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COLD BLACK: Thriller
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Ebook494 pages6 hours

COLD BLACK: Thriller

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About this ebook

"Aidan Snow – ein eiskalter Agent in brandheißen Abenteuern." - Stephen Leather, Autor von THE FOREIGNER (verfilmt mit Pierce Brosnan und Jackie Chan)
Spezialagent Aidan Snow auf der Spur mysteriöser Attentate und politischer Unruhen, die auf irgendeine Weise miteinander in Verbindung zu stehen scheinen – in einer Thriller-Reihe, die Fans von David Baldacci, Chris Ryan und Tom Clancy lieben werden.
In Großbritannien wird Aidan Snow, Geheimagent des MI6, Zeuge eines skrupellosen Mordes.
Paddy Fox, ein ausgebrannter Ex-SAS-Soldat, vereitelt in letzter Sekunde die Entführung eines Mitglieds der saudischen Königsfamilie.
Russland stellt der Ukraine Forderungen, die das Land nicht ablehnen kann.
Und in Saudi-Arabien bereitet sich eine Splittergruppe der al-Qaida auf eine Mission vor.
Hängen diese Ereignisse in irgendeiner Weise miteinander zusammen?
Und was verbirgt sich hinter ›Cold Black‹?
"Shaws Stil knistert von Seite zu Seite wie die Flamme an einer kurzen Lunte unmittelbar vor der Detonation. Fans von Clancy, McNab, Ryan und Leather werden Aidan Snow lieben." - Matt Hilton, Autor der "Joe Hunter"-Erfolgsthriller
"Die perfekte Mixtur aus Spionageroman und Politikthriller." - Matt Lynn, Bestseller-Autor der "Death-Force"-Thriller
LanguageDeutsch
Release dateSep 13, 2019
ISBN9783958352001
COLD BLACK: Thriller

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    COLD BLACK - Alex Shaw

    COLD BLACK

    Alex Shaw


    übersetzt von Andreas Schiffmann

    Copyright © 2015 by Alex Shaw

    All rights reserved. No part of this book may be used, reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage or retrieval system, without the written permission of the publisher, except where permitted by law, or in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.

    Impressum


    Deutsche Erstausgabe

    Originaltitel: COLD BLACK

    Copyright Gesamtausgabe © 2016 LUZIFER-Verlag

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

    Cover: Michael Schubert

    Übersetzung: Andreas Schiffmann

    Lektorat: Diana Glöckner

    Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2016) lektoriert.

    ISBN E-Book: 978-3-95835-200-1

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    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Inhalt


    COLD BLACK

    Impressum

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Über den Autor

    Prolog


    Harley Street, London, England

    Aidan Snow saß nackt bis auf schwarze Boxershorts auf dem Untersuchungstisch. Dr. Durrani drückte einen behandschuhten Zeigefinger gegen das linke Bein des Agenten und begutachtete es konzentriert.

    »Hm. Der Einschnitt scheint gut verheilt zu sein; wie erhofft ist kaum eine Narbe zurückgeblieben.« Indem er sich dem rechten Bein widmete, fuhr Durrani fort: »Damit bin ich allerdings weniger zufrieden, wobei Sie es natürlich auch ziemlich lange hinausgezögert haben, mich aufzusuchen.«

    Snow nickte. Der Arztbesuch war nicht seine Idee, sondern ein Befehl direkt von Jack Patchem gewesen, seinem ›Leitwolf‹ beim Secret Intelligent Service. Ihm zufolge könne ein mit Narben übersäter Geheimagent nicht mehr unauffällig arbeiten. Snow hatte kein treffendes Gegenargument parat.

    »Jetzt die Schulter. Hm. Würden Sie mal eben den Arm für mich heben? Genau so, das genügt. Tut das weh? Irgendwelche Beschwerden?«

    »Nein.«

    »Wirklich nicht?«

    »Nein.« Das war gelogen. Alte Verletzungen zwickten Snow gelegentlich, vor allem verheilte Schusswunden, doch den vom Geheimdienst beauftragten Arzt darüber ins Bild zu setzen wäre einer Erlaubnis zum Weiterarbeiten abträglich gewesen.

    Snow war fit, und zwar in selbst für Armeeverhältnisse überdurchschnittlichem Maße, hatte sich aber im nunmehr reifen Alter von sechsunddreißig Jahren bereits ein Bein in einem Verkehrsunfall zertrümmert und das andere von einem AK47 durchschießen lassen, nicht zu vergessen einen kürzlichen Treffer in die rechte Schulter. Zwischen den ersten beiden und den jüngsten Verwundungen lagen zehn Jahre, doch verschuldet wurden sie von ein und demselben Ex-Agenten der SpezNas.

    Aufgrund der ersten Verletzung hatte Snow den Special Air Service verlassen müssen, infolge der zweiten eine Stelle beim SIS erhalten – oder MI6, wie man den Geheimdienst nun weitläufig nannte. Nachdem er sich auskuriert und sich im Rahmen eines Wiederauffrischungslehrgangs im Hochland von Wales gegen die neuste Auslese von SAS-Hoffnungsträgern durchgesetzt hatte, war er für diensttauglich erklärt worden.

    »Ich bin mit Ihrer Untersuchung fertig, Sie dürfen sich wieder anziehen.« Durrani ging zum Waschbecken, zog die Handschuhe aus und wusch sich unnötigerweise die Finger. Dann rückte er seine kräftig rote Krawatte zurecht. »Wie geht es Jack so?«

    Die Frage überraschte Snow. »Verzeihung, welchen Jack meinen Sie?«

    »Alles klar, das war nur ein Test. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – die alte Binsenweisheit.«

    »Und handeln ist Platin«, ergänzte Snow, während er sich rasch anzog.

