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Dorian Hunter 62 – Der ewige Dämon
Dorian Hunter 62 – Der ewige Dämon
Dorian Hunter 62 – Der ewige Dämon
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Dorian Hunter 62 – Der ewige Dämon

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About this ebook

Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Dämonen, steht kurz vor der Vollendung ihres Plans: Auf einem Sabbat soll sich Asmodi I. als wiedererstandener Fürst der Schwarzen Familie zeigen. Nur die Kranich und der Hermaphrodit Phillip wissen, welche Hindernisse dafür noch zu überwinden sind …

Der 62. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter.
- "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
244: "Der ewige Dämon"
245: "Asmodis Sabbat"
LanguageDeutsch
Release dateNov 1, 2014
ISBN9783955720629
Dorian Hunter 62 – Der ewige Dämon

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    Dorian Hunter 62 – Der ewige Dämon - Christian Montillon

    Der ewige Dämon

    Band 62

    Der ewige Dämon

    von Peter Morlar und Christian Montillon

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Zwar plante Asmodi I. noch, seinen Geist in einen anderen Körper zu retten, doch der Versuch schlug fehl. Zersplittert in Körper, Geist und Sonnengeflecht überdauerte der ehemalige Fürst die Zeiten, bevor Lucinda Kranich, die Nachfolgerin Skarabäus Toths als Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Dreifaltigkeit Asmodis wieder zusammenfügte und ihn zu neuem Leben erweckt.

    Der Dämonenkiller gerät auf die Spur der sieben Höllenplagen-Dämonen. Inzwischen kennt er ihre Identitäten und weiß, dass alles mit einem geheimnisvollen Plan der Schiedsrichterin der Schwarzen Familie zusammenhängt. Lucinda Kranich verleibt einer mysteriösen Kreatur Teile dieser Dämonen ein, und ihr Ziel ist, einen ewigen Dämon zu erschaffen.

    Die Dämonen weltweit werden unruhig und verlangen ein Zeichen ihres alten und neuen Herrscher Asmodi I. Sie ahnen nicht, dass Asmodi I. als schwaches Wesen wiedererstanden ist, das in der Kanzlei der Schiedsrichterin starb, als es dort zu einem Kampf zwischen Lucinda und dem Deutschen kam. Doch wer oder was ist die geheimnisvolle Kreatur in der Wiege, die Lucinda Kranich in den Kellergewölben der alten Kanzlei pflegt? Was ist mit Phillip, dem Hermaphroditen geschehen, der als Beobachter auftritt?

    Dorian steht in einem Bündnis, das ihm selbst Magenschmerzen bereitet: An der Seite von Daniel, dem Wiedergängerjungen, der er selbst war in einem früheren Leben, und gemeinsam mit Baal und Coyote, dem Daemon Mechanicus, kämpfen sich gegen die Kranich und Asmodi I., ohne die wahren Hintergründe des Krieges zu kennen. Denn Lucindas wirkliche Pläne liegen noch im Dunkeln ...

    Erstes Buch: Der ewige Dämon

    Der ewige Dämon

    von Peter Morlar

    1. Kapitel

    Rom, 3. Juni, 0.51 Uhr

    Ernesto Pagini hatte Angst. Panische Angst.

    Er musste schleunigst die Stadt verlassen, am besten noch in dieser Nacht, wenn er nicht ebenso enden wollte wie seine Freunde. Diejenigen, die ihm nach dem Leben trachteten, waren ihm bereits dicht auf den Fersen – er glaubte ihre Blicke förmlich im Nacken zu spüren.

    Unsinn!, schalt er sich. Denn immer, wenn er gehetzt in den Rückspiegel seines BMW blickte, konnte er weit und breit keine Verfolger erkennen. Aber er wusste genau, dass sie hinter ihm her waren. Andererseits – vielleicht bildete er sich auch alles nur ein und sah bereits Gespenster.

    Nicht, dass Pagini nicht an übernatürliche Wesen geglaubt hätte. Dazu hatten er und seine Kollegen im Auftrag der Organisation schon viel zu oft gegen Vampire, Werwölfe, Hexen und dergleichen gekämpft, als dass er die Existenz von Dämonen verleugnen könnte. Aber irgendetwas war seit Kurzem aus dem Ruder geraten.

