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Rich & Stubborn
Rich & Stubborn
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Ebook397 pages5 hours

Rich & Stubborn

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About this ebook

Roadtrip ins Glück? Oder doch eher Höllentrip?
Gestatten – mein Name ist Tameran Brady. Milliardenerbe und Playboy. Derzeit befinde ich mich auf einer Wohnmobiltour durch Kanada und die USA. Unfreiwillig. Meine wunderbaren Freunde haben mir diese Reise zum dreißigsten Geburtstag geschenkt. Unfassbar. Wohnmobile! Wildnis!
Leider haben sie ein effektives Druckmittel, sodass ich diese Reise antreten musste. Und jetzt sitze ich neben meinem absoluten Traummann in der Fahrerkabine. Alles könnte halb so schlimm sein, hätte Justin Walker nicht einen fünfjährigen Sohn und die Manieren eines Neandertalers.
LanguageDeutsch
Release dateSep 14, 2016
ISBN9783960890300
Rich & Stubborn

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    Book preview

    Rich & Stubborn - Angie Snow

    Angie Snow

    Rich & Stubborn

    Impressum

    © dead soft verlag, Mettingen 2016

    http://www.deadsoft.de

    © the author

    Cover: Irene Repp

    http://www.daylinart.webnode.com

    Bildrechte:

    © Rudmer Zwerver – shutterstock.com

    © gpointstudio – fotolia.com

    © Viorel Sima – dreamstime.com

    1. Auflage

    ISBN 978-3-96089-029-4

    ISBN 978-3-96089-030-0 (epub)

    Inhalt:

    Roadtrip ins Glück? Oder doch eher Höllentrip?

    Gestatten – mein Name ist Tameran Brady. Milliardenerbe und Playboy. Derzeit befinde ich mich auf einer Wohnmobiltour durch Kanada und die USA. Unfreiwillig. Meine wunderbaren Freunde haben mir diese Reise zum dreißigsten Geburtstag geschenkt. Unfassbar. Wohnmobile! Wildnis!

    Leider haben sie ein effektives Druckmittel, sodass ich diese Reise antreten musste. Und jetzt sitze ich neben meinem absoluten Traummann in der Fahrerkabine. Alles könnte halb so schlimm sein, hätte Justin Walker nicht einen fünfjährigen Sohn und die Manieren eines Neanderthalers.

    Tameran

    Ich stehe in meinem Schlafzimmer vor dem großen Spiegel und betrachte mich eingehend. Der Ausflug zu Pasquale

    heute Morgen hat sich gelohnt. Ich habe mich für die Party, die am Abend stattfinden soll, aufhübschen lassen. Im Spiegel sehe ich einen heißen Typen. Die Frisur ist zwar noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber selbst ich finde mich damit megascharf.

    Pasquale versteht sein Handwerk, keine Frage. Schwarz mit silbernen Spitzen, so etwas kann auch nur Pas einfallen. Ich grinse mich selbst im Spiegel lasziv an und fahre mir mit der Zunge aufreizend über die Lippen. Wenn ich könnte, würde ich mich selbst vernaschen. Ein leises Fiepen lässt meinen Blick zum Bett gleiten. Meine große und einzige Liebe liegt dort und zuckt von Zeit zu Zeit mit ihren niedlichen Beinchen. Tinkabell! Die Chihuahuahündin ist seit zwei Jahren bei mir. Meine Freunde haben mir die Kleine geschenkt, als mich mein damaliger Lover verlassen hat. Ich bezeichne ihn absichtlich als ‚Lover‘, denn nach dem heutigen Stand der Dinge, war er auch nicht mehr. Ein Fuckbuddy, von dem meine naive Persönlichkeit glaubte, ihn zu lieben. Das war ein gewaltiger Irrglaube – ach was sag ich, ein exorbitanter. Dabei kann ich nicht einmal sagen, dass er gut im Bett gewesen ist. Ich tippe mir mit dem Zeigefinger ans Kinn, während ich mich wieder meinem Spiegelbild zudrehe und angestrengt überlege, was ich an Rico damals gut fand. Okay, da waren, hm – sein Aussehen und – sein Aussehen und – gut, ich gebe es zu, es waren nur sein geiler Body und sein südländisches Flair, das mich zu jener Zeit beeindruckte. Im Nachhinein betrachtet ziemlich dürftig. Aber immerhin haben wir es drei ganze Monate miteinander ausgehalten. Ein absoluter Rekord für mich.

    Während mich sein Äußeres angezogen hat, lockte ihn fast ausschließlich mein Vermögen an.