    »Was? Oh, der war gut. Macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich ihn mir merke, oder?«

    »Nein, kein Ding.«

    »Danke.« Durrani lächelte und öffnete die Tür. »Nun, da mit Ihnen alles ›in Butter‹ ist, sehen wir uns nächstes Jahr um diese Zeit wieder. Bis dann.«

    Snow sparte sich die Mühe, dem Arzt die Hand schütteln zu wollen. Angesichts dessen dass er sich in der plastischen Chirurgie verdingte, legte Durrani merkwürdige Berührungsängste an den Tag.

    Als Snow das Sprechzimmer verließ, kam er nicht umhin, einen Blick auf die hübsche Arzthelferin in blütenweißer Kleidung – die Umrisse eines schwarzen Büstenhalters ließen sich darunter ausmachen – am Empfang zu werfen. Sie lächelte ihm zu, da schaute er verlegen weg und ging aus dem Gebäude auf die Straße.

    Harley Street brummte zu Mittag vor Verkehr, Geschäftsleuten und ein paar verirrten Touristen, die sich von zwei Beamten der Metropolitan Police den Weg weisen ließen. Snow ging nach Norden auf Regent's Park zu, wo sich die nächste U-Bahn-Haltestelle befand, weil er einen Termin bei Patchem im Hauptquartier am Vauxhall Cross hatte. Er mochte London nicht, sondern lebte nur notwendigerweise in der Stadt. Sie war ihm zu lärmerfüllt und schmutzig, vor allem im Vergleich zu einigen anderen Hauptstädten … Paris einmal ausgenommen. Ihm fiel ein Freund ein – Arnaud, ein Halbfranzose –, der die Heimat seiner Mutter immerzu in Schutz genommen hatte.

    Seiner Meinung nach sei Paris mit seiner prachtvollen Architektur die »Kapitale Europas«. Snow hingegen hatte dagegengehalten, dass diese Pracht nicht über mit Hundekot verdreckte Gehsteige und den Gestank von billigen Zigaretten hinwegsehen lasse. Er machte sich aufgrund dessen, was geschehen war, immer noch Vorwürfe. Die anderthalb Monate zurückliegenden Geschehnisse in der Ukraine hatten ihn schwerer getroffen als gedacht. Snows seelische Narben mussten gleichsam »kosmetisch geglättet« werden. Er fasste sich unwillkürlich an die Schulter und spürte die Schussverletzung, die jetzt nahezu unsichtbar war, aber noch immer wehtat. Snow hatte versucht, einem Freund das Leben zu retten, und versagt.

    Ein lautes Geräusch von hinten zerstreute seine Gedanken. Ein Schrei. Er drehte sich um. Vor Durranis Praxis stand jemand, vom Aussehen her aus dem Mittleren Osten oder Asien. Eine innere Stimme wollte Snow etwas mitteilen. Während er zur Adresse des Chirurgen zurückkehrte, behielt er den Eingang im Auge. Noch ein Schrei. Er lief los. Da kamen zwei Männer aus dem Gebäude geeilt, einer mit verbundenem Gesicht. Sie wollten zu dem einzelnen, der nun zum Straßenrand gegangen war und die Tür eines Ford Mondeo im Leerlauf aufhielt. Der letzte Mann, der die Praxis verlassen hatte, hielt etwas in der Hand: eine Pistole.

    Er schaute direkt zu Snow, der sich ihm weiterhin zügig näherte, legte an und drückte ab. Die Kugel sauste mit einem dumpfen Knall aus dem Lauf und auf den Geheimagenten zu. Dieser hechtete instinktiv nach links und die Kellertreppe des Nachbargebäudes hinunter, wo er in mehrere Mülltonnen krachte.

    Eine Wagentür wurde zugeschlagen. Atemlos hob Snow den Kopf. Mit vier Mann war der Mondeo nun voll besetzt und ordnete sich in den Verkehr ein. Snow hastete zur Praxis, während er versuchte, das Nummernschild des Fahrzeugs zu erkennen. Er musste eine Entscheidung treffen. Folgte er den Verbrechern, oder sah er im Gebäude nach dem Rechten?

    Schließlich lief er die Treppe hinauf, indem er je zwei Stufen auf einmal nahm. Die Tür zum Wartezimmer stand offen, die zum Sprechzimmer ebenfalls. Noch hegte er die unvernünftige Hoffnung, nicht vorzufinden, was sich ihm letztlich doch zeigen sollte: Die Schwester saß, die Glieder von sich gestreckt, in ihrem Sessel. Sie hatten ihr Oberteil aufgerissen, sodass Snow ihre Brüste sah. In ihrer Stirn war ein sauberes Einschussloch, die cremeweiße Wand dahinter hingegen mit Blut bespritzt. Er fluchte, Wut keimte in ihm auf. Nachdem er die Tür zum Zimmer aufgetreten hatte, stellte er fest, dass Durrani ebenfalls hingerichtet worden war. Er lag quer auf seinem Schreibtisch, hatte zwei Schüsse in die Brust und sicherheitshalber einen weiteren in den Kopf bekommen.

    Snow war in Windeseile wieder auf der Straße, hielt sich sein Handy ans Ohr und wartete darauf, mit dem Notruf verbunden zu werden. Weiter vorne auf der Straße ertönte laut eine Autohupe. Der Mondeo war noch in der Nähe, weil er an der Ampel auf der Höhe von New Cavendish Street stand. Snow musste ihn erreichen. Er lief schneller als zuvor und schaltete dabei die Videokamera seines Telefons ein. Als er Stimmen hinter sich hörte, drehte er sich um. Es waren die beiden Beamten der städtischen Polizei. Einer sah die offene Praxistür und verschwand darin, um herauszufinden, was los war, der andere folgte Snow.

