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Braunschweig schön trinken
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Braunschweig schön trinken

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Gibt es sie noch, die typisch deutsche Eckkneipe? Den verrauchten Schuppen am Ende der Straße, wo über Gott und die Welt debattiert wird? Wo der Typ hinterm Tresen mit offenem Ohr und vollem Glas auf dich wartet? Und wo aus Fremden Freunde werden?

In Braunschweig gibt es 278* gastronomische Betriebe, einige von ihnen älter als die Deutsche Einheit. Darunter sind Kult-, Fußball- und Karnevalskneipen, Restaurants, Football-Bars und Absturz- oder Abschleppschuppen.
Für den vorliegenden Band »Braunschweig schön trinken«, der in Zusammenarbeit mit der HBK Braunschweig entstand, haben sich Autoren, Gelegenheitstrinker und Studierende in Braunschweig auf die Suche nach dem Weltkulturerbe »Eckkneipe« begeben und die Ergebnisse ihrer Recherchen festgehalten.

Auf diese Weise entstanden Miniaturen und Reportagen, es wurden Interviews geführt und Anekdoten niedergeschrieben, die sich in diesen Kneipen zugetragen haben, zugetragen haben könnten oder vielleicht noch zutragen werden.

Vor allem aber versammelt er unterschiedliche Perspektiven: die der Studierenden, die meist nicht länger als fünf Jahre in Braunschweig bleiben, Latte Macchiato und Gin-Tonic trinken genauso wie die der alteingessenen Braunschweiger, die schon so manches Hipster-Café entstehen und wieder verschwinden haben sehen und die wissen, wo es in Braunschweig das beste Bier vom Fass gibt.

* Zählung des Herausgebers

»Schon vom Durchblättern wurde ich so blau, dass ich locker für die Eintracht hätte spielen können!«
Der Braunschweiger Löwe

Mit Beiträgen unter anderen von Lea Marie Apel, Till Burgwächter, Hardy Crueger, Gerald Fricke, Lena Pfeiffer, Axel Klingenberg, Viviane Linda Linek, Merle Janßen, Stephan Porombka und Christoph H. Winter.
LanguageDeutsch
Release dateSep 5, 2016
ISBN9783945715468
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    Book preview

    Braunschweig schön trinken - Verlag Andreas Reiffer

    Inhaltsverzeichnis

    Braunschweig schön trinken

    Die Kneipe im Moment ihres Verschwindens

    Braunschweigs Kneipenleben von A bis Z (1)

    Lindi

    Luke 6

    Klaue

    Nexus

    McMurphy’s

    Braunschweigs Kneipenleben von A bis Z (2)

    Barnaby’s Blues Bar

    Kaffeezeremonie

    Kneipendialoge (1)

    The Wild Geese

    Braunschweigs Kneipenleben von A bis Z (3)

    Café Riptide

    My Way

    Kneipendialoge (2)

    Schadt’s Brauerei Gasthaus

    Lindenhof

    Braunschweigs Kneipenleben von A bis Z (4)

    Wahre Liebe

    Zu den 4 Linden

    Funzel

    Strohpinte

    Braunschweigs Kneipenleben von A bis Z (5)

    Baßgeige

    Eusebia

    Saunabar in der Wasserwelt

    Braunschweigs Kneipenleben von A bis Z (6)

    Heat

    Weihnachtsmarkt Braunschweig

    Autorenviten, Danksagung und Hinweis

    Braunschweig schön trinken

    von B. Trinker (Hg.)

    Verlag Andreas Reiffer

    Edition The Punchliner

    Redaktion: Merle Janßen, Viviane Linda Linek, Johann Trupp, Christoph H. Winter (Leitung)

    Umschlaggestaltung: Marlene Bart

    Satz/Layout: Andreas Reiffer

    Lektorat: Lektorat-Lupenrein.de

    Alle Fotos von Marlene Bart; außer Weihnachtsmarkt (Tobias Franz)

    1. Auflage 2016, Originalausgabe, identisch mit der Printversion

    © Verlag Andreas Reiffer

    ISBN 978-3-945715-46-8

    Verlag Andreas Reiffer, Hauptstr. 16b, D-38527 Meine

    www.verlag-reiffer.de

    www.facebook.com/verlagreiffer

    Für die Kneipe

    Die Kneipe im Moment ihres Verschwindens   

    Ein Kneipengespräch zwischen Stephan Porombka, Robin Thiesmeyer und Christoph H. Winter

    Das Café Lenzig im Berliner Bezirk Schöneberg an einem der ersten Abende des Jahres, an denen man mit hochgekrempelten Hemdsärmeln im Freien sitzen kann. Die Sonne ist bereits untergegangen, es herrscht reges Treiben. Die Kellnerin serviert Wein und Apfelschorle.

    Winter: Die klassische deutsche Eckkneipe ist, wie es regelmäßig in der Presse beschworen wird, vom Aussterben bedroht. Woran liegt das?

