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Antidote: Gegenmittel
Antidote: Gegenmittel
Antidote: Gegenmittel
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Antidote: Gegenmittel

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About this ebook

Dieser Thriller befasst sich mit der realen Möglichkeit, dass Terroristen bakteriologische Kriegsführung als Drohung gegen ein beliebiges Ziel einsetzen. Jeder der denkt, dass eine biologische Kriegsführung unwahrscheinlich ist, sollte beispielsweise die Nachrichten über gegenwärtige Probleme in den Centers for Disease Control lesen, die die Schließung von zwei Labors notwendig machten: es wurden irrtümlicherweise lebende Anthraxbakterien an ein ahnungsloses Labor übermittelt und so das Leben von Mitarbeitern in Gefahr gebracht; und eine gutartige Grippe wurde versehentlich mit dem gefährlichen H5N1 Vogelgrippeerreger kontaminiert. Darüber hinaus wurden kürzlich Fläschchen mit lebenden Pockenviren in einem Schrank der National Institutes of Health entdeckt, wo diese bereits seit den 1950ern aufbewahrt worden waren. Die Bedrohung ist beängstigend und real.

LanguageDeutsch
PublisherJohn Lonergan
Release dateNov 21, 2016
ISBN9781540535818
Antidote: Gegenmittel
Author

John Lonergan

John Lonergan is a graduate of Brown and Harvard, and has worked in the medical field for over 20 years. He worked in Europe for nearly a decade with many of the leading microbiology centers, and has first-hand knowledge of the evolution of drug-resistant bacteria.

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    Book preview

    Antidote - John Lonergan

    Antidote: Ein Robert Cook Thriller 355

    Antidote - GEGENMITTEL

    EIN ROBERT COOK THRILLER

    von John Lonergan

    Copyright-SEITE

    Antidote

    John Lonergan

    Copyright John Lonergan 2016

    Veröffentlicht bei Smashwords

    Übersetzt von Manuela Junghans

    Alle Rechte vorbehalten.

    Kein Teil dieses Buchs darf ohne die vorherige schriftliche Genehmigung durch den Herausgeber vervielfältigt oder auf irgendeine Form mittels irgendwelcher Mittel, grafisch, elektronisch, mechanisch oder über das Internet, übertragen werden. Dazu zählt auch Fotokopieren, Aufnehmen oder das Teilen mittels eines Internet- oder Informations-Datenspeicherungs- oder –abfragesystems.

    Herausgegeben von: John Lonergan

    Setzen Sie sich für Informationen bitte mit lonergan.john@gmail.com in Verbindung.

    Dies ist ein fiktiver Roman. Jede Ähnlichkeit mit reellen Personen oder Unternehmen ist unbeabsichtigt.

    ISBN-13:

    978-1540535818

    ISBN-10:

    1540535819

    Herausgegeben in den Vereinigten Staaten von Amerika.

    WIDMUNG

    Dieses Buch ist Robert Koch und Louis Pasteur gewidmet, auf deren Schultern die modern Mikrobiologie ruht.

    Epigraph

    Die in diesem Buch geschilderten Ereignisse sind Fiktion. Staph aureus jedoch wird auch in der Realität immer bedrohlicher. Gentamycin, die letzte Bastion gegen S. aureus Infektionen, wurde 1998 niedergeschlagen, als bei einem jungen Patienten in Atlanta der erste dokumentierte Fall einer Gentamycin-Resistenz diagnostiziert wurde.

    Pharmaunternehmen haben begonnen, auf die Gefahren und Möglichkeiten zu reagieren. Es werden neue Antibiotika entwickelt. Dies ist auch langsam an der Zeit: die letzte große Antibiotika-Generation wurde in den 1950ern aus unterirdischen Pilzen entwickelt.

    Und noch beunruhigender ist das Risiko des Bioterrorismus. Kleine, intelligente Gruppen, die über das nötige Hintergrundwissen verfügen, könnten in der Zukunft tödliche Bakterienstämme entwickeln.

    VORWORT

    Dies ist ein Roman darüber, was in naher Zukunft passieren könnte. Ein kleines, engagiertes Team von Bioterroristen könnte neue genetische Techniken dazu verwenden, um „Super-Bakterien" hervorzubringen, die gegen alle bisher bekannten Antibiotika und Behandlungsmöglichkeiten resistent sind. Aber auch ohne eine Bedrohung durch Bioterrorismus leisten Bakterien gute Arbeit darin, eine Antibiotika-Klasse nach der anderen zu bezwingen, da Ärzte viel zu oft und viel zu schnell selbst für leichte Infektionen die stärksten Antibiotika verschreiben. Die globale Überbeanspruchung und die Weiterentwicklung der Bakterien führen zu einer Verschwörung, die eine echte Bedrohung für die gesamte Menschheit darstellt.

