Traumdeutung für Anfänger - Träume verstehen lernen und beeinflussen können

Schlussbetrachtung

Einleitung

Vielleicht gehören Sie zu den Menschen, die jeden Morgen mit der Erinnerung an einen mehr oder wenigen intensiven, aufwühlenden Traum erwachen. Oder Sie werden seit Jahren von einem wiederkehrenden Traum besucht oder gar „verfolgt". Vielleicht erleben Sie aufreibende Albträume oder wunderbar angenehme Träumereien Nacht für Nacht. Möglicherweise haben Sie sich schon immer gefragt, was Ihre Träume – ob wiederkehrend oder einmalig – Ihnen mitteilen wollen. Denn vielleicht sind Sie ganz fest davon überzeugt, dass Ihre Träume eine Botschaft enthalten: eine Botschaft Ihres Unbewussten.

Der Begriff des Un(ter)bewussten steht am Beginn der modernen Psychologie. Das Unterbewusste bei Sigmund Freud und das Unbewusste bei C. G. Jung sind grundlegende Kategorien, ohne die das Verständnis unserer Psyche oder unseres psychischen „Apparates" unmöglich wären. Sowohl die Psychoanalyse als auch die analytische Psychologie sowie alle weiteren, darauf gründenden Formen der tiefenpsychologischen Behandlung gehen davon aus, dass unsere Träume mehr sind als rein zufällige Produkte unseres Gehirns in der Regenerationsphase des Schlafes. Damit unterscheiden sie sich von dem größten Teil der Neuromedizin, die Träume für eben jenes Zufallsprodukt hält.

Da aber die Effekte einer tiefenpsychologischen Therapie auf die neuronalen Strukturen des Hirns mittlerweile durch vielfältige Studien belegt wurden, dürfen Tiefenpsychologen, deren Arbeit auf der Erkundung des Unbewussten basiert, davon ausgehen, dass die Traumarbeit einen Beitrag zur psychischen Entwicklung eines Menschen leistet.

Manche Kritiker betrachten Traumdeutung trotz allem als eine Form von Esoterik. So mag sie auf einigen Internetseiten auch erscheinen. Traumdeutung ist aber kein Hand- oder Kaffeesatzlesen: Traumdeutung ist vielmehr die Analyse des „Textes oder der „Sprache unseres Unbewussten. Und warum sollte das Unbewusste keine Botschaften an uns richten können? Wenn wir „unbewusst" binnen weniger Sekunden entscheiden können, ob uns jemand sympathisch oder unsympathisch, vertrauenswürdig oder beängstigend erscheint – um was sonst als um Botschaften unseres Unbewussten - einer Wahrnehmung unterhalb der bewussten Wahrnehmung also – handelt es sich dann?

Man muss sich aber fraglos auf die in diesem Buch beschriebene Form der Traumarbeit einlassen können, wenn man wirkliche Antworten auffinden möchte (bisweilen formuliert unser Unbewusstes auch schlicht Fragen, die wir dann bewusst beantworten müssen) – gerade auch dann, wenn sie Teil einer Psychotherapie ist. Für Psychotherapeuten ist die Traumarbeit eine wichtige Basis der therapeutischen Arbeit mit dem Patienten.

In diesem Buch werden wir die Struktur des Unbewussten und die durch Träume kommunizierten „Nachrichten" des Unbewussten an unser Bewusstsein erforschen und deuten lernen. Dabei werden wir auf oberflächliche Deutungen, wie sie in manchem Traumratgeber erscheinen, verzichten. Eine bloße Auflistung von Traumsymbolen und mögliche Erklärungen können nicht dabei helfen, Botschaften zu deuten und unser Unterbewusstes zu erkunden.

Vielmehr müssen wir die Natur der Träume verstehen – die Art, wie sie universelle und individuelle Motive, Symbole und Erinnerungen zu codierten Botschaften verweben. Wenn wir lernen, Träume tiefgründig und verständnisvoll zu deuten, können sie uns einen Schlüssel zur Lösung von Problemen, die uns buchstäblich nicht einmal bewusst sind, in die Hand geben.

Dieser Ratgeber soll Ihnen Wege aufzeigen, Träume nicht nur als willkürliche oder zufällige Produkte biochemischer Prozesse zu deuten. Natürlich sind sie auch das: Produkte biochemischer Prozesse. Aber auch unser Bewusstsein ist ein Produkt solcher, an die neuronalen Strukturen unseres Hirns gekoppelten Vorgänge.

Im Buch wird Ihnen deshalb die Natur des Unbewussten erläutert und erklärt, welche psychologische Funktion Träume besitzen und warum sie in der Arbeit der großen Psychoanalytiker des letzten Jahrhunderts – Freud, Jung und Fromm – eine so herausragende Rolle spielten. In vielen Beispielen sollen Ihnen die Art und Weise, wie Träume Wissen vermitteln, vorgeführt werden – das ist viel wichtiger, als die Deutung einzelner Symbole, wie wir gleich sehen werden.

Um die Praxis der Traumdeutung und Symbol-Dechiffrierung besser verstehen zu können, werden wir uns viele Träume unmittelbar anschauen und sie deuten. Natürlich können Sie diese Deutungen nicht auf Ihre eigenen Träume übertragen – denn jeder Träumer erhält eine individuelle Botschaft von seinem Unbewussten. Sie werden hierdurch aber eine Art „Muster" oder Anleitung zur Deutung Ihrer persönlichen Träume erhalten und sehen, wie Sie an Ihre Träume herantreten können.

Achten Sie also, wenn Ihnen Beispiele gegeben werden, weniger auf die einzelnen Symbole, als auf die Methode. Gehen Sie nicht holzschnittartig an die komplexen Botschaften Ihres Unbewussten heran, sondern nähern Sie sich diesen mit so viel Einfühlungsvermögen wie möglich!

Träume lassen sich letztlich wie Texte deuten: Es gibt nie nur eine richtige Deutung. Vielmehr gibt es Facetten, die wir Schritt für Schritt erschließen können – manchmal aber auch erst, nachdem wir eine ganze Reihe von Träumen untersucht haben. Traumtexte lassen sich immer mehrdeutig lesen, und erinnern damit ein wenig an die Orakelsprüche der antiken Griechen: Ihr Traum kann Ihr Bewusstsein für ein Problem schaffen. Unbewusst kennen Sie das Problem – und vielfach auch die Lösung – bereits;