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IRRTUM und manches mehr: Kurze Geschichten
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Ebook248 pages3 hours

IRRTUM und manches mehr: Kurze Geschichten

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Die kurzen Geschichten über IRRTUM und manches mehr von Dorothee Vohl erzählen von kurzen Prozessen ohne lange Faxen zu machen. Die Stories bringen kurz und bündig Ereignisse, Befindlichkeiten, Momente auf den Punkt. Mal lakonisch, mal ironisch berichten die Texte fern von Herz-Schmerz treffsicher von des Wesens Kern. Selbst scheinbar Nebensächliches erweist sich beiläufig als ebenso existenziell wie schmerzhaft.
LanguageDeutsch
PublisherLIBU
Release dateDec 13, 2010
ISBN9783863390150
IRRTUM und manches mehr: Kurze Geschichten

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    IRRTUM und manches mehr - Dorothee Vohl

    www.colour-vision.de

    Für Lucas Roman, Georg Ramon

    und Sophie Clarissa

    »Ich denke, also bin ich. Ich zweifle, also bin ich. Ich werde getäuscht, also bin ich.«

    [René Descartes]

    »… dass ich mich nie und in Nichts geirrt hatte, außer in dem Einen, worauf es mir ankam.«

    [frei zitiert nach André Heller]

    IRRTUM

    Eigentlich könnte ich mir pausenlos auf die Schulter klopfen, mir selbst applaudieren und lauthals Beifall zurufen: Ich bin ja so abgrundtief menschlich! Ich kann mich einfach nicht erinnern, schon jemals einen anderen Menschen kennen gelernt zu haben, der sich stets und ständig irrte, so wie ich es mache. Errare humanum est! Nobody is perfect! O, sollte ich tatsächlich mit diesen Weisheiten gemeint gewesen sein? Kannten mich etwa diejenigen, welche diese weltbekannten Sinnsprüche spruchreif machten und zur Wahrheit erklärt hatten? Ich glaube fast, die Welt schaut nur auf mich, denn immer wieder liege und lag ich mit meinem Riecher, mit meiner Intuition, mit all meinen Ahnungen, mit meinem guten Glauben, meiner Meinung über Gott, die Welt und die Menschen und mit meinem gesunden Menschenverstand total verkehrt. Ja, ich bekenne: Es ist tatsächlich und regelrecht fatal, wenn einem alle anderen Leute stets einen Schritt voraus sind. Mon dieu, Pech gehabt, könnte man da meinen. Doch das klingt nur lapidar, selbstverliebt, verspielt und ignoriert den Ernst meiner Lage. Nein, es ist ja bei mir nicht nur die berühmt berüchtigte Pechsträhne, nein, es ist mein Leben als Großes und Ganzes, der komplette Entwurf sozusagen. Irgendwie ist alles daneben. Niemals könnte ich eine Wette eingehen oder einen Lottotippschein abgeben und tatsächlich einen Gewinn erhoffen. Ebenso sicher, könnte ich mein Geld gleich verbrennen oder via Lokus der Kanalisation übergeben. Dann wäre ich wirklich auf der sicheren Seite, denn es würde haargenau dort hingelangen, wo ich es beabsichtigt hatte. Nun ja, so hoffe ich wenigstens. Jedenfalls wäre die Knete futschikato, flöten gegangen und der Plan sozusagen damit erfüllt.

    Also, um es noch mal ganz klar zu sagen: Ich bin weder ein armer Teufel, ein Spieler, noch ein Meinungsmacher. Nein, ich bin bloß immer im Unrecht. Deshalb kam mir unlängst tatsächlich die Idee, aus meiner Veranlagung Kapital zu schlagen und mich sozusagen als Seismograph und Wetterfahne für falsche Vorhersagen zu verdingen. Nur so, war ich mir blitzartig sicher, könnte ich meinem Leben endlich eine echte Wende geben. Wie schon gesagt, im Normalfall hätte ich nicht mal eine Blume beim Buden schießen auf dem Rummel abbekommen, aber nun wollte ich ohne jede Anstrengung den Jackpot der Start-ups mit meinem Prinzip-verkehrt knacken. `Ich müsse mich hierbei nur mal ruhig auf meine eigene Nase verlassen´, sagte ich mir. Denn stets zog ich doch immer nur die Niete, wenn ich die Wahl zwischen zwei Dingen oder Begebenheiten hatte. Galt die Wahl zwischen Schwarz oder Weiß, Kopf oder Zahl, dann war meine Trefferquote klar hundertprozentig daneben. Ich konnte mich dabei auch niemals selber austricksen, indem ich etwa blitzschnell, in letzter Minute quasi, kurzfristig meine Entscheidung änderte. Nein, so einfach war und ist es wirklich nicht mit mir und meinem Talent. Todsicher wäre dann meine rasche Umentscheidung wieder die Richtige gewesen: nämlich die Falsche. Ich bin einfach ein Phänomen. Sollte die Auslese allerdings unter mehreren Möglichkeiten erfolgen, wäre der Prozess ein wenig komplizierter, obwohl ich auch dann am Ende ebenfalls eindeutig daneben liegen würde. In einem solchen Fall würde es zwar etwas länger dauern, bis das Ergebnis da wäre, aber auch das würde ich bewältigen.