    KAPITEL EINS

    Josef Karashvili wachte wie immer bei Sonnenaufgang auf. Er schaute aus dem Fenster seiner Zweizimmerhütte, über die Wiese, hin zu den Bäumen am nahen Horizont. Er setzte sich auf und sah, wie die ersten Sonnenstrahlen auf die Gipfel der Berge des Kaukasus am anderen Ende des ungefähr 25 Kilometer entfernten Tals fielen.

    Er hatte Hunger. „Frühstück", sagte er, auf Mariana blickend, die gerade neben ihm aufwachte. Mariana streckte sich wie eine Katze, gähnte ausgiebig, die Augen zusammengekniffen, beide Arme über ihrem Kopf, gegen das dunkle Holz des Bettendes gedrückt.

    „Mach dir selber Frühstück", antwortete Mariana, scherzhaft. Sie streckte ihre Zehen aus, bis diese fast das Fußende des Betts berührten, drehte sich zu Josef und schlug ihm mit der flachen Hand auf den Rücken.

    Josef saß auf der Bettkante und schloss seine Augen. Er dachte daran, wie er hier angekommen war, was er letzte Nacht getan hatte. „Zu Hause, dachte er. „Endlich zu Hause.

    Er ließ alles noch einmal Revue passieren: die lange Reise zum Flughafen außerhalb Kiews, dann die Verzögerung um eine und anschließend zwei weitere Stunden, als ein mechanisches Problem zu zwei und dann zu drei Problemen wurde. Air Georgia war nicht gerade für Zuverlässigkeit bekannt. Zweieinhalb Stunden Flug und dann die Landung in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Seine Familie am Ankunfts-Gate, direkt auf der anderen Seite der mobilen Rampe. Durchgewunken am Zoll, das Abholen seines Gepäcks, voll mit Geschenken für seine Schwestern, seine Mutter, für Mariana. Es war viel zu lange hergewesen, seit er sie zuletzt gesehen hatte.

    Sie hatten sich alle in Vaters Lada Kombi gezwängt, für die zweistündige Fahrt in die Berge des Kaukasus, zunächst auf einer vierspurigen Schnellstraße, dann auf einer zweispurigen Straße, die sich unaufhörlich den Berg hinaufschlängelte. Sie fuhren hinunter in zwei Täler und anschließend über zwei Bergpässe, bevor sie endlich sein Tal erreichten, in dem seine Heimatstadt Achmeta liegt.

    Vater fuhr zum Haus und lud Josef, seine Schwestern, seine Mutter Irina, sein Gepäck und Mariana aus. Seine jüngere Schwester Ilona konnte nicht aufhören, über die Schule in Tiflis zu sprechen, über ihre neuen Freunde, das Essen, Klamotten, die Jungs, die aufregende Erfahrung, zum ersten Mal in einer großen Stadt zu wohnen. Josef hörte glücklich zu und erinnerte sich daran, wie alles was er mit sechzehn getan hatte, so neu, so beeindruckend war.

    Katarina, seine ältere Schwester, sagte nicht viel. Sie strich über die Haare ihres Bruders und sagte von Zeit zu Zeit „Josef, Josef. Schön, dass du wieder zurück bist."

    Josef sprach mit seiner Mutter, mit seinem Vater, mit seinen Schwestern. Seine Augen wandte er jedoch nicht von Mariana ab.

    Josef und Mariana aßen in Josefs Haus, in einem Außenbezirk von Achmeta zu Abend. Josef erzählte Geschichten aus der Ukraine, von seinen Kollegen im Labor, von den seltsamen und interessanten Dingen in der Ukraine. Seine Mutter lächelte und unterbrach Josef immer wieder, um zu fragen, ob er nicht noch eine Birne essen oder nicht noch einen Takhuna trinken möchte.

