Selbstbehandlung: Natürliche Methoden
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Selbstbehandlung - Red. Serges Verlag
Phytotherapie
Wie jedes Lebewesen, so lebt auch die Pflanze von dem, was sie ihrer Umwelt entzieht. Sie nimmt aus der Luft, vom Wasser und von der Erde Stoffe auf und setzt dann in ihrem Innern äußerst komplizierte Vorgänge in Gang.
Die aufgenommenen Stoffe dienen der Pflanze zur Ernährung. Unter ihnen befinden sich als Hauptnährstoffe chemische Elemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Kalium, Kalzium, Schwefel, Magnesium, Phosphor und Eisen, die in relativ großen Mengen benötigt werden. Weitere, nur in geringen Mengen erforderliche Pflanzennährstoffe sind die Spurenelemente Mangan, Kupfer, Zink u.a.
Aus den aufgenommenen Elementen entstehen im lebenden Organismus unter dem Einfluss von Wärme und Licht chemische Verbindungen, die der Pflanze als Energiequelle zum Aufbau organischer Stoffe dienen oder den Stoffwechsel anregen, lenken und beschleunigen. Pflanzen, die sich auf diese Weise aus den aufgenommenen anorganischen Stoffen ernähren und aus ihnen körpereigene organische Substanzen aufbauen können, nennt man autotroph. Jedoch nicht alle Pflanzen sind autotroph, es gibt auch heterotrophe, zur selbstständigen Erarbeitung organischer Stoffe nicht befähigte Organismen, wie zum Beispiel die Pilze, die bei ihrer Ernährung auf die Zufuhr organischer Substanzen pflanzlicher oder tierischer Herkunft angewiesen sind.
Pflanzen als Heilmittel
Eine besondere Gruppe bilden die Pflanzen, die als Ganzes oder in Teilen (zum Beispiel die aus ihnen gewonnenen Substanzen) zur Herstellung von Heilmitteln verwendet werden. Man nennt sie Heilpflanzen oder Arzneipflanzen. Aus den Heilpflanzen werden meist durch Trocknung, seltener durch andere Arten der Haltbarmachung Drogen gewonnen. Die Drogen oder biogenen Arzneimittel umfassen sowohl pflanzliche als auch tierische Produkte, die arzneilich verwendet werden.
Die Wissenschaft, die sich mit der Herkunft, dem Aussehen, der Zusammensetzung der Drogen befasst, heißt Pharmakognosie oder Drogenkunde (pharmakon = Arznei, Gift; gnosis = Kenntnis, Wissenschaft). Zu ihren Aufgaben gehört auch das Ausfindigmachen von neuen Heilpflanzen, außerdem befasst sie sich mit Problemen des Sammelns und des Anbaus von Heilpflanzen sowie mit der Zubereitung biogener Heilmittel. Schließlich versucht sie, aufgrund der erhaltenen Ergebnisse, allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzufinden und die gewonnenen Erkenntnisse praktisch anzuwenden.
Arzneidrogen
Drogen sind alle biogenen Arzneimittel komplexer Natur (Arzneidrogen), sofern sie nicht als Arzneizubereitungen zu betrachten sind, sowie biogene Rohstoffe, die in der Industrie Verwendung finden (Industriedrogen). Die Pflanze, die die Droge liefert, nennt man Stammpflanze. Es versteht sich, dass die Pflanzen bzw. die Pflanzenteile so getrocknet, aufbewahrt und zubereitet werden müssen, dass Menge und Qualität der in ihnen enthaltenen Wirkstoffe nach Möglichkeit erhalten bleiben.
Wirkstoffe und Begleitstoffe
Aus der Sicht ihrer Inhaltsstoffe sind die Drogen ein buntes Gemisch von Stoffwechselprodukten des lebenden Pflanzen- oder Tierkörpers. Ihrer Heilkraft nach teilt man diese Stoffe in Wirk-, Begleit- und Ballaststoffe ein. Wirkstoffe sind die Träger der Heilkraft der Droge. Begleitstoffe sind an und für sich nur von geringfügiger Heilkraft, unterstützen aber ganz wesentlich die Heilkraft der Wirkstoffe. Die Ballaststoffe sind für den Heileffekt der Droge bedeutungslos oder setzen diesen herab; einige, wie zum Beispiel Stärke, finden als Deck- oder Schutzstoffe arzneiliche Verwendung. Drogen werden heute in bedeutend geringerem Maße als früher zur Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten gebraucht; man benutzt sie vielmehr als Rohstoffe in der pharmazeutischen Industrie. Die moderne Medizin bevorzugt (nicht immer mit vollem Recht) die aus Heilpflanzen durch Isolation gewonnenen Wirkstoffe oder ähnliche, synthetisch hergestellte Substanzen.
