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Herr Weber auf Safari: Üppiges und Groteskes
Herr Weber auf Safari: Üppiges und Groteskes
Herr Weber auf Safari: Üppiges und Groteskes
Ebook134 pages1 hour

Herr Weber auf Safari: Üppiges und Groteskes

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About this ebook

Herr Weber auf Safari. Es sind nicht die wilden Tiere Afrikas. Nein, Herr Weber gibt nichts auf Elefanten oder Zebras. Er wildert in seinen Erzählungen direkt vor der Haustür, macht Streifzüge durch seine heldenhafte Kindheit, feuert auf die eigene Sippschaft, schießt auf die bösen Nachbarn und trifft dabei nicht selten sich selber.
LanguageDeutsch
Release dateSep 10, 2013
ISBN9783942920780
Herr Weber auf Safari: Üppiges und Groteskes
Author

Andreas Weber

Andreas Weber, 1967 geboren, ist Biologe und Philosoph. Er promovierte über Natur als Bedeutung. Versuch einer semiotischen Theorie des Lebendigen. Seit 1994 schreibt er u.a. für GEO, Merian, ZEIT, Frankfurter Allgemeine Zeitung und National Geographic mit Preisen ausgezeichnete Reportagen und Essays. Er lebt als Schriftsteller, Journalist, Dozent und Politikberater in Berlin und Italien.

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    Book preview

    Herr Weber auf Safari - Andreas Weber

    Impressum

    1. Auflage September 2013

    ©opyright 2013 by Autor

    Umschlaggestaltung: Gesa Schulz

    Lektorat: Miriam Spies

    Satz und Konvertierung: Fred Uhde (www.buch-satz-illustration.de)

    ISBN: 978-3-942920-78-0

    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist

    nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet.

    Hat Dir das Buch gefallen? Schreib uns Deine Meinung unter:

    info@unsichtbar-verlag.de

    Mehr Infos jederzeit im Web unter www.unsichtbar-verlag.de

    Unsichtbar Verlag | Wellenburger Str. 1 | 86420 Diedorf

    Mutter

    Norman Bates aus Hitchcocks Psycho sagt, dass der beste Freund des Mannes seine Mutter sei. Wenn man eine Mutter hat, braucht man keine Frauen, sagt er. Später ersticht er dann unter der Dusche in Frauenkleidern Marion Crane, eine Sekretärin aus Phoenix. Für mich ist das einer der besten Szenen der Filmgeschichte. Allerdings träume ich auch oft schlecht, wenn ich den Film gesehen habe.

    Heute Nacht hab ich auch ganz grausig geträumt, ist mein erster Gedanke, als ich vom Telefonläuten aufwache. Ich schaue auf den Wecker. Es ist acht Uhr. Es ist Sonntag und es ist der beste Freund des Mannes: Es ist Mutter. Sie fragt, ob ich heute bitte auch meine dreckige Wäsche mitbringe, wenn ich nach Hause komme. Weil heute doch Waschtag ist, sagt sie. Mutter hat jeden Sonntag Waschtag.

    Mutter, du brauchst meine Wäsche nicht zu waschen. Das kann ich schon selber, sage ich wie jeden Sonntag. Aber Mutter besteht darauf und sagt: Ach Junge. Wie jeden Sonntag fängt sie an zu zetern. Sie meint, dass es schade wäre, dass ihr einziger Sohn sich so sehr von ihr distanziert. Erst ist es die Wäsche, die nicht mehr kommt und irgendwann kommst auch du nicht mehr, sagt sie. Und: Wenn ich noch ein Funken Liebe zu ihr spüre, soll ich doch bitte die Schmutzwäsche einpacken. Oder, so folgt das nächste Argument, möchte du mich gleich ins Altersheim schicken? Ich scheine ja nicht mehr von meinem Sohn gebraucht zu werden, sagt sie vorwurfsvoll.

    Ach Mutter, denke ich und sehe ihre feuchten Augen durchs Telefon. Ich sag also wie jeden Sonntag: Ja Mutter, ich bring dir deine geliebte Schmutzwäsche.

    Und vergiss nicht die dreckigen Schlüpfer, sagt sie.

    Und wie jeden Sonntag sag ich ihr, dass ich keine Schlüpfer trage, sondern Shorts. Aber sie sagt nur: Ach Andreas.

