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Schulfach Glück: Wie ein neues Fach die Schule verändert
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Schulfach Glück: Wie ein neues Fach die Schule verändert
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Schulfach Glück: Wie ein neues Fach die Schule verändert

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About this ebook

Am wenigsten glücklich sind Kinder beim Zahnarzt - und in der Schule. Ein Heidelberger Oberstudiendirektor hat beschlossen, das an seiner Schule zu ändern. Er führte das Fach "Glück" ein (das sogar als Prüfungsfach im Abi gewählt werden kann) und entwickelte zusammen mit einem Team von Experten einen konkreten Lehrplan. Seitdem hat sich das Schulleben grundlegend geändert. Schülerinnen und Schüler lernen Lebenskompetenz - und sie haben auf einmal Spaß am Lernen: Kreativität entwickeln beim Lösen von Aufgaben, Verantwortung übernehmen, andere Menschen für sich gewinnen und Konflikte lösen, Interessen und Begabungen entdecken und entfalten, Gesundheitsbewusstsein entwickeln ... Nicht nur die Medien sind fasziniert von diesem Modell. Denn es zeigt sehr einfach und eindrücklich: Eine andere Schule ist möglich!
LanguageDeutsch
PublisherVerlag Herder
Release dateJun 29, 2010
ISBN9783451333231
Schulfach Glück: Wie ein neues Fach die Schule verändert

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    Schulfach Glück - Ernst Fritz-Schubert

    The Cover Image

    Ernst Fritz-Schubert

    Schulfach Glück

    Wie ein neues Fach die Schule verändert

    Herder Freiburg Basel Wien

    2. Auflage 2008

    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2008

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

    ISBN (E-Book) 978-3-451-33323-1

    ISBN (Buch) 978-3-451-29849-3

    Geleitwort

    Wer die deutsche Schulwirklichkeit kennt, denkt zuerst, dass es sich beim Buch „Schulfach Glück von Ernst Fritz-Schubert um eine kurzweilig und mitreißend geschriebene Fiktion aus einer fernen Zukunft handelt. Hören wir nicht täglich, dass es nur um „schneller, höher, weiter geht? Zählt letztlich nicht nur das wirtschaftliche Wachstum? Wirkt hier das „Gerede vom Glück nicht einfach nur störend? Doch halt! Hat nicht schon Aristoteles gesagt, dass das letzte Ziel des menschlichen Handelns Glück ist? Hat nicht Bundespräsident Horst Köhler seine „Berliner Rede 2007 unter das Leitthema „Das Streben der Menschen nach Glück verändert die Welt gestellt? Ist das ständige Streben nach immer „Mehr an materiellen Gütern vielleicht nur eine epochale Sackgasse? Worum es vielmehr geht, sind Sinn und Menschlichkeit als Quellen für ein glückliches Leben. Fritz-Schuberts Buch – eine Pflichtlektüre für jeden Pädagogen und Schulpolitiker – liefert hier einzigartige Einblicke in ein Schulfach „Glück", das er mit Erlaubnis des Kultusministeriums Baden Württemberg in der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg einführte. Einzelne bewegen die Welt. Und das Fach Glück wird schon bald Eingang finden in den deutschen Schulalltag. Man wird sich dann wohl eher die Frage stellen, wieso es so lange gedauert hat.

    Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel

    Fakultät Betriebswirtschaft

    Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg

    Einleitung

    Glück und Schule. Passt das zusammen? Wer Glück und Schule verbinden möchte, geht das Risiko ein, ausgelacht und verspottet zu werden, großmütige Zeitgenossen belassen es vielleicht auch nur bei einem Stirnrunzeln.

    Viele Menschen haben an ihre Schulzeit fast nur ungute Erinnerungen. Schulangst hat wohl jeder schon einmal erfahren. Irgendwie muss ich da durchkommen durch dieses Zwangssystem, denken die meisten Schüler. Das gilt übrigens auch für eine stattliche Anzahl von Lehrern. Durchwursteln, überleben, Schule. Aber Glück?

    So wundert es nicht, dass zwar in ihrer Bedeutung als wichtigen Lebensraum die Schule gleich hinter der Familie steht, aber auf der Beliebtheitsskala gerade noch vor dem Besuch beim Zahnarzt rangiert.

    Eltern fürchten ein eventuelles Versagen ihrer Kinder in der Schule und hoffen nur, dass ihre Sprösslinge unbeschadet durch das System kommen. Kaum einer mag die Schule, aber alle wissen auch, ohne sie geht es nicht.

    Die Lehrer fühlen sich durch eine Flut von Vorschriften und ständig wechselnden Bildungsstandards unter Druck, von den Politikern allein gelassen und von der Öffentlichkeit als Ferienmeister, Faulpelze und Besserwisser abgestempelt.

