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Warten auf ...: Zufallsinterviews
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Warten auf ...: Zufallsinterviews

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About this ebook

Marcus Ertle findet seine Interviewpartner an den verschiedensten Orten, und doch haben alle eines gemeinsam: Sie warten gerade auf irgendetwas und Ertle will wissen, worauf.
In 40 Einzelinterviews nähert sich Marcus Ertle der Wahrheit immer sehr schnell und zielstrebig. Dabei sind es keine berühmten Persönlichkeiten, sondern Zufallsbekanntschaften, die er beim Warten auf an Straßenecken, Cafes und Bushaltestellen trifft.
Was daraus entsteht, sind überraschende Gespräche, die den Leser mal zum Weinen und mal zum Lachen bringen.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 1, 2013
ISBN9783942920711
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    Book preview

    Warten auf ... - Marcus Ertle

    Impressum

    1. Auflage Februar 2013

    ©opyright 2013 by Autor

    Titelgestaltung: [D] Ligo design + development

    Titelbild: © concept w – Fotolia.com

    Lektorat: Miriam Spies

    Satz & E-Bookerstellung: Fred Uhde (www.buch-satz-illustration.de)

    ISBN: 978-3-942920-71-1

    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist

    nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet.

    Hat Dir das Buch gefallen? Schreib uns Deine Meinung unter:

    info@unsichtbar-verlag.de

    Mehr Infos jederzeit im Web unter www.unsichtbar-verlag.de

    Unsichtbar Verlag | Wellenburger Str. 1 | 86420 Diedorf

    Marcus Ertle

    Warten auf …

    Statt eines Vorworts – ein Interview mit dem Macher von »Warten auf …«,Marcus Ertle.

    Wie kamst Du auf die Idee zu Deiner Interviewserie?

    Ich quatsche an sich ja gerne mit Menschen, also nicht nur in der typischen Interviewsituation, bei der ich vorher eben weiß: Ich treffe auf den und den, der macht das und das und ich werde ihn dieses und jenes fragen. Wenn ich mit »normalen« Menschen rede, fällt mir aber oft auf – und ich glaube, das geht vielen so, die sich auf verschiedenste Menschen einlassen – dass eben diese Normalen oft die verrücktesten oder auch traurigsten Geschichten haben. Und als ich mal wieder auf einen Bus gewartet habe, weil mein Rad mal wieder einen Platten hatte, und ich mit einem Mitwartenden geplaudert habe dachte ich mir: Mensch, solche Gespräche wären ein guter Stoff für Interviews.

    Wie findest Du Deine Gesprächspartner?

    Also wenn es ein Geheimrezept gäbe, wie man die Perlen unter den möglichen Interviewpartnern findet, würde ich es natürlich nicht verraten. Ich folge einfach meinem Gefühl. Wenn mich jemand neugierig macht, dann spreche ich ihn an und hoffe, dass ich mit meiner Neugier richtig liege, und das ist zum Glück oft der Fall.

    Was ist an normalen Menschen reizvoller als an Prominenten?

    Das Überraschende an ihnen und ihrer Geschichte. Man sollte den Unterhaltungswert prominenter Interviewpartner auch nicht überschätzen, die sind durch ihre Routine oft nicht sehr spontan, verraten weniger über sich. Ich habe bei den sogenannten normalen Menschen das Gefühl, viel näher am echten Leben dran zu sein, die ganz alltäglichen, lustigen, traurigen, beschissenen, guten Dinge erzählt zu bekommen. Das ist viel aufregender und berührender, als die gefilterte Wahrheit von Prominenten.

    Bekommst Du da nicht haufenweise Körbe, wenn Du einfach fremde Menschen ansprichst?

    Interessanterweise nicht. Natürlich macht nicht jeder oder jede mit, ich dachte mir anfangs aber, dass auf ein Ja vielleicht neun Nein kommen. Zum Glück ist die Quote viel besser, sonst wäre der Zeit- und Kraftaufwand auch zu groß.

    Ist ein Zufallsinterview kraftfordernder als ein normales Interview?

    Ich würde sagen: ja. Ich muss ja erst einen passenden Interviewpartner finden, wenn ich den dann gefunden habe, muss ich innerhalb von zehn bis dreißig Minuten eine gute Verbindung zu dem Menschen aufbauen, der so gut wie nie irgendwelche Medienerfahrung hat und während des Gesprächs kann ich mich an keinen Fragenkatalog halten. Ich muss also mehr oder weniger improvisieren. Das ist natürlich auf der anderen Seite eine Stärke, dass ich total frei bin, was die Themen und den Verlauf angeht. Aber das kostet auch Kraft, weil man innerlich nie abschalten und einfach mit der nächsten notierten Frage weitermachen kann.

    Welche Themen kommen besonders häufig vor?

