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Die Reise nach Tamrakir
Die Reise nach Tamrakir
Die Reise nach Tamrakir
Ebook387 pages5 hours

Die Reise nach Tamrakir

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About this ebook

Thorwen vom Eichental, erster Krieger des Königs kehrt nach langer Zeit in seine Heimat zurück. Kaum angekommen, passieren eigenartige Dinge in der Nachbarschaft: ein Schaf verschwindet schwebend im Wald. Bei seinen Erkundungen findet Thorwen sonderbare Spuren und ein Amulett des Königs - Zeichen, die ihn unruhig werden lassen. Er beschließt, die Verfolgung aufzunehmen und den König zu informieren. Noch ahnt Thorwen nicht, mit wem er es aufgenommen hat. Sein Weg führt ihn unter anderen zu dem Schmied Sedrik, von dem er Verwirrendes über den längst vergessenen Schattenwächter Targamon und seine Untergebenen, die Morghul, hört. Thorwen weiß nun, wen er verfolgt, keineswegs aber, was Targamon plant. Die Fährte verläuft geradewegs in die Goldene Stadt. Dort muss er erfahren, dass die Morghul soeben die Tochter des Königs entführt haben. Für Thorwen ist klar: Nur er kann die Prinzessin befreien und herausfinden, was der Schattenwächter vorhat. Mitten in der Nacht reitet er los - allein. Unterwegs trifft er auf Andramil, eine junge Frau, die er aus einer kniffligen Lage befreit und sicherheitshalber ein Stück weit begleiten will. Dass sie die Zauberin des Königs ist und von ebendiesem losgeschickt wurde um Thorwen zu unterstützen, weiß er freilich nicht. Schnell stellen die beiden fest, dass die Morghul der Prinzessin scheinbar nichts antun wollen. Offensichtlich folgen sie einem anderen Auftrag - mit unbestimmtem Ziel. Um mehr über den Schattenwächter und sein Reich zu erfahren, verlassen Thorwen und Andramil die Fährte und nehmen den Weg über das Nebelmoor. Sie wollen den uralten Zauberer Galanthil aufsuchen. Tatsächlich erfahren sie von ihm viele wichtige Neuigkeiten. Aber auch eine, die sie in ihren Grundfesten erschüttert: Sie beide sollen das Königreich vor der größten Gefahr seit Urzeiten bewahren. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn der längste Tag des Jahres wird die Entscheidung tief unter der Erde, im Schattenreich, bringen.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 2, 2017
ISBN9783743123809
Die Reise nach Tamrakir
Author

Harry Neumann

Harry Neumann, Schriftsteller und freier Journalist, geb. 1965 in Kassel, aufgewachsen in Bayern, lebt und arbeitet zur Zeit in Kroatien.

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    Book preview

    Die Reise nach Tamrakir - Harry Neumann

    Kapitelübersicht

    Glückliches Wiedersehen

    Das schwebende Schaf

    Im Tal der Hundert Stimmen

    Rätselhafte Neuigkeiten

    Die Goldene Stadt

    Schreie im Wald

    Eine unheimliche Begegnung

    Unterwegs in den Eisigen Bergen

    Der Zauberer im Nebelmoor

    Alles Gute kommt von oben

    Ein Turnier unter Freunden

    Auge in Auge mit dem Feind

    Ein schicksalhafter Traum

    Im Wald der Giganten

    Tauschhandel im Nebel

    Das Geheimnis des Wildschweinschinkens

    Die Erde bebt

    Tiefe Löcher und ein geheimer Eingang

    Das unterirdische Reich

    Von Winzlingen und grünen Pilzen

    Der Drache aus der Tiefe

    Keine Atempause

    Die Jagd beginnt

    In der Falle

    Schicksalsstunde

    Glückliches Wiedersehen

    Es war ein wunderschöner Spätsommertag, überall im Wald grünte und blühte es. Die Luft war lau und klar. Thorwen freute sich auf Daheim, seine Eltern und seine kleine Schwester Indra. Sie würden ihn mit offenen Armen empfangen und unendlich froh sein ihn wiederzusehen. Der Duft von Gebratenem stieg ihm in die Nase und in Gedanken genoss er bereits das heiße Bad im Zuber. Er war glücklich und zufrieden, denn endlich hatten die Kämpfe ein Ende. Die Barbaren des Nordens waren besiegt, der Frieden ins Königreich eingezogen und Thorwen kehrte heim in seine geliebten Wälder des Mooslandes.

    Solange sich Thorwen zurückerinnerte, kam König Ergon einmal im Jahr zur Jagd in die Eichenwälder. Und wann immer er den Vater – des Königs Jagdführer – überreden konnte, durfte er dabei sein. Sie jagten ausschließlich den mächtigen Moosochsen, der nur in diesem Teil des Königreiches vorkam und bekannt war für seine Ausdauer. Niemand konnte dieses scheue Tier besser aufspüren als sein Vater und es dauerte nicht lang, da stand ihm Thorwen in nichts nach.