    Alles keine guten Voraussetzungen, Glück und Schule irgendwie in Verbindung zu bringen.

    Die dringend notwendige Zusammenarbeit von Eltern und Lehrern – wenn sie denn überhaupt stattfindet – verläuft oft eher verhalten und misstrauisch als kooperativ. Läuft die Schule, ist der Kontakt nicht unbedingt notwendig, es ergibt sich eine Art friedliche Koexistenz. Wehe aber, die Schüler „funktionieren" nicht, dann hagelt es Vorwürfe. Von der einen Seite werden die angeblich unfähigen oder ungerechten Lehrer, die die Leistungen der Pennäler verkennen und nicht fördern, angegangen. Pauker statt Pädagogen schallt es über den Schulhof.

    Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Nein, es sind die Eltern, die unfähig und überfordert sind und die die notwendigen Voraussetzung nicht geschaffen haben, bei ihnen liegt die Ursache, poltern die Lehrer zurück. Die Schule sei schließlich kein Reparaturbetrieb für die unterlassene Erziehung durch die Familie.

    Wo bleiben da die Hauptbetroffenen, die Schüler? Glück? Oder wenigstens ein paar Glücksmomente?

    Die gibt es schon. Aber die Glücksmomente in deutschen Schulen beschränken sich bei vielen Schülern nur auf wenige Tage. Auf den ersten Schultag, da gibt es die Zuckertüte und tolle Geschenke. Auf den letzten Schultag, denn dann ist endlich alles vorbei. Glücksmomente erleben die Kinder vor allem dann, wenn der Unterricht ausfällt. Diese Tatsache wird hierzulande allzu gern verharmlost, übrigens nicht nur von den Schülern, sogar von manchen Politikern. „Und trotzdem ist doch aus uns etwas geworden", kanzelte einst der frühere baden-württembergische Kultusminister Mayer-Vorfelder und Ehrenpräsident des Deutschen Fußballbundes das Thema ab.

    Seit Generationen wird über das Bildungssystem diskutiert. Geändert hat sich trotz zahlreicher Pisa-Studien der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development-Report) nicht viel. Andere, vor allem nordeuropäische Länder, haben Deutschland, das Land der Dichter und Denker, nach diesen Untersuchungen längst in die zweite Bildungsliga verdrängt, und das wurmt.

    Als erste Reaktion auf die miserablen Ergebnisse der seit dem Jahr 2000 durchgeführten Untersuchungen forderten einige Politiker sogar, aus der Studie einfach auszusteigen. Bildungskritiker verlangen wieder mehr Disziplin und Strenge. Es gibt sogar Stimmen, die nach einer Renaissance der wilden 68er, nach antiautoritärer Pädagogik rufen. Verwegene möchten die Legende Summerhill mit der pädagogischen Lehrfibel ihres Begründers Alexander S. Neill aus der Versenkung holen.

    Wir sind aber längst im 21. Jahrhundert angekommen. Gescheiterte Modelle des 20. Jahrhunderts sollten nicht wiederholt werden, und es wird höchste Zeit, in Anlehnung an Hartmut von Hentig, Schule neu zu denken. Das Fach Glück, für das ein Lehrplan und ein Unterrichtskonzept mit vielen externen Dozenten und Lehrern entwickelt wurde, soll dazu einen Impuls geben. Glück macht Schule und Schule macht Glück. Dass das möglich ist, soll dieses Buch zeigen.

    Teil I

    Schulische Wirklichkeit

    1. Die Schultüte: Ein Placebo mit Zuckerguss

    Alle Kinder freuen sich auf den ersten Schultag. Sie sind aufgeregt. Was auf sie zukommt, kennen sie zwar nicht, aber es ist unheimlich spannend. Der Schulranzen ist das Symbol für die Kleinen, das ihnen zeigt, jetzt gehören sie endlich zu den Großen, weil sie ja lesen, schreiben und rechnen lernen. Er bringt so viel Aufregung, so viel Motivation mit und ist für jeden ABC-Schützen mit heftigen Glücksgefühlen verbunden. Der erste Schritt in die Schule.

    Alleine in eine andere Welt zu starten und selbständig zu werden, ist ein wunderbares Gefühl. Die Schultüte mit dem bunten Krepppapier und den vielen Geschenken zeigt den Kleinen, heute an ihrem ersten Schultag sind sie der Star. Fürwahr ein großartiges Erlebnis. Ein Ereignis, das ihnen in der Zeit davor süße Träume beschert, das sie vorher fürchterlich stolz macht. Vorher.