    Und mit dem wollte er sogar noch anderen Typen imponieren. Mit meinem Geld. Ha! Sowas läuft mit einem Tameran Brady nicht. Sorry, du puerto-ricanische Schmalzlocke. Auch wenn meine Eltern einen reichen, egoistischen und eingebildeten Spross erzogen haben, dumm ist er allerdings nicht. Ich weiß, welche Wirkung ich auf andere habe, kenne meine Stärken und Schwächen und weiß sie geschickt einzusetzen.

    Immerhin habe ich es geschafft, damit dreißig Jahre alt zu werden. Und das exakt heute. Vielleicht sollte ich mir endlich einmal was anziehen. Das Cateringteam wird bald meine Wohnung stürmen. Auch wenn ich nichts zu verbergen habe, muss nicht jeder meinen Luxusbody in natura sehen.

    Ich werfe mir gerade einen Hausanzug über, als der Portier das Eintreffen der leckeren Spezialitäten meldet. Maurice wird sie mit dem Lift direkt in die Wohnung bringen und in seiner Funktion als Chef des Catering, auch alles Weitere überwachen. Ich setze mich auf meine riesige Couch im Wohnzimmer und betrachte das rege Treiben aus sicherer Entfernung. Die Türe zum Schlafzimmer wird später abgeschlossen, ich habe keine Lust, dass unsere feuchtfröhliche Feier meiner kleinen Tinkabell einen Schrecken einjagt. Gott, das würde wieder Unmengen von Therapiesitzungen bei Camilla, unserer Tierpsychologin, nach sich ziehen, und darauf konnten sowohl Tinkabell als auch ich sehr gut verzichten. Auch wenn Camilla ein Vollprofi ist, wir – also Tinkabell und ich – mögen sie nicht. Deswegen vermeiden wir alles, was mein Schätzchen stresst.

    Das laute Klappern von Geschirr weckt meine Maus nun endgültig auf. Ich nehme sie auf den Arm. Gemeinsam gehen wir dem Lärm nach und landen dabei in der Küche, wo Maurice seines Amtes waltet. Wie immer hat er genug Sklaven um sich herum, die ihm seine Wünsche von den Augen ablesen. So wie er durch meine Küche wirbelt, fehlt ihm nur noch eine Peitsche.

    „Tam, mein Schatz. Komm, lass dir gratulieren und dich drücken", ruft er mit seinem ‚zarten‘ Organ einmal quer durch die Küche. Mit ausgebreiteten Armen dackelt er zu mir und zieht mich an seine Brust. Ich höre bereits einige meiner Rippen verdächtig knacksen.

    „Sag mal, füttert dich niemand ordentlich? Du bist ja nur noch Haut und Knochen", motzt Maurice und betatscht mich.

    „Kann ja nicht jeder so gutgenährt sein wie du. Du wirst langsam dick", blaffe ich ihn an, nachdem ich seinem Würgegriff entkommen bin. Jesus, wie ich es hasse, wenn man mich jemand als ‚dünn‘ bezeichnet. Maurice lacht dröhnend und widmet sich wieder seiner Arbeit.

    „Hast du die Leckerbissen für Tinkabell mitgebracht?", frage ich ihn süffisant, wohl wissend, dass er es hasst, als ‚senil‘ bezeichnet zu werden.

    „Tameran!", Maurice schüttelt fassungslos den Kopf. „Ich würde doch nie unsere Prinzessin vergessen."

    „Das ist auch gut so, sie ist – abgesehen von mir –  die wichtigste Person heute Abend." Ich streichele meine kleine Maus zärtlich. Die schleckt mir dafür wie immer über das Kinn. Da wir nur im Weg rumstehen, während überall gearbeitet wird, ziehen wir uns wieder ins Schlafzimmer zurück.

    „So, meine Süße, ein paar Stunden können wir uns noch ausruhen, bevor die ganze Meute hier aufschlägt. Komm, wir kuscheln eine Runde." Ich richte meine Decke und das Kissen so her, dass Tinkabell genau neben mir Platz hat und wenn sie will, auch unter die Zudecke kriechen kann. So schlummert sie am liebsten. Es dauert nicht lange, bis wir tief und fest eingeschlafen sind.