    »Verzeihung, Sir … Sir, einen Moment«, rief er.

    Der Agent rannte jedoch weiter, um den Wagen abzufangen, also schlug der Polizist einen rascheren Schritt an, wobei er, weil er seinen Helm auf dem Kopf festhielt, aussah wie einer der trotteligen Beamten in Schwarz-Weiß-Filmen aus den Zwanzigern. Als Snow neben dem Mondeo ankam, schaute er hinein. Vier Männer wie gesagt, alle augenscheinlich aus dem Mittleren Osten. Der eine wickelte gerade den Verband von seinem Kopf, der Schütze hielt noch seine Waffe fest. Als Snow die Handykamera auf sie richtete, wurde er von hinten an der Schulter gepackt. Indem er herumfuhr, warf er den Grapscher nieder, ohne sein Telefon zu verlieren, denn er hatte es an einem Trageriemen gesichert. Der Polizist fiel unsanft aufs Pflaster, sein Helm kullerte zwischen die Autos auf der Straße.

    »Geheimdienst« war alles, was Snow äußern konnte, bevor eine Kugel an seinem Gesicht vorbeischnellte. Auch er ging zu Boden, als die Ampel umsprang, woraufhin der Mondeo weiterfuhr. Snow versuchte, schnell wieder hochzukommen, doch dann drückte ihn der zweite Beamte nieder, der seinem Kollegen nun beigesprungen war.

    »Secret Intelligent Service, Sie halten die falsche Person fest!«

    Der Polizist wollte sich mit einem Bein auf Snows Brust knien. »Stillhalten!«

    »Mein Gott, verdammt …« Snow verdrehte sich und brachte den Beamten mit seinem rechten Bein aus dem Gleichgewicht. Dann stand er auf. Der erste Polizist war ebenfalls wieder auf die Beine gekommen, hatte seinen Schlagstock gezogen und hielt ihn in seiner Rechten.

    »Runter … zurück auf den Boden!«

    »Machen Sie Platz, verflucht!« Snow sprang vorwärts und duckte sich unter dem näher kommenden Arm des Mannes, um ihm in eine Kniekehle zu treten, den Stock aus der Hand zu reißen und auf die Straße zu werfen.

    Snow sprintete zur Kreuzung am Ende der Straße, wo er den Mondeo wiedersah, der fünfzig Meter weiter auf der Wigmore Street bremste, diesmal aufgehalten von einem Taxi. Jetzt hörte er Sirenen von der Harley Street hinter ihm. Man schickte eine bewaffnete Einsatztruppe, denn schließlich war die Londoner City ein leichtes Ziel. Snow beobachtete weiter, wie das Fluchtfahrzeug davonraste, nicht ohne den Gehsteig zu schrammen und die erlaubte Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten. Wie er sich umdrehte, sprühte ihm jemand eine Wolke CS-Gas ins Gesicht …

    »Ihr beschissenen … Idioten!«

    Abermals wurde nach ihm gegriffen, während er sich mit tränenden Augen zur Wehr setzte, weshalb er beim Austreten nur verschwommene Umrisse erkannte. Ein Beamter brach fluchend zusammen, der zweite schlug zu und traf. Da rastete Snow völlig aus und rempelte ihn mit einer Schulter an, bevor er ihm einen Haken unters ungeschützte Kinn versetzte. Endlich lagen beide angeschlagen am Boden.

    »Hören Sie mir zu!«, schrie Snow. »Eine Gruppe Mörder ist drauf und dran, sich aus dem Staub zu machen. Wir müssen das melden!«

    »Bewaffnete Polizei! Waffe fallen lassen und mit dem Gesicht auf den Boden!«

    Snow schloss fassungslos seine immer noch nässenden Augen. Nachdem er sein Handy aufs Pflaster gelegt hatte, legte er sich daneben nieder. Er sah einen schwarzen Springerstiefel, kurz bevor das Gerät in den Rinnstein getreten wurde.

    »Das ist Eigentum der Regierung Ihrer Majestät, Sie kriegen 'ne Rechnung.«

    »Bitte schweigen Sie jetzt, Sir.«

    Jemand mit Handschuhen packte Snow an den Unterarmen und zog sie ihm auf den Rücken.

    Nachdem man ihm Plastikhandfesseln angelegt hatte, tastete man ihn ab und zog ihn wieder auf die Beine. Der unnachgiebige Kunststoff schnitt ihm ins Fleisch. Die beiden »Bullenschläger« sahen ziemlich ungehalten aus.

    »Mein Name lautet Aidan Snow, ich bin Agent des SIS. Rufen Sie Vauxhall Cross an, dort wird man Ihnen das bestätigen.«

    »Verlassen Sie sich darauf, dass wir das tun, wenn wir zur Zentrale zurückgekehrt sind«, spöttelte einer der Männer, die dem Specialist Firearms Command angehörten, einer bewehrten Abteilung der üblicherweise unbewaffneten Stadtpolizei.

    »Bitte kommen Sie nun mit«, fügte ein anderer hinzu.

    Als sie an der Hochsicherheitspolizeistation ankamen, wurde Snow zur Abfertigung am Empfangstisch gebracht. Der Diensthabende widmete sich ihm teilnahmslos. Sein Bewacher legte einen Klarsicht-Plastikbeutel auf den Tisch, worin neben Snows Geldbörse und Handy auch der Inhalt seiner Kleidertaschen steckte.

