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Abenteuer auf dem Darß: Ein Jugendbuch
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Abenteuer auf dem Darß: Ein Jugendbuch

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About this ebook

Wir schreiben das Jahr 1948 – Zeit des Neuanfangs, Zeit des Umbruchs. Für ein paar Wochen ist eine alte Mühle auf dem Darß das Ferienziel von vier Berliner Jungs. Nicht nur am Ostseestrand in Prerow oder dem Darßwald erleben sie ihre Abenteuer; es wird gesegelt, Wilderern nachgestellt, eine Ruine erkundet, einer der vier vor dem Versinken im Moor gerettet, ein Leuchtturm bestiegen, ein Floß gebaut, ein Brand gelöscht...
Das Buch ist eine spannende Zeitreise auf die Ostseehalbinsel und in die damalige DDR.
LanguageDeutsch
Release dateMay 1, 2017
ISBN9783356021431
Abenteuer auf dem Darß: Ein Jugendbuch

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    Abenteuer auf dem Darß - Erna von der Ropp

    Götz.

    Eine Mühle wird auf dem Darß gemietet

    Ein Schneetreiben jagte durch die Straßen. Kaum konnte man die Hand vor den Augen sehen. Große, schwere Flocken peitschte der Wind vor sich her und wirbelte sie hoch in die Luft, um sie dann an die Fenster oder auf den Asphalt zu schleudern, auf welchem sie sich aber sofort in schmutziges Wasser verwandelten.

    Auf den Bäumen und Sträuchern, die schon über und über grün waren, blieb der Schnee ein Weilchen liegen und bog ihre Zweige tief zur Erde hernieder, dann rutschte er herunter, oder der Wind fegte ihn fort.

    Es war ja aber auch schon der 10. Mai. Man schrieb das Jahr 1949. Die Eisheiligen zeigten sich in diesem Jahr besonders wild und unwirtlich. An den Gartenzäunen blühten die letzten Forsythien und sahen grau und verfroren unter dem Schnee hervor. Auch die Kirschbäume standen schon in voller Blüte.

    Toll war das, noch so ein Schneetreiben im Mai!

    Michael Wagner knöpfte seinen Mantel bis an den Hals hinauf zu und schlug den Kragen in die Höhe. Pfui Deubel, war das ein Wetter! Er zog die Mütze bis tief in die Stirn hinein, sonst würde sie ihm der Wind fortreißen und mit den Schneeflocken durch die Straßen wirbeln. Und die Mütze hatte er erst vor vier Wochen, zu seinem dreizehnten Geburtstage, geschenkt bekommen. Michael trat an einen Zeitungsverkäufer heran, der in einem Hausflur seinen Verkaufsstand aufgeschlagen hatte. Mit dem Manne war er befreundet. So durfte er in alle Zeitungen und Broschüren Einblick nehmen, denn alles zu kaufen, was er sich wünschte, war aus geldlichen Gründen nicht möglich. Er malte zwar Kacheln für ein Geschäft und half wöchentlich einen Nachmittag mit auf einem Bau. Dadurch verdiente er sich etwas Geld. Er tat dies mit seinen beiden Freunden Götz Martens und Jürgen Werner zusammen. Auf das Geld aber verzichtete er, bis auf eine kleine Summe. Er gab es seiner Mutter für die täglichen Ausgaben. Sie ging alle Morgen schon so früh in die Fabrik. Sie musste für vier Personen sorgen, für die kleine magere Mariella, seine Schwester, die Großmutter, die nur eine kleine Witwenrente bekam, und für ihn. Der Vater war aus dem Kriege nicht zurückgekommen.