    Er wurde von seinem Vater früh mit der Kunst des Jagens vertraut gemacht und so kam es, dass er im Alter von sechzehn Jahren bereits der beste Jäger in ganz Moosland war. Das entging dem König freilich nicht und so holte er ihn kurze Zeit später an seine Seite. Noch im gleichen Jahr erkor er ihn zu seinem ersten Krieger. Mit der Zeit wurde ihr Verhältnis freundschaftlich, sie schätzten und respektierten sich. Dies war kein Zufall, denn beide gehörten demselben Geschlecht an, aus dem seit hunderten von Jahren der König hervorging.

    Lange Zeit bevor die beiden zur Welt gekommen waren, hatte sich ihr Volk geteilt. Der eine Teil pflegte den Handel und die diplomatischen Beziehungen unter den Ländern, der andere Teil zog in die Wälder, lebte ausschließlich von der Jagd und bevorzugte die Ruhe und Einsamkeit.

    Ergons Vorfahren schafften es, aus einem ehemals kleinen Dorf binnen kürzester Zeit die Goldene Stadt Fendrasil, blühende und mächtigste Handelsmetropole sowie Mittelpunkt des Reiches, zu machen. Mit dem Reichtum wuchs auch der Einfluss der Familie. Sie engagierte sich politisch, organisierte schon sehr früh freie Wahlen und rasch oblagen ihr die Geschicke des Landes, die sie bis zum heutigen Tage lenkte. Das Volk vertraute ihr und bewunderte sie für ihren Geist und ihre Güte, niemand musste Hunger leiden.

    Thorwens Urgroßväter indes entwickelten mit den Jahren die hohe Schule des Jagens und erwarben sich den Ruf, furchtlos und unbesiegbar zu sein. Hart wie das Holz ihrer Heimat seien sie, sagte man ihnen nach. So kam es, dass ein jeder König aus ihren Reihen die tapfersten Jäger rekrutierte und zu Kriegern ausbilden ließ. Den Besten von ihnen bestimmte er zu seinem ersten Krieger. Dieser genoss unter den Völkern des Königreiches ein nahezu ebenso hohes Ansehen wie der König selbst. War er es doch, der das Land mit seinen Kriegern vor Unheil bewahrte.

    Ernsthafte Auseinandersetzungen zwischen den Ländern gab es zwar so gut wie nie, doch fiel es auch in den Verantwortungsbereich der Armee, sich um Diebe und Mörder zu kümmern. Sie arbeitete Hand in Hand mit der Justiz und sorgte für Ordnung und Frieden unter den Menschen. Die einzig wirklich ernste Bedrohung ging von den Barbaren aus. Sie kamen meist zu tausenden mit Schiffen über den Langen Strom aus dem Norden und versuchten immer wieder das fruchtbare Königreich zu erobern. Thorwen erinnerte sich noch ganz genau an die Erzählungen seines Großvaters, der damals als Letzter seiner Familie erfolgreich gegen die Nordmänner gekämpft hatte. Lange Zeit war es ruhig gewesen, bis vor einigen Jahren erste Gerüchte einer erneuten Invasion aufkamen, die sich leider als blutige Wahrheit herausstellten.

    In diesen Tagen fiel es also Thorwen zu, die Barbaren des Nordens wieder dorthin zu schicken, von wo sie kamen. Die Kämpfe waren hart und unerbittlich lang. Doch auch diesmal gelang es den Feind zu schlagen. Anders als in jeder vorherigen Schlacht, trugen Kriegsbeobachter ihre Berichte regelmäßig nach Fendrasil, von wo aus sie sich wie ein Lauffeuer verbreiteten. Über die tapferen Taten König Ergons und seines ersten Kriegers Thorwen vom Eichental wurden Lieder gesungen und Geschichten geschrieben, die bis in die entlegensten Ecken des Königreiches vordrangen. Es gab so gut wie niemanden, der nicht von den Heldentaten des jungen Kriegers aus dem Moosland gehört hatte.

    Nun war jedoch der Zeitpunkt gekommen, an dem sich ihre Wege für eine Zeit trennen sollten. Thorwen wollte bei seiner Familie im geliebten Eichental bleiben, weit weg von all dem Elend und Tod. König Ergon plante, gemeinsam mit seiner Frau Lea und Tochter Feena das Königreich zu bereisen. Das hatte er der jungen Prinzessin zu ihrem 14. Geburtstag versprochen. Auf diese Weise konnte er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: Eine ausgedehnte Reise durch das Königreich würde der ganzen Familie gut tun, und er würde sich nach langer Zeit wieder einmal seinem Volk zeigen können.

    Thorwen sog die frische Waldluft tief in seine Lungen und trieb sein Pferd voran. Als er von weitem den elterlichen Hof erblickte, trabte er gerade am Bach entlang. Jeder Strauch und jeder Baum war ihm hier vertraut. Endlich wieder zu Hause! Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er vor dem einfachen, aber robusten großen Holzhaus sein Pferd zügelte. Vergessen waren die bitteren Erfahrungen, das Leid und die Angst.