    Ich habe meinen Timer auf 18 Uhr gestellt. So schaffe ich es noch locker, mich ohne Zeitdruck salonfähig zu machen. Vor allem, da heute auch meine Eltern erscheinen werden. Ich habe lange nachgedacht, es ist mir aber kein Grund eingefallen, sie nicht einzuladen. Ich liebe die beiden, aber der Druck, den sie stellenweise ausüben, ist manchmal kaum zu ertragen. Bei der heutigen Party werden sie nämlich die Einzigen sein, die nicht wissen, dass ihr Sohnemann am anderen Ufer fischt. Gott sei Dank befinden sich in meinem Bekanntenkreis auch einige Heteropärchen, also dürfte nicht allzu viel schiefgehen. Hoffe ich zumindest. Wie heißt es? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und da ist noch Marc, mein allerbester Freund. Bei dem bin ich schon am Überlegen, ob ich ihm nicht den Mund zukleben soll. Vor dieser Tratschtante ist nichts und niemand sicher. Okay, er weiß, dass ich vor meiner Familie noch nicht geoutet bin, und er würde mich nie in die Pfanne hauen. Es ist nur – seine Worte sind meist schneller als seine Gedanken. Vor allem wenn der Bacardi dem Barkeeper leicht in der Hand liegt. Ich werde ihm einfach den Champagner schmackhaft machen müssen. Von dem bekommt er nur Kopfweh und keine lockersitzende Zunge. Mir ist klar, dass sich das gemein anhört, aber Gott alleine weiß, wie oft mich der Typ bereits in Verlegenheit gebracht hat, irgendwann hört man einfach auf zu zählen.

    Viel Schlaf habe ich nicht mehr bekommen, dazu bin ich zu nervös. Man wird ja immerhin nur einmal im Leben dreißig. Während ich meinen Smoking anziehe, ist von draußen bereits die Stimme meiner Mutter zu hören. Jetzt heißt es Tempo zulegen, denn ein Credo von ihr lautet: ‚Ein guter Gastgeber empfängt seinen Besuch an der Tür‘, was in meinen Fall wohl die Lifttüre sein dürfte. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich also erst in knapp einer Stunde dort stehen müsste. Natürlich ist damit zu rechnen gewesen, dass meine Eltern früher kommen. Davon steht im Knigge anscheinend nichts, oder meine Mutter hat die Stelle noch nicht gefunden. ‚Zu früh kommen‘ ist eben nie gut. Kichernd stelle ich mich vor den Spiegel und muss feststellen, dass mir ein Smoking irre gut steht. Für mein Alter sehe ich umwerfend aus. Okay, das klingt jetzt etwas selbstverliebt, aber ehrlich, wäre ich ein anderer Mann, ich würde mich sofort vernaschen. Nun aber Beeilung, bevor meine Frau Mama ins Schlafzimmer stürmt, da hat sie wirklich nichts zu suchen. Nicht, dass es was zu verbergen gäbe, aber es wäre doch sehr unangenehm. Ah ja, das Bild mit den zwei küssenden Männern, das über meinem Bett hängt, könnte mich allerdings glatt in Erklärungsnot bringen.

    „Mum, wie schön, dass du bereits da bist. Wo steckt Dad?", begrüße ich meine Mutter überschwänglich und umarme sie.

    Wie immer bekomme ich einen lippenstiftfeuchten Kuss auf die Wange, bevor sie mich eine Armlänge auf Abstand bringt und nicht vorhandene Fussel von meinem Hemd wischt.

    „Lass dich ansehen, Tameran. Gut siehst du aus, übernächtigt, aber gut. Wer ist das Mädel, das dich um deinen Schlaf bringt?" Sie legt den Kopf etwas schief und sieht mich strafend an. Sie weiß ganz genau, dass ich keine Frau vor ihr verstecken würde. Echt! Wenn ich hetero wäre, könnte sie gerne all meine Verehrerinnen kennenlernen. Tja, wer will mir das Gegenteil beweisen?