    »Name?«

    »Ich bin Agent des SIS. Rufen Sie dort an; man wird Ihnen bestätigen, dass das stimmt.«

    »Ihr Name?«

    Snow holte tief Luft. Die Beamten verrichteten lediglich ihre Arbeit, wenn auch schlecht.

    »Aidan Snow.«

    »Also gut, Mr. Snow, wenn Sie bitte nur einmal kurz Ihre Finger hier auflegen würden, wir scannen Ihre Abdrücke.«

    Sich zu widersetzen wäre mehr oder weniger zwecklos gewesen, also hielt Snow seine Finger an den Scanner. Zu wissen, dass jemand persönliche Informationen von ihm hatte – vor allem Fingerabdrücke –, war alles andere als berauschend.

    Als der Diensthabende am Tisch auf seinen Monitor schaute, runzelte er die Stirn. »Okay, wir werden Sie in einer Zelle festhalten, bis Ihre Identität bestätigt ist.«

    Snow zuckte mit den Achseln. Er wusste zwar nicht, was der Scanner angezeigt hatte, geschweige denn, auf welche Datenbank zurückgegriffen worden war, doch dass er sich aufs Aussitzen einstellen musste, stand fest.

    »Könnte ich vielleicht eine Tasse Tee bekommen?«

    »Sicher, trinken Sie ihn geschüttelt und nicht gerührt?«

    Kapitel 1


    Shoreham-by-Sea, England

    Für die Leute zählte er zu denjenigen, die der Kreditkrise anheimgefallen waren, den Opfern eines unsichtbaren Feindes, der Rezession. Paddy Fox trank mit Wut im Bauch aus seinem Pint. Er war niemandes Opfer. Nachdem er sich die Stellenangebote zum dritten Mal angesehen hatte, zerknüllte er die Zeitungsseite. Der Groll, den er gegen sie hegte – die Wut auf seinen ehemaligen Chef –, hatte während der sechs Wochen, seitdem es geschehen war, nicht nachgelassen. Er musste niemandem etwas beweisen. Schließlich war er James »Paddy« Fox und zwanzig Jahre lang beim Special Air Service gewesen, also galt er etwas. Scheiß auf all diejenigen, die das nicht erkannten.

    Als sein Handy klingelte, nahm er es schnell in die Hand und ging ran. »Ja?« Obwohl er schon vor Jahren nach Hereford und dann Sussex gezogen war, hatte er seine Stimme nach wie vor eine kehlig schottische Färbung. Da es zunächst still in der Leitung blieb, wusste er gleich, dass ihm irgendein Unternehmen etwas andrehen wollte, noch bevor der Anrufer seinen Text aufsagte.

    »Spreche ich mit Mr. James Fox?«

    »Jetzt nicht mehr.« Er trennte die Verbindung.

    Kohle, Kohle, Kohle! Alle Welt schien sein Bestes zu wollen, bloß nicht ihn selbst. Er glättete das Papier wieder und kreiste eine weitere Anzeige ein, wobei das Logo von Dymex auf dem Kugelschreiber vor seinen Augen verschwamm. Tracy arbeitete noch dort, doch warum er einen Stift der Firma behalten hatte, wusste er nicht. War er ein sprichwörtliches Büßerhemd, das er sich überstreifte?

    Fox stürzte den Rest Pale Ale hinunter und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Vorerst nur diese zwei und später mehr, wenn er, wie er bereits ahnte, nach Zoff mit Tracy aus dem Haus stürmte. Das geschah nahezu täglich, seitdem er »überflüssig« – so sah er es – geworden war. Nun schaute er an der schmierigen Theke des Crown & Anchor entlang, wo niemand saß. Außer Burt, dem Lokalbesitzer mit den Hängebacken, sowie »Old Dave«, der mit seiner Zeitung und einem Glas Guinness in der Ecke hockte, als gehöre er zur Einrichtung, war niemand zugegen. Fox schüttelte den Kopf. Was für ein Drecksladen von Kneipe … Es handelte sich um die letzte in Shoreham, die noch »aufgedonnert« werden musste, wie er es nannte – mit einem neuen Anstrich, schicker Beleuchtung und doppelt so hohen Getränkepreisen. So blieb sie die einzige Kneipe, deren Gäste im Schnitt über zwölf Jahre alt war, zumindest in seinen Augen. Er stand auf, stellte sein leeres Glas auf den Tresen und nickte Burt zu, bevor er den Pub verließ. Draußen war gerade Hauptverkehrszeit, und viele Autofahrer nahmen die engen Seitenstraßen, weil sie Staus vermeiden wollten. In gewisser Weise schätzte sich der ausgediente SAS-Soldaten glücklich, nicht mehr zur Geschäftswelt zu gehören – aus dem Hamsterrad raus zu sein, obwohl er sich noch immer darüber aufregte, wie es sich ergeben hatte.

    Nachdem er in einen rundum verglasten Versammlungsraum bestellt worden war, hatte er den Jüngeren in seinem Designeranzug und unverkennbarem dunkelblauen Hemd abschätzig angesehen. Der Mann sprach, während ihm Fox' unentwegt in die Augen blickte.

    »Es tut mir leid, Paddy, ganz ehrlich, aber wie Ihnen zu Beginn des Consultings unseres Unternehmens bewusst gemacht wurde, müssen wir Kürzungen vornehmen. Dabei gilt es, möglichst gerecht zu bleiben.«

    Darauf folgte eine Pause, in der er – Leo Sawyer – auf Fox' Antwort wartete. Dessen direkte Vorgesetzte Janet Cope räusperte sich hustend, auch weil ihr die Stille unerträglich war.