    Porombka (nimmt einen Schluck Apfelsaftschorle und legt das Smartphone, auf dem er gerade noch die neuesten Snapchat-Snaps geschaut hat, vor sich auf den Tisch): Zuerst muss man sich fragen, was genau denn Eckkneipen sind, was sie ausmacht und worin ihre Funktion besteht. Wenn ich von Kneipen spreche, dann meine ich die Kneipen der 70er- und der frühen 80er-Jahre. Man muss sich vorstellen, dass es damals so gut wie keine Cafés gab. In Braunschweig, wo ich damals zur Schule gegangen bin, gab es das Tchibo-Stehcafé und das Café Haertle, in dem die Großmütter ihren Kuchen gegessen haben. Das Café, wie wir es heute kennen, ein Ort also, der verschiedenste Aspekte der Sozialisierung bedient, das gab es in dieser Form nicht. Auch diese Mischformen, wie das Lenzig, in dem wir sitzen, Hybride aus Café, Bar und Restaurant, gab es nicht. Zwar gab es Bars, aber die waren damals noch richtig düstere Orte nah am Rotlichtmilieu, die man besser nur nachts aufgesucht hat und in denen harte Drinks gereicht wurden. Und es gab eben Kneipen. Vor diesen Kneipen standen im Sommer zwar Tische und Bänke, aber vor den Fenstern hingen verrauchte Gardinen, und wenn man reinging, dann war klar, dass man einen in sich abgeschlossen Raum betritt, ein eigenes Soziosystem. Dieses System funktioniert ähnlich wie Familien oder enge Freundeskreise. Für den Außenstehenden sind sie hermetisch abgeschlossen, wohingegen Cafés total offen sind.

    Winter (bestellt das zweite Glas Wein): Man hatte als Jugendlicher nicht diesen selbstverständlichen Umgang mit Kneipen oder Cafés, wie es heute üblich ist?

    Porombka: Kaum. Dass sich Jugendliche in dem Ausmaß, wie es heute üblich ist, in Kneipen oder Bars getroffen haben, daran erinnere ich mich nicht. Es gab noch keine sogenannten Kultkneipen. Denn bevor eine Kneipe »Kult« wird, muss irgendetwas mit ihr passieren. Damals war die Kneipe ein Ort der Alten, den zu besetzen für Jugendliche fast unmöglich war. Was es gab, das waren Studentenkneipen. In Braunschweig lagen die alle im und um das östliche Ringgebiet herum. Da gingen Studenten hin oder die älteren Schüler, die schon eine oder zwei Wiederholungsrunden gedreht hatten. Da herrschte so ein Alt-68er-Feeling. Selbstgedrehte Zigaretten und lange Haare. Manchmal wurden in diesen Kneipen Konzerte gespielt.

    Winter: Du sagst, dass etwas mit Kneipen geschehen muss, bevor sie zu Kultkneipen werden. Ich frage mich, ob nicht auch Susan Sontags Idee des »So bad it’s good« ein Erklärungsmuster für die Entstehung von Kultkneipen ist?

    Porombka: Sozialgeschichtlich muss man zuerst einmal feststellen, dass die Kneipe ein Ort für die Arbeiter ist, die nach Feierabend mit der Lohntüte vorbeischauen, ein paar Gläser Bier trinken und von den Kindern abgeholt werden, wenn die Frau das Essen fertig hat. Ursprünglich waren das also keine Treffpunkte der höheren Gesellschaftsschichten. Die Kneipen tragen den Kern des Proletarischen in sich. Deshalb taucht dort, wo das Proletarische romantisiert wird, auch die Kneipe wieder auf. Bis hinein in die 60er-Jahre waren Kneipen vollkommen unfolkloristisch, sie erfüllten einen sozialen Zweck, aber das war’s dann auch. In den 60ern begann dann das linke Milieu die Kneipe als einen Ort der besonderen Kommunikation zu besetzen. Damit setzte ein Romantisierungsprozess ein, der behauptet, dass man in den Kneipen den authentischen Arbeiter trifft. Damit wird die Kneipe zum Kult-Ort.

    Winter: Einige Jahrzehnte früher hat Hitler in Bierkellern Reden gehalten. Die Kneipe war also nicht nur vom linken Milieu besetzt.

    Porombka: Nein, aber vom proletarischen. Im Rahmen der 68er-Bewegung ist die Kneipe dann zum Ort linker Kommunikation geworden. Das Proletarische in und um die Kneipen herum wurde romantisiert. Von den 68ern haben viele später selbst Kneipen eröffnet – Kneipen sind Treffpunkte, in denen man sich, wenn auch nur kurzfristig, solidarisiert. Es finden Vergesellschaftungsprozesse statt, man trinkt und diskutiert gemeinsam. Man kann sogar so weit gehen und behaupten, dass das Kneipenmilieu das Proletarische niemals verlässt. Die These, dass es so schlecht und kitschig ist, dass man gerade deshalb dahin geht, stimmt also. Das ist ein Phänomen, das im Moment des Verschwindens der Kneipe auftaucht. Dann nämlich, wenn sie von der Gentrifizierung weggefressen wird. In den 70ern und 80ern waren Kneipen omnipräsent, inzwischen sind sie auf dem Rückzug.