    Götz Martens und Jürgen Werner waren seine besten Freunde und nur ein Jahr älter als er, Jürgen 14 und Götz sogar schon 14 ½. Götz war Klassenerster. Sie besuchten alle drei die letzte Klasse der Grundschule, Jürgen und Götz in der A und Michael in der B. Jürgen nahm es mit der Schule nicht so genau. Er musste zu Hause schon so viel mithelfen. Jürgens Vater war auch nicht aus dem Kriege zurückgekommen und hatte seine Frau mit einer ganzen Stube voller Kinder zurückgelassen. Heti, die Älteste, verdiente als Verkäuferin, Jürgen, der Zweitälteste, war sozusagen Mädchen für alles. Er musste Kohlen und Holz heranschaffen, Kinder hüten und einholen. Aber er war nicht unbegabt und lief daher nicht Gefahr, sitzenzubleiben.

    Götz Martens’ Eltern besaßen ein altes, kleines Haus in einem Obstgarten, und Herr Martens hatte eine feste Anstellung in dem Büro eines volkseigenen Betriebes.

    Die drei Jungen hatten sich erst auf den Gruppennachmittagen der Jungen Pioniere näher kennengelernt und sich bald fest aneinander angeschlossen. Sie gaben sich alle drei mit derselben leidenschaftlichen Hingabe den Aufgaben und Plänen der Jungen Pioniere hin. Keine Tages- oder Wochenendwanderung, keinen Gruppennachmittag ließen sie vergehen, ohne sich froh und arbeitsfreudig einzustellen. Das Touristenabzeichen hatten sie sich alle drei auch schon längst geholt. Das war ja auch nicht schwer. Sie waren stolz, Junge Pioniere zu sein, und trugen selbstbewusst das blaue Halstuch und das Abzeichen der Jungen Pioniere.

    Götz Martens, der langaufgeschossene Junge mit dem schmalen Schädel und den rotblonden Haaren, die er immer mit einer heftigen Bewegung aus der Stirn warf, hatte sich vorgenommen, so bald es möglich sein würde, auch einmal Gruppenleiter zu werden. Wie wollte er sich da immer wieder Neues und Schönes für die jungen Freunde ausdenken.

    Jürgen Werner war untersetzt, breit und kräftig gebaut, mit einer ungebärdigen blonden Mähne, die ihm wild um den Kopf stand.

    Michael dagegen war schmächtig, bedeutend kleiner und hatte dunkle, lockige Haare, ein Erbteil seiner Mutter, die italienisches Blut in den Adern hatte, aber in Berlin aufgewachsen war. Diese drei Jungen verband mitten unter den Jungen Pionieren eine herzliche Freundschaft.

    Michael trat jetzt an den Tisch heran, auf welchem die Zeitungen ausgelegt waren, und überflog die Titel. Dann nahm er sich eine und blätterte sie durch. Da blieben seine Blicke auf einer Anzeige der letzten Seite hängen.

    Umgebaute Mühle, am Waldrande gelegen, unweit vom Meer, vermietet für den Sommer, auch monatsweise an 3 bis 4 Jungen, nicht unter 14 Jahren, Maler Wunderlich, Mühlenhof, Wieck auf dem Darß.

    Michael las und las. Er hatte die Anzeige sicherlich schon dreimal gelesen. Seine Augen weiteten sich, und er zitterte vor Aufregung. Das war etwas Großartiges! Eine Mühle, unweit vom Meer, sollte an drei bis vier Jungen vermietet werden! Und diese drei Jungen, die wollten sie sein, Götz, Jürgen und Michael. Das war sein erster Gedanke. Das musste er sofort Götz und Jürgen zeigen! So etwas gab es nicht ein zweites Mal! Es war schon lange ihr sehnlichster Wunsch, einmal zusammen auszufliegen, und das Meer war das Ziel ihrer Sehnsucht. Das Mietgeld für die Mühle würde bestimmt nicht allzu hoch sein, sonst würde dieser Maler Wunderlich sie nicht an Jungen vermieten.