    »James, wir bedauern wirklich sehr, Sie entlassen zu müssen, doch wie beschlossen wurde, brauchen wir nur zwei, nicht drei Vertriebsingenieure.«

    Paddy starrte die »hohen Tiere« nacheinander an. »Was ist mit der Stelle in Saudi?« Seine Stimme hallte laut in dem kleinen Glaskasten.

    Cope zuckte zusammen, während Sawyer nervös an seiner Krawatte nestelte.

    »Sie kamen nicht dafür infrage, bedaure«, antwortete der Chef in einem seines Erachtens einfühlsamen Tonfall. Er kam sich regelrecht von Fox' grünen Augen durchbohrt vor.

    »Aber ich spreche Arabisch! Kann das irgendeiner der anderen Bewerber?« Paddys Gesicht war ein wenig röter als üblich geworden.

    Cope ereiferte sich. »Also James, ich kann nachvollziehen, dass Sie sich aufregen, aber das ist kein Grund zum Schreien.«

    Paddy strafte sie mit einem verächtlichen Blick. »Nur meine Mutter darf mich James nennen.«

    Auch seine Vorgesetzte errötete nun leicht und schaute nach unten.

    Sawyer schob Fox ein Blatt Papier über den Tisch. »Wenn Sie sich das bitte anschauen würden. Wir zahlen Ihnen Ihren nicht beanspruchten Urlaub voll aus, außerdem drei Monate Abfindungsgeld – so steht es in Ihrem Vertrag – und einen zusätzlichen Bonus für all Ihre harte Arbeit während der letzten fünf Jahre.«

    »Sechs Jahre. Ich fing 2004 hier an.« Paddy nahm das Dokument und überflog die achtunddreißig Zeilen.

    »Natürlich, sechs Jahre, mein Fehler.«

    »Ihre Entlassung tritt umgehend nach Ende des heutigen Arbeitstages in Kraft. Das heißt, sie können sich ab morgen nach einer neuen Anstellung umsehen. Wir möchten Sie nicht daran hindern, einen neuen Job zu finden. Für uns ist das wirklich sehr bedauerlich.« Cope setzte ihr affiges Lächeln auf, das er schon am ersten Tag gehasst hatte, als sie seine Vorgesetzte geworden war.

    Er faltete das Blatt, steckte es in seine Hemdtasche und erhob sich. Wieder starrte er die beiden Bosse an. Sawyer wollte noch etwas sagen, doch Fox hielt eine Hand hoch.

    »Danke für Ihre offenen Worte.«

    Die Kollegenschaft verrenkte ihre Hälse, während er durch das offene Großraumbüro zu seinem Platz ging. Einige versuchten, seinem Blick auszuweichen, manche wollten mitfühlend wirken, doch er fand die einen wie die anderen einfach nur armselig. Seine beiden Vertriebsmitarbeiter, die man nicht abgestoßen hatte, waren wenig überraschend nirgendwo zu sehen. Als er zu seinem Schreibtisch kam, machte er sich daran, den Inhalt der Schublade in seinen Pilotenkoffer zu räumen. Er fand Sawyer seit je unsympathisch. Nachdem Tracy auf der Weihnachtsfeier im Vorjahr etwas über seine Beteiligung an Operation Wüstensturm im Zweiten Golfkrieg herausgerutscht war, hatte der Chef Fox ständig wegen seiner Vergangenheit gelöchert. Alsdann hatte Sawyer, der seinen eigenen Worten zufolge der »Reservistentruppe« angehöre, sie alle – also die ganze Verkaufs- und Marketingabteilung – zu einem Wochenende Paintball eingeladen, um den Gemeinschaftsgeist zu stärken. Werbeleiterin Tracy war dabei gewesen, und laut ihrer Aussage sei der Kerl eine »echte Witzfigur«. Beim nächsten »Betriebsevent« hatte Fox bemerkt, wie er sie angaffte, und ihm den Spitznamen »Stielauge« gegeben. Eigentlich dachte er aber, bei Sawyer rege sich nur etwas, wenn er die örtliche Schwulenbar aufsuchte.

    Als er aufschaute, sah Fox den Sicherheitswächter mit einem Klemmbrett in der Hand aus dem Büro des Geschäftsführers kommen. Er nahm dem Mann nichts übel.

    »Hi Mick, werden Sie mich beim Verlassen des Geländes begleiten?«

    »Tut mir leid.« Der Gefragte legte das Brett auf Fox' Tisch. »Sie müssen mir den Wagenschlüssel geben und hier unterschreiben.«

    Paddy nahm kopfschüttelnd den Schlüssel seines 3er-BMWs heraus und ließ ihn in Micks aufgehaltene Hand fallen. »War ja klar, jetzt muss ich drei Meilen bis zum Bahnhof laufen.«

    »Danke.« Der Wächter sah sich kurz um, bevor er beinahe flüsternd hinzufügte: »Mr. Sawyer hat Ihnen wohl nicht angeboten, Sie in seinem Z4 zu fahren, oder?«

    »Ich bin nicht schwul.«

    Mick musste schmunzeln. »Ich habe in zehn Minuten Pause, dann bringe ich Sie zum Bahnhof.«

    »Das wäre nett, Kumpel, vielen Dank.«

    So konnte es eben gehen auf der Welt. Mick besaß mehr Anstand als der Rest der Belegschaft zusammen. Er klopfte dem Gefeuerten auf eine Schulter und ließ ihn beim Zusammenräumen allein. Fox steckte weiter persönliche Papiere in die Fächer seines Koffers. Sawyer und Cope blieben im Besprechungszimmer abgeschottet, schauten verbissen auf Dokumente, um sich den Anschein zu geben, sie hätten zu tun, und hofften, er werde verschwinden. Nachdem Fox den Koffer geschlossen hatte, ging er zur Treppe. Im Vorbeigehen klopfte er an eine Scheibe des Versammlungsraums, woraufhin die beiden Männer darin ruckartig mit den Köpfen nach rechts fuhren. Er grinste und zeigte ihnen einen ausgestreckten Mittelfinger.

