Hanns Eisler: konzis
Von Fritz Hennenberg
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Hanns Eisler - Fritz Hennenberg
Fritz Hennenberg
Hanns Eisler
MEINER TOCHTER JULIANE
Fritz Hennenberg
Hanns Eisler
konzis
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Bestellnummer SDP 153
ISBN 978-3-7957-8577-2
© 2016 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
Alle Rechte vorbehalten
Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer SEM 8085
© 2016 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
www.schott-music.com
www.schott-buch.de
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen.
Inhalt
Eisler heute
Erziehung zur Kritik
Lehrzeit bei Schönberg
Eisler und Schönberg
Zeit des Umbruchs
Wege zur Arbeitermusik
Musik für die Straße
Arbeit mit Brecht
Im Exil auf Reisen
Gesellschaftlicher und künstlerischer Fortschritt
Zwölftonmusik – universal?
Das Filmmusik-Projekt
Erfahrungen in Hollywood
Der Weg zum Schlichten
Die »Faustus«-Debatte
Neues mit Brecht
Die letzten Jahre
Die Kunst, Eisler zu beerben
Vorschläge, Eisler zu singen
Anmerkungen
Zeittafel
Zeugnisse
Werkverzeichnis
Bibliographie
Noten – Schriften – Interviews
Monographien
Aufsätze
Namenregister
Über den Autor
Quellennachweis der Abbildungen
Eisler heute
Unvermindert wird über ihn diskutiert wie über nur wenige andere Komponisten des 20. Jahrhunderts. Da er mehr als nur Musiker war, sondern in vielen Dingen mitreden konnte, da er mit geschliffener Dialektik den Beziehungen zwischen Musik und Gesellschaft nachspürte, da er schließlich, hierin gleichfalls Dialektiker, Positionen, die er gefunden hatte, auch wieder in Frage stellte, sind die Anregungen schier unerschöpflich. Freilich besteht die Gefahr, dass dabei die Hauptsache in den Hintergrund gerät. Der späte Eisler hat beklagt, dass in den Artikeln, die über ihn erscheinen, von Musik schon gar nicht mehr die Rede sei.¹
Als Komponist hatte er es nicht leicht und es im Westen mit politischen, im Osten mit ästhetischen Vorurteilen zu tun. Inzwischen hat sich einiges verändert, und Hauptwerke wie die Deutsche Sinfonie, das Hollywooder Liederbuch, die Kammerkantaten haben sich nicht nur mit Aufführungen festgesetzt, sondern sind längst auch auf CD eingespielt, und mehrfach. Das Lehrstück Die Maßnahme, das Brecht in den Fünfzigerjahren (und Eisler folgte ihm darin) »bis auf weiteres« sperrte² – und die Erben hielten daran fest! –, konnte sich, nach dem Ende des real existierenden Sozialismus befreit von Bedenken einer Einwirkung auf die Tagespolitik, 1997 im Berliner Ensemble rehabilitieren, eine Aufführung im Festspielhaus Dresden-Hellerau im nächsten Jahr wurde auf CD festgehalten.³
Es hat lange gedauert, bis Einblick in seine Arbeit zu gewinnen war. Nach der Rückkehr aus dem Exil 1948 fand vor allem das, was er neu schrieb, Anklang; die von der Wiener Universal Edition verlegten Noten waren längst vergriffen, die Schubladen voll von Ungedrucktem. Er musste erst selber auf den Widerspruch zwischen seinen Absichten und ihrer Resonanz hinweisen, bis ihm – wofür sich auch Brecht einsetzte – eine Sammlung seiner Lieder und Kantaten angetragen wurde, die 1955 zu erscheinen begann. Von den zehn Bänden hat er sieben noch selber redigiert, allerdings auf eigenwillige Weise: Nicht nur mischte er die Stücke, ihrer Art und Entstehungszeit nach, durcheinander und riss sie sogar aus früherem festem Zusammenhang (man sollte auf die Suche geschickt werden, mit Freude an Entdeckungen), sondern trachtete auch hier und da auch Spuren zu verwischen, gab falsche Daten, sogar andere Dichter an. Da Ignazio Silone als Renegat suspekt war, unterdrückte er ihn und schrieb gewisse Texte Brecht zu! Einige der 1927 entstandenen Zeitungsausschnitte datierte er fünf Jahre vor und verschob so auch seinen gesellschaftskritischen Ansatz.