    Er band sein Pferd an einen Holzpflock vor der mächtigen Eiche, die im Hof direkt vor dem Haus stand. Sein Vater hatte um sie herum eine massive Holzbank gebaut; an einem dicken, ausladenden Ast hing Indras Schaukel bewegungslos hinunter.

    Die Sonne schien durch die zarten Eichenblätter und nur das Schnauben seines Pferdes unterbrach die sonderbare Stille. Thorwen wurde unruhig. Niemand war zu hören oder zu sehen, aber die schwere Holztür zum Haus stand weit offen.

    „Na, das ist ja ein schöner Empfang für des Königreichs größten Helden!", rief er unsicher zum Haus hinüber. Doch noch immer tat sich nichts, alles schien wie ausgestorben. Als er zur Scheune hinüberschaute, fiel ihm der große Wagen auf, den seine Eltern sich alljährlich zur Heuernte vom Nachbarn ausliehen. Aber die Erntezeit war längst vorbei ... Langsam fing Thorwen an sich Sorgen zu machen. Ein weiteres Mal rief er in die Stille hinein. Aber wieder antwortete niemand. Kein Vogel sang in den Bäumen. Nicht einmal der Wind spielte mit den Blättern. Es war ihm, als sei der Wald verstummt. Unschlüssig, nicht so recht wissend, was er tun sollte, stand Thorwen reglos neben seinem Pferd und schaute über den Hof, in den Wald hinein und wieder zurück. Dann beschloss er, zuerst einmal seinen Sattel im Stall unterzubringen.

    Gerade als er die Tür öffnete, brach um ihn herum ohrenbetäubender Lärm los. Er drehte sich erschrocken um und sah, wie von überall her Menschen auf ihn zurannten. Sie sprangen vom Heuwagen, kamen aus dem Wald, dem Haus, sogar von den Bäumen kletterten sie herunter. Alle Nachbarn und Freunde waren gekommen um ihn zu begrüßen. Er schüttelte zahllose Hände und blickte in unzählige glückliche Gesichter. Willkommensgrüße über Willkommensgrüße. Es tat so gut, am liebsten hätte er die ganze Welt umarmt! – Doch wo waren seine Eltern und seine Schwester?

    Plötzlich tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter. Als Thorwen sich umdrehte, blickte er in das strahlende Gesicht seines Vaters und in die mit Freudentränen gefüllten Augen seiner Mutter. Sie fielen sich in die Arme und ein noch heftigerer Jubelsturm brauste auf. Der verloren geglaubte Sohn war wieder einmal unversehrt heimgekehrt.

    Als sich die Begrüßungsstürme gelegt hatten, vernahm er eine vertraute Stimme: „Na, großer Held, ist das nicht ein Empfang ganz nach Eurem Geschmack? Indra balancierte hoch oben in der Eiche auf einem dicken Ast, die Hände in die Hüften gestemmt. Thorwen hielt sich schützend die Hand vor die Augen, während er zusah, wie seine Schwester flink wie ein Eichhörnchen aus der Krone des alten Baumes herunterkletterte. Jetzt stand sie mit verschränkten Armen und provozierendem Blick auf einem der unteren Äste. „Wollen wir doch mal sehen, ob du immer noch so ein starker Kerl bist! Ohne zu zögern sprang sie mit einer ganzen Drehung direkt in seine ausgestreckten Arme. Thorwen fing sie ohne große Schwierigkeiten auf. Indra war vor kurzem zehn Jahre alt geworden und nicht gerade ein Schwergewicht. „Ich hab dich vermisst!" Er drückte sie fest an sich, gab ihr einen Kuss auf die Wange und trug sie hinüber zum Haus.

    Die festlichen Vorbereitungen waren bereits in vollem Gange, von überall her wurden Tische, Stühle, Fässer, Krüge und jede Menge Köstlichkeiten gebracht. Über einem großen Feuer drehte sich ein ganzer Ochse und die unterschiedlichsten Gerüche ließen einem das Wasser im Munde zusammenlaufen.

    Alle saßen fröhlich zusammen, tranken und aßen mit großem Appetit. Immer wieder musste Thorwen erzählen, wie er die nordischen Schurken in die Flucht geschlagen hatte. Der Jubel und die Trinksprüche schienen kein Ende zu nehmen.

    Später am Abend stand Thorwen auf, bedankte sich bei all seinen Gästen für ihr Kommen und fügte augenzwinkernd hinzu: „Bitte, habt ein Einsehen, um euer selbst willen. Denkt an die nächsten Jahre, in denen wir uns sicherlich noch oft in solch geselliger Runde zusammenfinden. Wenn ich dann nichts mehr zu erzählen weiß, weil all euer Wissensdurst gestillt ist, werdet ihr meiner Gegenwart schnell überdrüssig. Gellendes Gelächter brach aus. Alle erhoben sich und stießen auf ihren Helden und König Ergon an. „Mögen sie ewig und in Frieden leben – das Königreich und alle Völker mit ihnen! Die Krüge wurden mit einem Zug geleert.

