Franziskus, der fliegende Holländer: Roman
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Book preview
Franziskus, der fliegende Holländer - Barbara Laenen
Barbara Laenen
FRANZISKUS,
der fliegende Holländer
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Ode an eine verlorene Liebe
Prolog
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Impressum:
© by Verlag Kern, Bayreuth
© Inhaltliche Rechte beim Autor
Autorin: Barbara Laenen
Coverbild: Barbara Laenen / Melina Zimmermann
Layout / Satz: Brigitte Winkler, www.winkler-layout.de
1. Auflage / 2014
Lektorat: Manfred Enderle
Sprache: Deutsch
Seiten: 178, broschiert
ISBN: 9783957160713
ISBN
E-Book
: 9783957160607
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
www.verlag-kern.de
Ode an eine verlorene Liebe
Wüsst´ ich den Weg, den dunklen
Zum Hades tief hinab,
Wo Sein und Nichtsein, einst vereint gedacht,
Getrennt nun, keine Sterne funkeln.
Refrain: Wo,
Refrain: Wo bist du
Refrain: Wo bist du, wo bist du?
Hätt´ ich, wie Orpheus eine Leier,
Ich stieg hinab zu dir
Mit ihrem Zauber dich zu finden
Und erneut an mich zu binden.
Refrain: Wo
Refrain: Wo bist du
Refrain: Wo bist du, wo bist du?
Hab keine Leier, bin Orpheus nicht,
Kenn‘ nicht den Weg ins Dunkel der Nacht
Hab nur meine Liebe unendiglich
Die mich treibt zu suchen mit aller Kraft.
Refrain: Wo
Refrain: Wo bist du
Refrain: Wo bist du, wo bist du?
Weilst du in der Ferne
Ein Bündel geballter Energie
Dann erreich ich dich nie
In der Vielzahl der Sterne.
Refrain: Wo
Refrain: Wo bist du
Refrain: Wo bist du, wo bist du?
Prolog
Mein Leben liegt vor mir, wie ein gewebter Teppich. Höhen und Tiefen sind darin verwoben, in dunklen, traurigen und auch strahlenden, bunten Farben. Nun erst, als Geist kann ich alles vollkommen neutral, objektiv beurteilen.
In meinem Leben war ich stets der Meinung gewesen, Gott hat mich vergessen, oder es gibt ihn vielleicht gar nicht.
76 Jahre lang weilte ich auf dieser Erde, 76 Jahre ist die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes. Sie kann schnell vergehen oder sich unendlich langsam dahinziehen. Letztendlich sehnt man das Ende herbei, um in etwas Neues eintauchen zu können.
Seit fast zwei Jahren weile ich schon nicht mehr in irdischen Regionen. Ziemlich unerwartet bin ich in eine andere Dimension katapultiert worden. Meine Frau schrieb an ihren Memoiren und hatte mir versprochen, auch meine Geschichte zu Papier zu bringen. Dazu hatte sie natürlich eine Menge Informationen nötig. Immer wieder wurde dieses Thema aufgeschoben, bis es schließlich zu spät war.
Sie setzte sich also vor ihren Computer und begann mein Leben zu rekonstruieren, dabei schaute ich ihr über die Schulter zu. Nach den ersten Seiten schrie ich entsetzt:
Halt! Das stimmt doch so gar nicht. Das war doch ganz anders.
Sie hörte mich nicht und schrieb unbeirrt weiter. Da musste ich eben zu anderen Mitteln greifen: Ich hieb auf die Tastatur: „Stopp! Überlege erst, bevor du schreibst!"
„Jetzt fängt mein Computer auch schon an zu spinnen. Das wollte ich doch nicht eingeben, seufzte meine Frau. Dann überlegte sie und kam auf die richtige Lösung. „Funkst du dazwischen, mein Schatz? Wenn du es besser kannst, mache es doch selber.
Ein Geist ist nun einmal nicht in der Lage zu schreiben. Er braucht ein Medium. Meines war meine zurückgebliebene Hälfte. Sie würde verstehen, was ich ihr einflüsterte, und es würde etwas Vernünftiges dabei herauskommen. Sie konnte sich schon zu meiner Zeit auf Erden gut auf mich einstellen, packte meine Energiequellen und zog sie magisch an. Man kann sagen, der Kontakt zwischen uns war noch nicht abgebrochen. Doch die Zeit drängte. Lange würde diese Nähe nicht anhalten. Irgendwann entfernte ich mich so weit, dass die Kommunikation nicht mehr möglich war. Ich erzählte meine Geschichte, sie brauchte nur gut zuzuhören und zu schreiben. Den Anfang kannte sie nicht, den späteren Teil schon, doch immer nur von ihrer Warte aus. Sie würde erkennen, wie grundverschieden unsere Gesichtspunkte auf ein und dieselbe Sache meistens waren. Später konnte sie dann alles in eine gute Formulierung bringen, denn stilistisch war ich nicht so gut drauf. Ich war ein durch und durch holländischer Geist, der die deutsche Sprache ein wenig holprig beherrschte.
