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Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Walbreckers Klassiker
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Ebook117 pages1 hour

Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Walbreckers Klassiker

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About this ebook

Welches Geheimnis rankt sich um den unheimlichen Mr. Hyde, bei dessen Anblick dem Anwalt Utterson das Grauen kommt? Wieso benimmt sich Dr. Jekyll, der sympathische Klient von Utterson, in letzter Zeit so merkwürdig? Gibt es so etwas wie ein Doppelleben, ein Leben in zwei Körpern oder eine Spaltung der Persönlichkeit in ein Gut und ein Böse? Robert Louis Stevenson schrieb diesen Psychothriller 1886 – er ist in zahlreichen Ländern ein Klassiker für Jung und Alt!
LanguageDeutsch
Release dateSep 26, 2016
ISBN9783863462833
Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Walbreckers Klassiker

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    Dr. Jekyll und Mr. Hyde - Dirk Walbrecker

    978-3-86346-283-3

    Die Geschichte vor der Tür

    Der Rechtsanwalt Mr. Utterson war ein Mann mit einem strengen Gesicht, ein Mann, der niemals lächelte. In Gesprächen gab er sich kühl, wortkarg und zuweilen sogar verlegen. Gefühlsausbrüche waren ihm gänzlich fremd. Er war von hagerer, großwüchsiger Statur und obgleich er etwas Vertrocknetes und Verstaubtes an sich hatte, wirkte er irgendwie liebenswert. Vor allem wenn er sich in freundlicher Gesellschaft befand und ein guter Tropfen Wein serviert wurde, leuchtete etwas ungemein Menschenfreundliches in seinen Augen. Dies drückte sich zwar nie in Worten aus, dafür aber umso mehr in seiner Lebensführung.

    Gegen sich selbst war der Anwalt hart. Um seine Vorliebe für Wein zu bekämpfen, trank er häufig Gin. Und trotz seiner Begeisterung für das Theater hatte er ein solches seit zwanzig Jahren nicht mehr betreten.

    Stattdessen verhielt er sich anderen Menschen gegenüber umso nachsichtiger. Ja, er bewunderte oder beneidete sogar Menschen mit ausgefallener Veranlagung. Und statt sie verurteilt zu sehen, war er lieber bereit, ihnen Beistand zu leisten.

    „Ich habe einen Hang zu Kains Ketzerei, pflegte er zu sagen. „Jeder hat das Recht, seinen ureigenen Weg in die Hölle zu gehen.

    So verwundert es nicht, dass Utterson häufig die letzte ehrenhafte Bekanntschaft und der allerletzte Halt von Menschen war, die am Rande des Abgrunds standen. Wenn sie Rat in seiner Kanzlei suchten, stand er ihnen bei – manchmal bis zum bitteren Ende.

    All dies fiel Utterson keineswegs schwer. Er war eben ein zutiefst gutmütiger Mensch. Mit größter Selbstverständlichkeit nahm er die Menschen so, wie sie waren. Das galt auch für seine Verwandten und seine Freunde: Mit allen Freunden hatte er lang währende Beziehungen und bei niemandem fragte er, ob es zu seinem Vorteil oder Nachteil sein würde.

    Zu diesem engen Kreise zählte auch ein gewisser Mr. Richard Enfield. Er war ein entfernter Verwandter und ein stadtbekannter Lebemann und für viele war es ein Rätsel, was diese beiden Männer miteinander verband. Jeder, der sie bei ihrem Sonntagsspaziergang traf, konnte das Gleiche erzählen: Die zwei wechselten kein Wort miteinander, sie schauten bloß gleichgültig in die Gegend. Höchstens das Auftauchen eines Dritten schien die Beschäftigung etwas aufzuhellen. Dennoch liebten die beiden diese Spaziergänge offensichtlich über alles. Selbst dringende andere Verpflichtungen konnten sie nicht davon abhalten – für sie waren es zweifelsohne die Höhepunkte der ganzen Woche.

    Einer jener Ausflüge nun führte die zwei Herren in die schmale Seitenstraße eines Londoner Geschäftsviertels. Hier herrschte unter der Woche reger Betrieb. Die Schaufenster waren voll reichhaltiger Angebote. Den Anwohnern ging es gut und selbst am Sonntag, wenn auf den Straßen wenig los war, konnte man den Wohlstand wahrnehmen. Im Gegensatz zu anderen Vierteln waren hier die Fensterläden frisch gestrichen. Das Messing war auf Hochglanz poliert. Rundum war alles sauber und gepflegt – wohltuend fürs Auge und die Seele. Mit einer Ausnahme allerdings: Wenn man die Straße in östlicher Richtung ging, wurde auf der linken Seite, zwei Türen vor der nächsten Ecke, die friedvolle Häuserfront von einem Hofeingang unterbrochen.

    Und genau hier schob ein düsteres Gebäude seinen Giebel in die Straße. Es war zwei Stockwerke hoch, hatte nur eine Tür im Erdgeschoss, aber kein einziges Fenster. Die Fassade war seit Ewigkeiten nicht mehr gestrichen worden und alles in allem machte das Gebäude einen mehr als verwahrlosten Eindruck. Die Tür hatte weder Glocke noch Klopfer und war voller Risse und Flecken. Schuljungen hatten mit ihren Messern die Holzverschalungen eingeritzt. Und in der dunklen Nische lungerten oft Landstreicher oder spielende Kinder herum. Niemanden schien das alles zu stören – das Gebäude wirkte wie seit Ewigkeiten nicht mehr genutzt.