    „Mum, bitte. Du weißt genau, dass ich mein Junggesellendasein genieße. Also lass uns heute nicht davon anfangen. Es gibt keine Frau in meinem Leben", antworte ich ihr leicht gereizt. Mann, wie mir dieses Thema auf die Nerven geht. Als ob es nichts anderes gäbe, über das wir reden könnten. Zum Beispiel, wo Dad abgeblieben ist und ob er die Urkunde meines Treuhandkontos mitgebracht hat. Das wird nämlich heute fällig und ich will ja wirklich nicht geldgierig erscheinen, aber es hat doch viele Vorteile, wenn die eigenen Moneten auf dem Konto liegen. Auch wenn diese von den Großeltern und Eltern erwirtschaftet wurden. Ein ganz großer Vorteil ist, dass mein Vater ab sofort keinen Einblick mehr in meine Finanzen erhält. Außerdem muss ich nun keine Ausreden mehr erfinden, wenn ich nicht will, dass meine Eltern den wahren Grund für die eine oder andere Ausgabe erfahren. Und das Beste: Unabhängigkeit. Endlich. Okay, meine Eltern legen mir auch so keine Steine in den Weg, aber damit hätte sich auch das Thema um meine Sexualität erledigt. Enterben ist dann nicht mehr drin. Und wenn doch? Mit knappen drei Milliarden Dollar auf der Bank wird mich auch das nicht tangieren. Jep, die Familie Brady ist schwerreich. Mein Grandpa hat ein Imperium geschaffen, von dessen Ertrag sicher noch einige Generationen fürstlich leben werden. Somit erübrigt sich auch die Frage nach meinem Beruf – den gibt es nämlich nicht. Ich habe zwar aus lauter Langeweile Jura und Betriebswissenschaft studiert, denn das Lernen geht mir locker von der Hand. Viel brauchte ich für meinen exzellenten Abschluss nicht zu machen. Der mir schlussendlich verliehene Titel ist der Juris Doctor, somit wurde ich in die American Bar Associationican (ABA) akkreditiert. Ich fühlte mich zu dem Zeitpunkt wie ein kleiner Gott, denn die meisten sind eher auf den Bachelor aus und zufrieden damit. Aber das ist nicht meine Art. Wenn ich etwas beginne, dann gebe ich mich erst zufrieden, wenn ich ganz oben angekommen bin. Ich werde jedoch nie in einem der von mir erlernten Berufe arbeiten. Von Gerichtssälen halte ich mich fern. Marc meinte schon spaßeshalber, dass dann alle süßen Verbrecher Narrenfreiheit hätten. Könnte gut sein. Ich kenne zwar die wichtigsten Männer und Frauen dort und auch die Richter des Landes, aber aus dem einfachen Grund, weil viele davon Freunde meiner Eltern sind. Tja, und wenn ich heute meinen Treuhandfond bekomme, dann ist der Einzige, der arbeiten wird, mein Anlageberater. Marc hat sicher wieder mehr als genug hirnrissige Ideen, aber ich weiß, dass mein Geld bei ihm gut aufgehoben ist.

    Als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass sich bereits einige der Gäste eingefunden haben und so wie es aussieht, spielt meine Mutter die Gastgeberin. Soll mir recht sein.

    „Tam! Du altes faltiges Haus, wo steckst du?!", höre ich Marc hemmungslos durch das riesige Wohnzimmer schreien. Schnell gehe ich zu ihm und umarme ihn. Genervt zische ich ihm die heutigen Verhaltensregeln ins Ohr. Marc sieht mich erschüttert an und verdreht gereizt die Augen.

    „Ist dein Dad mit dem besonderen Geschenk schon da?", fragt er und schaut sich suchend um.

    „Nein, er wird wohl später aus dem Büro kommen", antworte ich lapidar. Marcs Mut machender Schlag auf die Schulter führt fast zur Verabschiedung meines Schlüsselbeins. Aua. Mit gedämpfter Stimme spricht er aus, was mir durch den Kopf geht.

    „Bist du dir sicher, dass er nicht im Büro kommen wird? Bei, auf oder in seiner neuen scharfen Sekretärin?", fragt er frech grinsend. Ich gebe ihm einen wohlverdienten Klaps auf den Hinterkopf. Manchmal ist Marc einfach unmöglich, auch wenn er mit dieser Vermutung nicht ganz Unrecht haben dürfte. Meine Eltern führen nach außen hin die perfekte Ehe, die Betonung liegt bei dem Wörtchen ‚außen‘. Mich persönlich stört es nicht, jedem das seine. Leben und leben lassen.

    „Sag mal, du Nervensäge, wo ist der Rest der Bande?" Ich schnappe mir Marc und ziehe ihn in Richtung Bar.

    „Die kommen gleich nach. Müssen noch etwas abholen", erwidert er und schmunzelt mich süffisant an. Ich verdrehe die Augen, das kann einfach nichts Gutes bedeuten.

    Justin

    „Dad, wie weit ist es noch?" JJ rutscht ungeduldig in seinem Kindersitz hin und her. Lange Autofahrten mag er überhaupt nicht. Außerdem findet er es gemein, dass sein bester Freund Billy nicht mitfahren durfte. Im Kindergarten sind die beiden unzertrennlich und nun werden sie sich knapp zwei Monate nicht sehen. JJ freut sich zwar schon lange auf die Zeit, die wir gemeinsam verbringen werden, aber ich muss mich im Moment ja auf das Fahren konzentrieren. Damit ist Langeweile vorprogrammiert.

    „JJ, wir sind gleich beim Motel. Solange wirst du es wohl noch aushalten. Es gibt dort auch einen Swimmingpool."

