Maler ohne Bilder: Tagebuchaufzeichnungen, London 1937
()
About this ebook
Hannes Sonntag
Hannes Sonntag, Pianist, Askenase-Schüler, konzertiert international und ist vielfach ausgezeichnet (arte CD der Woche, "Zeit" Jahresbestenliste, strad selection star). Nach jahrzehntelangem Schreiben erscheinen 2012 die ersten Bücher seines umfangreichen literarischen Werkes.
Read more from Hannes Sonntag
Der Steinsammler: Bericht eines Augenzeugen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLandung einer Seele: Memoiren eines Sechsjährigen Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related to Maler ohne Bilder
Related ebooks
Gustave Flaubert: Briefe an George Sand: Dokumente einer Freundschaft Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGesammelte Briefe an George Sand Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPerspektive Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Zeit kriegen wir schon Rom: Ein literarischer Reiseführer aus der Ewigen Stadt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie grüne Fee Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDamals war's: Zeitzeugen erzählen aus ihrem Leben. Band 25 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBriefe an George Sand Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEine langweilige Geschichte: Aus den Aufzeichnungen eines alten Mannes Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDubiose Geschichten: von Liebe, Lust und Verbotenem Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFrankenstein oder Der moderne Prometheus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKiez, Koks & Kaiserschnitt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsKaum von Bedeutung: Kurzprosa Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWarum erst jetzt...? Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEine langweilige Geschichte: Aus den Aufzeichnungen eines alten Mannes Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLast Exit Schkeuditz West: Vom wahren Leben im Regionalexpress Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFulminantes Weltverständnis: Briefe an Ludwig, erstes Buch Rating: 0 out of 5 stars0 ratings"Ein Wort, ein Satz…": Literarische Werkstattgedanken Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFrankenstein Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVerwirrung der Gefühle Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGeschichten aus dem Kopf gepurzelt Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsI get a bird Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGedankenstriche Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHermann Lauscher Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSind wir bald da?: Clemens Haipl sucht den Jakobsweg Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMoorseelen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWer war Edgar Allan? Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsStern der Ungeborenen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchatten des Todes Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Endzeit-Eva: Romankrimi Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAls ein Anderer leben: Paris auf der Straße und im GOLDENEN KÄFIG Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
General Fiction For You
Grimms Märchen: Mit hochauflösenden, vollfarbigen Bildern Rating: 4 out of 5 stars4/5Der Zauberberg Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Struwwelpeter - ungekürzte Fassung: Der Kinderbuch Klassiker zum Lesen und Vorlesen Rating: 4 out of 5 stars4/5Italienisch lernen durch das Lesen von Kurzgeschichten: 12 Spannende Geschichten auf Italienisch und Deutsch mit Vokabellisten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJames Bond 01 - Casino Royale Rating: 4 out of 5 stars4/5Immanuel Kant: Gesammelte Werke: Andhofs große Literaturbibliothek Rating: 0 out of 5 stars0 ratings1984 Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGermanische Mythologie: Vollständige Ausgabe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchneewittchen und die sieben Zwerge: Ein Märchenbuch für Kinder Rating: 4 out of 5 stars4/5Heinrich Heine: Gesammelte Werke: Anhofs große Literaturbibliothek Rating: 5 out of 5 stars5/5Denke (nach) und werde reich: Die 13 Erfolgsgesetze - Vollständige Ebook-Ausgabe Rating: 5 out of 5 stars5/5Ana im Kreis: Novela en alemán (nivel A1) Rating: 3 out of 5 stars3/5Die Welle: In Einfacher Sprache Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSternstunden der Menschheit: Historische Miniaturen. Klassiker der Weltliteratur Rating: 4 out of 5 stars4/5Der kleine Hobbit von J. R. R. Tolkien (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIlias & Odyssee Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Edda - Nordische Mythologie und Heldengedichte Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDas Nibelungenlied Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWalter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke: Neue überarbeitete Auflage Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWär mein Klavier doch ein Pferd: Erzählungen aus den Niederlanden Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Frau ohne Schatten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsFriedrich Wilhelm Nietzsche – Gesammelte Werke Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHandbüchlein der Moral Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsCity on Fire: Thriller Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDer Tod in Venedig Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Reviews for Maler ohne Bilder
0 ratings0 reviews
Book preview
Maler ohne Bilder - Hannes Sonntag
Hannes Sonntag
Maler ohne Bilder
Literatur der Zukunft
F.G.S.
