"... und bitte!" Erfolgreich Beiträge für's Fernsehen drehen.: Ein Handbuch für Realisatoren, Regisseure und Videojournalisten
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About this ebook
Jochen Gerken
Jochen Gerken arbeite seit über 20 Jahren als Realisator für das Fernsehen und die freie Wirtschaft. Er hat Dokumentationen, Reportagen, Magazine, Doku-Soaps, Reality-Shows, Skripted Reality und Casting-Shows für alle namhaften Sender realisiert. Er war dafür weltweit in 30 Ländern unterwegs, hat Hunderte Interviews geführt und dabei merkwürdige Dinge wie Meerschweinchen, Kobra-Suppe und Wurst am Stil verspeist. Er arbeitet außerdem als Cutter und Fotograf.
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Book preview
"... und bitte!" Erfolgreich Beiträge für's Fernsehen drehen. - Jochen Gerken
Für René
Inhalt
OPENER:
Realisator – wattisndette?
PLANUNG:
1. „Wir zahlen immer nur 250!" - vor dem Dreh
1.1 Das Anstrengende zuerst: Auftrag – Honorarverhandlungen – Vertrag
1.2 Planung ist alles: Exposé – Drehplan – Treatment
1.3 Inhaltliche Feinabstimmung und viel Psychologie: Redakteure und Producer
1.4 „Der Dreh fängt da an, wo der Plan aufhört!" – die Disposition
PRODUKTION:
2. „Das versendet sich!" - der Dreh
2.1 Kameramann – Kameras – Bildgestaltung
2.2 Lichtsituationen, Achsensprünge und Anschlüsse
2.3 Der Tonmann – die unterschätzte Größe
2.4 Die Protagonisten – ungeschliffene Diamanten
2.5 Die Teamchemie
2.6 Die Geschichte und ihr Spannungsbogen
2.7 Menschen sprechen vor der Kamera: Interviews, O-Töne und Moderationen
POSTORODUKTION:
3. „Ist noch nicht gerendert!" – der Schnitt
3.1 Cutter – vom richtigen Umgang mit der schneidenden Zunft
3.2 Die Schnittprogramme MC, Premiere und Final Cut
3.3 Die richtige Musik
3.4 Der Off-Text
3.5 Die Abnahme und Änderungen
ORGANISATION:
4. „Selbst und ständig arbeiten": Selbstständigkeit
4.1 Rechnungen schreiben
4.2 Selbstständigkeit: Steuernummer – KSK – BfA-Befreiung
4.3 Die Verwertungsgesellschaften VG Wort & VG Bildkunst
4.4 Eigenwerbung: Homepage – Visitenkarten – Briefpapier
4.5 Steuerkram
GLOSSAR:
Die wichtigsten Fachbegriffe
CREDITS
Realisator – wattisndette?
Vor einigen Jahren, als es noch House-Warming-Partys gab und Tomaten mit Mozzarella sowie Ciabatta unglaublich hip waren, unterhielt ich mich mit einer hyperaktiven Sportstudentin, die sich selbst so toll fand, dass sie es offenbar ärgerlich fand, dass ich kein Spiegel war. Die Unterhaltung drehte sich primär um ihre unglaublichen sportlichen Leistungen und das unfassbar anspruchsvolle Studium. Doch nach einem halbstündigen Monolog fragte sie überraschenderweise: „Und, was machst du so?. Ich sagte ihr, dass ich Realisator sei. „Puh,
meinte sie, „ganz schön gefährlich, oder?"
Ganz unrecht hatte sie nicht. Dreharbeiten in afrikanischen Ghettos, wo sich nicht einmal Rambo hineintrauen würde, weil dort bewaffnete Gangs die Herrschaft übernommen haben; bei Neonazis, bei Asozialen, bei Bankern; dazu die beständige Gefahr, an Malaria, Dengue- und Gelbfieber, der Knochenbrecherkrankheit oder gar einer Erkältung zu erkranken. Außerdem lauern überall Lampenstative, die umfallen und Honorare, die ausfallen können. Ist schon ein harter Job. Im Duden steht übrigens zur Definition des Realisators: „Hersteller, Autor, Regisseur eines Films oder einer Fernsehsendung." Genauer: Du als Realisator bist der kreative Vermittler zwischen einer auftraggebenden Filmproduktionsfirma und den ausführenden Gewerken von Kamera, Ton, Moderation, Cutter und Sprecher.
Ich werde oft gefragt: Was war denn dein schönster Dreh? Es gab unzählige schöne Momente, gerade in fremden Gefilden (inzwischen habe ich in genau 30 Ländern gedreht), in welchen das Team aufgrund der Umstände zusammengeschweißt wird. Das wohl eindrücklichste Dreh-Erlebnis hatte ich jedoch in Namibia, als wir eines Abends bei den Ju/’Hoansi, einem Stamm der Buschmänner in der Kalahari, einen Trance-Tanz eines Medizinmanns filmen durften. Zunächst standen vor allem die Frauen um ein Feuer und sangen, unterstützt von rhythmischem Klatschen, einen monotonen Singsang. Der Medizinmann bewegte sich dazu und fiel nach etwa 20 Minuten in Trance. Seine Augäpfel rollten manchmal zurück und er bewegte sich merkwürdig abgehackt. Er rief einige Dinge in der Klick-Sprache der Buschmänner, kniete vor einem Mädchen, das krank war, legte seine Hand auf ihren Kopf und tanzte weiter. Plötzlich zuckte er und fiel um. Ein Mann, der sich die ganze Zeit neben ihm aufgehalten hatte, fing ihn auf, sonst wäre er ins Feuer gefallen. Nach dem Glauben der Buschmänner wird bei dem Medizinmann durch die Trance eine heilige Kraft geweckt, die Krankheiten heilt und den Stamm unterstützt. Wir haben das Material in unsere Do-ku-Soap eingeschnitten, es war für die Senderverantwortlichen jedoch zu verstörend und wurde wieder entfernt. Hier endet dein Einfluss. Der Kunde ist König und hat das letzte Wort.