    Mr. Enfield und der Rechtsanwalt flanierten also an einem Sonntag auf der gegenüberliegenden Straßenseite und als sie etwa in Höhe dieses Hauses waren, erhob ersterer seinen Spazierstock und wies auf den Eingang: „Ist dir jemals diese Tür dort drüben aufgefallen?"

    „Ja … wieso?", erwiderte Mr. Utterson.

    „Sie ist für mich mit einer sehr seltsamen Geschichte verbunden", sagte Mr. Enfield.

    „Tatsächlich?, murmelte der Rechtsanwalt und seine Stimme bekam plötzlich einen besonderen Klang. „Und was für eine Geschichte ist das?

    „Nun, das war so", antwortete Mr. Enfield. „Es war in einer trüben Winternacht ungefähr um drei Uhr, als ich gerade von einem Ort irgendwo am anderen Ende der Welt heimkam. Mein Weg führte mich durch einen Teil der Stadt, wo es buchstäblich nichts anderes als Laternen zu sehen gab. Alle Leute schliefen und sämtliche Straßen waren leer und trotzdem beleuchtet wie für eine Prozession … Straße für Straße.

    Unweigerlich kommt man da in einen Zustand, wo man bange der Stille lauscht und sich wenigstens nach irgendeinem Polizisten sehnt. Aber stattdessen tauchten urplötzlich zwei andere Gestalten auf: Die eine ein kleinwüchsiger Mann, der eilig in östlicher Richtung stapfte. Die andere ein etwa neunjähriges Mädchen, das, so schnell es konnte, eine Querstraße herunterlief. Und was passiert, mein Lieber? Die zwei stoßen prompt genau an der Ecke aufeinander und das Mädchen stürzt zu Boden! Schlimmer noch: Der Mann trampelt ungerührt über das Kind hinweg und lässt es schreiend am Boden liegen. Das klingt vielleicht nicht so dramatisch, aber es war schrecklich anzusehen. Dieser Mensch war kein gewöhnlicher Mensch, dies war ein unheimlicher Moloch! Ich rief ihm nach, rannte hinter ihm her und erwischte den Kerl am Kragen. Dann schleppte ich ihn dorthin zurück, wo sich inzwischen etliche Leute um das weinende Kind versammelt hatten. Dabei war er total gelassen, leistete keinerlei Widerstand, warf mir aber einen Blick zu, der so schauerlich war, dass mir der kalte Schweiß ausbrach.

    Die herbeigeeilten Leute waren wohl Angehörige des Mädchens. Sie hatten auch nach einem Arzt gerufen der kurz darauf erschien: Dem Mädchen war außer dem Schreck nichts Schlimmes widerfahren und man hätte es vielleicht dabei bewenden lassen können. Aber da gab es noch einen merkwürdigen Umstand: Nicht nur ich war vom ersten Moment an von tiefstem Abscheu gegen diesen Gentleman befallen. Nicht nur die Familie hatte aus verständlichen Gründen genauso reagiert. Nein, auch der Arzt zeigte eine ähnliche Reaktion. Eigentlich war er nur einer der üblichen verstaubten Pillendreher, von unbestimmbarem Alter und Aussehen, mit starkem Edinburgher Akzent und ungefähr so gefühlsbetont wie ein Dudelsack. Aber trotzdem, mein Herr, ging es ihm wie uns anderen: Sobald dieser Knochensäger meinen Gefangenen ansah, erblasste er vor Abscheu und schien nur noch von dem Verlangen befallen, den Kerl auf der Stelle zu töten. Da eine solche Lösung aber nicht in Frage kam, taten wir das Nächstbeste. Wir machten dem Mann klar, wir könnten und werden für einen solchen Skandal sorgen, dass sein Name in ganz London zum Himmel stinken würde. Ob Ansehen oder Freunde – wir würden dafür sorgen, dass er beides verlöre. Und indem wir ihm solcherlei vor Augen hielten, konnten wir gleichzeitig nur mit Mühe die Frauen von ihm fern halten, denn sie waren wild und zornig wie Furien. Nie zuvor hatte ich einen Kreis von so vielen hasserfüllten Gesichtern gesehen – und mittendrin der Mann mit seiner düsteren, höhnischen Gleichgültigkeit. Zwar war er auch verängstigt – das konnte ich deutlich erkennen –, dennoch wirkte er wie der hartherzige Satan persönlich.

    „Falls Sie Kapital aus diesem Vorfall schlagen wollen, sagte er, „bin ich natürlich wehrlos. An einem Skandal bin ich, wie jeder Gentleman, nicht interessiert. Nennen Sie also Ihre Forderung!

    Also verlangten wir hundert Pfund für die Familie des Kindes, was zunächst auf harsche Ablehnung stieß. Da unser Auftreten jedoch nichts Gutes verhieß, gab der Kerl schließlich klein bei.

    Als Nächstes galt es dann, das Geld herzuschaffen. Und was meinst du, wohin er uns brachte?

    Dort drüben zu dieser besagten Tür! Er zog einen Schlüssel hervor, war für kurze Zeit da drinnen verschwunden und kam dann mit zehn Pfund in Gold zurück. Über den Rest präsentierte er einen Scheck der Coutts-Bank, auszahlbar an den Überbringer und gezeichnet mit einem Namen, den ich nicht zu nennen vermag, obwohl er ein Kernpunkt meiner Geschichte ist. Ein Name im

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