Der neue Landdoktor 31 – Arztroman: Willkommen im wahren Leben!
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"Papa, ich treffe mich mit Doro und ihrer Cousine am See!", rief Emilia, während sie schon auf ihrem Fahrrad die Einfahrt zur Straße hinunterfuhr.
"Aber nicht zum Schwimmen, hoffe ich."
"Ruderboot!" Das war das einzige, was Sebastian Seefeld noch verstand, bevor seine Tochter mit wehendem Haar in Richtung Dorf abbog.
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Der neue Landdoktor 31 – Arztroman - Tessa Hofreiter
Der neue Landdoktor –31–
Willkommen im wahren Leben!
Roman von Tessa Hofreiter
»Papa, ich treffe mich mit Doro und ihrer Cousine am See!«, rief Emilia, während sie schon auf ihrem Fahrrad die Einfahrt zur Straße hinunterfuhr.
»Aber nicht zum Schwimmen, hoffe ich.«
»Ruderboot!« Das war das einzige, was Sebastian Seefeld noch verstand, bevor seine Tochter mit wehendem Haar in Richtung Dorf abbog.
In den letzten Tagen war es kühler geworden. Bald würde es Herbst werden. Auch an der kräftigen alten Ulme, die mit ihrem dichten Laub, den Eingang zur Praxis fast verdeckte, zeigten sich die die ersten gelben Blätter. Als er sich noch einmal umwandte und auf das Haus mit den hellgrünen Fensterläden schaute, sah er Traudel, die gute Seele der Familie. Sie trug eine Gartenschürze über ihrem Dirndl, und zwischen ihren grauen Löckchen leuchtete ein grüner Haarreifen hervor. Summend lief sie die Treppe durch den Steingarten hinauf und hinunter, kappte dort eine Blüte, zupfte von einer anderen Pflanze verwelkte Blätter ab.
Sebastian sah auf seine Armbanduhr, es wurde Zeit für ihn. Er musste in die Praxis. Die Nachmittagssprechstunde fing gleich an. Die ersten Patienten saßen sicher bereits im Wartezimmer. »Ist schon viel los, Gerti?«, fragte er seine Sprechstundenhilfe, als er gleich darauf die große Diele mit dem Empfangstresen betrat.
»Fast der gesamte Landfrauenverein hockt im Wartezimmer. Sie behaupten, sie hätten die Schlafkrankheit.«
»Die Schlafkrankheit?« Sebastian sah Gerti Fechner, die schon seit über dreißig Jahren in der Praxis Seefeld angestellt war, ungläubig an.
»Vielleicht proben sie auch nur zu viel für ihren Gesangsauftritt am Samstag.«
»Stimmt, das Oktoberfest mit dem traditionellen Landfrauensingen im Festzelt.«
»Es ist schon recht lang her, dass du zum Oktoberfest da warst.«
»Wirklich vermisst habe ich es nicht. Wenn ich nette Leute treffen will, gehe ich lieber zu Leonhard in den Biergarten.«
»Heuer musst du dich aber auf dem Oktoberfest blicken lassen. Das erwarten die Leute. Du gehörst jetzt zu den Honoratioren im Dorf.«
»Ich werde mich schon dort blicken lassen, keine Sorge. Würdest du mir sagen, warum die Landfrauen wirklich hier sind? Das mit der Schlafkrankheit war ja wohl nicht ernst gemeint.«
»Sie nennen es aber so. Wie gesagt, vielleicht übertreiben sie es mit den Proben. Sie treffen sich schon seit Tagen am Vormittag und am Nachmittag. Sogar Wanda Lind, die Musiklehrerin aus der Grundschule, haben sie für die Nachmittage engagiert. Wegen ihrer Kompetenz in Sachen Gesang. Aber die meisten Landfrauen sind halt so alt wie die Traudel und ich, das heißt, nicht mehr ganz taufrisch«, seufzte Gerti und spielte mit dem obersten Knopf ihres weißen Kittels.
»Du bist die Königin in unserer Praxis, und eine Königin braucht Lebenserfahrung. Sie darf gar nicht taufrisch sein, wie du es nennst. Sie sind alle aus dem gleichen Grund hier?« Sebastian warf einen Blick durch die geöffnete Tür des Wartezimmers. Dort gab es keinen freien Stuhl mehr.
»Alle kommen wegen abnormer Müdigkeit«, sagte Gerti.
»Gut, fangen wir an.«
»Das wird ein harter Tag«, murmelte Gerti. »Frau Kornhuber, zum Herrn Doktor!«, rief sie ins Wartezimmer, als wenig später das grüne Lämpchen an ihrer Haussprechanlage aufleuchtete. Es war Sebastians Signal, dass sie den ersten Patienten aufrufen konnte.
»Frau Kornhuber? Sind wir jetzt per Sie oder was?«, fragte die stattliche Frau in dem violetten Dirndl, die gleich darauf aus dem Wartezimmer kam.
»Das war eine für die Öffentlichkeit bestimmte Ansprache, die muss förmlich sein, liebe Therese.«
»Fechnerin, manchmal bist du schon recht merkwürdig«, stellte Therese Kornhuber fest und strich sich über den festen Knoten, zu dem sie ihr graues Haar gebunden hatte.
»Ich bin nicht merkwürdig, ich kenne mich nur in den Umgangsformen aus. Nun schick dich, du bist nicht die einzige Patientin. Gut so«, murmelte Gerti zufrieden, als Therese mit weit ausholenden Schritten in Richtung Sprechzimmer marschierte. Ich bin die Königin, du weißt genau, was du sagen musst, damit eine Frau sich gut fühlt, dachte sie, als Sebastian die Tür für seine erste Patientin öffnete und ihr, seiner Königin, noch ein Lächeln schenkte.