    Zuerst hatte es Bartleby erwischt, wenig später Vargas, beides Agenten wie er, die ebenfalls der Organisation in Rom angehörten und nun mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tot waren. Zwar hatte Pagini deren Leichen nie zu Gesicht bekommen, aber die Tatsache, dass Vargas und Bartleby seit Tagen ihre Anrufe nicht mehr entgegennahmen, sprach für sich.

    Vor nicht ganz einer halben Stunde hatte Pagini im Hauptquartier der Organisation, dem untersten Parkdeck einer wenig frequentierten Tiefgarage, das man nur durch einen geheimen Aufzug betreten und auch wieder verlassen konnte, nach dem Rechten gesehen. Die Zentrale glich einem Trümmerhaufen. Ganz sicher hatte dort ein Kampf auf Leben und Tod getobt. Das Blut, das in dunkelroten Lachen auf dem Boden klebte und über Monitore und Schrankwände gespritzt war, stammte zweifellos von Bartleby und Vargas, die in den letzten beiden Tagen dort nacheinander Dienst geschoben hatten.

    Doch von ihnen fehlte jede Spur.

    Sicher war nur, dass Unbefugte sich Zutritt zum Hauptquartier verschafft hatten, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, da der geheime Aufzug nur mit einem Spezialcode zu aktivieren war. Und trotzdem war es jemandem gelungen.

    Pagini war davon überzeugt, dass es sich um Dämonen handelte, wahrscheinlich um Wesen, die die Fähigkeit besaßen, durch feste Materie wie zum Beispiel Betonwände zu gehen. Unklar blieb allerdings, weshalb sie Bartleby und Vargas mitgenommen und ihre Leichen nicht einfach liegen gelassen hatten. Und warum machten die Mitglieder der Schwarzen Familie plötzlich Jagd auf sämtliche Agenten der Organisation, zu denen auch er, Ernesto Pagini, zählte? Hatte der Tod des Gründers etwas damit zu tun? Die Nachricht vom Ableben des glatzköpfigen Hünen verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und exakt seit diesem Zeitpunkt herrschte in Rom Ausnahmezustand, ja, waren er und seine Kollegen für die Dämonen Vogelfreie.

    Pagini schielte auf das Handy, das er nach dem Gespräch mit George Morales auf den Beifahrersitz geworfen hatte. Morales war ein alter Bekannter von ihm, aber er schätzte ihn nicht besonders. Der Ex-Agent hatte ihn vor wenigen Minuten angerufen – der Anzeige auf dem Display des Mobiltelefons nach musste er sich in Frankreich aufhalten – und sich nach Vargas und Bartleby erkundigt. Doch Pagini hatte dem Kollegen weder weiterhelfen können noch wollen und sich kurz angebunden wieder verabschiedet, jedoch geistesgegenwärtig die Nummer und Morales' Namen im Adressbuch abgespeichert.

    Für den Italiener zählte im Moment nur eins: Er musste sich in Sicherheit bringen und Rom auf dem schnellsten Weg verlassen, um nicht ebenfalls den Dämonen in die Hände zu fallen. Denn dass sie auch auf ihn Jagd machten, stand für Pagini so fest wie das Amen in der Kirche. Er war der letzte Agent der Organisation in Rom, der noch lebte. Zumindest auf der Führungsebene.

    Unruhig parkte er seinen dunkelblauen BMW auf der Straße vor dem modernen Wohnhaus im Süden der Metropole, in dem er eine geräumige Vier-Zimmer-Loggia bewohnte. Er steckte das Handy ein, eine längst automatisierte Geste, hastete das Treppenhaus in den zweiten Stock hinauf, zitterte den Schlüssel ins Schloss seiner Wohnungstür und eilte ins Schlafzimmer. Ein Griff, schon hatte er den Koffer vom Schrank gezerrt, in den er nur das Nötigste warf: zwei dunkle Stoffhosen, einige Hemden und Pullover, fünf Paar Socken und den Teil der Unterwäsche, der nicht auf einem kniehohen Stapel darauf wartete, endlich gewaschen zu werden.