Ich gab die Informationen, nahm den roten Faden der Erinnerung auf und ließ ihn langsam, wie einen Film, abspulen. Dabei achtete ich genau auf das, was da schwarz auf weiß auf dem Papier erschien. Am besten, man beginnt mit der Geschichte seiner Eltern, die unweigerlich vieles im Leben eines Kindes bestimmte.
Kapitel I
Die Hitze war beinahe unerträglich, obwohl die Fensterläden bis auf einen Spalt geschlossen waren, um die Sonne draußen zu halten. Es war die heißeste Zeit des Tages. Hier in Malang, in Indonesien, machte jeder Europäer seine Mittagsruhe, da er sonst bei den tropischen Temperaturen den Tag nur schwer überstehen konnte. Doch von Ruhe konnte bei Det keine Rede sein. Sie lag auf ihrem Bett. Ukri, der Hausboy, stand am Kopfende und versuchte, ihr ein wenig Kühlung zuzufächeln. Der Schweiß rann über ihr Gesicht, über ihren Körper. Die Wehen kamen noch in langen Abständen, in denen sie Zeit hatte, wieder neue Kräfte zu sammeln. Ich war das erste Kind, das sie zustande gebracht hatten, und ich wollte endlich heraus aus diesem engen Käfig. Ich war neugierig auf die Welt da draußen und auf die zwei Menschen, die bald meine Eltern sein würden. Ob ich mit ihnen, oder besser Sie mit mir, klarkommen würden? In ihrem Blickfeld an der Wand hing der holländische Kalender, den ihre Schwester ihr jedes Jahr schickte. Eine Erinnerung an zu Hause. 15. Dezember 1932. In Holland, in ihrem Heimatdorf Oosterbeek, waren sie nun sicher schon mit den Vorbereitungen für Weihnachten beschäftigt. Es begann mit „Sinta Claas", am sechsten Dezember. Da traf sich die gesamte Familie zum gemütlichen Beisammensein. Schon Wochen vorher hatte man kleine Geschenke zu großen Paketen verpackt. Die Geduld und der Humor wurden auf eine harte Probe gestellt. Neben dem Sessel baute sich ein Berg von Schachteln und Papier auf, bis man endlich das Geschenk fand mit einem selbst gefertigten Gedicht, schön oder nicht schön, je nach Begabung des Verfassers, doch immer mit viel Liebe erdacht! Es war nun schon das zweite Weihnachtsfest, das jeder alleine feierte. Zwischen ihnen lag der weite Ozean mit seiner unendlichen Ausdehnung. Vier Wochen war das Schiff von Rotterdam nach Indonesien unterwegs, ehe es den Hafen von Batavia erreichte. Und doppelt so lange dauerte es auch, ehe man auf seine Briefe Antwort von zu Hause erhielt.
Es war gerade diese Zeit, die meine Mutter am meisten vermisste: das Schmücken des Weihnachtsbaumes und der traditionelle Weihnachtsbraten; Truthahn oder Kaninchen mit Rosenkohl, „Ein Muss" in jeder holländischen Familie.
Aufgewachsen war sie in einem kleinen Dorf bei Arnheim. Ihre Eltern hatten einen armseligen Hof: Ein Pferd, mehr Freund als Tier, denn es half ihnen bei der schweren Arbeit auf dem Feld, eine Kuh, die sie mit Milch und somit mit Butter und Käse versorgte und etwas Kleinvieh. Das, was sie zum Leben brauchten, bauten sie selber an. Es reichte, die Familie zu ernähren. Det war die Jüngste von acht Schwestern. Fast alle waren bei ihrer Geburt schon aus dem Haus und hatten ihre eigene Familie. Nach ihr kam der letzte Spross, ein Junge, Karel. Mit ihm verband sie ein inniges Verhältnis, schon durch den geringen Altersunterschied bedingt.
Ihr Vater starb früh und hinterließ der Familie nur Schulden. Im Laufe der letzten Jahre hatte man viele neue Anschaffungen für die Landwirtschaft gemacht, keine großen Ausgaben, doch auch die Kleinigkeiten summierten sich und Geld war nie da, also auf „Pump". Das Vieh wurde verkauft, um die Schulden zu bezahlen. Ihre Mutter ernährte die Familie, indem sie für andere wusch und bügelte, dabei half Det ihr so gut sie es als Kind vermochte. Wenn sie abends mit der Arbeit fertig war, trugen sie zusammen die schweren Körbe mit der Wäsche aus. An den Wochenenden bestickten sie Taschentücher und häkelten Spitzendecken, die sie dann verkauften, ein kleiner Zuverdienst.