»Frau Kornhuber, was kann ich für Sie tun?«, erkundigte sich Sebastian, nachdem er die erste Vorsitzende des Landfrauenvereins begrüßt hatte und sie auf dem Stuhl an seinem Schreibtisch Platz nahm.
»Herr Doktor, ich bin alleweil so müde. Ich könnte den ganzen Tag schlafen. Besonders schwer fällt mir das Wachbleiben am Nachmittag.«
»Wann genau am Nachmittag?«, fragte Sebastian und sah Therese direkt an.
»Mei, Doktor Seefeld.« Mit einem tiefen Seufzer sah Therese zur Seite. Sie ließ ihren Blick durch das helle Sprechzimmer mit seinen weißen Möbeln gleiten, so als hätte sie es nie zuvor gesehen. Auch die schöne alte Vitrine aus gemasertem honigfarbenem Holz, in der Sebastians Vater die alten Medizinbücher aufbewahrte, die er gesammelt hatte, schien sie zu interessieren.
»Frau Kornhuber, haben Sie gehört, was ich Sie gefragt habe?«, hakte Sebastian nach.
»Um fünf nach der Gesangsprobe«, sagte Therese und wandte sich ihm wieder zu.
»Die Gesangsprobe im Landfrauenverein?«
»Richtig, wir treffen uns um halb vier, proben und dann hocken wir noch ein bissel bei Kuchen und Tee zusammen.«
»Gerti hat gesagt, Sie sind alle wegen der gleichen Beschwerden hier.«
»Das klingt nach einem Virus, nicht wahr, Doktor Seefeld? Jedenfalls nach etwas Ansteckendem.«
»Das kann ich so nicht sagen. Haben Sie außer der Müdigkeit noch andere Beschwerden?«
»Nein, aber so eine Müdigkeit kann doch das Anzeichen einer schlimmen Krankheit sein.«
»Das halte ich in diesem Fall für sehr unwahrscheinlich. Das wäre ein unglaublicher Zufall, wenn Sie alle an der gleichen Krankheit litten. Sie waren vor zwei Monaten zur Blutuntersuchung hier. Da war alles in Ordnung«, sagte Sebastian, nachdem er auf Thereses Krankenakte geschaut hatte, die auf dem Monitor seines Computers zu sehen war.
»Vielleicht ist es ein Virus, der uns alle befallen hat.«
»Leidet denn in Ihrer Familie oder in denen der anderen Landfrauen auch jemand an dieser Müdigkeit?«
»Nein, bisher nicht.«
»Dann ist es sicher kein Virus.«
»Was ist es dann?«
»Ich weiß es nicht, Frau Kornhuber. Aber wir werden es herausfinden. Gerti wird Ihnen gleich Blut abnehmen.«
»Abhören, Blutdruck messen, Bauch abtasten?«, fragte Therese.
»Das gehört dazu«, sagte Sebastian und legte das Stethoskop um seinen Hals.
Er hatte nicht die geringste Ahnung, was es mit dieser Müdigkeit auf sich haben könnte. Therese Kornhuber wirkte auf ihn kerngesund, und er konnte auch erst einmal nichts feststellen, was auf eine Krankheit hindeutete.
Auch die anderen Landfrauen, die nacheinander in sein Sprechzimmer kamen, wiesen keine Anzeichen einer Krankheit auf. Alle klagten nur über diese merkwürdige Müdigkeit. Er schickte sie alle zu Gerti, damit sie ihnen Blut abnahm. Gerade als Elvira Draxler, die zweite Vorsitzende des Landfrauenvereins, eine hagere Frau im grauen Dirndl, das Sprechzimmer verlassen hatte, rief Emilia auf seinem Handy an.
»Hallo, Spatz, ist etwas passiert?«, fragte er erschrocken, weil sie ihn während der Sprechstunde sonst nie anrief.
»Kein Notfall, Papa. Ich habe nur eine kurze Frage. Wer die Blutgruppe 0 hat, der kann doch jedem anderen Blut spenden. Egal, welche Blutgruppe derjenige hat, richtig?«
»Im Prinzip ja, wobei jemand mit der Blutgruppe 0 negativ die noch idealere Variante des Universalspenders ist. Warum willst du das wissen? Ist doch etwas passiert?«
»Es ist alles in Ordnung, wir haben uns nur gerade über seltene Blutgruppen unterhalten, und ich wollte dein Fachwissen nutzen. Bis heute Abend, Papa«, sagte Emilia und beendete das Gespräch.
Mein Fachwissen, aha, dachte Sebastian lächelnd und wollte schon den nächsten Patienten hereinbitten, als er noch einmal über die ›Schlafkrankheit‹ der Landfrauen nachdachte. Traudel war doch auch bei den Landfrauen. Warum klagte sie nicht über diese Symptome? Ich werde heute Abend ihr Fachwissen über die Landfrauen nutzen, dachte er, vielleicht konnte sie ihm einen nützlichen Hinweis geben.
*
»0 positiv, noch besser 0 negativ«, sagte Emilia und stieg in das Ruderboot, das Doro gemietet hatte.
»Dann schreibe ich 0 negativ«, erklärte Henriette, Doros Cousine, die am Vormittag in Bergmoosbach eingetroffen war.
»Du erzählst diesem Baldur nur Dinge