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Ein dunkelblauer Schuhkarton: Hundert Märchen und mehr
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eBook136 Seiten1 Stunde

Ein dunkelblauer Schuhkarton: Hundert Märchen und mehr

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Über dieses E-Book

Märchen, Parabeln, Prosaminiaturen - mal poetisch, mal witzig und ironisch.

Es war einmal ... Diesen so typischen Einstieg in die Welt der Märchen setzt Jochen Jung an den Anfang jeder Geschichte. Er lässt die Geschichten dann aber eigenwillige Wege ziehen, wie einen Schwarm Zugvögel. Allerdings Zugvögel der unterschiedlichsten Art: bunte, sinnige, innige, kluge und herzlich dumme. Da geschieht es dann, dass die Geschichten gar keine Märchen sind, sondern Parabeln, kleine Erzählungen, Prosaminiaturen, die Rätsel aufgeben oder Ursprüngen nachspüren. Sie lassen sich von den gewöhnlichen Dingen des Alltags genauso inspirieren wie von den Meeren, den Himmelswinden oder den Bäumen etwa. Mal poetisch, mal witzig und ironisch, sind Jochen Jungs "Märchen" von einer ansteckenden Fabulierfreude geprägt, die oft vordergründig Harmloses als Bitterböses entlarvt, immer aber Dinge und Menschen in ihrer oft verborgenen Wirklichkeit darzustellen vermag.
SpracheDeutsch
HerausgeberHaymon Verlag
Erscheinungsdatum24. Apr. 2017
ISBN9783709937952
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    Buchvorschau

    Ein dunkelblauer Schuhkarton - Jochen Jung

    A.

    DIE FRAU

    Es war einmal eine, die fand einen, der ihr gefiel. Und den nahm sie auch.

    DER REGEN

    Es war einmal ein kleiner Regen, über den es aber kaum etwas zu sagen gibt. Ein paar Wolken hatten sich zusammengezogen, die ersten Tropfen fielen – die auch gleich die zweiten und dritten waren, aber wer zählt da schon mit? –, und bald darauf war alles vorüber. Hier und da nasse Flecken auf der Erde, dann auch die nicht mehr – zu wenig, um sich daran zu erinnern, ja nicht einmal genug zum Vergessen.

    DIE FÜCHSE

    Es war einmal im Norden, da, wo sich die Füchse Gute Nacht sagen. Einer von ihnen hatte damit angefangen, eines späten Abends – »Gute Nacht«, rief er –, und der, dem er es zugerufen hatte, war einigermaßen verwirrt stehengeblieben. Es hatte ihm aber nicht schlecht gefallen, und so probierte er es am nächsten Abend selbst. Mit Erfolg: denn bald darauf taten es alle Füchse dieser Gegend.

    Mit Erfolg? Die Freundlichkeit der Füchse nahm derartig zu, daß es ihnen immer schwerer wurde, ihrem Gewerbe nachzugehen, und schließlich einer nach dem anderen das Land verließ und auswanderte.

    Heute leben keine Füchse mehr in dieser Gegend. Sie heißt aber immer noch »da, wo sich die Füchse Gute Nacht sagen«.

    DAS BETT

    Es war einmal ein großes Bett, das stand auf vier festen Holzfüßen und war überhaupt ganz aus Holz. Aus Holz war auch der Boden, auf dem es stand, und aus Holz waren natürlich auch die Kästen und Schränke im Zimmer. Vor dem Fenster stand ein Baum und winkte. Aber wem? Den beiden, die da im Bett lagen und so ganz und gar nicht aus Holz waren? Dem Bett selbst?

    Ach was, Bäume sind Bäume, und die winken und wanken nicht. Aber irgend jemand hatte doch –

    DAS SCHLOSS

    Es waren einmal ein König und eine Königin, die lebten in einem Land neben einem anderen Land, in dem auch eine Königin und ein König lebten. Eines Tages kam es, wie es kommen mußte, und die einen machten bei den anderen einen Staatsbesuch. Das Wunderbare geschah: die vier hatten einander auf Anhieb sehr gern, sehr gern. Der Gegenbesuch ließ denn auch nicht lange auf sich warten, die Freude aneinander bestätigte sich, aber – man kann nicht jede Woche einen Staatsbesuch machen. Was also tun?

    Man beschloß, wenigstens für die besonderen Zeiten im Jahr, für die Ferien und die Feiertage – doch, doch, das haben Könige auch – eine Möglichkeit zu schaffen: man baute. Ein Schloß. Über der Grenze. Der eine Teil gehörte zum einen und der andere zum andern Land, und die Grenze ging mitten hindurch. Da verbrachten die vier von nun an die schönsten Tage des Jahres und die Nächte auch. Und nur gelegentlich hörten die Zöllner draußen, wie’s klopfte drinnen und jemand fragte: Darf ich einreisen? Und dann nur noch Gelächter.

    DER HELD

    Es war einmal ein Nibelunge, der war ein Held wie andere auch, tapfer und treu. Treu freilich nicht nur seinem eigenen Herrn, denn heimlich diente er einem zweiten, mußte ihm dienen: er litt am Reimzwang. Wo und wann auch immer ihm ein neues Wort unterkam, suchte er einen Reim darauf. Und da er mittlerweile sehr geübt war, fand er ihn auch. Bis, ja bis eines Tages eintrat, wovor er sich immer gefürchtet hatte: ein neues Wort war aufgekommen, er hörte es, suchte, grübelte, zermarterte sich, aber kein Reim wollte sich einstellen. Der Nibelunge sonderte sich ab, wurde blaß und bleich, und ehe drei Wochen um waren, fand man ihn eines Morgens tot im Eck. Das Wort hieß übrigens: deutsch.

    DIE LEUTE

    Es war einmal ein Mädchen, das vielleicht ein Junge war. Oder umgekehrt? Die Jeans, das T-Shirt, die Frisur, man wußte nicht so recht. Das Wesen schien ja eher zart, aber manchmal auch laut, so eindringlich irgendwie und zugleich ungreifbar. Natürlich wurde das Mädchen, das vielleicht ein Junge war, allmählich älter, aber wurde die Sache damit eindeutiger? Die Jeans, das T-Shirt, die Figur – auf den ersten Blick schien den Leuten immer alles ganz klar zu sein, aber wehe, sie fingen an, darüber nachzudenken, dann half nicht einmal mehr die Stimme; sofort war wieder alles möglich, das heißt beides. Eines Tages, eh das Geheimnis gelüftet war, zog sie weg aus der Stadt, und er wurde nie wieder gesehen.

    DER MÄRCHENERZÄHLER

    Es war einmal ein Märchenerzähler. Der zog aber nicht, wie die anderen Märchenerzähler, von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt; er suchte andere Ohren. Er ging vielmehr den langen Weg hinunter zum Fluß, fand eine sanfte Uferstelle und ließ sich dort nieder. Er blickte auf das zügig dahinfließende Wasser, das nie mehr dorthin zurückkehren würde, wo es jetzt war, und erzählte dem Fluß von den Bäumen, von ihrer Ruhe und ihrer Geduld und von ihrer Gelassenheit gegenüber den Tages- und Jahreszeiten. Wenn er fertig war, ging er zu den Bäumen, setzte sich in ihren verläßlichen Schatten und erzählte vom Fluß, seiner Lebhaftigkeit und seiner Neugier und seiner Suche zwischen Anfang und Ende. Wirklich reden mußte er nicht. Er saß einfach da, und sie verstanden ihn. Nur manchmal bewegten

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