    Josef fühlte sich großartig bei all den Gerüchen, dem Chaos, der Geräuschkulisse und der Gemütlichkeit des Abendessens mit seiner Familie. Die Luft duftete nach georgischen Gewürzen: Knoblauch, Koriander, Bohnenkraut, Minze, Paprikaschoten. Das Esszimmer hatte von allem etwas, ein buntes Durcheinander von Mustern, Spitzen, Deckchen, Figuren, Nippes, Bilder von Jesus und Stalin an der Wand. Auf dem Tisch standen Wasserflaschen, Wein, Takhuna und selbstgebrannter Birnenschnapps. Josefs Vater füllte sein Glas immer wieder auf, während Josef weiter Geschichten über das Leben in der Ukraine erzählte.

    Gegen Mitternacht erhob Josef sich vom Tisch, küsste seine Mutter und seinen Vater und sagte, dass er Mariana heimbringen müsse. Er flüsterte Katarina zu, „Ich werde nicht vor morgen früh zurück sein. Dann würde ich gerne hören, wie es dir so geht." Katarina, die diese kleine Verschwörung genoss, lächelte und stimmte zu. Josef hatte Mariana zur Jagdhütte seiner Familie, hoch über dem Dorf gebracht. Um vier Uhr früh waren sie eingeschlafen.

    Mariana sprach zu Josefs Rücken. „Wie ich sehe, haben die Frauen in der Ukraine dich fit gehalten, Josef."

    „Sie waren lediglich ein Zeitvertreib, Mariana, neckte er. „Ich musste nach Georgien zurückkommen, um mit einer richtigen Frau zusammenzusein. Josef drehte sich um und gab Mariana einen Klaps auf den Po.

    Mariana lächelte mit ihren Augen. „Ich dachte, dass du über all den Aleksandras und Natalyas in der Ukraine deine georgische Frau vergessen würdest, Josef."

    Josef nahm Marianas Gesicht in beide Hände und küsste sie lang und leidenschaftlich. Bevor sie das Bett schließlich verließen, war die Sonne bereits höher gestiegen.

    „Essen, Frau", neckte Josef.

    Mariana hatte Birnen, frischen Bauernkäse und lokales Bauernbrot mit einer dicken Kruste in den Kofferraum des Ladas gepackt. Sie durchsuchte die primitive Küche und fand einen Topf, um etwas Wasser für Tee warmzumachen. Der einfache Tisch war innerhalb weniger Minuten gedeckt.

    Während er seinen Tee trank, erzählte Josef ihr über das Leben in der Ukraine, über seine Arbeit im Labor und über seine Pläne.

    Josef hatte Biologie in Tiflis studiert, bevor er von der Universität Kiew angenommen wurde, um dort Mikrobiologie zu studieren. Für seine Arbeit über die Genexpression von Staph aureus erhielt er die höchste Auszeichnung.

    Josef, ein großer, stämmiger Kerl, hatte in Kiew schnell Freundschaften geschlossen. Er hatte bereits in Tiflis Eishockey gespielt und machte seine Sache auch im Team in Kiew gut, bevor sein Studium immer mehr Zeit in Anspruch nahm. Viele seiner Mannschaftskameraden aus Tiflis erhielten die Freundschaft mit ihm trotz seines Umzugs nach Kiew aufrecht.

    Einer seiner engsten Freunde, Paata Akhmetali, war nach Paris gezogen. Es war während der Zeit, als Josef an der Universität von Kiew arbeitete, als Paata erneut mit seinem alten Freund aus Tiflis Kontakt aufnahm. Eines Nachts hatte Paata Josef angerufen:

    „Josef, es tut gut, deine Stimme mal wieder zu hören. Arbeitest du immer noch fleissig mit deinen kleinen Bazillen?" Paata hatte Josef immer damit aufgezogen, wie solch ein großer Mann Freude daran finden konnte, mit Bakterien zu arbeiten.

    „Paata, belästigst du immer noch die Frauen in Paris? Was ist los mit dir, sind die georgischen Frauen zu leidenschaftlich für dich?"

    Josef sah vor seinem geistigen Auge wie Paata zögerte, um nach einer spitzen Antwort zu suchen. „Nein, ich gebe den Mädchen hier nur Nachhilfeunterricht in georgischer Leidenschaft", lachte Paata.

    „Im Ernst, mein Freund. Was hält dich von deiner Heimat und deinen Lieben fern? Meine Schwester Katarina fragt ständig nach dir."

    „Das kann ich dir jetzt hier am Telefon nicht sagen, mein Freund. Aber ich würde es dir gerne persönlich erzählen."