    Jetzt musste ich nun nur noch meine eigene Firma gründen, was, unmittelbar aus der Arbeitslosigkeit heraus, eine echte Sisyphusarbeit war. Ich entschied mich für das Modell `Ich-AG´, was bekanntlich per se schon ein glatter Irrtum ist. Beim Formulieren meiner Dienstleistung, denn eine solche sollte und musste es ja auf alle Fälle werden, hatte ich einige Startschwierigkeiten. Wie bitte umschreibt man mein spezielles Talent positiv? Denn zur Firmengründung musste und sollte ich die Herrschaften des Arbeitsamtes, die mir die benötigten Stempel auf meine Dokumente verpassen sollten, ja zumindest überzeugen. Einen Mangel als ein Begnadet-Sein verkaufen zu wollen, ist wirklich problematisch. Ich dachte lange nach und verspann mich fast komplett in meine Überlegungen, bis mir schließlich doch noch die Erkenntnis kam: Eine Hochrechnung musste her, ein beglaubigtes Experiment, von Fachleuten begutachtet und als Zertifikat mit einem Prädikatssiegel abgesegnet, sollte meine Papiere fürs Amt komplettieren.

    Bei mir um die Ecke unterhielt ein ehedem arbeitsloser Soziologe ein kleines demoskopisches Institut. Er betrieb es zusammen mit einem Kompagnon, einem ebenfalls noch bis vor kurzem beschäftigungslosen Diplom-Mathematiker. Die beiden hielten sich und ihr Unternehmen gerade mal so über Wasser, wie ich gehört hatte. Lange musste ich die Herren folglich nicht von mir und meiner Idee überzeugen, denn sie hatten sowieso keinen einzigen anderen Kunden und eh nichts zu tun. Zu dritt machten wir uns umgehend ans Werk. Ich war derart konzentriert, dass ich gar nicht bemerkte, wie die beiden Herren so ganz nebenbei mit mir ihr eigenes Ding abzogen. Sie ließen mich, quasi als Randprodukt meines Auftrags, die Lottozahlen für die nächste Mittwochsziehung ausloten. So wunderte ich mich eine Woche später nicht schlecht, als ich mir, wie verabredet, die Ergebnisse ihrer Berechnungen abholte. Sie drückten mir ein paar Papiere in die Hand, um dann schnell hinter mir ihren Laden dicht zu machen. Die Herrschaften wollten sich, wie sie mir noch kurz zuriefen, flugs auf eine längere Auslandsrecherche begeben, für die ihnen, Gott sei Dank, just das nötige Kapital zugeflogen war. Über meinen Anteil an der Finanzierung ihres fern-wehen Unternehmens schwiegen sie wohlweislich. All das habe ich mir erst Tage später selbst nach meiner Zeitungslektüre von „Vermischtes" zusammengereimt.

    Vom Arbeitsamt bekam ich nun, wie erwartet, die nötigen Stempel sowie das versprochene Startkapital für meine Firmengründung. In der Regionalpresse schaltete ich umgehend eine Anzeigenkampagne und nach einigen Wochen hatte ich schließlich einen Auftrag an Land gezogen. Ich sollte in einem Unternehmen sondieren, welche Mitarbeiter sich Warenmaterial unter die Nägel rissen und ihre Arbeitgeber beklauten. Ich ging schnell ans Werk. Zu zweit ließ ich am Werksausgang das Personal die Kontrollsperre passieren. Ich schwieg, wenn kein Dieb darunter war oder ich sagte „A und man schnappte sich „B. Natürlich stand ich so gut versteckt, dass mich die Angestellten nicht bemerkten. Ich hatte eine absolute Trefferquote und nachdem wir den Prozess an drei Folgetagen durchgezogen hatten, war der Fall gelöst. Die Firma brauchte keine Verluste mehr zu beklagen und entließ mich und fünfzehn diebische Mitarbeiter umgehend. Ich bin mir heute noch sicher, dass sich dort auch in Zukunft jeder Mitarbeiter noch voller Grauen an diese demütigenden Sondierungsmaßnahmen erinnern wird. Niemand wird dort jemals mehr für ein paar Nägel oder ein bisschen Werkzeug Kopf, Kragen, seinen guten Ruf und seinen sicheren Arbeitsplatz riskieren.