Drogen werden von wildwachsenden oder angebauten Pflanzen gewonnen. Je nach der Wirkungsintensität unterscheidet man toxische (giftige, stark wirksame) und nicht toxische (ungiftige) Drogen. Eine genaue Trennung zwischen diesen beiden Gruppen gibt es jedoch nicht. Toxische Drogen müssen unbedingt deutlich gekennzeichnet und von anderen Drogen getrennt gelagert werden; der Umgang mit ihnen unterliegt besonderen Vorschriften.
Wichtige pflanzliche Inhaltsstoffe
Alte oft tausendjährige Erfahrungen und die Ergebnisse moderner wissenschaftlicher Forschungsarbeiten zeigen, dass zahlreiche pflanzliche Inhaltsstoffe heilkräftig sind. Eine kurze Charakteristik der wichtigsten pflanzlichen Inhaltsstoffe wird unten beschrieben.
Kohlenhydrate
Kohlenhydrate (Zucker, Saccharide) bilden eine wichtige Gruppe pflanzlicher Inhaltsstoffe, auf die mitunter bis zu 75 Prozent der trockenen Pflanzensubstanz entfallen. Für die Ernährung von Menschen und Tieren sind sie von größter Bedeutung.
Man unterscheidet niedrige, wasserlösliche Kohlenhydrate und höhere, aus vielen Bausteinen aufgebaute, wasserunlösliche Kohlenhydrate. Die wichtigsten wasserlöslichen Kohlenhydrate sind Glukose, Fruktose und Saccharose.
Glukose
Die Glukose, auch Traubenzucker oder Dextrose genannt, ist der in der Natur am häufigsten (vor allem in reifem Obst und in Pflanzensäften) vorkommende wasserlösliche Zucker. Man verwendet sie zum Süßen und als Nähr- und Kräftigungsmittel.
Fruktose
Die Fruktose oder der Fruchtzucker findet sich vor allem in reifem Obst. Fruktose und Glukose kommen häufig zusammen vor.
Saccharose
Die Saccharose, der Rüben- oder Rohrzucker, ist nach der Glukose der in der Natur verbreitetste wasserlösliche Zucker.
Zweckmäßige Heilpflanzen
Links: Passionsblume (Passiflora incarnata); rechts: Maiglöckchen (Convallaria majalis)
Alle drei erwähnten Zucker bilden einen wesentlichen Bestandteil des Bienenhonigs. Die wichtigsten nichtwasserlöslichen Kohlenhydrate sind die Stärke, das Inulin und die Zellulose.
Stärke
Stärke bildet sich in den grünen Pflanzenteilen. Sie ist nach der Zellulose die in größten Mengen in den Pflanzen vorkommende Substanz. Mit ihrem hohen Kaloriengehalt ist sie für die Ernährung der Menschheit von größter Bedeutung. Für therapeutische Zwecke und zur industriellen Verarbeitung wird die sog. Reservestärke verwendet, die von zahlreichen Pflanzen in den Samen, Knollen, Wurzeln und Blättern gespeichert wird. Besonders reich an Stärke sind Kartoffeln und Getreidekörner. Durch Hydrolyse (Spaltung chemischer Verbindungen durch Wasser) kann man aus Stärke Glukose gewinnen.
Verabreichung von Kräutertees
Da Heilpflanzentees rezeptfrei zu bekommen sind, eignen sie sich gut zur Selbstbehandlung. Sei es, um Krankheiten vorzubeugen, sei es, um Alltagsbeschwerden zu lindern. Nicht umsonst haben sie einen festen Platz in der „Hausapotheke". Doch eines sollte man wissen: Wie bei fast allen naturheilkundlichen Behandlungen darf der Patient auch hier keinen Erfolg von heute auf morgen erwarten. In der Regel wirkt ein Tee erst, wenn der Patient mindestens vier Wochen lang täglich seinen Tee in ausreichender Dosierung getrunken hat. Also ist auch hier Geduld gefragt. Und auf Folgendes sollte man ebenfalls achten:
• Einen Heilpflanzentee kauft man am besten in der Apotheke. Hier kann der Apotheker sachkundig beraten.
• Bei losen Tees nimmt man normalerweise zwei Gramm Kräuter pro Tasse – das entspricht einem gehäuften Teelöffel. Eventuell abweichende Dosisvorschriften kennt der Apotheker, oder sie sind auf der Packung vermerkt.