    Draußen überquerte er die Straße zum Fluss hin und dann die Fußgängerbrücke. Der Pegel war hoch wie üblich, weshalb das Wasser vielmehr einem zähen Schlammstrom glich – verdammt ätzend, wenn man ihn fragte, doch das hatte Tracy beim Kauf des Hauses nicht getan, das den Fluss überblickte. Als er das Gegenufer erreichte, hörte er sie bereits. Die Kids aus den Appartementgebäuden in der Gegend waren wieder unterwegs und fuhren auf ihren »Minimotos« Slalom um Autos. Jim regte sich bestimmt wieder auf; das tat er ständig.

    Und tatsächlich: »Runter von der Fahrbahn, verflucht! Ich rufe die Polizei!«, brüllte Jim Reynolds, Dekorateur im Ruhestand und Stimme der Moral in der Straße, den Motorrollern hinterher.

    Paddy lachte. »Guten Abend, Jim« Er mochte seinen Nachbarn, auch wenn er sich über ihn lustig machte.

    »Von wegen gut, die Rotzlöffel foltern mich schon eine Stunde lang! Sollten sie nicht in der Schule sein?« Er winkte mit seiner Heckenschere.

    »Jim, es ist schon fast sechs Uhr.«

    »Ach, dann sollten sie eben am Arbeiten sein oder über ihren Hausaufgaben brüten. In deren Alter habe ich als Anstreicher Häuser verschönert.«

    »Tun sie auch – mit Graffiti.«

    Die Siedlung war als neueste Erschließungsmaßnahme für Berufstätige mit zwei Komma vier Kindern und BMW angepriesen worden, doch in Wirklichkeit benutzten die Jugendlichen aus den Sozialwohnungen in der Nähe die ruhigen, freien Straßen ohne Schlaglöcher, die am Ufer des Adur entlangführten, als private Rennstrecke.

    Der alte Mann zog seine Gartenhandschuhe aus und kratzte sich am Kopf. »Schon was Neues in Sachen Job?«

    Fox zog die Schultern hoch. »Wer würde ein altes Schlachtross wie mich noch einstellen?«

    »Darin besteht das Problem: Undankbarkeit. Man hätte dir einen Orden verleihen sollen.«

    Reynold wusste, dass sein Nachbar als Mitglied des SAS während seiner Dienstzeit in den Irak geschickt worden war. Fox hatte aber nicht Bravo Two Zero angehört, wie er ständig von allen gefragt wurde, die seinen Werdegang kannten, sondern an einem Vorstoß tief ins Landesinnere teilgenommen, den man bis heute nicht publik machte. Seine Einheit war zum Auskundschaften als Vorhut der Bündnisarmee geschickt worden – eines Koalitionsheeres, das sich nie oder besser gesagt erst zehn Jahre später dort eingefunden hatte. Über diese Mission schwieg er sich stets aus. Reynolds, seinerseits einst Soldat während der Sueskrise, brachte Fox großen Respekt entgegen.

    »Vielleicht kriegen wir Gedenktafeln an unsere Häuser, wenn wir beide tot sind«, frotzelte Fox.

    Auf einmal hörten sie basslastige Musik von hinten, und Tracy, die seit fünf Jahren mit ihm verheiratet war, kam mit ihrem Saab-Cabriolet herangerast.

    »Na, wenn das nicht Ghetto Gertrude ist!«

    Reynolds kicherte, als sie in die Auffahrt einbog. »Hallo Herzchen.«

    »Hi Jim.« Sie lächelte ihn freundlich an, blickte aber streng drein, als sie sich an ihren Gatten wendete: »Je schneller du die alte Mühle aus der Garage schaffst, desto besser. Ich verstehe nicht, warum du sie überhaupt hast!«

    »Sie ist ein Klassiker, Schatz.« Jeden Abend dieselbe Leier, wenn Tracy ihren Neuwagen gezwungenermaßen draußen abstellen musste … »Hilf mir mal mit den Taschen.«

    »Sehr wohl, Ma'am.« Fox zwinkerte seinem Bekannten zu und ging zum Auto.

    Reynolds nahm seine Heckenschere wieder zur Hand und fuhr mit dem Stutzen seiner ohnehin makellosen Sträucher fort.

    Paddy trug seiner Frau die Laptoptasche nach, die angeblich zu schwer für sie war. Als er hineinkam, sah sie die Post durch.

    »Erzähl mal, was du heute so getrieben hast, während ich meiner Arbeit nachging.« Das verlangte sie jeden Tag mit zunehmender Geringschätzung.

    Nachdem Fox die Tasche abgestellt hatte, holte er tief Luft. »Ich habe mich im Internet umgesehen, meinen Lebenslauf für die Jobbörse hochgeladen, meine E-Mails gecheckt und den Wasserhahn in der Küche repariert.«

    Tracy nickte. »Was noch?«

    »Wie, was noch?«

    »Hast du nur einen der Vermittler angerufen, deren Nummern ich dir gegeben habe?« Sie stemmte ihre Hände in die Hüften.