    Das war eine wahrlich gelungene Überraschung! Thorwen war zum ersten Mal nach langer Zeit wieder ausgelassen und fröhlich, als er sich von allen verabschiedete und zufrieden schlafen ging.

    Das schwebende Schaf

    Thorwen schlief tief und fest in dieser Nacht. Hufgetrappel, erst ganz leise, dann immer lauter, ließ ihn viel zu früh aufschrecken. Nach solch einem rauschenden Fest, dachte er, sollte niemand zu so früher Stunde geweckt werden. Wie zum Hohn begrüßte just in diesem Moment der Hahn den neuen Tag. Das Hufgetrappel jedoch war verschwunden.

    Thorwen rieb sich den Schlaf aus den Augen und hörte, wie jemand aufgebracht mit seinem Vater sprach. Irgendetwas musste vorgefallen sein. Sofort war er hellwach, stieg aus seinem Bett, zog sich an und wollte gerade zur Tür hinaus, als ihm sein Vater entgegenkam und in die Stube bat.

    Bernaba, einer der Bauern aus der Nachbarschaft, der gestern noch fröhlich mit ihnen gefeiert hatte, saß völlig aufgelöst mit seiner Mutter und der schläfrigen Indra am Tisch. Er schien sehr aufgewühlt und knetete unentwegt seinen Filzhut. Thorwen hatte ihn kaum begrüßt, als es auch schon aus ihm heraussprudelte: „Als ich gestern Abend nach Hause kam, hörte ich von weitem, wie meine Schafe laut blökten. Ich dachte sofort an einen Wolf und holte meine Mistgabel aus dem Stall. Doch als ich näher kam, sah ich, wie eines der Schafe über dem Boden schwebte und wild strampelnd im Wald verschwand."

    Thorwen, der seinen Ohren nicht traute, rieb sich übers Gesicht. Dann fragte er Bernaba: „Hand aufs Herz, wie viele Becher Wein habt Ihr gestern getrunken? „Ich weiß, es hört sich verrückt an, erwiderte Bernaba mit zitternder Stimme. „Und ja, ich habe gestern Abend mehr als einen Becher Wein getrunken, bevor ich mich auf den Heimweg machte. Aber Ihr müsst mir glauben!" Dabei reckte er flehend die Hände in die Höhe, hinein in die fast greifbare Fassungslosigkeit seiner Zuhörer. „So wahr ich hier sitze – das Schaf ist schwebend im Wald verschwunden!

    Und das hier fand ich später vor dem Stall." Der Bauer reichte Thorwen einen Lederbeutel. Er war schlicht und mit einer Lederschnur verschlossen. Thorwen öffnete ihn vorsichtig. Es waren Kräuter darin, die aussahen wie Lorbeerblätter, nur schmaler, feiner. Er steckte seine Nase in den Beutel. Wie Lorbeer rochen sie jedenfalls nicht. Dann nahm er eine Probe heraus, zerbröselte sie zwischen seinen Fingern und roch erneut. Ein seltsam modriger Geruch stieg ihm jetzt in die Nase.

    „Darf ich den Beutel behalten?", fragte er Bernaba abwesend, der sofort einwilligte. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu, dachte Thorwen und fühlte auf sonderbare Weise, dass er ein Teil davon war.

    Er steckte die Kräuter zurück in den Beutel, wusch sich in der Waschschüssel sorgsam die Hände, nahm sich ein Stück Brot, eine Scheibe Schinken und trank in großen Schlücken ein Glas frische Milch. Dann verabschiedete er sich und ritt gemeinsam mit Bernaba zu dessen Hof. Vielleicht gab es Spuren, die der arme Kerl im Rausch schlicht übersehen hatte.

    Die Sonne schien kräftig an diesem Tag, schnell erwärmte sich die Luft. Thorwen liebte den Duft seiner Heimat. Doch vor lauter innerer Anspannung konnte er es nicht so recht genießen, die unglaubliche Geschichte Bernabas ließ ihn einfach nicht los.

    Der Hof war nicht allzu weit entfernt und ebenso wie der seiner Eltern lag er mitten im Wald. Er war jedoch etwas kleiner, denn der Bauer lebte dort allein. Seine Frau war früh gestorben und Kinder hatten sie nicht. Trotz alledem war der Hof sehr gepflegt und in tadellosem Zustand. Bernaba war ein bekannt fleißiger Mann, der hart arbeitete und auf dessen Wort man sich stets verlassen konnte.