    Ich bin mehr als dankbar, dass ich die weite Reise nach Vancouver auf vier Tage aufgeteilt habe. Ursprünglich war es mein Plan gewesen, zu fliegen, aber Justin junior wollte lieber mit dem Auto fahren. Da mein Sohnemann nicht gerade mit Geduld gesegnet ist, musste die Anreise also großzügig eingeteilt werden. Ich hoffe nur, dass diese Gruppenwohnmobilreise kein Reinfall wird. Der Veranstalter hat mir versichert, dass wir nur eine kleine Mannschaft seien und wohl auch einige Kinder dabei wären, aber man weiß ja nie. Mit fünf Jahren ist JJ jetzt in einem Alter, in dem man schon mal was Größeres unternehmen kann. Die letzten Urlaube verbrachten wir beide stets beim Wandern, Goldsuchen oder Angeln am Yukon. Dass JJs Mutter nichts mit ihrem Sohn zu tun haben will und ich somit das alleinige Sorgerecht habe, macht es viel einfacher. Sie war nach der Geburt aus dem Krankenhaus verschwunden und hatte ihren kleinen Jungen einfach zurückgelassen. Dass ich Vater geworden bin, erfuhr ich erst Tage später, als meine Mum einen Brief von Kim in der Post fand. Kurz und bündig erklärte sie darin, dass sie keinen Bock darauf hätte, Mutter zu spielen und wo genau ich meinen Sohn finden würde. Sie wünschte mir viel Vergnügen mit ihm und ich solle ihm doch einen Namen geben. Bis heute will es nicht in meinen Schädel rein, wie eine vernünftig denkende Frau so grausam ihrem eigenen Kind gegenüber sein konnte. Ich habe mir geschworen alles Menschenmögliche zu tun, damit JJ nie das Gefühl hat, eine Mutter zu vermissen. Meine Mom kümmerte sich um das Baby, während ich arbeitete und so machen wir es auch noch heute. Als Buschpilot und eigener Chef kann ich mir die Arbeitszeiten selbst einteilen. Mittlerweile besitzt meine Firma einige Angestellte, wovon drei wie ich selbst Piloten sind. Ich habe also kein Problem damit, sechs Wochen mit meinem Sohn auf Achse zu sein. Laut Navi muss ich die nächste Ausfahrt rechts raus und würde dann in ein paar Hundert Metern das Motel erreichen

    „JJ, wir sind gleich da, kannst du den Fernseher ausmachen?" Ich weiß, dass hinter mir SpongeBob Schwammkopf läuft. Die Lieblingsserie meines Kleinen. Als JJ alt genug war, hatte ich an der Rückenlehne des Fahrersitzes ein TV-Gerät installieren lassen. Die beste Investition überhaupt, findet auch meine Mutter. Mit einem genervten Seufzen macht JJ sein heißgeliebtes Programm aus.

    „Wo ist der Pool?", murrte der Kleine, als wir vor der Anmeldung parken.

    „Sicher nicht direkt neben dem Parkplatz oder auf dem Parkplatz, Junior", erkläre ich ihm entschieden.

    „Du bleibst sitzen, während ich die Anmeldung erledige. Okay? Ich bin gleich wieder da. Und JJ – fass im Auto nichts an."

    „Bin doch kein Baby mehr, Dad. Ich weiß das", zischt JJ und verdreht genervt die Augen. Immer diese Belehrungen. Diese trotzige Antwort lässt mich meinem Sohn noch einmal einen strengen Blick zuwerfen. Mir ist klar, dass er müde ist, trotzdem kann ihm allmöglicher Unsinn einfallen, da bin ich mir sicher.

    „Wir haben das letzte Zimmer bekommen", informiere ich ihn und setze mich wieder in den Wagen.

    „Bin müde, Dad", nuschelt JJ und gähnt laut. Nach zwanzig Metern parken wir genau vor unserer Zimmertür. Ich steige aus, schnappe mir meinen Sohn und sperre die Tür zu unserem Reich auf. Die Einrichtung ist, wie nicht anders zu erwarten, sehr spärlich. Ein großes Doppelbett, eine kleine Küchenzeile und in der anderen Ecke ein Tisch mit zwei Sesseln davor. Ich lege JJ aufs Bett und gehe noch einmal zum Auto um unseren Übernachtungskoffer zu holen. In dem befindet sich alles, was JJ und meine Wenigkeit für die eine Nacht brauchen.

    „JJ, Pyjama anziehen und Zähneputzen, dann darfst du weiterschlafen", fordere ich meinen Sohn auf, und hole alles Nötige aus dem Koffer.