Als sie zehn Jahre alt war, verließ sie auch ihre Mutter. Karel wurde von einem reichen Bauern adoptiert, sie selber aber wanderte von einer Schwester zur anderen, wer gerade eine billige Arbeitskraft oder einen Babysitter benötigte. Sie waren nicht immer freundlich und liebevoll zu dem Kind. Meistens bürdeten sie ihr alle schwere und unliebsame Arbeit auf und jagten sie von morgens bis abends durch das Haus:
„Det, das Baby hat noch nicht seinen Brei bekommen, und kaum hatte sie das erledigt, hieß es: „Det, hast du schon die Zimmer geputzt? Laufe aber vorher noch schnell zum Metzger und zum Bäcker und zum Gemüseladen, damit ich das Mittagessen vorbereiten kann, und auf dem Rückweg kannst du gleich das Fahrrad von meinem Mann abholen, es sollte heute fertig sein.
Abends fiel sie todmüde ins Bett. Für sich selber hatte sie keine Minute Zeit.
Es war ein hartes Leben, aber es machte sie wetterfest gegen alle Willkür des Schicksals. So leicht konnte sie nichts unterkriegen.
Rie hatte sie noch am liebsten. Als die heiratete, nahm sie ihre kleine Schwester, die jetzt immerhin schon vierzehn Jahre zählte, zu sich.
Nun erst begann das „Leben" für Det. Rie war Mutter, Schwester und Freundin zugleich, und Grad, ihr Mann, ihr allerbester Freund. Sorgen hatte sie keine mehr, unbelastet konnte sie in den Tag hinein leben, sich mit ihren Freundinnen treffen, in der Stadt bummeln und sich hübsche Sachen kaufen. Sie holte in kurzer Zeit ihre gesamte Kindheit nach!
So hätte es immer weiter gehen können, wenn nicht, wie so oft, die Liebe dazwischengefunkt hätte, in Person meines Vaters Pieter.
Sie lernte ihn bei Freunden auf einer Geburtstagsparty kennen. Er sah gut aus, war intelligent und sehr charmant. Es schmeichelte ihr schon, dass er sich so um sie bemühte. Sie trafen sich öfters und wurden gute Freunde.
Pieter kam aus einer Beamtenfamilie und lebte in Maastricht, im Süden der Niederlande. Die Familientradition forderte, dass jeweils der jüngste Sohn zum Priester ausgebildet wurde. Seinem Vater war es ziemlich gleich, aber seine Mutter war streng katholisch und stand ganz unter dem Einfluss der Kirche.
Pieter wurde auf das Priesterseminar geschickt. Er lernte gerne, besonders Sprachen. Selbst mit Latein hatte er keine Probleme, und so wäre aus ihm wohl ein guter Geistlicher geworden, wenn nicht ein Ereignis sein ganzes Leben völlig verändert hätte.
Man brauchte neue Messgewänder, die von der Wäscherei am Tage zuvor geliefert worden waren. Pieter wurde losgeschickt, sie aus der Wäschekammer zu holen. Bevor er die Tür öffnete, lauschte er irritiert. Seltsame Laute und Geräusche klangen nach draußen. Hier hatte doch niemand etwas zu suchen? Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt. Ein Priester kam in sein Blickfeld, das war doch sein Lateinlehrer! Vor ihm ein Junge, einer von den jüngeren Jahrgängen. Er machte sich an ihm zu schaffen. Erschrocken realisierte er: Das waren entschieden sexuelle Übergriffe! Dieses angstverzerrte Gesicht des Opfers, dem allem hilflos ausgesetzt zu sein, traf ihn tief. In Panik rannte er davon. Man munkelte schon hier und da, dass diese Übergriffe öfters vorkamen, aber Pieter hatte das bisher nur für leeres Geschwätz gehalten. Den Übeltäter anzuzeigen war sinnlos, da machte er sich keine Illusionen. Alle Schwarzröcke, wie er sie bei sich nannte, hielten zusammen und einer deckte den anderen. Man hätte ihm wahrscheinlich nicht einmal geglaubt und das Opfer hatte viel zu viel Angst, als Ankläger aufzutreten. Sein Entschluss stand fest: Er packte seine Sachen, verließ das Seminar und kehrte nach Hause zurück.
Ade, gesicherte Zukunft, ade Leben als Priester, von der Gemeinde ehrfürchtig bewundert.
Erst jetzt machte er sich eigentlich ernsthaft Gedanken darüber, was ihn wohl im Laufe seines Lebens erwartet hätte: auf jeden Fall keine liebevolle Ehefrau und Kinder! Hatte er eine solche Zukunft eigentlich wirklich gewollt? Er atmete erleichtert auf, das Schicksal hatte dafür gesorgt, dass ihm dieses erspart wurde.
Wie seine Eltern, besonders seine Mutter reagieren würden, konnte er sich lebhaft vorstellen. Sie waren sicher geschockt.
„Na, das kommt schon mal vor, meinte seine Mutter, als er ihr seine Gründe erörterte, „es betrifft dich doch nicht. Deshalb gleich davonlaufen? Was soll unser Pastor denn von uns denken? Rede mit deinem Vater.
Als Pieter in dessen Zimmer kam, fand er ihn hinter seiner Zeitung beschäftigt. Eine Weile ließ er ihn stehen, ohne Notiz von ihm zu nehmen. „Was für eine liebevolle und verständnisvolle Familie habe ich doch", dachte er sarkastisch. Dann endlich musterte