    Er schaute auf die Öffnung zwischen den Knöpfen ihrer Bluse und den roten Stoff ihres BHs. Tracy hatte zwei herrliche Brüste. »Nein, mach ich morgen.«

    Da verzog sie ihr Gesicht. »Das sagst du jetzt schon seit einer Woche, Paddy!«

    »Schon klar, Liebling, ich weiß.« Standpauke olé …

    »Du findest keine neue Stelle, indem du dir den ganzen Tag lang die Eier schaukelst.«

    »Wie hätte ich dann den PC bedienen können?«

    Sie ging nicht auf seinen bemühten Witz ein. »Du bist mittlerweile fast zwei Monate lang arbeitslos.«

    »Es sind sechs Wochen.«

    »Exakt. Was soll werden, wenn du die Abfindung aufgebraucht hast?« Sie kniff ihre Augen zusammen.

    Paddy seufzte. Sie hatten sich bei Dymex kennengelernt, wo zumindest sie nach wie vor arbeitete. »Ich habe genug zur Seite gelegt, und außerdem verdienst du das Doppelte von dem, was ich zuletzt hatte.«

    »Was? Du willst mir auf der Tasche liegen? Du – ein Mann – bist bereit, dich von mir aushalten zu lassen?« Ihr Streit glitt nicht zum ersten Mal in diese Richtung ab, und dementsprechend gut einstudiert wirkten ihre Sätze.

    »Sei nicht sexistisch.« Er stichelte nur zu gern an seiner ach so politisch korrekten Frau. »Ich werde nicht bei dir schmarotzen, sondern schon noch was finden.«

    Sie wandte sich ab und ging nach oben. »Ich dusche jetzt.«

    Fox beobachtete, wie ihr Po unter dem straffen Stoff ihres Rocks zuckte. Selbst wenn sie wütend war, himmelte er sie an. Dabei murmelte er vor sich hin: »Hallo Schatz, wie geht es dir? Hattest du einen guten Tag? Keine Sorge …« Er lächelte verschmitzt. Also gut, ein Risotto in die Mikrowelle werfen, eine Flasche von dem chilenischen Merlot öffnen, den sie gern trinkt, und für ein wenig Entspannung sorgen.

    Hochsicherheitspolizeistation Paddington Green, London

    Snow bestätigte am Empfang die Rückgabe seiner Habseligkeiten. »Sollte ich mich geehrt fühlen, weil Sie persönlich gekommen sind?«

    »Ja«, antwortete Patchem kurz und bündig.

    Der Beamte am Tisch warf Snow einen finsteren Blick zu. »Sie dürfen jetzt gehen.«

    »Besten Dank.«

    »In Zukunft rufen Sie uns um Himmels willen an, um nachzuhaken, wenn sich jemand als SIS-Agent ausgibt.«

    »Selbstverständlich, Sir.« Der Diensthabende machte nicht den Eindruck, Patchems Vorwurf zur Kenntnis zu nehmen. »Lassen Sie sich nicht von mir aufhalten.«

    Draußen stiegen sie in seinen Lexus und fuhren los.

    »Danke, Jack. Also gut, warum sind Sie gekommen?«

    Der Bereichsleiter des SIS schaute über seine Schulter, als er sich in den Verkehr einordnete. »Ich wollte nicht noch mehr Zeit vergeuden. Etwas ist im Busch, Aidan. Die Regierungskommandozentrale fängt vermehrt Funksprüche ab, in denen die Rede von irgendeinem Anschlag ist, der bald erfolgen soll. MI5 zieht momentan denkbare Ziele in Betracht, ist aber noch nicht fündig geworden. Meinem Kollegen dort zufolge gleicht es einer Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.«

    »Und warum ist der Nachrichtendienst daran interessiert?«

    »Weil diese Andeutungen größtenteils aus Saudi-Arabien kommen. Das betrifft uns insofern, als ich neben meiner Rolle im Ressort Russland jetzt auch die Leitung für den arabischen Raum übernehme, bis der Chef die Stelle wieder permanent besetzt.«

    »Glückwunsch.«

    »Den brauche ich nicht, sondern Ihre Hilfe.« Patchem machte eine Pause, als sie einen Kreisverkehr verließen. »Hören Sie, ich bin Russlandexperte. Das weiß auch unsere Generaldirektorin, doch sie bestand darauf. Aidan, offen gestanden verstehe ich reichlich wenig vom Mittleren Osten und brauche aus dem Grund Agenten, auf die ich mich verlassen kann. Ich habe Sie zu MI6 geholt, weil es mich beeindruckt hat, was sie in Kiew geleistet und wie Sie es getan hatten.«

    »Danke, Jack, aber ich kenne mich auch nicht gut mit dem Mittleren Osten aus.«

    »Im Ressort Arabien herrscht Chaos, und ich weiß nicht, wem ich dort vertrauen kann.« Patchem musste die Belegschaft erst noch kennenlernen. »Ich brauche mein eigenes Team.«

    Sie erreichten Snows Wohnung. »Wie lautet nun mein Auftrag?«

    »Ich habe keinen für Sie, noch nicht.«

    Der Bereichsleiter stoppte den Lexus, woraufhin sich die beiden anschwiegen. Er starrte ins Leere.

    »Alles okay mit Ihnen?«

    »Durrani war ein Freund von mir.«

    »Tut mir leid.«

    »Was? Ach, verstehen … ja, es war ein anstrengender Tag.«

    »Danke fürs Herbringen.«

    »Danke fürs Zuhören.«

    »Möchten Sie einen Drink?«

    »Möchten, ja. Dürfen? Nein. Jacquelyn wartet zu Hause auf mich.«

    Riad, Saudi-Arabien

    Er hörte eigenartigen Lärm und roch etwas Vertrautes, worauf er sich keinen rechten Reim machen konnte … Natürlich, brennendes Öl! Ruckartig schlug der Saudi seine dünne Bettdecke beiseite und stürzte zum Fenster.