    „Warum? Kommst du zurück nach Georgien du alter Hund?"

    „Nein, aber meine Gruppe hier würde liebend gerne dafür bezahlen, dich für ein paar Tage nach Paris zu bringen."

    Das verblüffte Josef. Paris. Er hatte darüber gelesen, hatte Freunde, die die Stadt besucht hatten. Aber Josef selbst hatte die ehemalige Sowjetunion noch nie verlassen, abgesehen von einem Mikrobiologie-Seminar in Helsinki vor vier Jahren. Für Josef zählte das nicht als eine Reise außerhalb des „Reichs".

    „Was willst du damit sagen, Paata? Weißt du eigentlich wie beschäftigt ich hier bin?"

    „Ja, Josef. Dein Professor sagte mir, dass du für ihn von unschätzbarem Wert bist."

    Nun war Josef bereits zum zweiten Mal überrascht. Es stimmte, dass Paata seinen Professor, einen Georgier, kannte. Aber Josef hatte nicht gewusst, dass Paata vor kurzem mit ihm in Kontakt war. Hatte Akhmetali ihn ausspioniert?

    Paata erklärte Josef, dass er an einem sehr spannenden Projekt arbeite, etwas, das Josef ‘sehr interessant’ finden würde. Er drängte Josef dazu, seine Arbeit für ein paar Tage ruhen zu lassen und seinen alten Freund in Paris zu besuchen. Obwohl Josef Paata natürlich wieder sehen und auf alle Fälle Paris kennenlernen wollte, war er hin und her gerissen. Er wusste nicht, welcher Gruppe Akhmetali in der Zwischenzeit angehörte. Sie hatten den Kontakt zueinander verloren, seit sie beide vor ein paar Jahren ihre jeweiligen Doktorarbeiten abgeschlossen hatten.

    Josef zögerte. „Paata, lass mich das mit meinem Professor in Kiew besprechen. Ich ruf dich zurück, um dir zu sagen, ob ich kommen kann."

    Josef erkundigte sich bei seinem Professor und war überrascht, dass dieser hinsichtlich der Idee dieser Reise begeistert war. „Du wirst ihre Arbeit sehr interessant finden", sagte er zu ihm. Karashvili hatte nicht gewusst, dass sein Professor so gut über die Arbeit von Akhmetalis Team informiert war.

    Vier Tage später kam Josef mit Georgian Airlines am Flughafen Charles de Gaulle an. Paata holte ihn mit einem großen, alten BMW ab, der bereits über 200.000 km auf dem Tacho hatte. Er roch nach altem Leder und zu vielen gerauchten Gauloise Zigaretten. „Dieses Auto ist so alt wie ich", sagte Josef, und lächelte seinen Freund an.

    „Nicht ganz. Es sieht vielleicht alt aus, aber es hat einen robusten Motor und läuft wie eine Eins, sagte Paata. „Man weiß nie, wann ein schnelles Auto sich als nützlich erweisen kann.

    „Als sie sich mit hoher Geschwindigkeit vom Ankunftsterminal entfernten sagte Paata, „Josef, mein Freund. Ich bin so froh, dass du kommen konntest. Ich muss dir ehrlich sagen, ich wusste nicht, ob du überhaupt kommen würdest."

    „Das wusste ich auch nicht, mein Freund. Mein Professor überredete mich dazu, ohne mir wirklich zu sagen, was du hier eigentlich machst. Er sagte, dass ich es ‘interessant’ finden würde. Und lukrativ", fügte Josef hinzu.

    Paata nickte. „Lukrativ? Ja, Josef. Aber nicht nur das. Wir werden auch die Chance haben, diesen Hurensöhnen, den Russen, ein paar Lektionen zu erteilen." Zum ersten Mal seit seit Josefs Ankunft zeigte Paata echte Leidenschaft, als er das ausspuckte. Russen. Die Russen hatten in der Republik Georgien eine Rebellion brutal niedergeschlagen, in einem kurzem aber blutigen Krieg 2016. Josef war damals erst 15 Jahre alt und daher zu jung gewesen, um zu kämpfen, aber er hatte in diesem Konflikt einen Onkel und einen älteren Bruder an die Russen verloren. Der Rest der Welt schaute einfach zu, nicht in der Lage oder nicht willens, russische Truppen im eigenen ‘Hinterhof’ gegen sich aufzubringen.