    „Mag nicht." JJ liegt auf dem Bauch und macht keine Anstalten sich zu rühren. Ich verdrehe die Augen. Okay, ausnahmsweise kann man ihm heute das Zähneputzen erlassen. Ich nehme den kleinen Schlafanzug heraus und beginne mit einigen Mühen, meinen Sohn auszuziehen. Wer auch immer Latzhosen für Kinder erfunden hat, gehört erschossen. Ein Blick auf meine Uhr schockt mich. Wir sind fast sieben Stunden unterwegs gewesen. Viel zu lange für meinen Kleinen. Ich schnappe mir die Landkarte und breite sie dann auf dem Tisch aus. Wenn ich mich nicht total verrechnet habe, und das sollte ich als Pilot eigentlich nicht, dann sind wir noch gut 400 Kilometer von Vancouver entfernt. Das dürfte locker in sechs Stunden zu schaffen sein. Dieser Robert Forster meinte, sein Anwesen liege außerhalb der Stadt und sei leicht zu finden. Durstgeplagt hole ich mir eine Flasche Wasser vom Automaten, der Gott sei Dank nur ein paar Schritte von unserem Zimmer entfernt steht. Seufzend setzte mich damit an den Tisch und betrachte meinen friedlich schlafenden Sohn. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Gott, wie sehr ich den kleinen Hosenpupser liebe. Er war so winzig und zerbrechlich, als ich ihn das erste Mal in den Armen hielt, nicht viel größer als meine Handfläche. Und ohne den Beistand meiner Mutter wäre ich laut schreiend aus dem Krankenhaus getürmt. Nie im Leben hätte ich mir vorstellen können, Vater zu werden. Heaven, ich – Justin Walker – bin ein schwuler Mann, der in volltrunkenem Zustand einen großen Fehler gemacht hat, der mir jedoch das größte Glück meines Lebens eingebracht hat. Wie das damals abgelaufen ist, kann ich mir bis heute nicht erklären. Meine eigene Mutter hatte auf einen Vaterschaftstest bestanden und der bewies eindeutig, dass ich der Erzeuger von diesem süßen Wesen bin. Jetzt würde ich ihn um nichts auf der Welt mehr missen wollen. Ich würde alles für ihn tun. Alles. Steifbeinig stehe ich auf und mache mich ebenfalls bettfertig. Vorsichtig lege ich mich neben JJ, ziehe ihn an mich und falle entspannt in Morpheus’ Arme.

    Tameran

    Die Party ist in vollem Gange und meine 300 qm große Penthouse Wohnung gleicht langsam einem Schlachtfeld. Die ‚seriösen‘ Gäste, wozu auch meine Eltern zählen, haben sich bereits kurz nach der Buffeteröffnung verabschiedet. Der Schuldigkeit meinem Vater gegenüber war genüge getan und mich kennt kaum einer dieser Leute. Die waren alle auf die Einladung meiner Eltern gekommen. Wie soll ich sie auch kennen, oder sie mich? Außer meinen Erzeugern gibt es keine Berührungspunkte. Ich lasse mich so selten in der Firma blicken, dass ich froh sein muss, nicht jedes Mal einer Leibesvisitation unterzogen zu werden. Gott sei Dank ist die Fluktuation der Angestellten eher gering und das Personal an der Anmeldung zwar schon betagt, aber noch immer dasselbe. Die meisten kannten mich bereits als kleinen Buben, der ich einst war. Was allerdings oft wechselt, sind die Vorzimmerblumen meines Vaters, doch das geht mich nichts an.

    Während ich so vor mich hin sinniere und das Putzteam, das morgen früh den Saustall aufräumen muss, schon jetzt bedauere, steuert ein bereits angeschickerter Marc auf mich zu. Er stellt sich neben mich und klopft mit einem kleinen Löffel, woher er den auch immer hat, gegen die Champagnerschale. Ich mache mir wirklich Sorgen um das Glas, denn irgendwie scheint er seine Schlagkraft nicht mehr richtig einschätzen zu können. Zu meiner Erleichterung widmen uns die übrigen Gäste schnell ihre Aufmerksamkeit.