    Ich glaube, dass es ein ganz guter Themenmix ist, also ich frage jetzt nicht jeden nach seinem Leibgericht. Aber wenn man wissen will, wie ein Mensch tickt, dann kommt man zum Beispiel um das Thema Liebe oder Beziehungen allgemein nur schwer herum, weil wir uns als Menschen eben stark darüber definieren, wonach wir uns sehnen oder was wir haben, was uns glücklich oder unglücklich macht. Aber auch die wichtigsten Themen dürfen nicht überdosiert werden, das ist ein bisschen wie mit dem Essen: Man will nicht jeden zweiten Tag Pizza, auch wenn’s die beste der Welt ist.

    Wieso gibt es deutlich mehr interviewte Männer als Frauen?

    Das kann man vielleicht ein bisschen küchenpsychologisch erklären. Frauen sind nicht so darauf aus sich zu offenbaren, sie sind zurückhaltender, das meine ich gar nicht negativ. Mit Männern ist es auch deswegen leichter, weil ich da eine unkomplizierte Rolle einnehmen kann, also entweder ich bin für einen Gleichaltrigen der Kumpeltyp, für Ältere bin ich vielleicht eher so der Enkel, für einen Jüngeren der ältere Bruder, das passiert ganz automatisch. Bei einer Frau ist es schwieriger, weil da eben das Mann-Frau-Ding dominant ist. Vielleicht sind Frauen vorsichtiger, wenn es darum geht, was sie von sich preisgeben, vor allem einem fremden Mann gegenüber, was eigentlich eine sympathische Eigenschaft ist. Im Idealfall ist ein Interview ja eine Mischung aus Verführung und Komplizenschaft.

    Es gibt da immer mal wieder bewegende Stellen, beispielsweise, wenn ein Obdachloser von seiner tödlich verunglückten Frau erzählt. Nimmt das Dich als Interviewer persönlich mit?

    Ich fühle natürlich mit, ich muss ja auch ein Gefühl für den Menschen haben, das würde sonst auch kein gutes Gespräch ergeben. Aber ohne professionelle Distanz geht es nicht, da hätte auch keiner was davon.

    Wie lange wirst Du noch Zufallsinterviews führen?

    Warten auf ist ja im Grunde als Endlosserie gedacht, die jetzt seit eineinhalb Jahren läuft, es wird also nach dem Buch weitergehen. Es gibt so viele Menschen, die etwas zu erzählen haben und solange ich neugierig bleibe, ist erst mal kein Ende in Sicht.

    Warten auf …

    … die nächste Fahrt

    Augsburg, am Taxistand, Mani P. steht an seinem Taxi, trinkt Kaffee und wartet auf Kunden, die sich chauffieren lassen wollen. Bis dahin ist Zeit für ein Gespräch übers Taxi­fahren, Rücksitzdramen und das Leben an sich.

    Du hörst Deutschlandradio Kultur, da würden jetzt manche tippen, dass Du etwas Geisteswissenschaftliches studiert hast.

    Mani: Nein, ich habe überhaupt nicht studiert, ich war auf der Hauptschule, enttäuscht?

    Es ist ja schön, wenn ein Klischee mal nicht stimmt.

    Mani: Aber ich bin schon auf einem philosophischen Trip, so hobbymäßig.

    Was heißt das genau? Mit Freunden am Lagerfeuer sitzen und über das Leben reden?

    Mani: Ja, aber das kommt selten vor.

    Das ist es eben, die Philosophie geht im Alltag oft unter, oder?

    Mani: Im Gegenteil, man findet die Philosophie im Alltag immer wieder. Gerade im Taxi hat man viel Zeit dazu.

    Außer am Samstag?

    Mani: Ja, da sind natürlich immer die meisten unterwegs.

    Die Partyleute und die Besoffenen! Stimmt es eigentlich, dass man sich im Taxi am besten in den Fußraum übergibt, statt aus dem Fenster, weil man im schlimmsten Fall das Auseinanderbauen der Tür bezahlen muss, wenn das Zeug in die Fensterritze läuft?

    Mani: Da ist was dran, aber ich sag zu den Leuten immer, sie sollen mir vorher einfach Bescheid geben, dann halt ich an.

    Wenn es so schnell geht.

    Mani: Ja, so zwei Sekunden hat man Zeit, da kann ich dann schnell rechts ranfahren und halte die Leute dann so raus.

    Du hältst sie am Kragen raus und schüttelst sie dann?

    Mani: Ja, oder ich fahr eine leichte Linkskurve, wenn einer sich aus dem Fenster lehnt.

    Das ist geschickt, seit wann praktizierst Du das?

    Mani: Seit elf Jahren.

    War es Dein Traumberuf?

    Mani: Es ist kompliziert, ich wusste einfach nach der Hauptschule nicht, was ich tun sollte und bin dann eben Taxi gefahren.

    Schon mal eine Kundin, die Dir gefallen hat, angesprochen und auf einen Kaffee eingeladen?

    Mani: Nein, das ist einfach ein Arbeitsverhältnis, das man mit dem Kunden hat, die Leute wollen einfach nur nach Hause und nicht vom Taxifahrer angemacht werden.