    Alles war super gelaufen und ich war schon fast der Überzeugung, dass ich jetzt mein Leben, mit den besten Referenzen in der Tasche, auf ewig in den Griff bekäme. Dann allerdings kam alles anders, als erhofft. Es begann damit, dass ich von der Polizei einen Auftrag erhielt. Man beabsichtigte, mich als menschlichen Lügendetektor einzusetzen. Allerdings versagte ich kläglich dabei, einen Serienmörder zu überführen. Man bewies ihm schließlich seine Schuld nur anhand von Indizien. Irgendwie war ich die Sache wohl zu siegessicher angegangen, was mich, wie hätte es anders sein können, meinen Riecher gekostet hatte. Nun hatte ich zu allem Überfluss einen schlechten Ruf und war noch dazu reichlich verwirrt. Es dauerte eine ganze lange Weile, bis ich einen nächsten Auftrag ergatterte. Mein Versagen musste in aller Munde gewesen sein und sich in zahlreichen Branchen herum gesprochen haben. Schließlich beauftragte mich ein etwas älterer Existenzgründer für die Rekrutierung seines Personals. Ich hatte mich in einem drastischen Preisdumping als der billigste Bewerber angeboten, stellte keinerlei Bedingungen und machte auch sonst keinen Firlefanz wie andere Anbieter oder Consulters. Meine Ergebnisse sollten absolut klarstellen: Passt die Person ins Unternehmen oder nicht. Schon nach drei Tagen hatte ich die Crew ermittelt und mein Auftraggeber war von mir begeistert. Drei Monate später war die Firma bereits pleite. Ich hatte die perfekten Bankrotteure zusammengebracht. Das war selbst für mich zu viel, nun musste ich erst mal eine kreative Pause einlegen. Allerdings hätte ich vielleicht doch lieber untertauchen sollen, meine ich heute, im Nachhinein. Denn, eines schönen Tages standen schwarz gekleidete Herren vor meiner Bürotüre. Ob mir eventuell dieser Start-up-Mann oder die so genannten Freunde und Helfer die Mafia auf den Hals gehetzt hatten, ist mir immer noch schleierhaft. Fakt war jedenfalls, dass ich mehr als handfest vermöbelt wurde. Das wäre nur ein kleiner Vorgeschmack, versicherten mir die Schlägertypen grinsend. Derart lädiert konnte ich mich für das nächste halbe Jahr nur auf Krücken vorwärts bewegen. Nach dieser Abreibung und Lehre löste ich meine Ich-AG nach meiner Genesung wieder auf und begab mich wieder auf den freien Arbeitsmarkt. Aber, auch damit hatte ich mich erneut getäuscht, denn niemand, wirklich niemand, wartete dort ausgerechnet auf mich und meine absolute Menschlichkeit. Fürwahr, da war jeder Irrtum ausgeschlossen!

    Des Teufels Großmutter

    `Manchmal muss man mit dem Teufel Blutwurst essen!´, sagte ich mir, denn ich wollte unbedingt seine Großmutter kennen lernen. Der Volksmund weiß so manches von dieser außergewöhnlichen Dame zu berichten, aber ich wollte sie unbedingt mit meinen eigenen Augen sehen. Sicher wollen Sie nun von mir wissen und fragen sich jetzt, wie ich überhaupt auf diesen sonderbaren Wunsch und auf die abstruse Idee eines Zusammentreffens mit einer so hoch gefährlichen Gestalt kam? Also, ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Ich weiß beim besten Willen nicht, ob es der helle Wahnsinn oder nur der pure Leichtsinn war, der mich zu einem solchen Selbstmordkommando bewegte. Mit letzter Gewissheit kennt nur der Himmel oder die Hölle das Warum. Ich, für meinen Teil, bin immer interessiert an neuen Kontakten und immer auf neue Begegnungen gespannt und scheue dabei weder Pest noch Cholera.