    Nachdem sie die Pferde angebunden hatten, führte er Thorwen zu der Stelle, an der er den Lederbeutel gefunden hatte. Thorwen schaute sich um und entdeckte Spuren, die aus dem Wald zum Stall führten und wieder hinaus. „Ihr seid Euch ganz sicher, dass Ihr nur ein schwebendes Schaf gesehen habt und sonst niemanden? „Bei allen Göttern, nur das Schaf und niemanden sonst. Wieder unterstrich er seine Worte mit flehend erhobenen Händen. „Es schwebte wild strampelnd in etwa zwei Meter Höhe über den Boden und verschwand dort hinten im Wald." Thorwens Blick folgte dem ausgestreckten Arm Bernabas.

    Was war hier nur vorgefallen? Die Spuren, die er sah, stammten jedenfalls nicht von einem Schaf. Insoweit stimmte also die Geschichte des Bauern. Das Schaf konnte schwerlich selbst gelaufen sein. Aber was waren das dann für Spuren? Und warum, um alles in der Welt, hatte Bernaba niemanden gesehen? Das Einzige, was Thorwen bis jetzt mit Sicherheit sagen konnte, war, dass die Spur der eines sehr großen, schweren Mannes ähnelte. Eines Mannes mit eigenartigen Stiefeln.

    Da Thorwen keinen Rat wusste, ging er erst einmal zum Stall hinüber. „Wie viele Schafe hattet Ihr gestern Abend, bevor Ihr zu uns gekommen seid? „Sechs, antwortete Bernaba verzweifelt und bearbeitete weiter heftig die Krempe seines Hutes. Der Bauer tat Thorwen fast Leid, aber was sollte er machen? Er musste Stück für Stück in Erfahrung bringen, was Bernaba gestern gesehen hatte. Diese Geschichte war einfach zu unglaublich.

    Im Stall zählte er fünf Schafe, die ebenso aufgeregt zu sein schienen wie ihr Eigner. Kopfschüttelnd starrte Thorwen sie an und wollte gerade wieder hinausgehen, als ein Lichtreflex seine Aufmerksamkeit erregte. Im Heu, zwischen den Schafen, lag etwas, das augenscheinlich nicht in einen Schafstall gehörte. Sogleich sprang er über das Gatter und hob unter lautem Geblöke den Gegenstand auf. Es war ein uraltes Amulett, das mit allerlei Schriftzeichen versehen war, die Thorwen nicht kannte. Doch etwas erkannte er sofort. Auf einer Seite nämlich prangte ganz deutlich das Wappen des Königs ... Seine Verwirrung war nun vollkommen. Was hatte ein Amulett des Königs im Stall seines Nachbarn zu suchen? Und wer hatte es verloren?

    Thorwen verließ den Stall und zeigte Bernaba das Amulett. „Das habe ich noch nie in meinem Leben gesehen, Ihr müsst mir glauben!" Thorwen glaubte ihm. Natürlich glaubte er ihm. Für einen kurzen Moment dachte er an die Leibgarde des Königs, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Warum sollten die Wachen des Königs durchs Land ziehen und arme Bauern bestehlen? Es war ein dummer Gedanke, für den er sich sogleich selbst rügte. Aber wer konnte es ihm verdenken? Nichts ergab einen Sinn. Jeder noch so eigenartige Gedanke brachte ihn auf immer noch eigenartigere Schlussfolgerungen. Ein schwebendes Schaf!

    Er musste nachdenken. Regungslos stand er auf dem Hof und starrte in Richtung Wald. Bernaba wagte keine Bewegung. Ihm war gestern der Schrecken gründlich in die Knochen gefahren und schien ihn seither nicht losgelassen zu haben.

    Nach einer Weile wischte Thorwen alle bisherigen Gedanken und die, die gerade anfingen zu entstehen, mit einem Handstreich beiseite und folgte den großen Fußabdrücken ein Stück weit über den Hof. Er war sich ganz sicher, dass sie von keinem Menschen stammen konnten. Diese Fußabdrücke gehörten zu einem Wesen, das er nicht kannte. Sie waren größer und breiter als alle, die er jemals vorher gesehen hatte. Außerdem waren sie für einen Menschen zu tief. „War es gestern Abend sehr dunkel?, fragte Thorwen den Bauern vorsichtig. Bernaba wusste sofort, was Thorwen mit dieser Frage bezweckte. „Ich schwöre Euch, es war hell genug um zu sehen, dass da nur das Schaf war. Thorwen wartete darauf, dass sein Nachbar endlich mit der Wahrheit herausrückte. All dies war nur ein Scherz, den sich seine Freunde für seine Heimkehr hatten einfallen lassen.

    Doch die erlösenden Worte blieben aus. Der zitternde Bernaba allein war Beweis genug, dass es sich beileibe um keinen Scherz handelte. Sein Gefühl trog ihn also nicht, all dies war real und er war ein Teil davon. Thorwen wies Bernaba an auf dem Hof zu bleiben, er selbst folgte der Spur in den Wald hinein.