    Dann lief er ins Bad, wo er Zahnbürste, Rasierer und Haarbürste zusammenklaubte, als abermals das Handy klingelte. Er warf einen Blick aufs Display und verdrehte die Augen. Schon wieder die Hildebrand, seine direkte Vorgesetzte aus München in Deutschland. Wie oft hatte sie in den vergangenen Tagen angerufen, um sich nach dem Verbleib der verschwundenen Agenten zu erkundigen? Fünfmal? Zehnmal?

    Unwirsch beförderte er die Utensilien in den Koffer im Schlafzimmer, klappte ihn zusammen und zurrte die Gurte fest, während er das Gespräch mit zwischen Schulter und Ohr geklemmtem Mobiltelefon annahm.

    »Schön, dass Sie auch mal rangehen«, quäkte eine ebenso glockenhelle wie emotionslose Frauenstimme. »Noch immer keine Spur von Vargas und Bartleby?«

    »Bedauerlicherweise nein.«

    »Und wann gedenken Sie endlich etwas zu unternehmen?«

    »Ich …« Pagini zwang sich mühsam zur Ruhe. »Ich habe längst alle verbliebenen Männer auf die beiden angesetzt und …«

    »Das will ich hoffen. Bei uns in Deutschland geht's auch schon drunter und drüber. Ich kann mich darauf verlassen, dass Sie mich auf dem Laufenden halten?«

    »Natürlich. Sonst noch etwas?«

    »Fürs Erste nicht. – Arrivederci.«

    Ja, du mich auch. Der Italiener steckte das Handy weg, griff nach dem Koffer und wollte das Schlafzimmer verlassen, als ein eiskalter Luftzug seinen Nacken streifte. Pagini erstarrte. Die Zimmertemperatur war schlagartig um gut zehn Grad gefallen. Aber warum? Langsam drehte er sich um. Da fiel sein Blick auf den hellen Parkettboden.

    Eine etwa dreißig Zentimeter durchmessende Wasserpfütze zeichnete sich darauf ab. Er kniff die Augen zusammen. Nein, das war ein Schatten. Allerdings besaß er keinen Ursprung und wurde zusehends größer. Und dunkler.

    Narrte ihn ein Spuk, oder bewegte sich das Gebilde tatsächlich?

    Pagini fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Er schaute sich um, versuchte, die Form des Schattens mit einem Gegenstand in Einklang zu bringen, doch es gab nichts im Zimmer, das auch nur im entferntesten passte.

    Der Italiener wich zurück, als das dunkle Etwas geradewegs auf ihn zu kroch. Er fröstelte. So also waren die Dämonen ins Hauptquartier eingedrungen …

    Rücklings sprang Pagini aufs Bett, kam sich einen kurzen Augenblick lang vor wie eine einfältige, hysterische Hausfrau, die sich vor einer kleinen Maus fürchtete, und schüttelte ungläubig den Kopf. Kein Zweifel. Dieser Schatten lebte. Mit gespenstischer Lautlosigkeit floss er über den Holzboden, erreichte das Bett, tastete sich – nach wie vor dünn wie ein Blatt Papier – am Laken in die Höhe und näherte sich dem zitternden Agenten, der alsbald mit dem Rücken an die Wand stieß.

    Unwillkürlich griff Pagini nach seiner Waffe, einer Beretta, die er stets an der Seite zwischen Gürtel und Hose trug. Seine Fingerspitzen berührten gerade das kühle Metall, als eine Flammenzunge aus dem dunklen Fleck schoss, den der Schatten auf das strahlende Weiß des Bettlakens zeichnete. Das Feuer formte sich zu einem schwarz glänzenden, haarlosen Monstrum mit rot gleißenden Augen, bedrohlich aufgerissenem Maul und weit gespreizten Klauen, die in rasiermesserscharfen Krallen endeten. Das Ungetüm überragte den Italiener um Haupteslänge.