• Ob man einen Tee mit sprudelnd kochendem oder nur leicht siedendem Wasser aufgießen und wie lange man ihn ziehen lassen muss, sind keine Glaubensfragen. Vielmehr hängen sie von der Art der Kräuter und eventuell von der jeweils gewünschten Wirkung ab. Auch hierüber informiert der Apotheker oder ein Hinweis auf der Packung.
• Harntreibender Tee wird mehrmals täglich verabreicht.
• Appetitanregende, galletreibende und verdauungsfördernde Tees werden in der Regel dreimal täglich zu je 1 dl etwa 15 bis 30 Minuten vor der Mahlzeit genommen.
• Stoffwechselanregende Tees sowie Tees, die bei Arteriosklerose, hohem Blutdruck und einigen Frauenkrankheiten verschrieben werden, trinkt man vor dem Essen schluckweise mehr oder weniger den ganzen Tag hindurch.
• Tees mit schmerzstillender, stopfender und windtreibender Wirkung werden je nach Bedarf einmal täglich in kleinen Mengen genommen.
• Abführende und den Stuhlgang regelnde Tees werden in kleinen Mengen warm am Abend oder morgens auf nüchternen Magen genommen.
• Auswurffördernde Tees werden gesüßt und einmal am Tag (am besten abends) warm getrunken.
• Tees mit antirheumatischer Wirkung trinkt man warm, gezuckert oder ungezuckert am Abend; sie bewirken eine erhöhte Schweißabsonderung.
• Schweißtreibende Tees werden meist gezuckert; man trinkt sie im Bett so heiß wie möglich.
• Nervenberuhigende Tees werden warm je nach Bedarf und, wenn man sie gegen Schlaflosigkeit nimmt, am Abend verabreicht; man kann sie süßen.
• Kräutertees wirken individuell, das heißt nicht bei jedem und auch nicht immer gleich. Man darf daher Kräutertees nicht unüberlegt trinken und man darf sich auch nicht an eine bestimmte Mischung gewöhnen.
• Die Zusammensetzung von Kräutermischungen, insbesondere solcher für den täglichen Gebrauch anstelle von schwarzem Tee, ändert man von Zeit zu Zeit, um eine möglichst vielseitige Wirkung zu erzielen.
• Heilkräftige Tees verabreicht man nach Beratung mit dem Arzt; das ist vor allem bei Herz- und Nierenleiden sowie Erkrankungen, bei denen die tägliche Aufnahme von Flüssigkeit geregelt werden muss, unbedingt erforderlich.
Inulin
Das Inulin ist ein ähnlicher Reservestoff wie die Stärke. Es besteht aus mehreren Fruktoseeinheiten, in die es aufgespalten werden kann. Das Inulin ist in erster Linie für die Diät von Zuckerkranken von Bedeutung. In größeren Mengen kommt es vor allem in den Wurzeln der Wegwarte (Zichorie), des echten Alant und anderer Korbblütter vor.
Zellulose
Zellulose ist als wichtigste pflanzliche Gerüstsubstanz in der Natur sehr häufig; sie bildet die Zellwände und ist ein wichtiger Bestandteil der Holzgewebe höherer Pflanzen. Baumwolle, die wegen ihrer Formbeständigkeit hervorragend als Verbandwatte geeignet ist, ist fast reine Zellulose. Durch Hydrolyse kann man aus Zellulose Glukose gewinnen. Zu den Zuckern zählen auch die vorwiegend in Fruchtsäften enthaltenen Pektine, die unter bestimmten Voraussetzungen Gelee bilden und in der Lebensmittelindustrie Verwendung finden, sowie Schleime.
Letztere kommen unter anderem in den Blättern und Wurzeln des echten Eibisch, in Malvenblättern, in Leinsamen, im Isländischen Moos und im Bockshornklee vor. Schleime üben einen günstigen Einfluss bei Hautentzündungen und Schleimhautentzündungen der oberen Atemwege aus, da sie die entzündete Stelle „einhüllen" und sie so vor mechanischen Reizen und anderen Reizstoffen schützen.
Glykoside
Glykoside kommen in größeren Mengen vor allem im Zellsaft einiger Pflanzen vor, wo sie eine wichtige Speicher- und Schutzfunktion erfüllen. Man teilt sie nach ihrer chemischen Zusammensetzung und physiologischen Wirkung in folgende Gruppen ein:
Cyanogene Glykoside
Bei deren Spaltung entsteht stark giftiger Cyanwasserstoff (Blausäure). Cyanogene Glykoside finden sich zum Beispiel in bitteren Mandeln.
Hautreizende Senfölglykoside
Diese Glykoside kommen zum Beispiel im schwarzen Senf vor.
Anthrachinonglykoside
Diese Glykoside wirken abführend. Sie kommen unter anderem in der Rinde des Faulbaums und den Früchten des Purgierkreuzdorns, in Rhabarberwurzeln und in Sennesblättern vor.
