Die zweite Braut: BsB_Romantic Thriller
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Marie Cordonnier
Schreiben und Reisen sind Marie Cordonniers Leidenschaft. Immer wenn sie unterwegs ist, bekommt ihre Phantasie Flügel. In den Ruinen einer mittelalterlichen Burg hört sie das Knistern der Gewänder, riecht Pechfackeln und hört längst verstummte Lautenklänge. Was haben die Menschen dort gefühlt, was erlitten? Zu Hause am Schreibtisch lässt sie ihrer Phantasie freien Lauf. Der Name Marie Cordonnier steht für romantische Liebesromane mit historischem Flair. Marie Cordonniers bürgerlicher Name ist Gaby Schuster. Sie schreibt auch unter den Pseudonymen Valerie Lord und Marie Cristen. Mehr über sie gibt es auf www.marie-cordonnier.de zu lesen.
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Die zweite Braut - Marie Cordonnier
Marie Cordonnier
Die zweite Braut
ISBN 978-3-86466-253-9
This ebook was created with BackTypo ( http://backtypo.com)
by Simplicissimus Book Farm
© 2014 by BestSelectBook_Digital Publishers
Digitalised by DokuFactory Groß-Umstadt
Table of contents
1.
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1
»Gib es zu, Beryll Aylthorne«, spottete die Stimme in meinem Inneren, die nun so lange geschwiegen hatte. »Du hast Angst. Ganz schlicht Angst. Du läufst davon und hoffst, dass du die Vergangenheit hinter dir lässt. Sie holt dich ein, meine Liebe, sie ist nicht vergessen, ebensowenig wie die Namen der Toten .«
In der Stille des alten, verwitterten Pavillons, in den ich mich geflüchtet hatte, herrschte gedämpftes grünes Zwielicht. Die tiefhängenden Weidenzweige verbargen die Risse in den Marmorsäulen, und zu Füßen der Steinbank wucherten Moos und Efeu. Eine sanfte Brise bewegte den Blättervorhang und gab von Zeit zu Zeit den Blick auf AylthorneHouse frei. Drei Etagen hoch, mit riesigen Fenstern, einer reich verzierten Fassade und figurengeschmückter Dachbalustrade, spreizte es sich in der Frühlingssonne wie ein alter Pfau.
Seit es zum Heim für meine Familie geworden war, seit das Geschrei meiner Kinder und das Lachen meines Gatten seine Mauern füllte, hatte ich es lieben gelernt. Doch der Brief, der heute morgen aus Irland eingetroffen war, erinnerte mich an andere Tage. An Schrecken, Lügen, Todesangst und Hass. Vielleicht konnte ich mich deswegen so wenig entschließen, das Siegel zu brechen. Ich starrte auf den Namen über der Adresse, der mir inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden war, und meine Gedanken glitten zurück. Zu jenem fernen Frühling, als Gilbert Aylthorne in mein Leben trat.
Ich war einundzwanzig Jahre alt, von eher farblosem Aussehen und guter Intelligenz. Aber von jungen Männern hatte ich nicht viel mehr Ahnung als Rosalie und Chrisobel, die beiden Töchter von Sir Casey O'Camaron, für deren Erziehung ich verantwortlich war.
Meine Arbeit als Gouvernante befriedigte mich nicht sonderlich, doch nach dem plötzlichen Tod meiner Mutter durfte ich von Glück sagen, dass ich wenigstens diese Stellung erhalten hatte. Die Ersparnisse waren aufgebraucht, die kleine Rente, die ihr die Privatschule nach dem Tod meines Vaters bezahlt hatte, versiegte mit Unterzeichnung der Sterbeurkunde.
Was ohne Robert Osterley aus mir geworden wäre, wagte ich nicht einmal zu denken. Der junge Arzt, der meine Mutter behandelt hatte, empfahl mich Sir Casey, einem mürrischen Witwer, dessen Töchter dem Schulzimmer noch nicht entwachsen waren und die meine Geduld und meine Nerven aufs äußerste strapazierten.