Aber, lieber Leser, wie wird man eigentlich Realisator? Frag’ die Maus oder mich: Eigentlich wollte ich Schriftsteller werden. Meinen ersten Roman um einen selbstmordgefährdeten 14-Jährigen, der von zu Hause ausreißt, um auf Korsika ein neues Leben zu beginnen, hat immerhin meine kleine Schwester gelesen (damals elf Jahre alt). Sie war es auch, die mir eine große Zukunft vorhersagte („Isch ganz gut.). Ende der 70er Jahre wurde ich Redakteur in unserer linken Schülerzeitung „Das Sandkorn
. Unser Motto: „Seid Sand im Getriebe dieser Welt – frei nach Günter Eich. Ich demonstrierte gegen das AKW Whyl und gegen den Polizeistaat. Ich schrieb Kurzgeschichten und Gedichte und fing tatsächlich an, Publizistik, Germanistik, Romanistik und Linguistik in Münster und Berlin zu studieren. Und ich veröffentlichte einige Texte in Literaturzeitschriften. Die meisten hatten zwar nur eine Auflage von 100 Stück, trotzdem machte es mich sehr stolz, meine Texte gedruckt zu sehen. Später gründete ich selbst eine, die „Litoris
(Untertitel: „Die ostenlose Zeitschrift für geistige Stimulanz), die jedoch nach zwei Ausgaben eingestellt wurde. Meine Schwester: „Hab’s dir glei g’sagt: läse duet kainer mär.
Schließlich wollte ich Fotograf werden. Immerhin fotografierte ich seit meinem zehnten Lebensjahr, als ich von meiner Großmutter eine Agfa-Box mit Rollfilmen geschenkt bekommen hatte. Erste Motive: meine Schwester und Tiere im Zoo. Mit 20 begann ich ein Praktikum in einem großen Fotostudio, in dem vor allem Werbefotografie und auf jeden Fall „Foto-Design gemacht wurde. Das war 1986, und alle Büros und Besprechungsräume des Studios waren mit mintfarbenen Dreiecken, Leder-Freischwingern und Glastischen bestückt. Mein Chef und seine Fotografen arbeiteten mit Linhoff-Großbildkameras, die ich in unbeobachteten Momenten maximal zärtlich streicheln durfte – mal für ein Wochenende ausleihen ging leider nicht. Es wurden Kataloge und Plakate für Mischbatterien, Wohnwagen, Autofelgen, Matratzen und Schwarzwälder Schinken fotografiert. Leider hatte das Ganze wenig mit Kreativität zu tun, vor allem für mich, der ich meistens Fahrten zu den Labors unternehmen oder die Hohlkehle streichen musste. Die Hohlkehle: ein Alptraum. Die Hohlkehle ist eine Hintergrundwand, die unten keine Kante hat, sondern gerundet ist. Der Schwarzwälder Schinken wurde also mit Klarlack bearbeitet – damit er schön glänzt –, auf die Hohlkehle gesetzt und abfotografiert. Dank der Hohlkehle gibt es keine störenden Raumlinien oder Schatten, den Schinken kann man nun problemlos freistellen und in einen Prospekt einbauen. Vorraussetzung: die Hohlkehle ist gleichmäßig gestrichen. Einmal musste ich für ein Shooting am Wochenende die Hohlkehle noch am Freitagabend von himmelblau in weiß umstreichen. Als ich fertig war, fuhr ich direkt nach Hause, ohne das Abtrocknen der Farbe abzuwarten. Am Montag darauf empfing mich ein wütender Chef. Er war mit Kunden ins Studio gefahren, um einige Probeaufnahmen ihrer Produkte auf der weißen Hohlkehle zu machen. Doch die war leider nicht weiß, sondern weiß-blau gestreift. Ein quasi bayrischer Hintergrund. Dummerweise wurden keine Weißwürste fotografiert. Ich hatte wohl die Farbrolle nicht ausreichend gesäubert, am Rand musste sich noch etwas Himmelblau befunden haben. Leider passierten mir dort nur solche Dinge. Bei Aufnahmen für einen neuen Knaus-Wohnwagen am Rheinufer sollte ich den Wohnwagen auf dem Damm platzieren. Der Kunde war vor Ort und hatte bereits mehrfach betont, dass wir sehr vorsichtig mit dem Campingwagen sein sollten, da es sich um einen Prototyp handele. Ich fuhr den Wagen einen schmalen Fahrradweg auf den Damm, koppelte ihn vom Auto ab und wollte gerade wieder ins Auto steigen, als Entsetzensschreie an mein Ohr drangen: „Achtung! Der Wagen! Der Wagen!
Als ich mich umdrehte, rollte „der Wagen!" bereits auf die Kante zu – von dort würde er die Böschung hinunter direkt in den Rhein rauschen. Fluss ohne Wiederkehr! Ich schnappte mir gerade noch rechtzeitig die Deichsel, riss die Handbremse hoch, der erste Fotograf sprang herbei und stemmte sich von hinten gegen den Wohnwagen. Mit vereinten Kräften retteten wir den Prototypen. Und ich bekam den nächsten Anschiss.
Kurze Zeit später wäre mein Praktikum beinahe für immer vorbei gewesen. Und mein Leben auch. Wenn ich oben geschrieben habe, Realisation sei ein gefährlicher Job, muss ich mich hier korrigieren: Praktika sind weitaus gefährlicher. Warum? Weil man jung und dumm ist. Aber als normale