    Fährtenlesen konnte je nach Untergrund und Jahreszeit eine schwierige Angelegenheit sein, in diesem Fall war die Spur aber klar und deutlich zu erkennen. Sie führte vom Hof zu einer Stelle im Wald, wo sie sich mit anderen Spuren traf, die in Größe und Form nahezu identisch waren. Insgesamt zählte Thorwen fünf Fußpaare, außerdem noch zahllose Hufabdrücke, was darauf schließen ließ, dass die Wesen auf Pferden ritten. Es mussten gewaltige Kaltblüter sein. Abdrücke, so groß wie Suppenteller, waren tief in den Waldboden eingestampft. Thorwen fand die Spuren von sechs Pferden und so vermutete er, dass eines wohl als Ersatzoder Packpferd diente.

    An der Stelle sah es aus, als hätte eine Rotte Wildschweine nach Pilzen gesucht. Der Waldboden war umgegraben wie ein Acker und überall zeugten deutliche Blutspuren davon, dass das Schaf wahrscheinlich nicht mit dem Leben davongekommen war. Merkwürdig nur, dass es keine Spuren eines Feuers gab und sich weder Reste vom Fell noch Knochen fanden ... Mit wem auch immer er es zu tun hatte, dachte Thorwen, die Fremden waren ganz offensichtlich aus dem Osten gekommen und ritten in südwestliche Richtung.

    „Und, habt Ihr irgendetwas finden können?, fragte Bernaba neugierig, nachdem Thorwen wieder auf den Hof zurückgelaufen kam. „Nein, leider nicht, log er. Irgendwie ließ ihn das Gefühl nicht los, als sei diese seltsame Begebenheit nur der Anfang. Eine innere Stimme mahnte ihn zur Vorsicht, deshalb wollte er seinem Nachbarn vorerst nichts von seiner Entdeckung erzählen. „Ich weiß wirklich nicht, was mit Eurem Schaf passiert ist und ich kann Euch auch nicht versprechen, ob Ihr es je wiedersehen werdet. Aber ich werde Augen und Ohren offen halten und Euch sofort Nachricht zukommen lassen, sobald ich Näheres weiß."

    Mit diesen Worten verabschiedete er sich und ritt nach Hause. Er konnte sich auf all dies keinen Reim machen, also fing er noch einmal ganz langsam von vorne an. Bernaba hatte den Eindringling nicht gesehen, wohl aber das strampelnde Schaf … Es gab nur eine einzige Erklärung dafür, doch die war so unglaublich, dass es Thorwen bei der Vorstellung fröstelte. Sollten sich diese Wesen wirklich unsichtbar machen können? Nur das würde das schwebende und zappelnde Schaf erklären. Und auch nur ein um sein Leben kämpfendes Schaf würde erklären, warum der Eindringling seinen Lederbeutel und das Amulett verloren hatte.

    Noch bevor Thorwen den Hof seiner Eltern erreichte, stand sein Entschluss fest. Morgen Früh würde er den Spuren folgen und auf seinem Weg den König in Fendrasil aufsuchen. Vielleicht wusste er, was es mit dem geheimnisvollen Amulett auf sich hatte, schließlich war ja sein Wappen darauf. Und wer weiß, vielleicht konnte Ergon ihm sogar eine Erklärung dafür geben, warum irgendwelche Kerle durchs Land ritten und wehrlose Bauern bestahlen.

    Den Kopf voller wirrer Gedanken kam er zu Hause an. Indra erwartete ihn bereits sehnsüchtig. „Ich muss dir was zeigen, sagte sie, zerrte ihn vom Pferd und zog ihn hinüber zum Hasenstall. Behutsam öffnete sie das Gittertürchen. „Sie sind sechs Wochen alt. Dort im weichen Heu lagen acht kleine, flauschig weiche Hasenjunge. Alle hatten unterschiedliche Farben und Indra hatte jedem schon einen Namen gegeben. Sie holte eines heraus und gab es Thorwen in die Hand. „Darf ich vorstellen, Thorwen, das ist Thorwen. Sie strahlte bis über beide Ohren und fügte hämisch hinzu, dass es das Kleinste und Schmächtigste sei und ihr daher der Name äußerst passend erscheine. Thorwen musste lachen, schaute sich den kleinen Kerl von allen Seiten an und meinte dann: „Na, dann wollen wir mal hoffen, dass er schnell groß und stark wird, damit wir rechtzeitig zur Jahreswende etwas Schmackhaftes auf den Tisch bekommen!

    Das war eindeutig zu viel, Indra nahm ihm den kleinen Kerl mit einem strafenden Blick ab, setzte ihn wieder zurück und schloss das Türchen. Dann stürzte sie sich ohne Ankündigung auf ihren Bruder und eine wüste Rauferei entbrannte. Thorwen lachte bei jedem Schlag ihrer kleinen Fäuste, was sie noch wütender machte. Als sie schließlich völlig erschöpft war, legten sie sich nebeneinander ins Heu. Thorwen wusste nicht, wie er anfangen sollte. „Ich muss dich und meinen Namensvetter wohl für eine Weile allein lassen. „Das hab ich mir schon gedacht, erwiderte Indra traurig. „Aber diesmal wird es ganz sicher nicht so lange dauern, tröstete sie Thorwen. „Versprochen! Außerdem werde ich dir etwas ganz Besonderes aus Fendrasil mitbringen. Die Aussicht auf ein hübsches Geschenk munterte Indra ein wenig auf.