Für die beiden Lieder über die Flucht im Hollywooder Liederbuch ist 1939 angegeben, wodurch der Beginn des Zweiten Weltkriegs ins Blickfeld rückt; Brechts Gedichte sind aber erst ein Jahr später nachgewiesen! Das Lied Und es sind die finstern Zeiten in der fremden Stadt (ursprünglich hieß es, wie bei Brecht, »andern Stadt«) ist vom Text her auf New York 1943 bezogen; Eisler komponierte es 1954 in Wien, zur Zeit einer schweren Krise, die er aber, persönlichen Offenbarungen gegenüber ohnehin abgeneigt, verschweigen wollte, und setzte 1934 als Datum, damit einen politischen Bezug andeutend. Ein Lied über die Liebe nach Goethe, ebenfalls Dokument der Krise, ist Brechts Schäferhund »Rolphi« gewidmet!
Die, die sein Erbe verwalteten, mussten Ordnung hineinbringen und das Werk als Ganzes ausbreiten. 1968 erschien der erste Band einer Eisler-Gesamtausgabe, die in drei Serien die Vokalmusik, die Instrumentalwerke und alle Wortbeiträge enthalten sollte, aber, ohnehin zäh vorangekommen, Mitte der achtziger Jahre entschlafen ist. Eine 1994 auf Initiative von Albrecht Dümling in Berlin gegründete Internationale Hanns Eisler Gesellschaft greift das Vorhaben erneut auf, gestellt auf ein neues Fundament, unter Beachtung moderner Editionsmethoden. 2002 wurde zu einer neuen Gesamtausgabe angesetzt, disponiert auf zirka fünfzig Bände, von denen bisher (2016) elf vorliegen. Doch ist Eisler zum praktischen Gebrauch auch mit vielen Sammelbänden und Einzelausgaben präsent, auch hat die Universal Edition das Frühwerk nachgedruckt.
Kurz nach Eislers Tod gab Mitte der sechziger Jahre Hans Bunge in einer Sendereihe von Radio DDR, die auch vom Westdeutschen Rundfunk übernommen wurde, Einblick in die Gespräche, die er mit Eisler geführt und auf Tonband aufgezeichnet hatte; schließlich legte er sie auch als Buch vor. Als Befragungen über Brecht begonnen, wurden sie zu einem Diorama von Erinnerungen, gegenwärtigen Ansichten und Voraussagen; um ihre Eigenart ganz zu erfassen, muss man sie tatsachlich hören (einiges ist auf Dokumentar-Schallplatten übertragen), mit einem aufgekratzten Eisler, dem das Bonmot flott von der Zunge geht, der witzig, wo nötig bissig räsoniert und sich an Einfällen entzünden und steigern kann: Was er hier mit dem Wort treibt, ist Wesenszügen seiner Musik verwandt.
Nach und nach wurde Hanns Eisler auch dort ins Licht gerückt, wo er wegen seiner politischen Festlegung jahrzehntelang Persona non grata war. Dabei ging von der Studentenbewegung kräftiger Anstoß aus: Die Verbindung von Agitation und Kunst berief sich auf sein Vorbild. Freilich kam es auch zu Verzeichnungen: Wurde auf der einen Seite Eisler auf militante Aggressivität festgelegt, so suchte die andere ihn für den tradierten Kunstbetrieb zu vereinnahmen; entsprechend kontrovers waren die Urteile. Eisler war zum Zündstoff geworden, eine Fülle an Literatur erschien, und er hielt sogar in die Universitäts-Seminare Einzug. Albrecht Betz legte 1976 eine (inzwischen in mehrere Sprachen übersetzte) Biographie vor.