    Paata fuhr zügig durch den Frühnachmittagsverkehr, in Richtung Süden auf der Autoroute vom Flughafen zum Boulevard Péripherique, und am Porte de Clignancourt auf den Ring um Paris herum, den er im Südwesten der Stadt wieder verließ. Dort fuhr er auf die A13 und weiter durch die westlichen Vororte von Paris Richtung Rambouillet und Chevreuse, einem Geflecht von Tälern und Wäldern 15 Minuten westlich von Versailles. Paata fuhr weiter auf der Route Nationale, vorbei an Karnickelkäfigen ähnelnden Sozialwohnungen, an Möbel-Discountern, Tankstellen, Raststätten, Einkaufszentren und billigen Ein-Sterne-Motels für sparsame, geschäftige Vertreter aus der Provinz. Paata fuhr an einem Bahngelände vorbei, verließ die Autobahn und überquerte eine Brücke, die über die Schienen führte.

    Nach dem Bahngelände ging die Straße in einen breiten Waldweg über. Anschließend ging es an offenen Feldern vorbei und erneut durch weitere Wälder. Sie fuhren weiter bis Rodon, ein kleines Dorf am Rande der Felder, acht Kilometer vom Beginn der Region Chevreuse entfernt.

    Paata fuhr an der mairie, dem Rathaus vorbei, an einer Bäckerei, einer Kirche aus dem 10. Jahrhundert, und an ein paar Häusern. Er bog in eine Seitenstraße ein, fuhr an hohen Steinzäunen und an großen Metalltoren vorbei und bog anschließend erneut rechts in eine kleine Sackgasse ein. Drei Häuser weiter hielt Paata an, stieg aus dem Auto und schloss ein großes, grünes Metalltor auf. Als Paata die großen Türen aufstieß, sah Josef ein altes, zweistöckiges Gehöft, umgeben von Bäumen, die sogar noch über das hohe Dach hinausragten. Das weiße Mauerwerk verriet, dass das Haus Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Jedoch war eindeutig zu erkennen, dass es von einer Scheune oder einem Stall zu einem Wohnhaus umgebaut worden war, mit einem modernen Dach und mehreren großen Fenster- und Balkontüren auf der Vorderseite. Als Paata die Autotür öffnete, strömte der satte Duft von Jasmin und Rosen herein, der den Garten durchzog.

    „Willkommen in unserem Labor", sagte Paata, stieg wieder in das Auto und fuhr seitlich um das Haus herum.

    Josef kletterte aus dem Auto, nahm seine Tasche und schlenderte zu der kleinen Eingangstür. Durch diese gelangte er direkt in eine kleine Küche.

    „Josef, willkommen in Tiflis West!" sagte ein Bär von einem Mann und küsste Josef auf die Wangen. Yevgeny Gaidar war ein alter Schulfreund aus Achmeta. Er war in ganz Georgien als Ringer berühmt und rang seit er 15 Jahre alt war in der Schwergewichtsklasse. Nach Abschluss des Universitätsstudiums hatte Josef den Kontakt zu Yevgeny verloren. Er war zuerst nach Moskau gegangen, um zu studieren, und danach nach Kiew. Er hatte gehört, dass Yevgeny zum Studium nach Sotschi gezogen war.

    „Yevgeny, wo bist du gewesen? Es ist Ewigkeiten her, als wir zuletzt gemeinsam auf der weiterführenden Schule in Achmeta waren", sagte Josef.

    Yevgeny führte Josef zu dem Tisch in einer Ecke der Küche, auf dem eine Flasche georgischen Takhunas ohne Etikett wartete, zusammen mit drei Schnapsgläsern.

    Yevgeny hob die Flasche stolz in die Luft, um sie seinem Freund zu zeigen. „Das ist was ich echten Takhuna nenne, nicht dieses übelriechende Markengesöff, das man in Kiew bekommt. Der Nachbar meines Bruders hat ihn in seiner Werkstatt zu Hause in Tiflis gebrannt und gibt ihn nur an seine Freunde weiter. Trink aus! Trink auf deine Gesundheit, unseren Erfolg und unser geliebtes Georgien!"

    Josef sah Yevgeny direkt in die Augen, während er nach seinem Glas griff und er löste seinen Blick auch nicht, als er das klare georgische Getränk in einem Zug austrank. Er hielt Yevgeny das leere Glas entgegen und stellte es anschließend mit einem Knall zur gleichen Zeit auf dem Tisch ab, wie sein Landsmann. „Auf unser geliebtes Georgien! sagte er. „Auf das wir bald unsere Unabhängigkeit wiedererlangen, flüsterte Josef.