    „Sehr verehrte Gäste und was auch immer. Unser kleiner Tameran wird heute dreißig Jahre alt. Wer hätte je gedacht, dass der Holzkopf mal dieses biblische Alter erreichen würde, beginnt Marc mit seiner Ansprache und lacht am lautesten über seinen eigenen ‚Witz‘. „Nein, ernsthaft Leute. Ich bin stolz darauf, so einen feinen Kerl wie ihn hier, meinen Freund nennen zu dürfen, und wenn er nicht so verdammt eitel und eingebildet wäre, würden ihn sicherlich noch mehr Menschen liebhaben. Und wieder muss mein Schlüsselbein unter Marcs Hieb leiden. Gemeinsam mit den anderen hebt er sein Glas, prostet mir zu und stimmt das Geburtstagsständchen an. Wenn sie jetzt noch eine Torte bringen, aus der ein Stripper hüpft, wären alle schneller draußen, als sie ‚Happy Birthday‘ auch nur denken können. Nicht, dass ich etwas gegen Stripper hätte, um Gottes willen, aber auf Partys mag ich dieses Klischee einfach nicht. Meine Freunde scheinen mich gut zu kennen, denn dieses Ärgernis bleibt mir erspart. Das Gemeinschaftsgeschenk muss ich aber trotzdem noch über mich ergehen lassen. Ich habe keine Ahnung, was es sein wird. Seit Wochen gab es heimliche Komitees zu dieser Überraschung. Da ich mir meine Freunde nicht nach deren Kontostand aussuche, kann ich ein kostspieliges Geschenk ausschließen. Nicht jeder ist mit einem drei Milliarden Treuhandfond gesegnet. Den hat mir mein Vater übrigens mit den Worten „Ich hoffe, du steigst trotzdem in die Firma ein überreicht. Und dann noch gleich eine weitere Forderung hinterhergeschoben. „Außerdem erwarten ich und deine Mutter in absehbarer Zeit ein Enkelkind. Wenn es nach mir gegangen wäre, würde dies auch im Vertrag stehen. Tja, lieber Herr Papa, darauf wirst du ewig warten können. Dass ich in die Firma einsteige und dass du von mir einen Balg bekommst, wird nie, nie, nie passieren. Eher friert die Hölle zu und der Teufel macht Urlaub in der Antarktis. Doch als guter Sohn, der ich bin, habe ich brav genickt und die Mappe an mich genommen.

    „So mein Lieber. Nun kommt das Geschenk, bei dem wir wirklich, wirklich lange überlegt und alle zusammengelegt haben. Doch da ich weiß, dass du gleich einen hysterischen Anfall bekommen wirst, lass dir eines gesagt sein. Marcs Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „Solltest du das Geschenk nicht annehmen und nutzen, wird ‚Golden Star‘ mir gehören. Da dieses Pferd dir nicht alleine gehört, ist es kein Problem für mich, deinen Anteil daran zu erwerben. Ich schüttele leicht verwirrt den Kopf. Was ist denn jetzt los? Warum verliere ich meine Stute, wenn ich das Geschenk nicht annehme? Heaven, was haben diese Doofköpfe sich da wieder ausgedacht? Mir wird ganz mulmig, als Lissy mir den Umschlag überreicht. Marc führt mich zur Couch. Immer noch konfus starre ich in die Runde, die vor mir steht. 

    „Leute, was habt ihr gemacht? Ich bekomme direkt Angst." Nervös drehe ich den Umschlag in meinen Händen hin und her.

    „Wir wollen dir nichts Böses, Tam. Eigentlich ist das unser Versuch, dir beizubringen, wie normal Sterbliche leben. Du bist manchmal so abgehoben, dass es uns schwerfällt, mit dir mitzuhalten. Denk immer nur daran, dass wir dich lieben." Moira kommt auf mich zu und küsst mich auf die Wange. Reihum geht das so, bis sich alle schließlich verabschiedet haben. Einzig Marc bleibt. Er legt sich neben mich und drapiert seinen Kopf auf meine Oberschenkel.

    „Nun mach schon auf", fordert er und deutet auf das Kuvert. Mit zittrigen Fingern reiße ich den Umschlag auf. Bevor ich den Inhalt herausnehmen kann, hält Marc meine Hand fest. Er sieht mich lange an, dann atmet er tief durch.

    „Du weißt, wir haben dich alle sehr, sehr lieb und so manchen von uns hast du schon aus der Patsche geholfen. Allerdings sind wir alle der Meinung, dass du keine Ahnung vom wahren Leben hast. Ich will bereits aufbegehren und fühle, wie Wut und Enttäuschung in mir hochsteigen. So also denken meine ‚Freunde‘ von mir. „Das ist kein Vorwurf, Tameran, wir machen uns wirklich Sorgen um dich. Sei ehrlich zu dir selbst – ohne das Geld deines Grandpa’s und deiner Eltern könntest du nicht überleben. Du hast nie auch nur einen Tag lang gearbeitet. Okay, mal vom Studium abgesehen. Und wenn wir ehrlich sind, hast du das auch nur aus Langeweile gemacht und um deinen Vater zu besänftigen. Tam, weißt du eigentlich, wie der Rest der Bevölkerung sein Leben gestaltet? Ich meine jetzt jene Menschen, die fürs Überleben arbeiten gehen und sich ihren Urlaub hart ersparen müssen? Ich gebe dir Antwort – nein, das weißt du nicht! Und nun kommt unser Plan. Marc setzt sich auf und wendet sich mir zu. „Wir schicken dich in den Urlaub." Marc macht eine dramatische Pause. Typisch für ihn. Er liebt es Shakespeare-like.