    Michael zahlte und ging, nein, er rannte davon. Er stürmte durch das Schneetreiben. Zuerst lief er zu Jürgen, klingelte unten an der Haustüre und trat in den Hausflur. Oben im vierten Stock, in welchem die Familie Werner wohnte, wurde die Türe aufgerissen. Michael pfiff: »Horch was kommt von draußen rein …«

    Oben antwortete Jürgen sofort mit derselben Melodie.

    »Komm doch rasch mal runter. – Aber bring deinen Mantel mit, es ist ein Hundewetter! Wir müssen unbedingt gleich einmal zu Götz gehen! Ich habe etwas ganz Feines, etwas ganz Großes!«

    »Ich komme gleich, Ehrensache!«, tönte es von oben. Und gleich darauf rutschte Jürgen, trotz seiner vierzehn Jahre, auf dem Geländer der vier Stockwerke herunter und kam lachend bei Michael an. »Wo brennt es denn, Kleiner?«

    »Das sage ich erst bei Götz. – Komm … los! Ihr werdet Augen machen!«

    »Na, so sag doch, um was es sich handelt!«

    »Nö … erst bei Götz!«

    »Na, denn man los … Du Geheimniskrämer, du … dalli … dalli!«

    »Ich kann ja auch einmal etwas Feines ausklamüsern, wenn ich auch der Jüngste bin von uns dreien … Und diesmal ist es etwas Einmaliges. – Das muss zustande kommen … auf alle Fälle!«

    »Spann einen doch nicht so auf die Folter! Wir können vielleicht jetzt schon, so auf dem Wege –, so wir zwei … ein wenig beraten … so eine kleine Vorberatung abhalten, ehe wir zu Götz kommen!«

    »Nöö«, lachte Michael, »so fängst du mich nicht! Abwarten …«, und er fuchtelte mit der Zeitung in der Luft herum. »Hier drin steht es. – Ganz groß, sage ich dir!« Rasch steckte er die Zeitung wieder ein, damit sie nicht nass wurde.

    Sie rannten durch die Straßen, dass das Schmutzwasser um sie hoch aufspritzte. Dazu schneite es jetzt so toll, dass sie wie zwei Schneemänner vor Götzens Haustüre ankamen. Sie klingelten dreimal. Das war ihr Zeichen.

    Sofort wurde oben im ersten Stock ein Fenster geöffnet und Götzens blonder Kopf sah heraus.

    »Prima, Götz, dass du zu Hause bist! Michael hat eine ganz pfundige Sache!«

    Michael schmunzelte, weil Jürgen so tat, als ob er es wüsste. »Ja, Götz, ganz groß …«, rief er hinauf.

    Von oben klang es lustig herunter: »Dann kommt mal rasch herauf. – Aber möglichst nicht als Schneemänner, so etwas schätzt nämlich meine Mutter nicht gerade!«

    Neben Götzens Kopf erschien auf einmal eine Hundeschnauze. Die gehörte dem kleinen Terrier Strupp, mit den schwarzen und gelben Flecken im Fell, dem getreuen Begleiter von Götz. Er hatte die Stimmen der beiden Freunde seines Herrn erkannt, war auf das Fensterbrett gesprungen und bellte nun seinen Gruß herunter.

    »Guten Tag, Strupp!«, rief Michael und setzte hinzu: »Du kommst natürlich auch mit. – Das wird dir gefallen!«

    »Also dem Strupp wird es auch gefallen. – Na, ich bin gespannt wie eine Trommel!«

    Nun stürmten die Jungen die Treppe hinauf. Aber ehe sie die Wohnung betraten, zogen sie ihre Mäntel aus und schüttelten sie so, dass da mitten im Haus ein tolles Schneegestöber entstand.

    Götz klappte schnell noch einmal die Türe zu und rief: »Wenn ihr da draußen fertig seid, dann klopft!«

    Und schon donnerte es an die Türe.