Robert wurde zu meinem besten und einzigen Freund. Wäre es nach ihm gegangen, wäre es dabei nicht geblieben. Doch trotz meiner mangelnden Lebenserfahrung ahnte ich, dass ich nicht die richtige Gefährtin für einen ehrgeizigen Mediziner war, dessen Patienten weder Sonntag, noch Nachtruhe respektierten.
»Sei mir nicht böse, Robert, aber wenn ich einmal heirate, dann will ich das aus Liebe tun und nicht aus Versorgungsgründen!« so lehnte ich seinen gut gemeinten Antrag ab.
»Aber ich liebe dich, Beryll!«
Auch diesem Schwur begegnete ich mit Skepsis.
»Unsinn, du liebst ein Wunschbild, das du dir von mir machst! Im Grunde gehe ich dir auf die Nerven, weil ich keinen deiner Ratschläge befolge. Du findest mich dickköpfig, unüberlegt und viel zu ehrlich. Ich würde dich wahnsinnig machen, und du würdest ständig versuchen, mich zu erziehen. Du solltest mir lieber dankbar dafür sein, dass ich dir die Chance erhalte, eines Tages eine Frau zu finden, die dich so anbetet, wie du es in Wirklichkeit verdienst!«
Er lachte und gab nach. Indes, bei Robert wusste ich nie so genau, ob er eine Sache wirklich fallen ließ oder ob er auf einen anderen, günstigeren Zeitpunkt wartete. Sollte er es damals getan haben, so machte ihm Sir Gilbert Aylthornes Eintreffen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Sir Gilbert war ein entfernter Neffe der Camarons. Ein junger Mann in meinem Alter, der nicht nur Rosalie und Chrisobel im Sturm eroberte.
Auch wenn er nicht so reich, so wohlerzogen und so charmant gewesen wäre, ich hätte mein Herz verloren. Gilbert Aylthorne war einfach die vollkommene Verkörperung der geheimsten Mädchenträume. Er war schön. Es gibt kein anderes Wort ihn zu beschreiben. Die Tatsache, dass er blond, blauäugig, mittelgroß und schlank war, hätte auf viele Männer zugetroffen. Das Besondere an ihm war jedoch die Harmonie, mit der sich alle Vorzüge zu einer einzigen, blendenden Erscheinung vereinten.
Das Unglaublichste für mich war jedoch der Umstand, dass Gilbert meine Gefühle erwiderte. Die spontane, leidenschaftliche Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, und Roberts gut gemeinte Warnungen hielt ich für pure Eifersucht.
»Was ist so ungewöhnlich daran, dass sich der Neffe von Sir Casey in eine kleine Gouvernante verliebt?« verteidigte ich meine Liebe temperamentvoll. »Findest du, ich sollte schön bescheiden auf der Hintertreppe bleiben und die hohen Herren in Ruhe lassen? Ich denke nicht daran, Robert Osterley! Ich liebe Gilbert, und er will mich heiraten. Außerdem bietet er mir die einmalige Chance, diesem Leben endlich zu entkommen! Glaubst du, es macht Spaß, diese beiden Gören zu Damen zu erziehen?«
»Warst du nicht diejenige, die eine Versorgungsheirat abgelehnt hat?« Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Wir trennten uns im Streit. Ich war zu enttäuscht, bei dem einzigen Menschen, an dessen Meinung mir – neben Gilbert natürlich – etwas lag, auf Widerstand zu stoßen. Ich hatte mit Glückwünschen gerechnet und nicht mit Unkenrufen. Ich stürzte mich mit vollen Segeln in ein Abenteuer, von dem ich damals nicht ahnen konnte, dass es mein Leben in Gefahr bringen würde.