    „Komm, mein Freund. Wir möchten dir zeigen, warum wir dich von so weit in dieses Dörfchen hier in Frankreich geholt haben." Yevgeny führte Josef und Paata durch die Küche, an einem kleinen Wohnbereich vorbei und zu einer Tür, hinter der sich ein enger Treppenabgang befand. Josef sah, dass die ungestrichenen Stufen von vielen Jahren des Auf- und Abgehens abgenutzt waren. Am Fuß der Treppe gelangten sie in einen kleinen Raum, der kaum groß genug für die drei stämmigen Männer war. In dem Raum befanden sich ein Tisch, ein einfacher Holzstuhl und ein Bücherregal entlang einer kurzen, erdenen Wand. Der Bereich wurde von einer einzelnen nackten Glühbirne erhellt. Es roch nach feuchter Erde.

    Josef blickte enttäuscht drein. Yevgeny lächelte. Mit einer schwungvollen Geste schob er das Bücherregal zur Seite, das sich auf versteckten Schienen bewegte und eine weitere Tür dahinter freigab. Als Yevgeny die Tür öffnete, erblickte Josef ein Labor mit weißen Wänden und einer Fläche von knapp 100 m², das problemlos größer war, als das gesamte Haus, das sich über ihnen befand. Eine junge Frau und ein bärtiger Mann, beide in weißen Laborkitteln, und beide ungefähr Mitte zwanzig, standen an ihren jeweiligen Labortischen. Die Frau blickte kurz von ihrem Mikroskop auf, als die drei das Labor betraten.

    Josef erkannte an den Geräten die er sah sofort, um welche Art von Labor es sich hier handelte. Er sah Standardlaborgeräte wie Zentrifugen, Inkubatoren und Warmwasserbäder auf den Laborbänken. In den Ecken erspähte er etwas exotischere Instrumente: einen DNA-Synthesizer, ein automatisiertes Identifikationsinstrument und einen Bakterienkulturbeschleuniger. In einer Ecke sah er einen 3D-Synthesizer für die organische Synthese und ein Laserholographie-Detektionsgerät. Obwohl nicht alles auf dem absolut neuesten Stand der Technik war, erkannte Josef sofort, dass in diesem Laber problemlos erstklassige mikrobiologische Versuche und Synthesen durchgeführt werden konnten.

    „Wie hast du das geschafft, Paata? fragte Josef. „Das muss dich ja mindestens…650.000 Euro gekostet haben, alleine für die Einrichtung und die Geräte.

    „Wesentlich mehr als das, mein Freund. Sehr viel mehr. Aufgrund der Art unserer Arbeit, wie du sehen kannst, konnten wir nicht einfach bei Siemens anrufen und aus deren Katalog bestellen. Wir haben die Sachen…wie soll ich sagen…auf größeren Umwegen erworben." Paata war eindeutig stolz auf sein Labor und ebenso erfreut über Josefs erste Eindrücke.

    Josef war neugierig, aber er hatte bereits gewisse Vorstellungen davon, welche Art von Arbeit seine Freunde in diesem geheimen Labor ausführten. Alle drei waren in der gleichen Stadt geboren und aufgewachsen. Alle drei hatten aufgrund anhaltender feindlicher Einfälle russischer Truppen in georgisches Territorium Onkel, Brüder oder andere Familienmitglieder verloren. Sie hatten sich alle über die offenkundige Ungerechtigkeit der russischen Herrschaft über Georgien seit der Machtergreifung aufgeregt. Georgien wurde nun als „assoziierte Republik" bezeichnet, regiert von einem Marionettenregime, das so tanzte, wie Moskau die Fäden zog. Georgien war dem Namen nach unabhänig, war in Wirklichkeit jedoch unter der Fittiche seiner russischen Herrscher.

    Nachdem das Land einen kurzem Krieg verloren hatte, setzten viel länger andauernde Guerillakämpfe ein. Josefs Onkel wurde von den Russen bei einem Kampf in der Nähe von Sochumi gefangen genommen. Das war vor sechzehn Jahren. Seine Kameraden, diejenigen die überlebt hatten, kamen zurück und erzählten Josefs Großmutter, dass er im Kampf gefallen war. Jahre später hatte einer davon Josef Vater gesagt, dass er in Wirklichkeit lebend von einem russischen Kommandanten gefangen genommen und zwei Tage lang von der GKU gefoltert worden war. Anschließend hatten sie ihn an die Abchasier zum Töten ausgeliefert. Sein Leichnam lag eine Woche lang vor einem abchasischen Militärstützpunkt, bevor es seiner Frau und deren Familie erlaubt wurde, ihn mitzunehmen und anständig zu beerdigen.