    Strahlend traten sie ein. Bald darauf saßen sie alle drei in Götzens kleinem, behaglichem Zimmer, mit den blau gestrichenen Möbeln, an seinem Arbeitstisch vor dem Fenster. Das Zimmer war nur so groß, dass außer seinem Schreibtisch und dem Bett gerade noch drei Stühle und neben dem Ofen noch ein Bücherregal Platz hatten. Aber es war eben ein eigenes Zimmer!

    Jürgen, der sonst immer das Wort führte, schwieg erwartungsvoll und sah auf Michael, der bedächtig seine Zeitung hervorholte.

    »Na, was gibt es denn da drin so Wichtiges?«, fragte Götz und wollte ihm über die Schulter in die Zeitung hineinschauen.

    »Nein … ich lese vor!«

    Und nun las er die Anzeige laut und vernehmlich vor:

    Umgebaute Mühle, am Waldrande gelegen, unweit vom Meer, vermietet für den Sommer, auch monatsweise an 3 bis 4 Jungen, nicht unter 14 Jahren, Maler Wunderlich, Mühlenhof, Wieck auf dem Darß.

    Dann schwieg er und sah erwartungsvoll auf.

    Die beiden Freunde waren stumm. Dann nahm Götz Michael die Zeitung aus der Hand und las die Anzeige noch einmal laut vor.

    »Das ist ja einfach … Da finde ich überhaupt keine Worte!«

    »Nu … ganz große Klasse!«, brachte Jürgen endlich hervor. »Da hast du aber tatsächlich etwas ganz Feines ausklamüsert!«

    »Da müssen wir hin. – Die müssen wir mieten. – Aber auch sofort! Dass uns da nur nicht noch irgendwer zuvorkommt!« Götz war ganz aufgeregt. »Mönsch, Michael, das ist was für uns! Und Strupp kommt natürlich auch mit! Ich werde gleich einmal meine Mutter holen. Die hat Verständnis für so etwas, und sie kennt ja auch den Darß. Vielleicht kennt meine Mutter sogar die Mühle. Das Geld treiben wir dafür schon auf. Ich habe da eine feine Idee. Da braucht ihr euch keine Sorgen zu machen.« Und raus war er und kam sogleich mit seiner Mutter wieder zurück.

    Und zum dritten Male wurde die Anzeige laut vorgelesen.

    »Ja, natürlich kenne ich Wieck und den Darß und die ganze Gegend dort«, fiel Götzens Mutter sofort ein und berichtete dann: »Wir waren im vergangenen Jahre, als Vater vom Betrieb als Leistungsprämie einen Aufenthalt von acht Tagen an der See erhielt, auch in Prerow und haben einen Ausflug nach Wieck gemacht. Und auf den Mühlenhof mit seinem gewaltigen Rohrdach kann ich mich genau besinnen … auf die Mühle selbst nicht. Sie liegt vielleicht mehr am entgegengesetzten Ende des Dorfes, nach Born zu, wo die Dampferhaltestelle für Wieck am Bodden ist. Der Darßer Wald ist sehr schön und zieht sich bis dicht an das Dorf heran. Es gibt dort auch ein Wiecker Moor, das berühmt ist wegen seiner seltenen Pflanzen. Wieck liegt direkt am Bodden, der so breit ist, dass man das gegenüberliegende Ufer kaum erkennen kann! Kinder, das wäre aber wirklich etwas für euch! Da müsst ihr in den großen Ferien hin!«

    »Aber das Sommerlager der Jungen Pioniere und auch noch die Mühle … ist das nicht ein bisschen viel? Und zur Erntehilfe nach Lobeofsund möchten wir doch auch gerne wieder …«, meinte Götz nachdenklich.