Innerhalb weniger Tage war ich – dank einer Sondergenehmigung, die Gilbert besorgte – Lady Aylthorne und auf dem Weg nach England. Sir Casey hatte uns beide äußerst kühl verabschiedet, und an eine Hochzeitsfeier war nicht zu denken.
»Sei nicht traurig, Liebes!« tröstete mich Gilbert. »Das holen wir alles in London nach.«
Ein Programm, dem nur wenig später auch die Hochzeitsnacht beigefügt wurde, denn die irische See zeigte keinerlei Mitleid mit einer aufgeregten Braut. Kaum war die Küste am Horizont verschwunden, wurde mir entsetzlich übel. Ich weiß nur noch, dass ich den Wunsch hatte, so schnell und so schmerzlos wie möglich zu sterben.
Gilbert war das Mitgefühl in Person. Er wich nicht von meiner Seite. Er war besorgt, zärtlich, liebevoll und vermittelte mir das berauschende Gefühl, wichtig zu sein, ja – verwöhnt zu werden. Ein unbekannter Luxus, denn meine Mutter hatte als alleinstehende Witwe jede überflüssige Herzlichkeit abgelehnt.
»Ein Mädchen in deiner Lage muss sich selbst helfen können«, war ihre ständige Maxime gewesen. »Wer arm, allein und ohne Einfluss ist, muss lernen, seinen Verstand zu gebrauchen.« Dieser Einstellung verdankte ich eine umfassende und gründliche Schulbildung und eine tiefe Sehnsucht nach Zuneigung und Geborgenheit.
An die Reise selbst erinnere ich mich nur verschwommen. Ich war so auf den rebellischen Zustand meiner Magennerven konzentriert, dass mir auch der Weltuntergang nur einen Seufzer entlockt hätte. Nach der Ankunft in Liverpool mietete Gilbert eine Privatkutsche für die Fahrt nach London, und erst in dem luxuriösen Apartment, das er im Grosvenor Hotel für uns mietete, kam ich wieder einigermaßen zu mir.
Vor den Fenstern dehnte sich der Hyde Park, und nachdem ich vierzehn Stunden an einem Stück geschlafen und umfangreich gefrühstückt hatte, war ich bereit, meinen Gatten und die übrige Welt zu umarmen. Ersterer dämpfte meinen Überschwang wohlerzogen.
»Du bist noch viel zu schwach für längere Ausflüge, Beryll. London läuft uns nicht davon. Es ist wichtiger, das wir uns sofort um deine Ausstattung kümmern. Ich werde veranlassen, dass uns die wichtigsten Geschäfte eine Auswahl in deiner Größe ins Hotel schicken und dass für die restlichen Dinge Maß genommen wird.«
Ich war gleichzeitig enttäuscht und gerührt. Seine Sorge um mein Wohlergehen gefiel mir. Es würde sich eine andere Gelegenheit bieten, ihm zu zeigen, dass er keine schwächliche Treibhauspflanze geheiratet hatte. Nachdem der Boden unter meinen Füßen endlich nicht mehr schwankte, fühlte ich mich wieder völlig gesund.
Gilbert wich nicht von meiner Seite, während Modistinnen, Schuhmacher, Wäschemädchen, Friseure und Juweliere über uns hereinbrachen. Die Fülle des Angebotes verschlug mir die Sprache so sehr, dass es mir nicht bewusst wurde, dass mich niemand um meine Meinung bat.
Im Gegenteil, ich hielt es für ein Zeichen seiner Liebe, dass sich mein Mann um jedes winzige Detail meiner Garderobe kümmerte. Es war mir klar, dass er mich nicht länger in den schmucklosen, dunklen Kleidern sehen wollte, die einer Gouvernante angemessen gewesen waren, aber nicht seiner Gattin.
