Kurfürstenklinik 9 – Arztroman: Vom Paradies in die Klinik
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"Mein letzter Tag bei Ihnen, Herr Dr. Winter!" sagte Miriam Fechner und sah den jungen Notaufnahmechef der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg betrübt an. "Ich wäre gern noch länger geblieben, das wissen Sie ja – aber als nächstes werde ich in Ihrer Neurochirurgie eingesetzt. Ich soll das ganze Haus kennenlernen."
"Sie waren uns eine große Hilfe, Schwester Miriam", erwiderte Dr. Adrian Winter lächelnd. "Wir sind froh, daß Sie wenigstens eine Zeitlang unser Team verstärkt haben."
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Kurfürstenklinik
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Kurfürstenklinik 9 – Arztroman - Nina Kayser-Darius
Die Kurfürstenklinik –9–
Vom Paradies in die Klinik
Der Urlaubstraum wurde zum Horrortrip
Roman von Nina Kayser-Darius
»Willst du mich heiraten, Inga?« fragte Holger.
Sie lagen nebeneinander unter einer Palme, und Inga sah träge auf das aquamarinblaue Meer, das sich vor ihr ausbreitete. Das reine Paradies, dachte sie. Es waren nur wenige Menschen an diesem Strand, der Sand war schneeweiß, die Palmen bogen sich sanft in der leichten Brise, die vom Meer herüberwehte, und das Wasser lag ruhig und still wie ein See vor ihnen. Nur ab und zu kräuselte es sich zu kleinen Wellen, die über den Strand züngelten. Vor Beginn der Reise hatte sie nicht erwartet, daß es in Südafrika so schön sein würde. Hier könnte ich es sehr lange aushalten, dachte sie.
»Inga?« Holgers Stimme klang ungeduldig. »Hast du nicht gehört, was ich gefragt habe?«
Endlich wandte sie den Kopf und sah ihn an. Er war ein gut aussehender Mann mit blonden Locken und einem noch sehr jungenhaften Gesicht, obwohl er vor einiger Zeit seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert hatte. Sie selbst war siebenundzwanzig, aber sie fand, daß sie viel reifer war als Holger. Seine blauen Augen waren erwartungsvoll auf sie gerichtet, und sie unterdrückte nur mit Mühe einen Seufzer. Natürlich hatte sie seine Frage gehört, aber sie war sicher gewesen, daß er nur Spaß gemacht hatte. Offenbar war das ein Irrtum. Er meinte es ernst.
Sie waren für drei Wochen nach Südafrika geflogen, um sich das Land anzuschauen und sich am Meer zu erholen. »Drei Wochen ohne Streß und Hektik!« hatte Inga vor der Reise zu ihrer älteren Schwester gesagt. »Ach, Lolly, ich stelle es mir einfach himmlisch vor.«
Jetzt erinnerte sie sich auch daran, daß Lolly etwas vor sich hin gebrummt hatte von der Art: »Wie soll das denn gehen: Mit Holger, aber ohne Streß? Das paßt nicht zusammen!« Aber Lolly konnte Holger nun mal nicht leiden, deshalb durfte man solche Bemerkungen nicht allzu ernst nehmen. »Dieser Kerl«, sagte sie immer, wenn sie von ihm sprach, oder auch »dieses unreife Bürschchen.«
Und jetzt kam also ›dieser Kerl‹ mit einer solch entscheidenden Frage an. Was war nur in ihn gefahren? Sie waren noch nicht einmal eine Woche hier, und sie hatte gerade damit begonnen, sich zu entspannen, da fing er an, solche…
»Inga!«
Sie kannte diesen Tonfall. Er war imstande, ihr den ganzen Urlaub zu verderben. »Ja!« sagte sie leicht genervt und wollte schon hinzufügen: »Natürlich habe ich dich gehört«, aber Holger kam ihr zuvor, und es zeigte sich, daß er ihre Antwort anders aufgefaßt hatte, als sie gemeint gewesen war.
»Warum hast du mich denn so lange zappeln lassen?« fragte er und beugte sich über sie, um sie zu küssen. »Ich dachte schon, du willst mich nicht heiraten!« Sein Tonfall verriet, daß er das keineswegs gedacht hatte, denn Holger fand sich selbst unwiderstehlich, was Inga wiederum eher rührend fand. Aber ihr Verhältnis zu Holger war sowieso nicht ganz geklärt. Manchmal liebte sie ihn heiß und innig, dann wieder ging er ihr furchtbar auf die Nerven.
