Spielplatz der Spione: Berliner Geschichten und Geschichte
Von Peter Rieprich
Beschreibung
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Spielplatz der Spione - Peter Rieprich
Peter Rieprich
SPIELPLATZ DER SPIONE
Berliner Geschichten und Geschichte
edition ♦ karo, Berlin 2014
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
Peter Rieprich, SPIELPLATZ DER SPIONE
Berliner Geschichte und Geschichten
1. Auflage 2014
© edition karo
im Verlag Josefine Rosalski, Berlin
www.edition-karo.de, alle Rechte vorbehalten
Umschlagfoto„Enigma": © Peter Rieprich
Alle anderen Fotos: © Peter Rieprich
Umschlaggestaltung: Katharina Joanowitsch, Hamburg
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
ISBN 9783937881690
PETER RIEPRICH, geboren 1954 in Geesthacht bei Hamburg, studierte Soziologie und Wirtschaftswissenschaften in Hamburg.
Er war als Marktforscher, Werbegrafiker und Comic-Zeichner tätig sowie auch in der bildenden Kunst: Fotografie, Siebdruck, Digital-Art. Rieprich publiziert regelmäßig Reisereportagen in Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportalen sowie Kurzgeschichten. 2007 veröffentlichte er einen satirischen Politthriller: Meier. Ein deutscher Geheimagent, und 2009, zusammen mit Norbert Kleemann, den Kriminalroman Sieben Tage Neukölln. 2013 kam sein Kriminalroman Treffpunkt Mitte ebenfalls bei EDITION KARO heraus. Peter Rieprich lebt in Berlin und Alicante/Spanien.
DAS MEINEN DIE EXPERTEN ...
Es ist ganz wie beim Profi-Football. Sonntags drischt man aufeinander ein und am Montag betrinkt man sich gemeinsam. Ich habe auf mehreren Auslandsposten mit
KGB-Offizieren
gespielt und anschließend mit ihnen zu Mittag gegessen. Es ist wie ein Spiel von Fünfjährigen, aber von Fünfjährigen mit einem Dachschaden.
John Stockwell (CIA)
Fast alles Papier, das die NATO produziert, mit Stempeln »Geheim« und »Cosmic« versieht und das wir mit hohem Aufwand beschaffen, ist bei näherem Hinsehen nicht einmal gut, um an einem stillen Örtchen nutzbringend verwendet zu werden.
Markus Wolf (HVA/Stasi)
Es gab ein unausgesprochenes Verständnis zwischen uns, als ob wir einer Sekte angehörten, die dieselben merkwürdigen Rituale hat. Und obwohl wir auf verschiedenen Seiten der Barrikaden standen, waren wir irgendwie miteinander verbunden.
Victor Ostrovsky (Mossad)
Ich denke, die beste Zeit, eine Stadt zu erkunden, ist für den
KGB-Agenten
wie für den Touristen der frühe Morgen, bevor Menschenmassen und Verkehr die Straßen verstopfen.
Leonid Kolossow (KGB)
INHALT
Cover
Titel
Impressum
DAS MEINEN DIE EXPERTEN
VORWORT
DAS GROSSE SPIEL
I.
II.
III.
IV.
DIE BÜROKRATEN DER SPIONAGE
KENNWORT »NETZWERK«
I.
II.
III.
IV.
V.
VON DER ELENDALM ZUR CHAUSSEESTRASSE
EINE KLEINE GEFÄLLIGKEIT
I.
II.
III.
IV.
SEX AND SPY
AGENT DX007 SCHLÄGT ZURÜCK
I.
II.
III.
IV.
DER MENSCHLICHE FAKTOR
DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN
I.
II.
III.
IV.
FREUND UND FEIND HÖREN MIT
DIE UNFREIWILLIGE REISE
I.
II.
III.
IV.
VON HÜBEN NACH DRÜBEN UND ZURÜCK
VORWÄRTS GENOSSEN
I.
II.
III.
III.
IV.