    „Deinem Grinsen nach zu urteilen, siehst du dich bereits auf Hawaii oder einer anderen schicken Insel. Marc schmunzelt wissend. „Nichts von dem wirst du erleben und jetzt sieh in den Umschlag rein. Mein bester Freund reibt sich erwartungsvoll die Hände. Gruselig! Ich nehme das erste Blatt heraus und sehe es mir mit hochgezogenen Augenbrauen an. Es ist ein Flyer mit einem großen Wohnmobil darauf. Ratlos blicke ich zu Marc. Der nimmt ihn mir aus der Hand und klappt ihn auf. Vier Wohnmobile sieht man darauf am Straßenrand parken, mit glücklich lächelnden Menschen davor. Oh, oh, in mir steigt ein äußerst übles Gefühl empor. Ich bin mir sicher, das Ganze geht nicht gut für mich aus. Das stinkt gewaltig.

    „Sehen die Fahrzeuge nicht toll aus? Glückliches Reisen und dabei Menschen kennenlernen." Die Begeisterung ist Marc deutlich anzuhören.

    „Ja, und wozu zeigst du es mir? Du wirst mir doch jetzt nicht weismachen wollen, dass ihr mir eine Wohnmobilreise schenkt?" In mir bahnt sich ein Lachflash an. Das kann nur ein Scherz sein. Bitte Jesus, mach dass es ein kleines ‚Wir verarschen Tam‘-Kuvert ist und mein richtiges Geschenk noch auftauchen wird. Als ich dann auch noch in Marcs ernstes Gesicht blicke, war es vorbei. Ich kringle mich auf der Couch und halte mir den Bauch, während Lachtränen über mein Gesicht laufen. Erst als ich wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappe, legt sich meine Erheiterung langsam. Heaven, ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal so herzhaft gelacht habe. Mühsam setze ich mich auf, was in Anbetracht meiner schmerzenden Bauchmuskulatur gar nicht so einfach ist. Marc mustert mich immer noch mit demselben ernsten Blick.

    „Alles wieder im grünen Bereich? Brauchst du einen Notarzt? Valium oder sonst ein beruhigendes Mittelchen?", fragt er mich und scheint irgendwie beleidigt zu sein.

    „Komm, sei nicht eingeschnappt, mein Süßer." Ich lege ihm einen Arm um die Schulter und drücke ihn leicht an mich.

    „Jesus, die Vorstellung, dass ihr mich echt mit einem Wohnmobil auf Tour schicken wollt, ist doch zum Schreien komisch. Das musst du doch auch so sehen. Ich nehme wieder das Kuvert in die Hand und sehe nach, was es noch alles beinhaltet. Ein Ticket mit meinem Namen kommt zum Vorschein und eine Liste, auf der alles steht, was man mitnehmen muss. Geschockt blicke ich Marc an. „Das ist also euer Ernst? Ich soll mit so einem Ungetüm Urlaub machen. In der Pampa? Ihr habt sie ja nicht mehr alle! Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich da mitmache?

    Empört springe ich auf, gehe zur Bar und nehme mir eine Flasche Champagner aus der Kühlung. Ein Glas spare ich mir und trinke gleich einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Ich schüttle fassungslos den Kopf. Die haben doch alle einen gewaltigen Sprung in der Gedächtnishalle. Was soll denn ein Tameran Brady in einem Wohnmobil? Ja hallo! Ich fahre überhaupt kein Fahrzeug selbst, wozu beschäftigt man schließlich einen Chauffeur? Die einzige Auswahl, die ich zu treffen habe, ist, mit welcher Karosse sie mich zu meinem Ziel kutschieren. Fahren kann ich, immerhin habe ich mit sechzehn Jahren meinen Führerschein gemacht und als Belohnung einen Maserati bekommen. Den fahre ich aber nur, um damit bei meinen Lovern anzugeben. Die meisten lasse ich dann auch mal fahren, dafür verzichten sie bei Clubbesuchen gerne auf Alkohol. Ich muss schmunzeln, im Prinzip sind meine Lover auch gleichzeitig meine Chauffeure, die halt nicht mit Geld, sondern mit einem Fick bezahlt werden. So habe ich das ja noch nie gesehen. Tja somit bekommen sie das doppelte Vergnügen, deswegen beschwert sich auch

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