    Pagini blieb der Schrei sprichwörtlich im Halse stecken, als die Pranken der Bestie so schnell, dass er die Bewegung nicht einmal ansatzweise erahnen konnte, nach vorne zuckten und ihm mit einem einzigen Hieb die Kehle zerfetzten.

    München, 3. Juni, 1.14 Uhr

    Jennifer Hildebrand verzog abfällig die Mundwinkel, als sie das Gespräch mit Ernesto Pagini beendete. Der Italiener, das musste sie sich widerwillig eingestehen, war zwar ein fähiger Agent – intelligent, skrupellos und ehrgeizig, was ihm die Position an der Spitze der Organisation in Rom eingebracht hatte –, aber im gleichen Maße selbstgefällig, überheblich und zeitweise richtiggehend faul. Wenn man ihm nicht regelmäßig auf die Zehen und im übertragenen Sinne auch in den Hintern trat, ging er keinen Schritt vorwärts. Und gerade das war dringend nötig, um herauszufinden, was genau seit Kurzem in einigen Teilen Europas geschah. Offenbar verschwanden nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien Agenten der Organisation spurlos. Nur wenige tauchten später wieder auf, fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

    Beinahe stündlich erreichten Jennifer Nachrichten von neuen Vermisstenmeldungen oder Leichenfunden im gesamten Bundesgebiet. Es gab Anrufe aus Spanien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Nur Pagini stellte sich wieder einmal stumm. Sie musste schwer an sich halten, um den italienischen Agenten nicht nach drei Stunden erneut anzurufen. Als er sich jedoch am späten Morgen noch immer nicht meldete, war es mit Jennifers Geduld vorbei. Fest entschlossen, dem Schmalzlockenpapagallo gehörig den Marsch zu blasen, tippte sie seine Nummer ins Handy, die sie mittlerweile auswendig kannte. Es ertönte zwar ein Freizeichen, doch niemand antwortete. Von da an versuchte sie es jede halbe Stunde. Immer mit dem gleichen Ergebnis: Der Agent nahm den Anruf nicht entgegen. Am frühen Nachmittag bekam sie nur noch die Mailbox an die sprichwörtliche Strippe, ohne dass es durchklingelte.

    Das konnte nur eines bedeuten. Ernesto Pagini war ebenfalls den Dämonen zum Opfer gefallen – oder der Idiot hatte schlicht sein Handy ausgeschaltet.

    Jennifer Hildebrand überlegte nicht lange. Sie steckte das Sony Ericsson in die Brusttasche, packte ihren Laptop und stieg in den knallroten Porsche, in dessen Kofferraum stets ein gepackter Koffer und ein kleines Arsenal verschiedener Waffen auf ihren Einsatz warteten. Ohne innezuhalten, brauste sie unter Missachtung sämtlicher Verkehrsvorschriften gen Süden, um sich vor Ort persönlich ein Bild von den Geschehnissen in Rom zu machen.

    Wien, 3. Juni, 23.42 Uhr

    Dorian Hunter hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.

    Zusammen mit Coco Zamis durchschritt er den verwilderten Vorgarten zu einem kleinen, einstöckigen Gebäude in der Jagdschlossgasse 231, das er zuletzt vor vielen Jahren betreten hatte. Damals hatte es noch dem Wiener Okkultismusforscher und Exorzisten Norbert Helnwein gehört, doch seit dessen Tod stand es leer. Im Laufe seines Lebens hatte der promovierte Parapsychologe eine riesige Sammlung okkulter Gegenstände zusammengetragen, angefangen von Schriftrollen, Büchern, Gemmen und Kruzifixen, bis hin zu magischen Waffen, alten Masken und den bizarrsten Reliquien aus allen Teilen der Welt. Einen Großteil dieser Kollektion hatte der Dämonenkiller seinerzeit übernommen und damit seine eigene um viele Hundert wertvolle Stücke ergänzt.