Als er sie nun leidenschaftlich küßte, begriff sie erst, daß sie das einem Mißverständnis zu verdanken hatte: Er nahm an, daß sie seinen Heiratsantrag soeben angenommen hatte. Sie erwiderte seinen Kuß und wollte ihn schon sacht zurückschieben, um das Mißverständnis aufzuklären, aber dann überlegte sie es sich anders. Warum sollte sie das tun und sich so mit ziemlicher Sicherheit den Urlaub verderben? Sie konnte auch später noch sagen, daß sie sich geirrt hatte. Oder sie konnte Holger heiraten, denn manchmal liebte sie ihn ja wirklich sehr…
Er richtete sich auf. »Ich geh ein bißchen schwimmen«, sagte er. »Kommst du mit?«
Sie schüttelte den Kopf. »Zu faul«, erklärte sie. »Ich bleib lieber hier liegen.«
Er küßte sie noch einmal. »Angenehme Tagträume«, wünschte er und sprang auf. Gleich darauf warf er sich in das klare blaue Wasser. Inga schloß die Augen. Was für eine verrückte Idee, ihr hier am Strand einen Heiratsantrag zu machen. Aber das war wieder einmal typisch Holger. Und wenn sie ehrlich war, dann war es ja auch das, was ihr an ihm gefiel: Seine verrückten Ideen, seine Spontanität, seine Jungenhaftigkeit. Aber genau diese Dinge gingen ihr häufig genug auf die Nerven. Dann fand sie ihn verantwortungslos, oberflächlich und kindisch.
Aber sie würde sich einfach keine Gedanken mehr über eine mögliche Hochzeit machen, solange sie beide in Urlaub waren. Es würde sich schon alles finden. Inga schlief ein, und sie hatte einen wundervollen Traum: Sie lag ganz allein irgendwo an einem weißen Sandstrand unter einer Palme, es war sehr warm, aber ein sanfter Wind kühlte ihre Haut, und sie hatte das blaue Meer sanft plätschernd vor sich…
*
Dr. Adrian Winter fuhr sich verlegen mit beiden Händen durch die dichten dunkelblonden Haare. Seine Kollegin Julia Martensen wartete geduldig. Es war offensichtlich, daß er mit ihr über etwas Wichtiges sprechen wollte, aber er wußte wohl noch nicht so recht, wie er anfangen sollte.
»Sag mal, Julia«, sagte er endlich, »könntest du dir vorstellen, die Notaufnahme eine Weile stellvertretend zu leiten?«
Mit allem hatte sie gerechnet, nur damit nicht. »Was soll das denn, Adrian?« fragte sie überrascht. »Willst du etwa weg aus Berlin? Oder weg von der Kurfürsten-Klinik?«
Der fünfunddreißigjährige Unfallchirurg Dr. Adrian Winter leitete die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik, und niemand hätte das engagierter tun können als er. Er war allgemein beliebt und anerkannt – und wenn man einmal von Thomas Laufenberg, dem neuen Verwaltungsdirektor der Klinik, absah, dann gab es niemanden, mit dem er nicht gut auskam.
»Nein, ich will nicht weg von hier«, erklärte er seiner Kollegin jetzt. Julia Martensen war Internistin, und sie war mehr als zehn Jahre älter als Adrian. Die beiden arbeiteten hervorragend zusammen und vertrauten einander. »Aber ich muß eine Zeitlang woanders arbeiten – auf einer anderen Station, meine ich. Ich merke, daß sich mein Horizont verengt, wenn ich immer nur in der Notaufnahme Dienst habe, verstehst du? Ihr anderen habt zwischendurch auch manchmal Stationsdienst, aber als Leiter der Notaufnahme bin ich immer hier – ich fühle mich irgendwie ausgelaugt. Kannst du das verstehen, oder klingt das für dich merkwürdig?«
Julia Martensen sah ihn nachdenklich an. »Das klingt überhaupt nicht merkwürdig, Adrian. Niemand arbeitet so viel wie du, das weiß doch jeder hier. Ich habe mich schon oft gefragt, wie du das eigentlich schaffst – du hast ja ebensowenig wie ich eine Familie, die dich wieder aufbaut, wenn du abends nach Hause kommst.«
»Ich habe immerhin Frau Senftleben«, murmelte Adrian.
Julia mußte lachen. »Ich kenne deine Nachbarin ja leider nicht, aber ich kann dich nur um sie beneiden. Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was du manchmal erzählst, dann muß sie völlig unbezahlbar sein.« Sie wurde wieder ernst. »Aber zurück zu dir. Was genau hast du