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Auf der Suche nach Schleswig-Holstein. Geschichte und Geschichten aus dem westlichen Teil des Landes
Auf der Suche nach Schleswig-Holstein. Geschichte und Geschichten aus dem westlichen Teil des Landes
Auf der Suche nach Schleswig-Holstein. Geschichte und Geschichten aus dem westlichen Teil des Landes
Ebook130 pages1 hour

Auf der Suche nach Schleswig-Holstein. Geschichte und Geschichten aus dem westlichen Teil des Landes

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Wo Schleswig-Holstein liegt, weiß doch jeder, sollte man meinen, das braucht man nicht zu suchen. Doch, sagt Hannes Hansen, jedenfalls dann, wenn man ein Land entdecken will, das mehr bietet als den allerorts zwischen Castrop-Rauxel und Bombay vorhandenen Einheitsbrei aus gesichtsloser Architektur und zersiedelter Landschaft. Der bekannte Kultur- und Reisejournalist nimmt Sie in diesem zweiten Band mit an die Unterelbe, nach Dithmarschen und nach Nordfriesland. Im feuilletonistischen Plauderton erzählt er von den Schönheiten des Landes und lässt seine Menschen zu Wort kommen. So verbindet er Geschichte und Geschichten zu einer eindrucksvollen Reise in ein bekanntes, immer wieder neu zu entdeckendes Land.
LanguageDeutsch
PublisherVerlag Ludwig
Release dateJul 13, 2012
ISBN9783869351780
Auf der Suche nach Schleswig-Holstein. Geschichte und Geschichten aus dem westlichen Teil des Landes

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    Auf der Suche nach Schleswig-Holstein. Geschichte und Geschichten aus dem westlichen Teil des Landes - Hannes Hansen

    Hannes Hansen

    Auf der Suche nach Schleswig-Holstein

    Geschichte und Geschichten aus dem westlichen Teil des Landes

    Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

    © 2012 by Verlag Ludwig

    Holtenauer Straße 141

    24118 Kiel

    Tel.: +49-(0)431-85464

    Fax: +49-(0)431-8058305

    info@verlag-ludwig.de

    www.verlag-ludwig.de

    ISBN 978-3-86935-178-0

    ISBN der Printausgabe 978-3-86935-020-2

    Vorwort

    Ein seltsamer Titel, dieses »Auf der Suche nach Schles­wig-Holstein«, hatte ich in dem ersten Band die­ser Reisebilder, der vom Osten des Landes handelt, geschrieben. Schließlich wisse doch jedes Schul­kind, wo es liegt; nämlich auf der Landkarte ganz oben, dort wo Deutschland zwischen Ost- und Nord­see schmal wird. Nein, Schleswig-Holstein brauche man nicht zu suchen.

    Aber was ist mit der Klage mancher Kulturkriti­ker, dass die Welt immer ein- und gleichförmiger wer­de? Dass die Banlieue von Paris, die Vorstädte von Madrid oder Mumbai denen von Essen oder Kiel gleichen wie ein Ei dem anderen?

    In der Tat, wenn diese Klage berechtigt ist, wenn man hier wie dort bei identischen Warenhaus- und L­ebensmittelketten die gleichen Waren einkauft, dann gibt es kein Schleswig-Holstein. Dann gibt es nur einen Einheitsbrei aus gesichtsloser Architektur und zersiedelter Landschaft. Der bloße Augenschein aber zeigt, dass die beredte Klage falsch, zumindest über­trieben ist. Schleswig-Holstein mit seinen land­schaft­lichen und kulturellen Eigenheiten, seiner kom­pl­i­zier­ten Geschichte und seinen, wie eine po­pu­läre Le­-gen­de es will, meist verschlossenen und wort­kar­gen Men­schen, dieses Land gibt es wirklich. Nur: Man muss es suchen. Suchen abseits der großen Städ­te und der Hauptverkehrswege. Wer die Augen öff­net, ent­deckt seine Schönheiten, und wer zuhören kann, dem öffnen sich die Menschen, dem erzählen sie ihre Ge­schichten.

    Dieser zweite »Auf der Suche«-Band ist der Niederschlag von Ausflügen in das wenige Jahrtausende, manchmal nur Jahrhunderte alte Marschenland an der Unterelbe und der schleswig-holsteinischen West­küste zwischen Brunsbüttel und der dänischen Grenze.