    Den Rest des Tages verbrachten sie gemeinsam. Nachdem sie zu Abend gegessen hatten und Indra im Bett verschwunden war, erzählte Thorwen seinen Eltern von seinen Entdeckungen. „Ich muss zum König reiten und ihm das Amulett zeigen, es bleibt mir keine andere Wahl. Wer weiß, wie wichtig die Sache ist, ich darf nicht warten. „Aber du bist doch gerade erst angekommen!, versuchte seine Mutter ihn umzustimmen. Zu lange war er fort gewesen, zu oft hatten sie sich Sorgen gemacht, das alles sollte endlich vorbei sein. Doch sie spürten, dass es zwecklos war. Sie hatten sich bereits früh damit abfinden müssen, er war seinem König treu ergeben und die Menschen liebten und verehrten ihn dafür. Jedes Mal wurde es ihnen schwer ums Herz, wenn er fortging; denn sie mussten damit rechnen, dass es ein Abschied für immer sein würde.

    Am nächsten Morgen brach Thorwen in aller Frühe auf ohne sich zu verabschieden. Seine Mutter hatte ihm einen großen Sack mit allerlei Verpflegung eingepackt und von seinem Vater hatte er am Vorabend einen Köcher neuer Pfeile bekommen. Er war gut gerüstet für das bevorstehende Abenteuer. Er hasste Abschiede.

    Im Tal der Hundert Stimmen

    Mehrere Stunden ritt Thorwen nun schon am Bach entlang ohne die Spuren aus den Augen zu verlieren. Das Eichental mit seinen Wäldern lag längst hinter ihm, Wiesen und Hügel bestimmten jetzt das Landschaftsbild. In weiter Ferne waren schemenhaft die Granitberge zu sehen, die die Grenze des Graslandes markierten. Ein See funkelte irgendwo am Horizont und aufsteigender Rauch verriet die Anwesenheit von Menschen.

    Der Tag war lang gewesen und Thorwens Hunger dementsprechend groß, als er über einen kahlen Wiesenhügel ritt und das Holzhaus erblickte, das in unmittelbarer Nähe des kleinen Sees, eingebettet zwischen zwei Hügeln, lag. Hinter dem Haus war der Rand eines mächtigen Nadelwaldes zu erkennen. Der Geruch von gebratenem Fleisch mischte sich mit dem Duft der Tannen und wehte Thorwen direkt ins Gesicht. Er hätte einen ganzen Ochsen verspeisen können und so entschied er sich die Nacht dort zu verbringen. Er verließ die Fährte und stieß hinter dem letzten Hügel auf einen breiten Kutschweg, der ihn geradewegs auf den Bauernhof zuführte. Der Bauer wartete bereits vor der Scheune – ein einsamer Reiter war schließlich nicht alltäglich und so war seine Neugierde groß.

    Als Thorwen näher kam, schaute er in das freundliche, sonnengegerbte Gesicht eines Mannes, den er etwa so alt wie seinen Vater schätzte. „Seid willkommen fremder Reiter!, begrüßte ihn der Bauer höflich. „Was führt Euch allein in diese Gegend? „Ich bin auf der Jagd und habe nur das Beste von diesem Revier gehört., log Thorwen. Als er ihm die Hand reichte und sich namentlich vorstellte, verbeugte sich der Bauer ehrfürchtig. „Es ist mir eine Ehre, Euch in meinem Haus bewirten zu dürfen!

    Der Bauer brachte sein Pferd in den Stall und ging dann mit Thorwen ins Haus, wo seine Frau an der Kochstelle einen wundervoll duftenden Braten zubereitete. Nachdem er ihr den Gast vorgestellt hatte, ließen sich die beiden vor dem offenen Kaminfeuer nieder.

    Es war ein warmes, gemütliches Holzhaus, überall standen irdene Töpfe und an der Wand hingen Schüsseln und einige Tierhäute. Der Braten schmeckte köstlich und Thorwen erfuhr, dass der kapitale Hirsch noch vor einer Woche im nahen Tannenwald gelebt hatte und nun die Fleischvorratskammer füllte.

    Die Bäuerin brachte ihnen noch einen Krug Wein und es dauerte nicht lange, bis sie sich angeregt unterhielten. Wieder musste Thorwen ausführlich von der Schlacht gegen die Barbaren berichten. Doch irgendwann wechselte er geschickt die Richtung der Unterhaltung

    „Als ich vorhin über die Hügel ritt, stieß ich auf Spuren von Reitern, die ganz in der Nähe vorbeigekommen sein müssen. Ich nahm an, sie hier anzutreffen, aber sie scheinen wohl vorbeigeritten zu sein. Thorwen fragte bewusst beiläufig und mit gespielter Gleichgültigkeit. Die Bauersleute schauten sich kurz fragend an. „Außer Euch haben wir in den letzten Wochen niemanden zu Gesicht bekommen., entgegnete der Bauer. „Auf unserem Hof war schon seit Ewigkeiten kein Fremder mehr."