    »Ach, zur Erntehilfe gehen wir in den Herbstferien, zum Kartoffelnrausmachen, ist auch nötig. – Und drei Wochen geht es nach Wieck, in die Mühle, … und dann – dann bleiben uns immer noch drei Wochen für das Sommerlager. Aber die Mühle, die können wir uns nicht entgehen lassen!«

    »Vielleicht können wir überhaupt die Mühle schon viel eher mieten und nicht erst in den großen Ferien«, sagte Götz auf einmal lebhaft. »Heute sprach Herr Lindner davon, dass einige Klassen unserer Schule wahrscheinlich auf vier bis sechs Wochen der Diphtherieepidemie wegen geschlossen würden. Und da sind unsere Klassen dabei.«

    »Das wär aber Klasse … schon so bald!«, jubelte Michael auf.

    »Ach«, sagte die Mutter, »ist es wirklich so schlimm? Sind so viele Kinder erkrankt?«

    »Ja, es reicht zu, Mutter, bei uns in der Klasse fehlen schon acht.«

    »Da wäre es ja um so besser, wenn ihr aus Berlin raus könntet! Ich glaube auch nicht, dass das Mietgeld für die Mühle sehr hoch sein wird.«

    Jürgen wurde auf einmal ganz still und runzelte die Stirn. Dann sagte er, und es war eine große Enttäuschung in seiner Stimme: »Ach, es wird ja doch nichts draus! Das Geld für die Reise, die Mühle und das Leben dort … wo soll denn das herkommen? Wir wollen uns gar nicht erst so in diese Idee verrennen! Kann ja nichts draus werden! Für das Sommerlager der Jungen Pioniere habe ich meine Mutter schon rumbekommen. Sie hat mir das Geld, es sind immerhin etwas über zwanzig Mark, zugesichert. Da kann ich ihr nicht wieder mit einer Geldausgabe für mich kommen … Ihr müsst eben an meiner Stelle einen anderen Freund mitnehmen!« Und er seufzte tief auf.

    »Das kommt gar nicht infrage!«, sagte Götz. »Darüber habe ich mir natürlich sofort meine Gedanken gemacht. Seht, ihr gebt euer Geld, das ihr euch auf dem Bau und durch das Kachelmalen verdient, euern Müttern, weil eure Väter im Kriege gefallen sind! Aber ich brauche das nicht, weil ich doch noch meinen Vater habe. Ich spare also das Geld. Glaubt ihr vielleicht, ich habe daran gedacht, es für mich allein auszugeben oder es so lange zu sparen, bis ich einen Vollbart trage und alt und grau bin? Nein!«, und sich an seine Mutter wendend, fuhr er fort: »Mutter, du verstehst es doch … nicht wahr, ich darf das Geld für uns drei für diese Fahrt ans Meer verwenden! Bitte sage doch: Ja!«

    Die Mutter überlegte einen Augenblick, dann strich sie ihrem großen Jungen übers Haar und sagte: »Von mir aus … ja, Götz!«

    Da schlang Götz einen Augenblick seinen Arm um den Hals der Mutter und sagte: »Du bist eine fabelhafte Mutter, du musst uns auch noch weiterhelfen, bei Vater!«

    »Das werde ich schon!«

    »Das … einfach herrlich wäre das«, meinte endlich Jürgen. »Meine Mutter könnte ich nämlich wirklich nicht um Geld bitten. Wo es bei uns so knapp zugeht!«

    »Bei mir ist es ebenso«, seufzte Michael. »Natürlich gebe ich meiner Mutter alles Geld, sie hat es sowieso so schwer. Wenn du tatsächlich für Jürgen und mich zahlen willst … Das wäre ja gar nicht auszudenken … zu schööön … mordsanständig! Aber, Frau Martens, das ist doch zu viel! Nein, das geht eben nicht!«

    »Doch, doch, es wird schon gehen. Also macht euch darüber keine Sorgen.«

    »Ich stifte euch eine kleine Summe von meinem gesparten Wirtschaftsgeld. Und ihr besprecht es mit euren Müttern! Die müssen ihre Erlaubnis geben! Einen Tag hat es sicherlich Zeit. Aber ich glaube auch, wir müssen uns rasch entschließen. Ich mache mir nur eben Gedanken, wie ihr es mit dem Essen machen sollt! Aber da ist, soweit ich mich erinnere, in Wieck ein großer Gasthof. Da könnt ihr mittags essen, und abends müsst ihr euch eben allein eine dicke Suppe kochen, denn ihr werdet einen ungeheuren Hunger bekommen, wenn ihr so viel an der Luft seid … und noch dazu am Bodden und am Meer!«