    Winter: Woran liegt das?

    Porombka: Vor allem daran, dass die Cafés das Programm der Kneipen übernehmen und ergänzen: Es gibt von Kaffee und Alkohol bis hin zu Speisen, selbst Süßspeisen, einfach alles. Das Café ist ein viel mondänerer Ort als die verrauchte Eckkneipe mit schalem Bier – es ist offener, heller, anonymer und intellektueller. Fast das Gegenteil einer Kneipe.

    Robin Thiesmeyer kommt am Lenzig vorbeigefahren, er grüßt, hält an und schließt sein Fahrrad ab. Kurze Begrüßung, Thiesmeyer bestellt Bier.

    Winter: Welche Rolle spielen Kneipen in der Literatur?

    Porombka: Mir fällt zuerst Gottfried Benn ein, der in den Kneipen Berlins Cognac getrunken hat. Kneipen sind zwar homogene Gebilde, in denen Fremdkörper sofort erkannt und markiert werden, andererseits findet Kommunikation in ihnen mit einer gewissen Lockerheit statt. Wenn man sich an dich gewöhnt hat, wenn du markiert worden bist, kannst du ohne Weiteres in eine Kneipe gehen, dich allein an einen Tisch setzen, Cognac bestellen und so wie Benn Gedichte schreiben. Du bist nicht gezwungen, an der Kommunikation teilzuhaben. Auch die Gespräche am Tresen funktionieren so: Wenn du zu einem Thema nichts zu sagen hast und dich rausziehst, dann wird das in der Regel akzeptiert.

    Thiesmeyer: In Kneipen passen sich die Gesprächsthemen ja auch an, man findet es bei den Stammgästen selten, dass sie politisch auf entgegengesetzten Seiten stehen.

    Porombka (nippt an der Apfelsaftschorle): Soziologen haben festgestellt, dass sich in einer Kneipe die Trinkgeschwindigkeiten der einzelnen Gäste über den Abend angleichen. Es gibt zwar immer Ausnahmen, die, die gar nichts trinken und die, die deutlich über dem Durchschnitt liegen, aber beide Gruppen sortieren sich ganz von alleine über einen längeren Abend aus. Das liegt daran, dass in Kneipen darauf geachtet wird, dass ein gewisser Kommunikationsstandard erhalten bleibt. Darauf pendeln sich alle ein. Beim Trinken und eben auch in der Wahl der Gesprächsthemen. Es entsteht eine familiäre Situation. Klar, es kann auch zu Streit und Prügeleien kommen, aber da greifen der Wirt und andere Gäste sofort ein. Deshalb kommt es in Kneipen eben zu diesen tiefen und welterklärenden Gesprächen, die jeden Augenblick vorbei sein können und von denen am nächsten Tag niemand mehr etwas weiß.

    Thiesmeyer (hat das erste Glas Bier bereits zur Hälfte ausgetrunken und bestellt das nächste): Man kann das Kneipenpublikum, denke ich, in Gäste und Bewohner unterscheiden. Die Bewohner in meiner Lieblingskneipe gruppieren sich immer um den Tresen herum oder haben andere Ecken, die sie okkupieren. Die Gäste, die vielleicht auch regelmäßig, aber eben nicht immer da sind, sitzen im Schankraum. Man weiß, wie man mit denen umzugehen hat, aber die sind nur an bestimmten Tagen, zu bestimmten Zeiten da und bleiben beispielsweise nie bis Ladenschluss.

    Winter (bestellt Lagavulin, doppelt, ohne Eis): Kneipen gehorchen dem Prinzip der Regelmäßigkeit. Um Mitglied der Familie, oder wie du es sagst, einer der Bewohner zu werden, musst du regelmäßig hingehen. Es geht nicht, dass du mal zwei Tage hintereinander da bist und dann wieder einen Monat gar nicht.

    Thiesmeyer: Ich habe ja Kneipen, in denen ich auf Lebenszeit Stammgast bin.

    Porombka (lacht laut)

    Thiesmeyer: Da musst du gar nicht lachen, Stephan! Wenn man an einen Ort kommt, an dem man lange gelebt hat, dann aber weggezogen ist und dort in seine alte Stammkneipe geht, kennen die Leute einen, weil sich das Publikum eben nicht verändert.

    Porombka: Ihr wisst, dass in der Paris Bar Otto Sander ein Messingschild mit seinem Namen im Tresen hat?

    Thiesmeyer: Die Paris Bar ist ohnehin

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