    Ach Mutter, denke ich.

    Natürlich hab ich mit neununddreißig Jahren schon eine eigene Waschmaschine, sogar eine sehr schöne. Ich kann mir auch schon selber den Schniedel waschen und meine Schuhe zubinden, aber trotzdem muss ich jeden Sonntag zu Mutter und ihr die Wäsche vorbeibringen. Seit neununddreißig Jahren wäscht meine Mutter jeden Sonntag für mich. Meine dreckigen Unterhosen, also Schlüpfer, sind für meine Mutter die letzte Bastion ihrer Fürsorgepflicht. Wenn sie nicht mehr den sonntäglichen Haufen dreckiger Socken und T-Shirts bekommt, hört für meine Mutter das Muttersein auf. Dann ist der Junge endgültig weg, denkt sie. Und dann muss sie ins Heim, weil sie ja von ihrem Sohn nicht mehr gebraucht wird. Und da kann ich reden, soviel ich will.

    Also packe ich meine Wäsche aus dem Wäschekorb in den Reiserucksack und nehme die hundertfünfzig Kilometer weite Fahrt nach Köln auf mich. Meine Mutter wohnt in Köln. Meine Mutter braucht ihre geliebte Wäsche. Jeden Sonntag ist das so. IC Münster – Köln, Abfahrt: 10:03 Uhr, Gleis 9. Ankunft: 11:46 Uhr, Gleis 7. Mit der S-Bahn Richtung Heumarkt, drei Stationen und dann nur noch die Straße runter. Um 12:10 Uhr stehe ich bei ihr vor der Tür und mit mir meine dreckigen Shorts alias Schlüpfer, die miefenden Socken und die verschwitzten Unterhemden. Mutter hat mich natürlich schon längst entdeckt. Sie steht am Fenster hinter den Gardinen und natürlich öffnet sie die Tür, bevor ich die Klingel gedrückt habe. Und auf ihren Lippen bildet sich schon der erste Vorwurf und die Regel Nummer 1.

    Hallo Junge, du bist spät. Putz dir die Schuhe ab.

    Mutter, es ist 12:15 Uhr. Ich bin immer um diese Zeit da. Jeden Sonntag. Und ich putz mir immer die Schuhe ab.

    Ja, jeden Sonntag bist du zu spät, sagt sie, nimmt mir die dreckige Wäsche ab und reicht mir die roten Filzhausschuhe von Tchibo. Früher waren es braune Cordhausschuhe, aber Mutter geht mit der Zeit.

    Setz dich schon mal an den Tisch. Aber es ist ja sowieso alles schon wieder kalt, sagt sie dann. Dass alles, also das Essen, schon kalt ist, sagt sie auch jeden Sonntag. Aber eigentlich ist nie irgendwas an dem Essen kalt. Das kalte Essen ist nur ein weiter Hinweis, was ihr Sohn für ein schlimmer Sohn ist.

    Mutter, es ist Viertel nach Zwölf und das Essen ist sicher noch ein wenig warm, sage ich und setze mich.

    Ach Junge, sagt sie nur.

    Es gibt Jakobsmuscheln im Speckmantel und als Haupt­speise Lammfilet mit Kräuterkruste. Früher gab es immer Schweinebraten und Kaisergemüse, aber Mutter geht mit der Zeit.

    Und gestern hab ich in einer Talkshow einen jungen Mann gesehen, der macht auch, was du da machst, sagt Mutter während des Essens. Aber der schreibt mehr über Politik und Geschichte. Warum schreibst du nicht auch mal über Politik, fragt Mutter. Sie wartet auf keine Antwort. Sie erzählt lieber gleich weiter. Der sah allerdings auch vernünftiger aus, so um die Haare herum. Ach Junge, sagt Mutter dann und schaut traurig.

    Ach Mutter, sage ich und schaue noch viel trauriger.

    Du musst nicht immer so frech zu deiner Mutter sein, meint Mutter. Jeden Sonntag sagt Mutter, dass ich nicht so frech sein muss.

    Dann bekomme ich, während die Waschmaschine wäscht, neben dem Lammfilet die weitere Mängelliste gleich mit serviert. Fünf Punkte, die ich unbedingt ändern muss.