    Allerdings fasste Dorians Bibliothek im Keller der Jugendstilvilla nicht alle Hinterlassenschaften Helnweins. Einige wenige befanden sich noch immer in dem verlassenen Haus und staubten in windschiefen Regalen oder verbeulten Kartons vor sich hin. Überall in dem Gebäude hingen Spinnweben von den Decken, lange, dunkle gazeartige Vorhänge, die Dorian fast bis auf die Schultern fielen. Er musste beide Hände benutzen, um sie zu teilen. Unter seinen Füßen knirschten und knackten Sandkörner, kleine Steinchen, abgebröckelter Putz oder die ausgetrockneten Skelette von Insekten oder Käfern, die sich im Laufe der Jahre in dem Anwesen eingenistet hatten.

    Das einzig Neue in dem Gebäude waren die alten Bekannten des Dämonenkillers – der traurige Rest von ehemals sieben Höllenplagen-Dämonen: Coyote, der Daemon Mechanicus, eine aus einer Maschine entstandene Kreatur; Baal, das Fliegenwesen; und der untote Daniel Who, Dorians Alter Ego aus seinem zehnten Leben. Die drei saßen in Norbert Helnweins früherem Wohnzimmer und leckten sprichwörtlich ihre Wunden, die sie sich beim Kampf gegen Lucinda Kranich und deren Dämonenbalg bei Daniels spektakulärer Rettung aus dem Haus des Meeres zugezogen hatten.

    Um ein Haar wäre es der Schiedsrichterin der Schwarzen Familie dort gelungen, ihren Plan zu vollenden: die Manifestierung eines unsterblichen Dämons. Dazu benötigte sie einzig noch einen Körperteil des untoten Jungen Daniel, das sie als Letztes von sieben dem Meister einverleiben musste, jenem abstoßenden, widerwärtigen und schon jetzt fast unbesiegbaren Balg, aus dem dieser ewige Dämon wohl entstehen sollte.

    Bazuzu hatte bei der Aktion sein unheiliges Leben in einer Art Heiligen Jungfrau eingebüßt, während Baal einen Großteil seiner Fliegen verlor und sich dementsprechend geschwächt fühlte. Dorian hatte seine drei Mitstreiter – noch immer sträubte er sich, sie so zu nennen – schnell davon überzeugen können, Daniel in Norbert Helnweins Anwesen zu schaffen. Dieses hielt er momentan für den sichersten Ort, um ihn vor Lucinda Kranichs Zugriff zu schützen.

    Der Feind meines Feindes ist mein Freund, schoss es dem Dämonenkiller durch den Kopf, als er die drei Gestalten nacheinander musterte. Aber konnte er sie tatsächlich als seine Verbündeten ansehen? Heiligte der Zweck wirklich alle Mittel? Doch, sagte sich Dorian, das tat er angesichts der Situation. Es herrschte ein Krieg, den Lucinda Kranich angezettelt hatte. Die Schiedsrichterin musste gestoppt werden, egal wie. Der ewige, unsterbliche Dämon durfte nicht entstehen, selbst wenn Hunter dazu gezwungen war, sprichwörtlich den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

    Einen Sekundenbruchteil länger als gewollt blieb sein Blick auf Daniel haften. Das drückende, ambivalente Gefühl in Dorians Magen wurde schier unerträglich. Kein Wunder. Schließlich war dieser Untote, der mit angezogenen Knien auf dem schmutzigen Wohnzimmerboden kauerte, er selbst, in seinem zehnten Leben, an das er sich inzwischen vollständig erinnerte. Damals, im Jahr 1734, war Daniel gestorben, und doch wiederum nicht. Wie um alles in der Welt passte das zusammen? Seine Seele musste weitergewandert sein, schließlich wurde Dorian als zukünftige Reinkarnation des Jungen wiedergeboren. »Was ist mit der de-Conde-Seele geschehen?«, fragte er leise.

    Der Bazuzu-Untote hob den Schädel. Sein stumpfer Blick richtete sich auf den Dämonenkiller.

    »Ja, Daniel, dich habe ich gemeint.« Dorian machte einen Schritt auf ihn zu. »Wir beide halten uns gleichzeitig hier in diesem Raum auf. Und ich bin eine Reinkarnation vor dir. Also muss das De-Conde-Bewusstsein weitergewandert sein, in meinen Körper. Wie kann es dann sein, dass sowohl du als

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