Der Dschihad und der Nihilismus des Westens: Warum ziehen junge Europäer in den Krieg?
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Jürgen Manemann
Jürgen Manemann (Prof. Dr.), geb. 1963, ist Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover. Er ist Schüler von Johann Baptist Metz und Vertreter der Neuen Politischen Theologie. Seine weiteren Forschungsschwerpunkte sind Umweltphilosophie und neue Demokratietheorien.
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Der Dschihad und der Nihilismus des Westens - Jürgen Manemann
I. Vier Deutungsmuster der dschihadistischen Gewalt
Blickt man auf die Debatte über die dschihadistische Gewalt, so lassen sich idealtypisch vier Deutungsmuster herausfiltern: Diabolisierungen, Religionisierungen, Soziologisierungen und Ethisierungen.
1. DIABOLISIERUNG
In einem Fernsehinterview, aufgenommen in Mossul, prophezeit der deutsche Dschihadist Christian Emde, alias Abu Qatadah, den Sieg des Islamischen Staates (IS): »Wir gewinnen durch die Furcht im Herzen unserer Feinde.«¹ Um diese Furcht im Herzen zu wecken, müsse man weiter fortfahren, Menschen zu köpfen. Im Plauderton spricht er davon, dass diejenigen, die sich nicht bekehren würden, sterben müssten. Das gelte vor allem für die Schiiten: »Ob 100 Millionen, 150 Millionen oder 500 Millionen – uns ist die Anzahl egal.«² Emde stammt aus Solingen und war, bevor er 2003 zum Islam konvertierte, protestantischer Christ.³ Der Journalist Jürgen Todenhöfer, der diverse Gespräche mit Dschihadisten führte, beschreibt ihn als den »intellektuell und ideologisch versierteste[n] Gesprächspartner. Seine geschichtlichen Kenntnisse sind umfassend. Seine Antworten sind gnadenlos und schneidend. Er hat in der Medienabteilung des IS offenbar eine offizielle Funktion […].«⁴
Wie könnte man angesichts eines solchen Interviews, der Berichte Entkommener und der Enthauptungsvideos, vor allem praktiziert von europäischen Dschihadisten, die als besonders grausam gelten, die Dschihadisten nicht als das personifizierte Böse, eine Ausgeburt des Teufels betrachten? Dass so etwas noch möglich ist im 21. Jahrhundert, das erfüllt zu Recht mit Abscheu. Die Taten des IS stellen einen Zivilisationsbruch dar.
Die Diabolisierung ist der Versuch, den Schrecken dadurch zu bannen, dass man ihm einen Namen gibt: das Böse. Überdies stärkt sie das Verantwortungsempfinden für die vom dschihadistischen Völkermord bedrohten Menschen. Aber die Diabolisierung hat auch ihren Preis. Sie bietet keine Analyse. Wer diabolisiert, bewegt sich im Tautologischen, da von den bösen Taten auf die Bösartigkeit der Menschen geschlossen wird. Die Dschihadisten, so die Argumentation, vollbringen böse Handlungen, weil sie böse sind, also um des Bösen willen. Verweilt man auf dieser Ebene, dann wird man sich schwer tun, eine Erklärung dafür zu finden, warum denn so viele gewöhnliche Menschen zu bösen Menschen werden.
Die Diabolisierung besitzt kein selbstkritisches Potenzial. Im Gegenteil. Im Zuge der Diabolisierung avanciert der Begriff »Dschihadist« zu einem »Ordnungsbegriff des Sozialen« (R. Koselleck). Indem die Dschihadisten als die Bösen par excellence betrachtet werden, wird eine Grenze gezogen: zwischen den Einen und den Anderen, zwischen den Zivilisierten und den Barbaren, den Freunden und den Feinden. Durch solche Grenzziehungen werden bestehende gesellschaftliche Strukturen verfestigt und gleichzeitig legitimiert. Wer derart diabolisiert, der externalisiert. So gerät jedoch die Erkenntnis aus dem Blickfeld, dass die bestialischsten Dschihadisten aus Europa zu kommen scheinen. Diese sind in der westlichen Gesellschaft aufgewachsen und wurden hier anfällig für die Barbarei. Die Diabolisierung blockt die Frage ab, ob es sich bei der dschihadistischen Gewalt um eine Barbarei handelt, die auch ein Produkt jener Zivilisation ist, die jetzt von ihr bedroht