    So lud ich also den weltbekannten Herrn und Obersten aller Teufel zu mir nach Hause zum Abendessen ein und tatsächlich kam Mephistopheles auch ohne alle Umschweife herbei. Wahrscheinlich dachte der Teufel insgeheim, ich würde ihm wegen irgendeinem außergewöhnlichen Begehren meine Seele übertragen oder derartiges, aber da hatte er sich nun doch geschnitten und in mir getäuscht. Ich bin weder besonders extravagant noch vermessen, sondern einfach nur von Natur aus neugierig und so war es auch ein echtes Vergnügen, in das erstaunte Gesicht von Mephisto zu blicken, als ich ihm erzählte, dass ich den Wunsch verspürte, seine Großmutter einmal zu treffen. Er war so verdattert, dass es ihm zunächst einmal die Sprache verschlug. Nach einer Denkpause sagte er schließlich: „Aber, natürlich, kann ich deinen Wunsch meiner Großmutter vortragen. Garantieren kann ich dir allerdings nicht, dass sie kommen wird. Sie hasst nämlich Umstände aller Art. Sie ist absolut bequem, um nicht zu sagen, faul und ist am allerliebsten zu Hause in der Hölle und lässt dort irgendwelche Verlierer schmoren. Das macht ihr ein höllisches Vergnügen und ist ihr wahres Lebenselixier! Der Oberste aller Teufel bog sich vor Lachen, als er gerade so an seine Großmutter dachte. Da war offensichtlich eine tiefe Liebe zwischen Enkelsohn und Oma, bemerkte ich erstaunt. „Weißt du, wir sind uns einfach zu ähnlich. Manchmal denke ich, wenn ich mit ihr zusammen bin, dass ich mich in einem Film befinde und Großmutter in meine Rolle geschlüpft ist. `Aha, also doch nur Eigenliebe!´, relativierte ich unweigerlich meine erste Erkenntnis. `Hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre!´ „Übrigens, ein kleiner Tipp: Meine Großmutter ist eine echte Diva, auch wenn man das nicht gleich auf den ersten Blick meint. Besser, du vergisst es aber nicht, wenn sie dich besucht! Sie legt nämlich größten Wert darauf, als Große Mutter zu gelten. Das ist in ihren Augen weitaus mehr und bedeutender, als bloß Mutter zu sein. Ich bin übrigens ihr allerliebster Enkel. Sie liebt meine Bosheit und Untaten über die Maßen. Bei diesem Gedanken zuckte er mit allen Gliedern unter einem bebenden Gelächter. Doch dann wurde er urplötzlich ernst und legte mir sogar seine fettige Hand auf die Schulter. „Aber noch was. Das sage ich dir jetzt im Vertrauen, weil du so freundlich warst, mich einzuladen: Blick Großmutter besser niemals direkt in die Augen! Die Warnung gilt bekanntlich seit alters her und eigentlich kennen sie alle Menschen, aber glaub mir, alle Warnungen werden schnell vergessen, wenn man mit ihr beisammen ist. Jedoch, es könnte sein, dass du versteinerst, zur Salzsäule erstarrst, unbeweglich wirst oder Großmutter mit Haut und Haaren für den Rest deines Lebens verfällst, wenn du auf sie hereinfällst. Tja, wenn du erstmal in ihre Falle tappst und die zugeschnappt, dann wäre das zwar irgendwie lustig, aber für mich wäre es doch ein großes Pech, denn mit wem sollte ich dann demnächst wieder mal Blutwurst essen? Nun denn, viel Spaß auf jeden Fall mit meiner wundervollen Großmutter. Artig bedankte ich mich, denn ich hatte Mephistopheles verstanden und war ihm für seinen Hinweis von Herzen dankbar. Ich beschloss, meinen Blick nach innen, in mein Selbst und Innerstes zu richten und dort zu verankern. Seit vielen Jahren übe ich mich nämlich schon in Meditationen und bin inzwischen ein echter Meister. Nun glaubte ich mich halbwegs auf der sicheren Seite vor dieser ungeheuerlichen Dame und hoffte, der Großmutter des Teufels wieder lebendig entkommen zu können. Ich war überzeugt, dass der Spiegel meiner Seele sie blenden würde, sobald sie Besitz von mir ergreifen würde. Ich fühlte mich geradezu durch mich selbst beschützt.