    Josef erinnerte sich an die Nacht vor sechzehn Jahren, als sein Vater zu ihm kam, um ihm von Onkel Yuris Tod zu erzählen. Josef war damals erst fünfzehn Jahre alt. Er konnte nicht glauben, dass Yuri, sein Lehrer, sein Freund und seine Quelle der Kraft in schwierigen Zeiten, tot war. Damals hatte Josef die Nachricht ziemlich stoisch aufgenommen, aber sein Vater war in Tränen aufgelöst. „Ich werde die Scheißkerle töten, die das getan haben, Vater, sagte Josef in einem kühlen Ton. „Das verspreche ich dir, hatte Josef zu ihm gesagt. Josef hatte dieses Versprechen niemals vergessen.

    Josefs älterer Bruder war weggegangen, um sich einer georgischen Guerillagruppe im Kaukasus anzuschließen. Josef wusste nicht genau wie er gestorben war, aber er hatte gehört, dass die gesamte Guerillatruppe von einem georgischen Verräter in ihrer Mitte an die Russen verraten worden war. Er nahm an, dass die russische Spetsnaz sich eines Nachts eingeschlichen und seinen Bruder und die anderen niedergemetzelt hatte. Josef hatte seinen Bruder zum letzten Mal vor zehn Jahren gesehen.

    Seit der Unterjochung Georgiens hatten die verhassten Russen ihre eigenen Leute in Machtpositionen innerhalb des Landes eingesetzt. Sie renationalisierten georgische Unternehmen und drängten andere durch hohe Steuern aus dem Geschäft. Und noch schlimmer, sie verschafften Tadschiken, Kasachen und anderen Muslimen einflussreiche Stellungen in Josefs Land. Josef war wie alle gebürtigen Georgier Christ. Die Georgier waren bereits früh zur orthodoxen Ausrichtung des selben Glaubens konvertiert. Sie betrachteten ihre Religion als einen sehr wichtigen Teil ihrer Identität. Das georgische Christentum definierte sie und unterschied sie von den muslimischen und den christlichen Republiken sowie von der Türkei, die Georgien in drei Richtungen umgaben.

    Josefs georgische Vorfahren hatten bereits vor tausend Jahren gegen die muslimischen Horden Zentralasiens gekämpft. Wie alle guten Georgier war auch Josef mit Geschichten über die Gräueltaten der Muslime groß geworden. Die Tatsache, dass die Russen führende Regierungsposten mit nicht-Christen besetzt hatten, erregte den Zorn aller, die sich als georgische Patrioten bezeichneten. Außerdem entfachte es den Hass gebürtiger Georgier gegenüber ihren russischen Unterdrückern.

    Mit nur fünf Millionen Einwohnern konnte Georgien es sich nicht leisten, seine Wächter direkt zu konfrontieren. Die Feinde in Moskau und den zentralasiatischen Republiken waren dem Land zahlenmäßig dreißig zu eins überlegen. Die Georgier mussten raffiniertere Mittel einsetzen, um den fortwährenden, wenn auch eingeschränkten Status als Republik sicherzustellen. Georgische Familien schickten ihre besten Söhne nach Moskau und Kiew, um sie dort Wissenschaft und Wirtschaft studieren zu lassen. Die georgischen Studenten waren als harte Arbeiter bekannte, und für ihre hartnäckige Beharrlichkeit, das zu bekommen, was sie wollten. Stalin war Georgier, und alle Georgier teilten seine Energie und Unbarmherzigkeit. Georgier hatten im Vergleich zu ihrer geringen Anzahl einen unverhältnismäßig starken Einfluss auf das russische Leben; sie waren in der Wissenschaft, in der Regierung, im Handel und insbesondere durch eine florierende Schattenwirtschaft, mittels der georgischen Mafia, vertreten.