    Da wäre erstens meine Eitelkeit. Mutter meint, ich hab nun wirklich keinen Grund, stolz zu sein. Mit vierzig Jahren immer noch ohne Mädchen und vernünftigen Job. Der Martin, der Martin Becker, hat jetzt gebaut und schon das zweite Kind, sagt Mutter.

    Mit diesem Martin Becker bin ich damals ein halbes Jahr zusammen in den Kindergarten gegangen, aber Mutter hat nach der langen Sandkastenfreundschaft immer noch Kontakt zu den Eltern von Martin Becker.

    Zweitens wird meine Wollust von Mutter verurteilt. Such dir mal ein anständiges Mädchen, klagt Mutter. Der Martin Becker hat doch auch ein nettes Mädchen gefunden. Die arbeitet beim Gericht, sagt Mutter. Aber du hast ja immer nur diese schmutzigen, ausgeflippten Mädchen. Dabei hört man doch so viel. Alles drogensüchtige Huren, sagt sie.

    Drittens: meine Trägheit. Da hat sie ja vielleicht sogar Recht, denke ich. Mutter sagt: Schlaf nicht immer bis in die Puppen. Der Martin Becker muss morgens auch ganz früh raus. Wir haben dich doch auch nicht schlechter erzogen. Oder haben wir so viel falsch gemacht? Der Martin Becker arbeitet jetzt in England in der Wirtschaft, weißt du, sagt Mutter. Und ich sage: Ja, weiß ich.

    Und am Wochenende ist der trotzdem immer bei seiner Mutter. Aber nicht nur wie du für ein paar Minuten, sagt sie.

    Viertens: meine Tischmanieren. Iss langsam, Junge. Es nimmt dir keiner was weg, sagt Mutter und nimmt mir meinen Teller weg.

    Fünftens: mein Zorn. Sprich nicht so mit deiner Mutter, sagt Mutter, als ich sage, dass mir Martin Becker am Arsch vorbeigeht. Dann guckt sie kurz, wie weit meine Schlüpfer sind. Sind fast schon sauber, sagt Mutter. Dabei waren die wieder so dreckig, sagt Mutter. Sie versteht das auch nicht, also wie man so dreckige Unterwäsche haben kann. Sie fragt, ob ich mich unten rum nicht so gut sauber mache. Und ich erkläre ihr, dass ich mich unten rum immer sehr gründlich sauber mache. Ach Junge, sagt Mutter. Sie fragt sich manchmal, ob Martin Becker auch so dreckige Schlüpfer hat. Das kann sie sich aber nicht vorstellen, dass die bei dem auch so dreckig sind.

    Dann ist aber endlich die Wäsche wieder sauber. Mutter hätte nicht gedacht, dass die wieder sauber wird, sagt sie. Ich packe meinen Rucksack mit meiner Wäsche voll und verabschiede mich von Mutter. Sie fragt mich noch, was ich denn heute so treibe und ich erzähle ihr, dass ein ganz schmutziges Mädchen heute zu mir zum Abendessen kommt. Aber vielleicht wird sie duschen und dann zieh ich mir ein paar Frauenkleider an und besuche sie mit einem Messer unter der Dusche. Ach Junge, sagt Mutter nur. Mach aber nicht wieder bis in Puppen, meint sie. Ich glaub, sie hat gar nicht zugehört, was ich gesagt hab. Na ja, Mutter eben.

    Familienfest

    Da steht wieder einer dieser Tramper, sagt Mutter und schaut verächtlich. Gib bloß Gas.

    Mutter und ich sind unterwegs zum Familienfest ins tiefste Westfalen. Da sollte man wirklich keine Tramper mitnehmen, also in dieser Gegend, denke ich und gebe Gas.

    Musst uns aber nicht gleich umbringen, kommentiert Mutter und hält sich an dem Griff über der Beifahrertür fest. Natürlich beidhändig, damit ich auch sehe, wie viel Angst sie hat. Dein Vater ist auch immer schnell gefahren. Da wusste man auch nie, ob man ankommt, sagt Mutter vorwurfsvoll. Ich erwähne lieber nicht, dass ich gar nicht ankommen möchte. Unsere Familienfeste zählen nicht gerade zu den Höhepunkten eines Jahres.

    Ich schaue in den Rückspiegel und sehe den Tramper uns mit traurigem Blick folgen. Wie lange der wohl da schon steht, überlege ich. Sicher schon

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