommen.

    Carl: Und ich werd das Dreifache verdienen, laß mich man Zeit, bin ich erst Pastor, tust de alle Tage dein Leibgericht knappem.

    Großvatter Wallbrecker (bedenklich): Wenn es de alte Truthenne mich nich auffressen tut.

    Carl: Die bleibt hier an der Wupper in ihr Haus wohnen.

    Großvatter Wallbrecker: Und du willst in de fremde Residenz predigen? Tum Tingelingeling, in die luthersche Lutherkirche hier mußt de von de Kanzel herunter auf all die reichen Muckerköppe brüllen. (Kleine Pause) Und ich werd auch auf meine alten Tag en Ketzer werden, wenn es not tut – dich zulieb, Carl. Ich hab das (schlägt ein Kreuz) doch verlernt (weinerlich), wenn man so immer dran hängen tut.

    Carl: Es ist schon spät, Großvatter, ich bring dich in de

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