    Natürlich war ich äußerst nervös, ob meine Begegnung mit der Diabola klappen würde und tatsächlich, zu meiner großen Freude, wurde meine Einladung von ihr akzeptiert. Wenige Tage später kam die Oberste aller Teufelinnen geradewegs bei mir vorbei. Auf den ersten Blick hätte ich niemals geglaubt, dass diese unscheinbare Alte des Teufels Großmutter war. Diese Frau sah tatsächlich nur wie eine nette, harmlose Omi aus. Nichts an ihr erinnerte an Teufeleien, aber auch nichts an eine Diva. Ihre Art, sich zu kleiden, war weder besonders schick, noch entsprachen ihre Klamotten dem aktuellen Zeitgeschmack oder einer Styling-Beratung für `Die Frau in den besten Jahren´. Man konnte sogar behaupten, dass Mephistophles` Großmutter geradezu ärmlich gekleidet daherkam. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Lady sich ganz andere Textilen hätte leisten können. Die Story vom „Armen Teufel ist auch nur so ein Ammenmärchen und eine Masche. Immerhin ist Geld doch viel eher Teufelswerk als eine himmlische Gabe. Bekanntlich ist der Teufel der Herr der Dinge und kann sich daher einfach alles leisten, schließlich kann er „Simsalabim erschaffen, was immer er will. Irgendwie erschienen mir des Teufels Großmutters Sprache und ihre Gesichtszüge fremdländisch, was wahrscheinlich auch nur so ein Trick war, um mich auf meine Vorurteile hin auszutesten oder um mich zu täuschen. Ich rätselte eine Weile darüber und hätte doch ihre Herkunft nur allzu gerne genauer ergründet, aber ihre Freundlichkeit war so erschlagend und bestechend zugleich, dass ich mich lieber hundertprozentig auf sie konzentrierte und mich sehr wohl vor ihr in Acht nahm. Ganz offensichtlich war diese Dame hellwach und mit allen Wassern gewaschen. Die Harmlosigkeit, mit der sie sich umgab, kam mir eindeutig wie ein gelungenes Tarnkäppchen vor. „Wie nett von Ihnen, dass Sie mich kennen lernen wollen. Das ist mir in meinem langen Leben ja noch nie passiert, dass mich jemand zu sich nach Hause eingeladen hat. Ich denke mal, die meisten Leute haben wohl eher Angst vor mir. Sie, mein Lieber, sind wirklich eine echte Ausnahme. Ich fühle mich wirklich geehrt, verstehen Sie. Ich nickte kurz verwundert. Sie verstand sich wirklich vortrefflich auf Schmeicheleien, da musste ich absolut wachsam bleiben. „Großer Bahnhof schien für des Teufels Großmutter keine Floskel, sondern ihr normaler Plauderton zu sein. „Das wundert mich aber sehr, gnädige Frau. Es weiß doch wahrhaft jedes Kind auf der ganzen Welt von ihrer Existenz. Sie sind doch eine Prominente, da wundert es mich schon ein bisschen, dass ich der Erste sein soll, der den Wunsch hatte, mehr über Sie zu erfahren. Nun fühlte sich die Großmutter noch mehr geschmeichelt. Sie schien mir nämlich ebenso eitel wie ihr Enkelsohn zu sein. „Sind Sie mir nicht böse, aber ich habe mir des Teufels Großmutter völlig anders vorgestellt. Irgendwie grell, schrill und laut. Sie hingegen sind in Ihrer Erscheinung eher dezent und bescheiden. Ich meine das wirklich nicht als Beleidigung, Sie wirken eher unauffällig, Gnädigste. Wenn ich Sie in der Öffentlichkeit, im Flieger, in der Bahn oder im Bus treffen würde, würden Sie mir bestimmt nicht besonders auffallen. Das finde ich bei Ihrer Bekanntheit schon wirklich sensationell. Sie schmunzelte. „Nun wissen Sie, ich bin der Meinung, man sollte sich nicht vordrängen. Es passiert schon alles so, wie es passieren soll und muss. Vorsehung, Schicksal, verstehen Sie! Ich war immer schon, mein Leben lang, bescheiden. Lieber bin ich zur rechten Zeit am rechten Ort. Das zahlt sich immer aus!"

    Wie schon bei ihrem Enkel, hatte ich Blutwurst als Hauptspeise vorbereitet. Als ich die Würste auftischte, sah ich gleich, dass mir mit dieser Menüauswahl ein Geniestreich gelungen war. Teufels Großmutter gingen fürwahr die Augen über und sie stürzte sich gierig und hastig auf die roten Blutringe. „Sie haben Geschmack, Sie haben Geschmack. Das ist wirklich köstlich, einfach köstlich! Lecker, lecker, ein Hochgenuss, ein Genuss!"

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