Private Aufzeichnungen
London
Frühjahr 1937
21. Mai 37
So klein und eng zu schreiben, widerstrebt mir. Eigentlich bin ich darauf ausgelegt, die Dinge im Raum – oder doch wenigstens mit Raum – wirken zu lassen. Und natürlich kann keine Rede davon sein, Papier zu sparen. Vor einiger Zeit zeigte mir ein ergrauter Musikerfreund die Ablichtung einer Bachschen Notenhandschrift: jeder Zipfel Papier genutzt. Wie immens teuer muss Papier gewesen sein. Nein, obwohl es natürlich lächerlich ist, möchte ich mit der Illusion in diese schmale Kladde schreiben, im Falle irgendwelcher Mitleser durch die gewollte Verzahnung der Wortkörper ein bisschen geschützter zu sein. Quatsch. Immerhin aber wird sich so der Umfang meiner Aufzeichnungen buchstäblich verdichten und mir als Lastenträger meiner eigenen Gedanken das Gefühl vermitteln, mich einigermaßen auf das Wesentliche zu beschränken.
Ich bin seit drei, vier Jahren in einer Weise ratlos, die mich, sollte das noch möglich sein, in stetig zunehmendem Maße quält. Vielleicht hilft es mir ja weiter, mich meiner inneren Anschauung vorübergehend zu entfremden, indem ich die unaufhörlichen argumentativen Schiebereien nach außen dränge. Was immer sich am Ende entscheidet, ich werde mich gegenlesen und mir selbst auf den Fersen sein können.
Es grenzt an ein Wunder, dass ich diese Möglichkeit erhielt, ohne mich im Mindesten moralisch verrenkt zu haben. Allein der Umstand, dass wegen einer krankheitsbedingten Absage ein Platz in der Gruppe frei geworden war, reichte offenbar dazu aus, mich als Ersatzmann zu benennen. Keine Fragen, weder Erklärungen noch Offenbarungen, keine persönliche Versicherung zu, keine Unterschrift unter irgendetwas, nichts. Es ist mir auch jetzt noch ein Rätsel, denn ich gehöre ja keiner Institution und keiner staatlichen Gliederung an, die mich ihrerseits hätten begünstigen können. Und auf der geheimen Liste des gern zitierten Schicksals stand ich bislang noch nie, ebenso wenig wie ich mir vorstellen möchte oder vorstellen kann, eine mir nicht bekannte einflussreiche Person habe ihre Hand über mich gehalten. Andersherum, Glück zu haben und nur dem Glück allein verpflichtet zu sein, bewirkt ein völlig unbekanntes Gefühl von plötzlichem Luxus in mir.
Und dieser Luxus kulminierte erst hier vor Ort, als ich – rechtzeitig vor ihrem Ende – so gut wie problemlos der vierzehntägigen Studienreise sechs Wochen individueller Vertiefung anhängen konnte. Zum Abschied schüttelte ich den neun Kollegen die Hand (alle waren freundlich und zeigten keinerlei Verdacht), sah sie dann gemeinsam verschwinden und kurz darauf den Zug nach Southampton abfahren. Ich selbst blieb am Perron von Waterloo Station allein zurück und kam mir – nur für den Bruchteil eines Augenblicks – wie ein undankbarer Verschwörer vor.
Doch schon im Umdrehen griff mir ein Maiwind unter Mantel und Seele, und es kreuzte ein herrlich leichtsinniges Gefühl von Freiheit in mir auf. Ich machte mir bedenkenlos den Spaß, mehr als nur einige Schritte neben zwei gut gelaunten Mädchen herzugehen, die unentwegt lachten. In meiner Vorstellung hakte ich sie links und rechts unter. Doch sie entdeckten mich nicht, und so ließ ich mich bald in eine dieser Londoner Autodroschken fallen, – wie große Tiere kommen sie mir vor, in deren Mitte man Platz nimmt. Ich schickte es zur Strand, wo ich an der belebtesten Stelle ausstieg. Menschen, Menschen, – ich wollte so viele wie möglich um mich haben und so vollständig wie nur möglich unter ihnen verschwinden. Mit allen Fasern meiner fünfunddreißig Jahre leben, je unbekannter, umso lieber. Ein Rausch. Mein Rausch, den ich in einem Pub nahe Covent Garden, inzwischen ruhiger in meiner Freude eingerichtet, mit