    Die Auswahl der Ziele dieser Ausflüge in ein bekanntes Land, in dem meine wechselnden Begleiter und ich Unbekanntes entdeckten, ist erneut weder zu­fällig noch systematisch. Sie ist vielmehr geprägt von persönlichen Vorlieben, von Augenblickseindrü­cken und einem, wie ich hoffe, vertrauenswürdi­gen Gespür für Sinnfälligkeiten.

    An der Unterelbe

    Die geordnete Wildnis – Durch die Elbmarschen nach Glückstadt

    Wer Glückstadt sagt, sagt Matjes. Aber so weit sind wir noch nicht. An diesem warmen Sommertag wollen Otto und ich die Gelegenheit nutzen, kreuz und quer durch die Elbmarschen zu fahren.

    Zunächst steuern wir hinter Itzehoe das Örtchen Krempe an. Das Renaissancerathaus und sein über die Stadtgrenzen hinaus gerühmter Ratskeller locken. Das Rathaus liegt, wie es sich gehört, am Markt, und um den herum stehen schöne alte Fach­werk­häu­ser wie aus der Tourismuswerbung. Er ist men­schenleer, nur eine über das heiße Kopfsteinpfla­ster schleichen­de Katze täuscht Leben vor. Die Hitze braucht uns nicht weiter zu stören, im alten Ratskeller mit der dunk­len Holzverkleidung und den Bildern aus Krem­pes großer Zeit – die ist lange her – ist es bestimmt angenehm kühl. Nur leider ist das Restaurant wie gleich das ganze Rathaus über Mittag geschlossen. So wird es weder mit einer Fischmahlzeit etwas noch mit der Besichtigung der beiden, nach Angaben des Reise­führers reich ausgemalten Ratssäle. Für das strei­ten­de Ehepaar, das sich mittlerweile am aus­hän­gen­den Speisezettel eingefunden hat, hat die Sache da­ge­gen etwas Gutes. Die Frage, ob Matjes oder doch lie­ber Puten­schnitzel, kann unentschieden bleiben. Das Pro­blem, warum einer den anderen nicht ein­­mal beim Essen nach seiner Fasson selig wer­den las­sen kann, bleibt Freund Otto und mir ver­schlos­sen.

    Gleich neben dem Rathaus liegt die Kirche. Die ist, nachdem schwedische Truppen im Jahre 1814 ih­re Pulvervorräte in der mittelalterlichen Vorgängerin ein wenig unvorsichtig lagerten, von 1832 und auch geschlossen. Immerhin können wir Christian Friedrich Hansens streng klassizistischen Bau von außen bewundern. Das hilft uns aber nicht herauszufin­-den, warum die hohen Rundbogenfenster gotisierende Fül­lungen haben. Passt doch nicht, oder? »Weiß nicht«, sagt Otto und ich weiß es auch nicht. Fragen kön­nen wir niemand, die Stadt schläft weiter.

    Wahrscheinlich schläft sie seit weit über zweihundert Jahren, seit im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts die Kremperau verschlickte und der schwunghafte Schiffsverkehr mit Handel bis nach Lissabon ein Ende hatte.

    Wir steuern Beidenfleth an. Als wir an einer Weide in der Störniederung vorbeikommen, wird Otto nervös.

    »Guck mal«, sagt er ganz aufgeregt, »die Rinder da.«

    »Ja, schwarzweiße oder besser gesagt Schwarz­bun­te.«

    Ich habe von Otto gelernt, mich bei Viechern prä­zi­se auszudrücken. Otto unterrichtet an der Univer­si­tät Kiel Tierzucht und ist Experte für alte, vom Aus­sterben bedrohte Haustierrassen.

    »Ja«, sagt er, »natürlich sind das Schwarzbunte. Aber eben nicht die normalen Holsteiner. Das ist Schwarz­buntes Niederungsvieh, sozusagen einer der Urväter der Holsteiner.«

    »Und was ist daran so Besonderes?«, will ich wissen.

    »Extrem selten. In der alten Bundesrepublik waren sie schon so gut wie ausgestorben, weil ihre Milch­leistung niedriger ist als die der Holstein Friesians. Dafür sind sie robuster und fruchtbarer. Zum Glück hielt man in der DDR eine ganze Herde als Gen­reserve. Jetzt gibt es auch im Westen wieder ein paar Züchter. Aber von einem, der hier in der Gegend lebt, habe ich gar nichts gewusst.«

    »Für mich«, sage ich, »sehen die Kühe ganz normal aus. Schwarzbunte eben.«

    »Ja nee«, sagt Otto und klingt wie Franz Beckenbauer, wenn der »Ja gut« sagt, »sehen tut man das nur, wenn man es weiß. Dann bemerkt man den etwas anderen Körperbau.«

    Mit der rätselhaften Antwort muss ich mich zufrieden geben.