DAS ENDE VOM SPIEL
VORWORT
Auf den ersten Blick mag es erstaunlich wirken, wenn John Stockwell, als Stationschef für den amerikanischen Geheimdienst CIA in verschiedenen afrikanischen Ländern und in Vietnam tätig, seinen Job mit dem Spiel fünfjähriger Kinder vergleicht, sind doch Entführung, Mord und Totschlag häufig Bestandteil geheimdienstlicher Aktionen. Etwas anders sieht es schon aus, wenn man sich die Ergebnisse dieser Aktivitäten anschaut. Häufig sind diese äußerst mager und widersprüchlich, wenn nicht gar das Gegenteil von dem erreicht wurde, was ursprünglich geplant war. So wurde Berlin zur Zeit des Kalten Krieges als »Hauptstadt der Spione« bezeichnet. Gerade in West-Berlin waren Agenten westlicher und östlicher Nachrichtendienste aktiv, darüber hinaus noch jede Menge Freizeitspione und Nachrichtenhändler. Da stellt sich schon die Frage: Was haben all diese Spione in Berlin gesucht? Politische Entscheidungen fielen in Washington und Moskau, London und Paris, vielleicht noch in Bonn und München – aber in West-Berlin? Die großen Unternehmen hatten ihre Zentralen nach Westdeutschland verlegt und militärisch gab es auch wenig auszuforschen. Spione aller Lager scheinen sich im Wesentlichen mit ihren Kollegen von der Gegenseite beschäftigt zu haben.
Ebenfalls in diese Richtung deutet, dass nach dem Fall der Mauer, als Berlin wieder deutsche Hauptstadt geworden war, das Kanzleramt und eine Vielzahl von Bundesministerien hier ihren Sitz hatten und große Konzerne und Wirtschaftsverbände ihre Zentralen nach Berlin verlegt hatten, die Spione Berlin mieden wie der Teufel das Weihwasser. Zumindest legt dies der jährliche Bericht des Verfassungsschutzes – zuständig für die Spionageabwehr – nahe, der zum Beispiel im Jahr 2012 gerade einmal zweieinhalb von 137 Seiten der Spionagegefahr widmet – ebensoviel wie den gemeingefährlichen Umtrieben der Scientology Kirche.
Möglicherweise liegt dies auch daran, dass die Verfassungsschützer in der falschen Richtung gesucht haben. Spätestens seit der sogenannten
NSA-Affäre
sollte sogar den Verfassungsschützern klar geworden sein, dass auch verbündete Staaten bespitzelt werden. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass Russland, China und andere Länder die Spionage allein den westlichen Allierten Deutschlands überlassen.
Da über gegenwärtige Spionage also wenig Substanzielles bekannt ist, sind die aktuellen Geschehnisse in diesem Buch rein fiktiver Art. Die in jedem Kapitel folgende Darstellung realer Spionagefälle der Vergangenheit kann selbstverständlich nur einen kleinen Ausschnitt der Aktivitäten in Berlin zeigen. Ergänzt wird dieser Abriss durch Hinweise auf Orte, an denen man sich einen Eindruck über Spionageaktivitäten vergangener Zeiten und über die Tätigkeit heutiger Spione verschaffen kann.
DAS GROSSE SPIEL
I.
Die Kalaschnikow hing leider in einem mit Glas geschützten Durchbruch zwischen dem kleinen Vorraum und dem Schlafzimmer. Allzu gern hätte Ewald Mohnke die Waffe einmal in den Händen gehalten. Entgegen landläufiger Darstellung in Spionagethrillern und entsprechenden Filmen hatte er während seiner mehr als dreißig Dienstjahre beim Bundesnachrichtendienst niemals eine Waffe in die Hand genommen oder gar eine solche benutzt. Die meiste Zeit hatte er in seinem Büro gesessen, Akten angelegt oder ausgewertet, später dann mit Dateien hantiert. Lediglich in den vier Jahren, die er in Berlin stationiert war, hatte er sich gelegentlich wie ein Geheimdienstmitarbeiter gefühlt. Aber auch diese Zeit – Anfang der 1980er Jahre – hatte so gar nichts mit der Tätigkeit eines James Bond zu tun. Sicherlich schufen Treffs mit zwielichtigen Informanten in ebensolchen Kneipen eine Aura des Geheimen, allerdings waren die Ergebnisse in den meisten Fällen eher bescheiden. Sein früherer Einsatz in Berlin war allerdings der Anlass seines Besuchs in der Hauptstadt, traf er sich doch hier einmal im Jahr mit ehemaligen Kollegen, die er damals kennengelernt hatte. Ihm fiel es jedoch von Jahr zu Jahr schwerer, sich zu dieser Reise aufzuraffen. Nur ungern verließ er sein kleines Häuschen im Norden von Schleswig-Holstein, wohin er sich vor zehn Jahren nach seiner Pensionierung zurückgezogen hatte und wo er in seinem Garten Gemüse und Obst anbaute.