In der DDR wurde als Zentralstätte der Aktivitäten am 2. Juli 1963 ein Hanns-Eisler-Archiv gegründet. Manfred Grabs, der langjährige, 1984 verstorbene Leiter, gab Eisler-Schriften (»Materialien zu einer Dialektik der Musik«), einen Dokumentenband (»Wer war Eisler?«) und ein Eisler-Handbuch heraus. Noch zu Eislers Lebzeiten war eine erste, knapp gefasste Biographie von Heinz Alfred Brockhaus erschienen. Anfang der achtziger Jahre brachte Jürgen Schebera (der in einer speziellen Arbeit auch Eislers amerikanisches Exil aufgehellt hat) ein neues Resümee mit vielen Bildquellen. Die erweiterte und aktualisierte Fassung von 1998 wurde zum Standardwerk. Als eine klingende Dokumentation wurde die »Eisler Edition« des Schallplatten-Labels »Nova« angezielt; leider lief sie, nachdem schon gut zwei Drittel veröffentlicht war, im Zuge der mit der politischen »Wende« verbundenen ökonomischen Veränderungen aus.⁴
Eisler sollte nicht zum Museumsstück werden. 1968 wurde von Radio DDR ein »Hanns-Eisler-Preis« für neue Kompositionen gestiftet. Mit der Umwandlung der Rundfunklandschaft ging er 1991 unter; 1993 sprang dafür die Berliner Musikhochschule Hanns Eisler mit einem »Hanns-Eisler-Preis für Komposition und Interpretation« ein – ab 2013 »Hanns Eisler Komponisten Forum und Aufführungspreis« genannt. Ein 1979 begründetes, international ausgeschriebenes Eisler-Chorfestival, das sich, in mehrjährigem Turnus veranstaltet, als eine Leistungsschau des Arbeiterlieds verstand, ist mit dem Ende der DDR eingegangen. Der 1973 in Berlin (West) mit politischer Ambition gegründete Hanns Eisler Chor hingegen besteht noch heute. Als Sprachrohr avancierter neuer Musik der DDR verstand sich die »Gruppe Neue Musik Hanns Eisler«, die sich 1970 im Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig um den Komponisten Friedrich Schenker zusammenfand. (1993 aufgelöst.) Die ab 1994 tätige Internationale Hanns Eisler Gesellschaft ist Herausgeberin der Gesamtausgabe, legt zweimal jährlich »Eisler-Mitteilungen« vor, gibt eine Buchreihe mit »Eisler-Studien« heraus und veranstaltet Eisler-Tage und -Symposien. In Treuhänderschaft verwaltet sie die als ein Vermächtnis von Eislers Witwe Steffy (1919–2003) konstituierte Hanns und Steffy Eisler Stiftung.
Eislers Werk verwandelt sich mit der Veränderung der Realität: Neue Züge werden entdeckt, andere treten zurück. Doch sollte die Musik in ihrer – oft widerspruchsvollen – Totalität gesehen werden. Der Gewinn ist nicht nur ein musikalischer. Brecht hat es so ausgedrückt: »Die Gesamthaltung ist revolutionär im höchsten Sinn. Diese Musik entwickelt bei Hörer und Ausübenden die mächtigen Impulse und Einblicke eines Zeitalters, in dem die Produktivität jeder Art die Quelle aller Vergnügungen und Sittlichkeit ist. Sie erzeugt neue Zartheit und Kraft, Ausdauer und Wendigkeit, Ungeduld und Vorsicht, Anspruchsfülle und Selbstaufopferung.«⁵
Bei einer 1957 veranstalteten Enquête antwortete Eisler auf die Frage, was er werden möchte, wenn er nochmals auf die Welt käme, schlankweg: Politiker ⁶. Als sein Steckenpferd bezeichnete er das Komponieren.⁷ Seine technische Begabung darin war immens, und er konnte aus dem Stegreif heraus Gültiges erfinden. Bei Filmaufnahmen soll er dreißig Sekunden Musik ad hoc dem Orchester in die Stimmen diktiert haben!