    Für den Erhalt solch alter, bedrohter Haustier­ras­sen auf spezialisierten Betrieben setzt sich Otto mit großer Energie ein. Zum einen, weil er mit anderen weitsichtigen Leuten der Meinung ist, dass der Gen­pool, den sie repräsentieren, einmal von Nutzen, ja geradezu lebens- oder überlebensnotwendig sein könn­te. Denn sollten einmal Krankheiten oder Seuchen die heutigen, oft wenig robusten Nutztierrassen, deren Varietäten man bei jeder Art fast an den Fingern einer Hand abzählen kann, dahinraffen, müss­te man für Neuzüchtungen auf die alten Rassen zurückgreifen.

    »Wenn es die dann nicht mehr gibt«, sagt Otto, »dann gute Nacht.«

    Zum anderen ist für ihn und nicht nur für ihn die Züchtung von an Klima, Bodenverhältnisse, verfügbares Futter und regional grassierende Krankheiten angepassten Nutztieren eine Kulturleistung des Men­schen ersten Ranges.

    »Durchaus vergleichbar deinen romanischen und gotischen Kirchen«, sagt er bestimmt, und ich wage nicht zu widersprechen. Schon weil ich ja gleich für eine romanische Dorfkirche anhalten will und Otto mit muss.

    In Beidenfleth bringt uns eine kleine, gemütlich tuckernde Seilfähre über die sich breitärschig in der idyllischen Landschaft räkelnde Stör. Die kleine, im Kern romanische Backsteinkirche, wenige Meter von der Anlegestelle entfernt, hält einige Überraschun­gen bereit. Solch einen prächtigen Renaissancealtar, eine so kunstvoll geschnitzte Barockkanzel hätten wir in dem kleinen Örtchen nicht vermutet. Auch die übrige Ausstattung der Kirche mit spätgotischen Skulp­turen, bemalter Westempore und aufwändig gear­beiteten Logen zeigt, dass bei den Marschbauern einmal beträchtlicher Reichtum zu Hause war.

    »De harrn wat anne Fööt«, sagt Otto. Plattdeutsch kann Otto und ich kann es auch. Ist ja gar nicht so lange her, dass unsere jeweiligen Großväter hinter dem Pflug herstapften und sich einen Teufel um das vornehme Hochdeutsch der Städte kümmerten. Das war im Falle meines Großvaters bei Süderschmedeby auf der Grenze zwischen der Schleswigschen Geest und »Luusangeln«, dem lausigen Angeln. Der von Otto hatte seinen Hof auf einer Geestecke an der dänischen Grenze. Zu beiden Höfen gehörte Land mit hohen Sandanteilen, das wenig fruchtbar war. Gar nicht zu vergleichen mit den Lehmböden im eigent­lichen Angeln und erst recht nicht mit den fetten Marschböden an der Elbe und an der Nordseeküste. Wer dort Landwirtschaft betrieb, der hatte tatsächlich »wat an de Fööt«. Klei nämlich, Marschboden. Der bleibt bei Regen an den Schuhen haften und ist außerordentlich fruchtbar. Otto klingt ganz ehrfürchtig, wenn er »Klei« sagt.

    Die Weiterfahrt in Richtung Wewelsfleth bestätigt den ersten Eindruck vom ehemaligen Wohlstand der Elbmarschen. Unter den erhaltenen Bauernhäusern beiderseits der Straße sind wahre Prunkstücke. Viehzucht und Viehhandel ermöglichten den Bau rie­siger Fachhallenhäuser, jener für Norddeutsch­land so typischen Bauernhäuser, die Wohnteil, Ställe und Scheune unter einem Dach vereinigen. Nur dass sie hier in der Elbmarsch noch größer, noch hö­her und ausladender sind als andernorts, dass die Back­stein­muster im Fachwerk kunstvoller gemauert, die Bal­ken­köpfe der Zwischenböden dekorativer verziert sind.

    In Wewelsfleth steckt ein Schiffsbug seine Nase über den Deich an der Stör. Die Peters Werft baut und repariert seit über einhundertunddreißig Jahren in dem hübschen, vom Zahn der Zeit wenig ange­nag­ten Ort, dessen Besichtigung Fachwerk- und Orts­bildnostalgikern anzuraten ist, Schiffe erstaunlicher Größe, bedenkt man, dass die Stör nicht gerade zu den mächtigsten Strömen Deutschlands gehört. So groß, dass das Störsperrwerk wenige Kilometer weiter bei

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