    »Wir können uns auch mittags das Essen selber kochen, Frau Martens, das kann ich nämlich prima … und wird auch billiger«, sagte Jürgen. »Wenn man so das Mädchen für alles zu Hause ist, da wird man auch fürs Kochen angelernt! Ich sage Ihnen, ich bringe Ihnen eine Erbssuppe auf den Tisch, die lassen Sie nicht stehen!«

    »Das ist fein, da brauche ich mich also nicht zu sorgen«, meinte Frau Martens lächelnd, »aber ich bin doch dafür, dass ihr im Gasthof essen geht, denn ich kann mir vorstellen, dass du zum Kochen nicht gerade immer Lust haben wirst, denn es nimmt immerhin eine gewisse Zeit in Anspruch … und dann der Aufwasch!«

    »Ja, da mögen Sie vielleicht doch recht haben. Daran hatte ich nicht gedacht!« Und Jürgen kratzte sich hinter den Ohren und bot seine Kochkenntnisse nicht weiter an.

    Frau Martens blieb noch ein Weilchen bei den Jungen sitzen und erzählte von Prerow und dem Prerowstrom, der sich durch das ganze Dorf zieht und salziges Wasser führt, Brackwasser. Sie erzählte von den kleinen, sauberen Häusern dort, von dem Strand, dem fast weißen Sand und dem hellgrünen Wasser. Und von dem weiten Bodden sprach sie, an dem Wieck liegt, mit seinem hohen Schilf und grünen Ufern. Sie erzählte von den Adlern und Weihen, die mit ihren ruhigen, weitausladenden Flügelschlägen nach ihren Horsten im Darßer Wald fliegen, und von den vielen Möwen, die so weiß in der Sonne glitzern.

    Ja, es musste alles geschehen, dass die Jungen die Mühle mieten konnten. Dafür wollte sie sorgen!

    Es war spät am Abend, als sich die drei Freunde trennten.

    Am nächsten Morgen war das Schneetreiben des vergangenen Tages vorüber und vergessen, und der Frühling war wieder in all seiner Pracht und Wärme über dem Land.

    In der Pause trafen sich die Freunde im Schulhof.

    Jürgen kam dahergerannt. »Kinder, tatsächlich, heute werden drei Klassen wegen Diphtherie geschlossen. – Und unsere Klassen gehören dazu … Hurra!« Und schon befanden sich sein Kopf zwischen den Händen auf dem Fußboden und die Beine in der Luft. Er lief auf den Händen um die Freunde herum und dabei krähte und sang er. Dann stand er wieder auf den Füßen und legte seine Arme um die Schultern der Freunde. »Haben wir ein Schwein! Du, Götz, da wird gleich heute telegrafiert und die Mühle gemietet … nicht auszudenken … nicht auszudenken!«

    »Herrlich … herrlich …«, jubelte Michael, zog aus seiner Hosentasche eine kleine Mundharmonika hervor und blies immer abwechselnd einmal in den Diskant und einmal in den Bass hinein, ganz laut. Schön klang das nun nicht gerade. Dann aber ging er in eine lustige Melodie über.

    »Was haben eure Mütter zu unserer Idee gesagt«, fragte Götz.

    »Ganz ehrlich«, meinte Jürgen, »meine hat erst geschimpft. Sie hat gesagt: ›Alle Tage hast du andere Verrücktheiten im Kopf und nie was Gescheites! Guck lieber in deine Schulbücher und hilf mir etwas mehr, das wäre klüger. Und

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