⁸ Andererseits feilte er lange an Einfällen herum, gerade auch bei schlichten Liedern, auf der Suche nach der präzisen Formel. Was einmal niedergelegt war, konnte auch in anderen Zusammenhang eingehen; gewiss können sich in ein solches »Umfunktionieren« (vor allem im letzten Jahrzehnt oft bei Bühnen- und Filmmusik) auch Kommentare verstecken, meist mag es aber darin begründet gewesen sein, mit Zeit und Aufwand haushälterisch umzugehen. Eisler bewahrte sich Produktivität bis zuletzt; aber mit seinen großen Vorhaben, der Oper Johann Faustus (die sich zur Trilogie erweitern sollte) und einer Sinfonie für das Leipziger Gewandhaus kam er nicht voran. Er begründete es – Brecht einbeziehend – in ironischer Paradoxie damit, dass im Gegensatz zu den Emigrationsjahren die Produktivkraft »Langeweile« fehle: Heute produzieren wir viel weniger, weil es in der DDR gar nicht langweilig ist. Wir haben soviel zu tun, wir kommen gar nicht mehr zur Arbeit.⁹
Nach der politischen Wende zeigt sich die Tendenz, Eisler von der DDR entfremden zu wollen. Sein Sohn Georg tönte, dass er, wäre er nicht ausgewiesen worden, ohnehin wohl lieber in den USA, wo er es »wunderbar« gehabt habe, geblieben wäre.¹⁰ Im Übrigen sei Wien sein Sehnsuchtsort gewesen, jedenfalls sei er, nachdem er in die DDR abgewandert war, immer wieder zurückgekehrt. Unbelichtet bleibt dabei, dass Eisler, seinen Nachkriegsäußerungen nach, die Stadt gar nicht mochte – die auch durch zwei Kriege nicht zerstörbare Lieblichkeit gehe ihm auf die Nerven, zudem sei die Kunst hier sehr provinziell.¹¹ Nicht zuletzt zeigte man ihm offiziellerseits die kalte Schulter. In Berlin (Ost) fand er hingegen das erhoffte Lehramt mit ökonomischer Absicherung und Aufträge in Fülle. Die österreichische Staatsbürgerschaft, die er zeitlebens beibehielt, war eine Nützlichkeits-, keine Herzensentscheidung.
Leipzig, wo er geboren wurde, nannte er stolz seine Mutterstadt, weil eben dieser Zweig der Familie von dort stammt. Aber die Gedenktafel an seinem Geburtshaus ist eingemottet worden, weil seine Bezeichnung als Wegbereiter der sozialistischen Musikkultur unzeitgemäß schien. Das Haus fiel Spekulanten in die Hände und sollte abgerissen werden, was heftige Proteste auslöste. Inzwischen sind die Weichen für eine denkmalgerechte Sanierung gestellt, und es ist beabsichtigt, dass die Geburtswohnung in Gemeineigentum kommt und womöglich – Anspielung auf Eislers Schicksal – Exilkomponisten von heute als Arbeitsstätte dient.¹²
Um zu komponieren, beanspruchte Eisler eine gewisse heitere, mittlere Gemütsstimmung.¹³ Er verstand es, sein Leben zu genießen, soll begeistert Schach und Tischtennis gespielt haben und ein tüchtiger Schwimmer gewesen sein. Dazu gehörte aber auch, dass er gerne trank, Zigaretten en masse verbrauchte, sich mit pechschwarzem Kaffee vollschüttete und, in Arbeit oder Diskussionen verstrickt, die Nacht zum Tage machte. Seine Wohlaufgelegtheit und Schlagfertigkeit waren sprichwörtlich – kein Wunder, dass Stoff für einen ganzen Anekdotenband heraussprang –; sein Sohn Georg hat aber davor gewarnt, ihn als einen »pyknischen Alleinunterhalter« zu sehen und auf die seinem Schaffen »inhärente Melancholie« verwiesen.¹⁴ Wer Eisler nur von der einen Seite kennt, mag dies gewiss verwundern; es kommt aber darauf an, seine Vielseitigkeit zu entdecken, auch seine Widersprüchlichkeit: Nicht zuletzt darin liegen die über seine Zeit fortwirkenden Anregungen.
Erziehung zur Kritik
Eisler hielt sich etwas darauf zugute, dass sein Vater Philosoph und seine Mutter die Tochter eines Metzgers war. Die väterliche Linie – in der auch der Prager Rabbi Löw, der Sage nach »Erfinder« des »Golem«, stehen soll – hatte in Frankreich ihre Verzweigungen; in Paris, wo sein Großvater, ein begüterter Wiener Tuchhandler, alljährlich Domizil nahm, sah Eisler seine Vaterstadt. In Leipzig, der Mutterstadt, hatte der Großvater mütterlicherseits, ein Bauernsohn aus Schwaben, später Sozialdemokrat, ein Mädchen aus der Gegend geehelicht und sich hier niedergelassen. Eislers Mutter, die übrigens einige schriftstellerische Begabung hatte