Phenolglykoside
Diese Glykoside sind unter anderem enthalten in den Blättern der Bärentraube, in Preiselbeeren, im Heidekraut und in der Weidenrinde.
Herzwirksame Glykoside
Diese Glykoside finden sich unter anderem im Kraut von Frühlingsadonisröschen, Maiglöckchen und Fingerhut und sind bereits in kleinen Mengen stark giftig.
Bitterstoffglykoside
Sie bilden den Hauptwirkstoff der Enzianwurzel, des Tausendgüldenkrauts, des Fieberklees und anderer Arzneipflanzen.
Schweißtreibende Glykoside
Diese Glykoside sind unter anderem enthalten in Holunder- und Lindenblüten.
Saponinglykoside
Sie haben die Eigenschaft, wie Seife im Wasser zu schäumen. Wenn sie mit Blut in Berührung kommen, verursachen sie schon in kleinen Mengen Hämolyse, das heißt die Zerstörung der roten Blutkörperchen. In der Medizin werden Saponinglykoside als schleimlösende und auswurffördernde Mittel bei Katarrhen der oberen Atemwege verordnet. Zu den Saponindrogen gehören ua. die Wurzeln des Seifenkrauts, der Wiesenprimel und des Süßholzes, das Bruchkraut, die Blüten der Königskerze, das Kraut des Feldstiefmütterchens, des Märzveilchens und der Goldrute sowie Birkenblätter.
Cumaringlykoside
Beim Trocknen von Cumarinpflanzen (zum Beispiel Steinklee und Waldmeister) kommt es zur Spaltung der Cumaringlykoside und zur Bildung von Cumarin, das den charakteristischen Geruch der Cumarindrogen verursacht. Das Derivat Dicumarol hat die Eigenschaft eines K-Antivitamins; es hemmt die Blutgerinnung. Von anderen Derivaten, den Hydroxycumarinen, werden in neuester Zeit vor allem das Aesculin bei Krampfadern, Hämorrhoiden und subkutanen Blutungen und das Khellin bei Verletzungen des Herzmuskels und als koronarerweiterndes Mittel gebraucht. Ersteres ist unter anderem in der Zweigrinde der Rosskastanie enthalten, letzteres wird aus der in Ägypten heimischen Pflanze Ammi visnaga gewonnen.
Flavonglykoside
Diese Glykoside, auch Bioflavonoide genannt, bilden in neuester Zeit den Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Untersuchungen. Ihre Wirkung auf den menschlichen Organismus ist vielseitig, aber nicht eindeutig. Im Allgemeinen stärken sie die Wände der Haargefäße, wirken sich hemmend auf Infektionskrankheiten aus und sind harntreibend. Zahlreiche Flavondrogen wie Weißdornfrüchte und -blüten erweitern die Herzkranzgefäße, senken den Blutdruck und wirken herzstärkend; andere, wie die aus der Samenschale der Erdnuss gewonnenen Flavonoide, steigern die Blutgerinnung.
Gerbstoffe
Gerbstoffe sind pflanzliche Bau-, Schutz- und Reservestoffe. Sie kommen in vielen Pflanzen gelöst in Zellsaft oder konzentriert in besonderen Zellsafträumen, den sogenannten Gerbstoffvakuolen, vor. In besonders starker Konzentration findet man sie im Zellsaft kranker oder von Parasiten befallenen Zellen (zum Beispiel in Galläpfeln). Gerbstoffe sind im Pflanzenreich vor allem in der Baumrinde sehr verbreitet. An der Luft zersetzen sie sich unter dem Einfluss des Sauerstoffs; gerbstoffhaltige Drogen müssen dementsprechend aufbewahrt werden. Sehr leicht verbinden sich Gerbstoffe auch mit Eisensalzen und liefern grüne bis schwarze Fällungen. Man muss daher beim Sammeln gerbstoffhaltiger Pflanzen (vor allem von Rinden) nichtrostende Geräte benutzen. Zu den Gerbstoffdrogen gehören unter anderem die Eichenrinde, Heidelbeeren, der Wurzelstock der Blutwurz, des Schlangenknöterichs und des großen Wiesenknopfs, Nussblätter, Galläpfel sowie das Kraut des Odermennigs, des Andorns und des Vogelknöterichs.
Fette und Öle
Fette und Öle treten in den Pflanzen sowohl als Baustoffe wie als auch als Reservestoffe auf. Sie entstehen in der Pflanze wahrscheinlich schon bei der photosynthetischen Assimilation aus Zucker. Man findet sie vor allem in den wichtigsten Speicherorganen, wie