    Nachdem Thorwen ihnen noch einiges über seine vermeintliche Jagd erzählt hatte, war er müde geworden. Der Bauer brachte ihn daraufhin zu seiner Schlafstätte in den Stall. Das Angebot, im Haus zu nächtigen, hatte er höflich abgelehnt. Direkt oberhalb seines Pferdes im weichen Heu schlief er ruhig und warm.

    ---

    Zur gleichen Zeit, einen Tagesritt entfernt, warf der Schein eines Feuers die mächtigen, flackernden Schatten von fünf Kreaturen an den dunklen Waldrand. Hoch empor schlugen die Flammen und züngelten wild durch die Nacht. Ihre letzte Mahlzeit war äußerst spärlich gewesen und so war ihnen der kolossale Wiesenbüffel gerade im rechten Moment über den Weg gelaufen. Im Handumdrehen hatte ihm eines der Geschöpfe das Genick gebrochen.

    Den ganzen Tag über waren sie im Schatten der Wälder gelaufen und ungesehen vorangekommen. Kein Mensch durfte sie sehen, das hatte ihnen ihr Meister immer wieder eingebläut. Lange hatte er sie auf diese Aufgabe vorbereitet, sie durfte nicht fehlschlagen. Ihre Lager wählten sie stets mit Bedacht und falls doch einmal ein Mensch im falschen Augenblick ihren Weg kreuzen sollte, hätte der nicht den Hauch einer Chance.

    Jetzt saßen die fünf finsteren Gesellen mit blutverschmierten Gesichtern im Kreis um das Feuer und verspeisten genüsslich ihre Beute. Ihre ausgeprägten Kiefer waren gespickt mit kräftigen, schwarzen Zahnreihen; lange Reißzähne ragten darüber hinaus. Mit diesem Gebiss konnten sie spielend die Knochen eines Büffels zermalmen, sodass sie meist nichts von ihrer Beute übrig ließen. Auf ihren dunklen muskulösen Körpern gab es nicht ein einziges Haar. Ausdruckslose Augen blickten aus tiefen Höhlen und ihre breiten Nüstern sogen mit jedem Atemzug Ströme von Luft ein. Ihr Geruchssinn war so ausgeprägt, dass sie einen Menschen bei günstigem Wind auf fünfhundert Meter Entfernung riechen konnten.

    Alle fünf trugen eine Art Lederpanzer, der den kompletten Oberkörper bedeckte und bis hinunter zu den Knien reichte. Um die Fesseln bis hinauf zu den dicken Waden sowie um die Handgelenke waren breite Lederbänder gewickelt. Geschmiedete grobschlächtige Streitäxte und Armbrüste hingen an den Sätteln ihrer riesigen Kaltblüter.

    Nachdem sie ihre Beute verspeist hatten, drehte einer von ihnen den Kopf zur Seite und schlug aus heiterem Himmel mit voller Wucht seinem Nachbarn die Faust auf den Schädel. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und binnen Sekunden war eine wüste Prügelei im Gang. Sie schlugen aufeinander ein und wälzten sich wild am Boden, bis einer von ihnen dabei im Feuer landete. Bestialische Laute hallten durchs Tal und ließen die Tiere ringsum verstummen. Irgendwann wurden sie müde und ließen voneinander ab. Sie legten sich zum Schlafen um die wohlig warme Glut des abgebrannten Feuers, auf den mit Laub bedeckten Waldboden.

    In weniger als zwei Tagen würden sie ihr Ziel erreicht haben und ihre Aufgabe erfüllen. Ihr Meister würde stolz auf sie sein. Sie ahnten nicht, dass ihnen jemand auf den Fersen war.

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    Der Hahn riss Thorwen jäh aus seinen Träumen. Er streckte sich und schaute durch einen Spalt in den Brettern hinaus aufs Land. Die Sonne war verschwunden, Nebelschwaden zogen über den See.

    Als er die Leiter hinunterkletterte, fühlte er sich frisch und ausgeruht. Vielleicht kann ich ja heute den Vorsprung ein wenig verringern, dachte er, als der Bauer ihn hereinbat. Hastig verschlang er das gute Frühstück, bedankte sich und verabschiedete sich von den gastfreundlichen Bauersleuten. Sein Pferd war schon gesattelt und sogar ein Beutel mit Proviant hing am Knauf. Er schwang sich gerade auf sein Pferd, als der Bauer noch einmal zu ihm herüberkam. „Ich bin nur ein einfacher Bauer und es steht mir nicht an einem Krieger Ratschläge zu erteilen, aber nehmt Euch in Acht vor den Adlern im Tal der Hundert Stimmen!" Thorwen nickte ihm dankend zu, stieß sein Pferd in die Flanke und ritt

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