    Es gibt einen Song von Kettcar, da lautet eine Zeile: Es ist besser im Taxi zu weinen, als im HVV-Bus. Gab es schon mal weinende Fahrgäste auf dem Rücksitz?

    Mani: Schon, es wird viel gestritten und geschimpft.

    Bei Pärchen: Du Sau, musste das sein mit der Blondine auf dem Klo?

    Mani: Ja, genau oder so ähnlich, oder es wird am Handy was erzählt, was gar nicht stimmt.

    »Schatz, ich komm in ner Stunde, muss noch arbeiten«, dabei fahr ich ihn gerade in den Puff.

    Was denkst Du Dir in solchen Momenten?

    Mani: Man ist schon desillusioniert, Menschen sind halt oft verlogene Schweine.

    Es spielen sich sicher wahre Liebesdramen ab.

    Mani: Kam schon vor, dass einer sagt: So, ich verpiss mich jetzt. Und dann steigt sie aus und er bleibt alleine im Taxi zurück.

    Das sind dann sicher stille Momente im Taxi oder fragen Dich die Leute auch mal nach Rat?

    Mani: Teils, teils, manchmal sagen die Leute auch: Und, was meinst Du dazu?

    Wozu denn zum Beispiel? Ob sie sich trennen sollen oder nicht? Ob Gott existiert?

    Mani: Also bei Gott sag ich dann: Gott als vermenschlichte Version existiert nicht, aber es gibt das Nirwana.

    Du bist also buddhistisch angehaucht.

    Mani: Angehaucht ja, so richtig religiös bin ich aber nicht, weil jede Religion dogmatisch sagt, was man tun darf und was nicht.

    Wo wärst Du jetzt am liebsten?

    Mani: In Casablanca, in einem Café sitzen und die Straße beobachten.

    Romantisch.

    Mani: Nein, Casablanca ist keine romantische Stadt.

    Ein stinkendes Loch!

    Mani: Ein bisschen mehr als das, es ist einfach verrucht.

    Apropos verrucht, wie viel Geld gibt’s denn von den Bordellen dafür, dass Ihr Kunden ranschafft?

    Mani: Da gibt’s teilweise einen Zehner, oder die Nutten fahren durch die Gegend und verteilen Süßigkeiten.

    Wo siehst Du Dich in fünf Jahren?

    Mani: Das ist schwierig, das könnte überall sein.

    Überall? Also eventuell in Casablanca in einem verruchten Café.

    Mani: Das wäre möglich, ich bin einfach ein fauler Mensch.

    Sind Taxifahrer allgemein faule Menschen?

    Mani: Meiner Meinung nach ja. Weil sie sich die Zeit mehr oder weniger frei einteilen können.

    Ich fahre nur Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag.

    Und an den anderen Tagen?

    Mani: Hab ich frei und mach nix.

    Nix, Du liegst also auf dem Bett, bewegst Dich nicht und starrst an die Decke.

    Mani: Manchmal!

    Was macht der gemeine Taxifahrer eigentlich während er wartet?

    Mani: Ich höre CDs oder lese ein Buch. [Zeigt ein Buch]

    Oh, Cicero, da kommt man natürlich auf gescheite Gedanken. Was war Deine längste Fuhre?

    Mani: Nach Würzburg.

    Hm, dafür gibt es, lass mich raten, zweihundertfünfzig Euro?

    Mani: Genau, Volltreffer.

    Ich sollte Taxifahrer werden. Was ist für Dich der Sinn des Lebens?

    Mani: Man muss seinen Weg finden, ihn gehen und mensch­lich bleiben.

    Danke.

    Warten auf …

    … den Sonnenuntergang

    Augsburg, an der Kahnfahrt, in der Abenddämmerung, 20 °C. Ein Zufallsinterview mit Susi S. über Augsburg, über Freundschaft und das Leben an sich.

    Die Blätter fallen, es wird kühl – magst Du den Herbst?

    Susi: Ja, ich hab im Herbst Geburtstag.

    Wann denn genau?

    Susi: Am 11. Oktober.

    Also eine Waage. Wo kommst Du denn grade her?

    Susi: Ich war einkaufen und jetzt sitz ich hier und rauch eine bis zum Sonnenuntergang.

    Was machst Du sonst so?

    Susi: Ich mach eine Fachlehrerausbildung für Haupt- und Realschulen und ich warte auf meine Abschlussprüfung.

    Immer diese Warterei. Wenn Du die Wahl hättest und jetzt alles Mögliche tun könntest, was würdest Du am liebsten tun?

    Susi: Ich würde ans Meer fahren, da war ich schon seit vier Jahren nicht mehr, seit ich nach Augsburg gezogen bin.

    Wo hast Du vorher gelebt?

    Susi: Ich bin aus München.

    Unter uns, wie findest Du die Augsburger?

    Susi: Die Münchner sind schon offener, ist

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