Paul Clifford Band 7
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Edward Bulwer-Lytton
Edward Bulwer-Lytton, engl. Romanschriftsteller und Politiker, ist bekannt geworden durch seine populären historischen/metaphysischen und unvergleichlichen Romane wie „Zanoni“, „Rienzi“, „Die letzten Tage von Pompeji“ und „Das kommende Geschlecht“. Ihm wird die Mitgliedschaft in der sagenumwobenen Gemeinschaft der Rosenkreuzer nachgesagt. 1852 wurde er zum Kolonialminister von Großbritannien ernannt.
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Book preview
Paul Clifford Band 7 - Edward Bulwer-Lytton
Fünfunddreißigstes Kapitel.
Wie kommt es doch, daß uns zu Zeiten, überwältigend aber unbeschreiblich, eine Angst, eine Bangigkeit beschleicht? Wie kommt es, daß wir schaudern ohne eine Ursache, und das warme Lebensblut in seinem Lauf stocken fühlen? Sind uns die Todten nahe?
Falkland.
Was sagst Du? Gräßlicher Gedank'! ich fühl' ihn
Mein eisig Herz umwinden, wie die Schlange
Sich tödtlich, sicher um die Beute ringelt!
* * * *
Was! in der todesstillen Einsamkeit
Floh diese fürchterliche Seele?
Liebe und Haß.
Den Abend, der dem Morgen voranging, wo obiges Gespräch vorfiel, brachte Brandon allein in seinem Quartier in – – zu. Er hatte sich zu unwohl gefühlt, um dem gewöhnlichen Gelage anzuwohnen, und saß in trägem Brüten da in der Einsamkeit des altmodischen Zimmers, das ihm angewiesen worden war. Zwei Wachskerzen auf dem platten, hübschen Tisch, kämpften mit mattem Lichte gegen die Düsterheit des schwerfälligen Getäfers, das in sparsamen Zwischenräumen durch Porträte in eichenen Rahmen gehoben wurde, schmutzig, plump und wichtig aussehend durch die Pracht verbrämter Röcke und niederhängender Perücken. Die Vorliebe der Wirthin für den neuern Geschmack hatte jedoch zu beiden Seiten des ungeheuern Camins neuere Meisterstücke der schönen Künste aufgehängt. In sinnbildlicher Herrlichkeit hingen da die Bilder der vier Jahrszeiten, lauter üppige Weibergestalten, den Winter ausgenommen, der gar häßlich im Bilde eines alten Kerls verkörpert war. Dazwischen hing ein Kupferstich von Lord Mauleverer, dem Statthalter der benachbarten Grafschaft, der in seiner Peerstracht äußerst majestätisch aussah, und drei Abbildungen von Glaube, Liebe, Hoffnung – weibliche Wesen, von denen bezweifelt werden mochte, ob der muntere Graf je zuvor eine so enge Bekanntschaft mit ihnen gepflogen hatte. Vorhänge von dem altmodischen Zitz, wo Büschel von Streifen mit Reihen Blumen abwechseln, füllten die Zwischenräume von drei Fenstern; ein schwerer Wandtisch nahm den größern Theil einer Wandung ein; und ihm gegenüber, im Rücken Brandons, war eine mächtige spanische Wand ausgespannt und erhöhte die einsame und gleichsam öde Behaglichkeit des Zimmers.
Das Licht fiel blaß und schwach auf Brandons Gesicht, als er in seinem großen Stuhl dasaß, die Wange auf eine Hand gestützt und mit dem unbewußten Ernst der Zerstreuung in das helle Feuer starrte. In diesem Augenblick stürmte eine ganze Legion von düstern Gedanken in schneller Aufeinanderfolge durch seine Seele. Sein früher Ehrgeiz, seine unglückselige Heirath, die Ursachen seines spätern Steigens in der unrichtig urtheilenden Welt, das erste Aufdämmern seines Rufs, seine reißenden und schmeichelhaften Fortschritte, seine jetzige Erhebung, seine sehnsüchtige Hoffnung auf noch viel höhere Stellen, nach aristokratischen Ehren – alle diese Bilder schwebten ihm in einer Mischung von Licht und Schatten vor: aber immer gesellte sich zu ihnen Eine beunruhigende dunkle Erinnerung – der Verlust seines einzigen Sohnes.
Weil mit seinem Ehrgeiz sich der Wunsch verflocht, den Stolz seines anererbten Namens wieder zu beleben, machte ihn jeder Zuwachs an Vermögen oder Ruhm nur noch begieriger, den Einzigen aufzufinden, der diese hohlen Auszeichnungen bei seinem Geschlecht auf die Dauer erhalten konnte.
»Ich werde ihn doch noch entdecken!« brach er plötzlich laut aus. Bei diesen Worten durchschauerte ein rascher – heftiger – krampfhafter Schmerz seinen ganzen Körper, und fixirte sich dann einen Augenblick auf seinem Herzen, wie wenn sich ein Raubvogel daran ankrallte; er ging vorüber und darauf folgte eine tödtliche Erschöpfung. Brandon stand auf, füllte sich ein großes Glas mit Wasser und trank es hastig. Die Erschöpfung ging vorüber wie zuvor der Schmerz; Brandon hatte in neuester Zeit dieß Gefühl oft gehabt und nicht beachtet, denn nicht leicht war Jemand weniger als er mit der Selbstquälerei der Hypochondrie behaftet; aber jetzt, in dieser Nacht, sey es, daß der Anfall heftiger war als sonst, oder daß seine Gedanken die Saite berührt hatten, welche natürlicherweise die ängstlichsten Empfindungen im Menschen aufregt, – wir wissen es nicht zu sagen, aber als er sich wieder setzte, schoß der Gedanke an seine herannahende Auflösung wie ein eisiger Pfeil durch sein Herz.
So ganz war dieser Entwürfe brütende Mann auf das bewegte Leben der Welt gerichtet, und so wenig waren seine Gedanken gewohnt, sich dem letzten Ziel aller Dinge zuzukehren, daß dieser sich ihm plötzlich aufdrängende Gedanke ihn wie ein Gespenst bangen machte. Er fühlte die Röthe von seinen Wangen fliehen, und ein zuckender, unwillkürlicher Schmerz durchbebte die Kanäle seines Bluts von den Haarwurzeln bis zu den Fußsohlen. Aber die trotzige Seele Brandons war nicht von der Art, daß ein Schatten sie lange beängstigen konnte. Er ermannte und zwang sich, dem düstern Gedanken, der sich so vor sein inneres Auge drängte, die Stirne zu bieten und er betrachtete ihn mit festem und unerschrocknem Blicke.
»Nun,« dachte er, »kommt meine Stunde heran, oder habe ich noch die gewöhnliche Frist der menschlichen Natur für mich zu hoffen? Wahr ist es, es haben sich in neuerer Zeit diese sonderbaren Erschütterungen des Körpers mit etwas beunruhigender Schnelligkeit wiederholt; vielleicht hat diese Arznei, welche die Qual Einer Krankheit heilte, eine andre, schneller tödtende erzeugt. Aber warum soll ich dieß glauben? Mein Schlaf ist gesund und