Abgestiegen war er dieses Jahr im Hotel Sehnsucht, das von einem Fotokünstler betrieben wurde, der mehrere Apartments in einem Kreuzberger Hinterhof zu Themen des Kalten Krieges ausgestattet hatte. Er war im Moscow Centre einquartiert, was die Kalaschnikow, Matrjoschka-Puppen und weitere russische Accessoires unterstreichen sollten. Hier abgestiegen war er aus Gründen der Tarnung. Nicht etwa, dass er ernsthaft befürchtete, Geheimdienste würden ihn beobachten. Dazu war er nun gewiss ein viel zu kleines Licht gewesen und zu lange schon nicht mehr im Geschäft. Aber neben dem »Großen Spiel«, das sie während ihres Jahrestreffens zu spielen pflegten, erlaubten sich gelegentlich auch die alten Kollegen, einem der angereisten Veteranen einen Streich zu spielen.
Bevor er seine Reisetasche auspackte, hatte er routinemäßig die bunten, verschachtelten Puppen auseinander genommen, unter Fensterbänke und hinter Heizkörper gefasst und sich das Telefon angeschaut, aber er wusste nur allzu gut, dass heutzutage wohl kein Geheimdienst mehr Wanzen an solchen Stellen platzieren würde.
Nachdem er seine Sachen ordentlich in den Schränken verstaut hatte, überlegte Ewald Mohnke, ob er sich noch ein Stündchen hinlegen oder vielleicht lieber einen kleinen Spaziergang durch Kreuzberg machen sollte, ehe er sich auf den Weg nach Zehlendorf machen würde. Das diesjährige Treffen hatte der amerikanische Kollege Frank Clark vorbereitet und ein spanisches Restaurant in der Clay-Allee ausgesucht – unweit seiner früheren Dienststelle. Dies brachte Mohnke auf die Idee, sein damaliges Büro in Westend aufsuchen. Da der BND seinerzeit nicht offiziell in West-Berlin operieren durfte, betrieben sie ihre Geschäfte von einer Tarnfirma aus, die ihr Büro in Westend unterhielt.
Mohnke zog den Mantel über und öffnete die Tür. Verdammt! Aus dem Treppenhaus vernahm er eine bekannte Stimme. Der russische Akzent war unverkennbar. Igor Kapelnikow beschwerte sich lautstark beim Betreiber der Pension darüber, dass er nicht das russische Apartment erhalten hatte. Mohnke schloss die Tür und wartete, bis er hörte, dass die beiden ein Stockwerk höher ein anderes Zimmer betreten hatten. Er verließ die Wohnung und schlich leise die Treppe hinunter. Als er das Erdgeschoss erreicht hatte, schlug ihm jemand kräftig von hinten auf die Schulter.
»Ewald, old Boy! Tarnung aufgeflogen!«
Erschrocken drehte er sich um und schaute in das aufgedunsene Gesicht von Frank Clark, dem Kollegen von der CIA, der ihm zu Beginn seiner Zeit in Berlin geholfen hatte, sich im geheimen Großstadtdschungel einigermaßen zurechtzufinden. Ehe Mohnke ihn warnen konnte, dass auch der
KGB-Vertreter
hier abgestiegen war, lief Clark die Treppe hinauf.
II.
Das Haus in der Leistikowstraße, in dem eine der West-Berliner Dependancen des Bundesnachrichtendienstes untergebracht gewesen war, hatte einen neuen Anstrich erhalten, sodass er es zuerst gar nicht wiedererkannte,