    Die georgische Mafia war als eine der am besten organisierten und skrupellosesten der verschiedenen organisierten kriminellen Vereinigungen im Neuen Russisschen Reich bekannt. Mit ihren Schlägertrupps erpressten die Georgier Schutzgelder aus Zigaretten- und Spirituosenverkäufen, von Obst- und Gemüseverkäufern, Restaurantbetreibern und in den Hafenstädten von den Stauervereinigungen. Georgier schöpften mit Hilfe ihrer tschetschenischen Vollstrecker in vielen Bereichen des russischen Handels einen Teil jedes neu verdienten Rubels ab.

    Wie bei vielen Verbrechersyndikaten waren auch die Mitglieder der georgischen Mafia extrem patriotisch. Sie verachteten die Russen, obwohl sie von ihnen lebten. Die georgischen Mafiabosse waren eine wichtige Quelle der finanziellen Unterstützung patriotischer georgischer Untergrundgruppen. Ihr Geld, ihre Kontakte, waren die Ressourcen, um den Kampf der Patrioten gegen überwältigende Widrigkeiten zu unterstüzten. Josefs Onkel und sein Bruder führten den Kampf mit von der Mafia gekauften Waffen fort, obwohl sie nicht direkt mit der Mafia verbunden waren. Josefs Familie und Freunde betrachteten die georgische Mafia als eines der wichtigsten Bollwerke gegen die russischen Horden.

    Josef wusste, dass seine Freunde Mitglieder der georgischen Mafia waren. Er wusste auch sofort, dass die Finanzierung dieses kostspieligen Labor nur mit Mafiageldern möglich gewesen sein konnte.

    „Zeig mir, was du in diesem Labor tust, Paata", sagte Josef. Paata und Yevgeny verbrachten die nächsten zwei Stunden damit, ihrem Freund das Projekt zu erklären. Josef hörte aufmerksam zu, stellte von Zeit zu Zeit ein paar Fragen und machte sich einige Notizen. Was er hörte, steigerte sein Interesse. Er fand ihre Erklärungen wissenschaftlich betrachtet faszinierend. Außerdem befand er ihren Plan für eine intelligente Art und Weise, um ihre übermächtigen Feinde zu bekämpfen, Feinde, die sein geliebtes Georgien zu allen Seiten umgaben.

    KAPITEL ZWEI

    Die Sonne ging über den Hügeln von La Jolla auf und reflektierte das Sonnenlicht von den Palmenblättern in das Apartment. Ein wildlebender Papagei kreischte irgendwo auf einem nahen Dach. Robert Cooks Wecker projizierte die Uhrzeit und das Datum an die Decke: 7.14 Uhr, 4. Mai.

    Robert Cook wurde von seinem Wandcomputer geweckt, die sanfte Stimme einer Frau berichtete im News Just for You-Programm über die aktuellen Nachrichten der vergangenen Nacht. Robert hasste alle Sportarten, außer Tennis und Laufen. Dies war die einzige Berichterstattung die er sich anhörte. Als Polizeileutnant war er natürlich an den neuesten Verbrechen interessiert. Er hatte vielerlei Interessen: er hörte sich Berichte über wissenschaftliche Entdeckungen, das Pilzesuchen, Extremskifahren und Weltraumforschung an.

    „Heute Nacht gab der japanische Mikrobiologe Dr. Hiromitsu Yakashi die erste Anwendung eines biologischen Motors zu… Robert sagte „Musik" und der Bildschirm schaltete sofort auf seine Lieblingsmorgenmusik – Aretha Franklin – um. Er setzte sich auf, schwang seine Füße auf den Boden und ging flotten Schrittes in Richtung eines Schranks im anderen Schlafzimmer.

    Seine Stimmung änderte sich als er aufgestanden war. „Musik, sagte er. „Philip Glass. Etwas was ich länger nicht mehr gehört habe. Die Wand wechselte zu grün und die Musik kam nun von unterhalb des Bodens und oberhalb der Decke. Robert zog alte Shorts an und steckte seine Füße in seine Laufschuhe, die sich perfekt um seine Mittelfußknochen schmiegten. Er roch an einem T-Shirt mit der Aufschrift San Diego Police Department, in weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund. „Geht noch", sagte er und zog es an. Innerhalb weniger Sekunden verließ er seine Wohnung im ersten Stock, lief die Treppen hinunter und auf die Straße hinaus.

    Cook lief an einer Reihe von Apartments „mit Meerblick" vorbei. Der einzige Meerblick den er in seiner Wohnung hatte, war der auf dem Poster in seiner winzigen Küche.

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