    Flammen stoben aus seiner Garage, und schlimmer noch: Das Feuer wanderte auf seinen Rolls-Royce Phantom zu! Fassungslos, wie er war, brachte er keinen Ton heraus, um seinen Sicherheitsmann zu rufen, während die flackernden Flammen hypnotisch von seinem Schlafzimmerfenster reflektierten. Er zog die Balkontür weit auf und trat nach draußen, wo ihm die Hitze wie aus einem Ofen ins Gesicht schlug.

    Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, rief Al Kabir seinen Wächter. Zwei Schatten huschten hinter der Grundstücksmauer auf einen Pick-up-Truck zu. Dieser fuhr dann mit ausgeschalteten Scheinwerfern ins Dunkel der Wüste davon. Plötzlich zischte es laut aus der Garage, gefolgt von einem explosionsartigen Knall, dem gleich ein weiterer folgte. Dann rollte eine Flammenwand auf Al Kabirs neusten Wagen zu. Er klammerte sich an das Balkongeländer, aber bevor er sich bewegen oder noch ein Wort äußern konnte, brannte der Rolls-Royce.

    Fouad Al Kabir fuhr erschrocken aus seinem leichten Vormittagsschlaf hoch. Es war kein Traum gewesen. Das Feuer hatte einen Schaden von mehr als einer Million Dollar angerichtet. Neben dem Phantom waren zwei weitere teure Vintage-Rolls verbrannt. Der älteste – einer mit Holzrädern – hatte seinem Großvater gehört. Nun stand er auf. Die Wagen ließen sich nicht ersetzen; aus dem Grund war der Prinz so wütend und traurig. Einen neuen Phantom hatte er schon bestellt, doch die anderen zwei? Er trat verzweifelt gegen den Mauerrest der Garage. Für ihn persönlich war es schrecklich, auf Staatsebene jedoch empörend: Man hatte ihn angegriffen, den Prinzen Fouad Al Kabir aus dem Hause Saud! So etwas war bis dato beispiellos. Er fürchtete sich zwar nicht – das Konzept Angst war ihm fremd –, regte sich aber auf.

    Nun patrouillierten zwanzig weitere Mitglieder des königlichen Garderegiments des Landes, der Einheit mit der einzigen Aufgabe, die Angehörigen der Saud-Dynastie zu schützen, um seinen »Palast«. Sein Bruder hatte ihn des Leichtsinns beschuldigt, weil er in seinem kleinen Haus in der Wüste geblieben war, doch auch Sicherheitsmaßnahmen zählten zu jenen Begriffen, die Fouad nicht so ganz verstand. Er stammte aus königlichem Hause, warum also sollte er in Gefahr schweben? Im Gegensatz zu seinen Brüdern – besonders Umar – verließ er das Königreich nur ungern. Er brauchte nicht über seine Grenzen zu reisen, sondern spielte gerne vor Ort den Geschäftsmann und Gelehrten.

    Unter seinem Gewand brummte es. Verdutzt zog er sein Vertu heraus und nahm den Anruf entgegen. »Ja?«

    »Hoheit, Friede sei mit Euch. Ich hoffe, Ihr seid wohlauf«, begann eine Stimme in klassischem Arabisch.

    »Meine Rede. Mit wem spreche ich?« Fouad stellte fest, dass die Nummer nicht angezeigt wurde.

    »Ein demütiger Diener Gottes.« Der Unbekannte machte einen überschwänglichen Eindruck.

    »Wie ich. Und?« Jeder Muslim war ein Diener Gottes; der Mann hatte das Offensichtliche gesagt.

    »Er befahl mir, Eure englischen Wagen zu verbrennen.«

    »Was?« Fouad glaubte, sich verhört zu haben. »Sie haben meine Wagen verbrannt?«

    »Das ist richtig, Eure Hoheit.«

    Fouad wurde fuchsteufelswild. »Dafür werden sie büßen.«

    »So es sein Wille ist.« Der Anrufer hielt inne; er hörte, dass der Prinz am anderen Ende angestrengt Luft holte. »Indem ich dies tat, wollte ich Eure Aufmerksamkeit auf mich lenken. Ist es mir gelungen?«

    Fouad hielt sich an einer Palme fest, um gerade stehen zu bleiben. Er hatte keine Ahnung, was vor sich ging. »Was wollen Sie?«

    »Ihr sitzt im Führungsausschuss des weltgrößten Ölversorgers Saudico.« Der Fremde machte eine weitere Pause.

    Der Prinz wusste nicht, wie er reagieren sollte; hier sprach jemand, den er nicht kannte, auf höchst unverschämte Weise zu ihm. »Ja, das stimmt.«

    »Ihr müsst den Konzern anweisen, sofort damit aufzuhören, den Ungläubigen Öl zu verkaufen.«

    Fouad stockte kurz, bevor er herzhaft loslachte. »Müssten Sie nicht dafür sterben, königliches Eigentum zerstört zu haben, würde ich sie für einen äußerst humorvollen Mann halten.«

    Der Unbekannte wurde wütend. »Verspottet mich nicht, Narr.«

    »Was?« Der Prinz trennte die Verbindung. Auf solche Weise war er noch nie beleidigt worden.

    Er ging zur Terrasse und schnippte mit den Fingern, um anzuzeigen, dass er etwas Kaltes zu trinken wollte. Könnte er den Anruf zurückverfolgen lassen? Er würde den Polizeichef fragen. Just als er sich hinsetzen wollte, vibrierte das Handy erneut.

    »Ja?«

    »Es war unklug,

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