Trotzdem war ich nicht auf die Menge der Kleider, Wäschestücke, Schuhe und Hüte vorbereitet, die er ohne Zögern kaufte. Manches musste noch geändert werden, aber einige Teile passten wie für mich gemacht. Hinzu kam, dass ich mich zum ersten Mal nach modischen und nicht nach praktischen Erwägungen kleiden durfte. Die mächtige Krinoline, die Königin Viktoria für ihre schwarzen Witwengewänder bevorzugte, war längst passé, und die neue, figurbetonte Linie der Creationen, die ahnen ließ, dass eine Frau nicht nur eine Taille, sondern auch Beine hat, gefiel mir ungeheuer.
Zum abendlichen Diner, das in unserem kleinen Privatsalon serviert wurde, wählte ich eine azurblaue, hochmodische Taftrobe, die in gerafften Falten ungewohnt schmal bis auf die Fußspitzen fiel. Hauchzarte Spitzenrüschen am Halsausschnitt und Saum, sowie ein dunkelblauer, perlenbestickter Samtgürtel vervollständigten die Toilette.
Mein Bild im Spiegel verwunderte mich selbst. Wo war Beryll James geblieben? In der eleganten Frau mit den hochgesteckten schwarzen Haaren und den leuchtend blauen Augen konnte ich sie nicht wieder erkennen. Eine Lady stand da, die zum ersten Mal auch optisch zu dem jungen, gut aussehenden Lord passte, der jetzt hinter sie trat und ihre Schultern umfasste, als habe er Angst, das Kunstwerk zu zerstören.
»Du bist wunderschön, Beryll! Ich liebe dich!«
Ein zauberhafter Moment. Ich fühlte mich schön, sicher, geborgen, geliebt und wusste nicht, dass ich mich mit rasender Geschwindigkeit einem Abgrund näherte. Für mich war dies der Abend unserer Hochzeitsnacht. Der bloße Gedanke daran vertiefte die Röte auf meinen Wangen und beschleunigte meine Atemzüge.
Es fiel mir schwer, meine Aufregung zu verbergen. Die erlesenen Delikatessen des Mahles schmeckten auf meiner Zunge alle gleich, und ich stocherte mehr auf dem Teller herum, als dass ich aß. Gilbert begann sich zu wundern.
»Schmeckt es dir nicht, meine Liebe?«
Undenkbar zu sagen, was mich in Wirklichkeit beschäftigte. Ich schnitt ein winziges Eckchen von einer gebratenen Taube ab und flüchtete in eine harmlose Ausrede.
»Das Essen ist köstlich, Gilbert. Aber ich möchte meinem Magen noch ein wenig Schonzeit geben . . .«
Woher hätte ich ahnen können, dass ich damit erneut eine einsame Nacht provozierte? Gilbert war ganz Fürsorge und Rücksicht, sobald die Reste des Diners abgetragen waren. Er ließ es sich nicht nehmen, selbst nach der Zofe zu klingeln, die das Hotel während meines Aufenthaltes für Lady Aylthorne zur Verfügung gestellt hatte.
»Es war eine abscheuliche Reise, Beryll. Du musst nicht denken, dass ich das vergessen habe. Es steht nicht in meiner Absicht, dich zu bedrängen, mein Herz. Ich möchte, dass du dich schonst und ausruhst. . .«
»Aber...«
Ratlos brach ich ab. Wie sagt man dem eigenen Mann, dass man sich nach ihm sehnt? Dass man mehr will als wohlerzogene Küsse und wunderschöne Komplimente? Auf eine Situation dieser Art hatte mich all meine Bildung nicht vorbereitet. Gilbert hielt meine Sprachlosigkeit für Scheu.
»Sag nichts, Beryll! Es ist alles in Ordnung. Gute Nacht, meine Liebe!« Er lächelte mich hinreißend an und berührte meine Stirn mit den Lippen. Sanft, aber sehr unverbindlich.
Der Eintritt des Mädchens beraubte mich endgültig der Chance, diesen Irrtum aufzuklären. Seufzend musste ich mich in das Unvermeidliche fügen. Ich verzichtete erbost auf das verführerische Spitzennegligé, das