    Ich kann mich noch gut an jenen Apriltag 1954 erinnern – damals wurde noch zu Ostern eingeschult – an dem meine Mutter mich im Alter von fünf Jahren, ein Jahr zu früh, in der Domschule in Fulda anmeldete. Mit dieser wahnwitzigen Aktion wollte sie vermeiden, dass ich mit Dieter, dem Sohn ungeliebter Mieter, die uns als Flüchtlinge vom Wohnungsamt zugewiesen worden waren, in eine Klasse komme. Dabei fand ich den Dieter gar nicht so schlimm.

    Auf jeden Fall habe ich mich sehr auf diesen Tag gefreut. Die glitzernde, bunte Schultüte faszinierte mich, zog mich magisch an mit all ihren Leckereien, die ich damals nicht jeden Tag genießen konnte. Ich war unglaublich neugierig, wie es wohl drinnen in der Schule aussieht. Immer wieder habe ich mir ausgemalt, wo ich im Klassenzimmer sitzen will, erste Reihe, letzte Reihe, mittendrin, nur entscheiden konnte ich mich nicht. Wieso auch? Wer sitzt dann neben mir? Eine Schule, ein Klassenzimmer, wer kann sich schon als Piefke mit fünf Jahren ausmalen, was da auf einen zukommt.

    Was für ein Mensch wird mein Lehrer sein? Immer wieder beschäftigte ich mich damit. Streng etwa, wie viele in dieser Zeit? Wer geht noch alles in die Klasse? Was sind das für Kinder? Wie werden die zu mir sein?

    Jetzt endlich gehörte ich zu den Schulkindern. Der Schulweg war lang und dauerte eine halbe Fußwegstunde. Als wir dort ankamen, fiel mir als erstes der Geruch auf. Ein Duft von Bohnerwachs, Schiefer und Holz zog durch die Flure. Das Klassenzimmer war groß und die Bänke waren aus Holz, fest montiert mit einem kleinen eingelassenen Tintenfässchen in der Mitte. Für mich war dies alles neu und völlig ungewohnt. Als ich meinen Platz in der ersten Reihe eingenommen hatte, wir waren nach der Größe sortiert, mussten die Eltern den Raum verlassen. Manche Kinder weinten und wollten raus, durften aber nicht.

    Mein Lehrer, der Herr Farnung, schien nett zu sein. Bis er fragte, wer denn mal nach vorne kommen möchte, um mit ihm gemeinsam zu rechnen. Neben mir saß Michel, ein Schüler, der wegen einer unerkannten Infektionskrankheit ein Auge verloren hatte und zu Hause wohl schon sehr viel geübt hatte. Der ging dann nach vorne. Mit Hilfe einiger wunderschöner bunter Holzkugeln zeigte er uns allen, dass das Rechnen kinderleicht ist. Für ihn jedenfalls.

    Als Fünfjähriger hatte ich bis dahin so manche Kugel beim Murmelspiel erobert, aber richtig gerechnet hatte ich bis dahin noch nicht. Dafür konnte ich Bäume besteigen, unserem Hund den Knochen entreißen und mit der Tante Plätzchen backen. Ich war nämlich bis dahin so naiv zu glauben, dass man Rechnen erst in der Schule lernen sollte.

    Mit dieser so wichtigen Lebenserfahrung durfte ich anschließend mit meiner Mutter wieder nach Hause. Die Erfahrungen des ersten Tages waren zusammengefasst einfach riesig. Man lernt für die Schule am besten vorher oder bringt das Wissen aus dem Elternhaus mit, sonst steht man meistens dumm da und die Hausaufgaben dauern lange. Viele Fähigkeiten, die sonst ganz wichtig sind wie etwa das Klettern, werden in der Schule ziemlich unwichtig. Irgendwie muss ich diese Erkenntnisse dann jahrelang verdrängt und vergessen haben. Schon in meinem ersten Zeugnis standen so schöne Sätze wie: „Ernst hat sich in letzter Zeit erheblich gebessert. Bei weiteren Anstrengungen wird er sicher bald zu guten Leistungen kommen. So bald war es nicht und wirklich ermutigend klangen diese Ausführungen auch nicht. War ich denn vorher krank und jetzt endlich auf dem Wege der Besserung? Klar war das anstrengend und wie gerne wäre ich dafür richtig gelobt worden. Warum stand da eigentlich nicht auch, dass ich als jüngster Schüler gut mit den anderen auskam und meinen Platz unter ihnen gefunden hatte. Dass mir Lernen offensichtlich Freude macht und ich genau deshalb auch sicher bald zu guten Leistungen kommen würde. Nein, da stand einfach nur „weitere Anstrengungen und die sind bekanntlich vor allem mit Plackerei, Leiden und Entbehrungen verbunden. Wofür eigentlich?

    Für Kinder sind das eher schreckliche Perspektiven. „Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das Leben." Und das soll etwa nur mit Anstrengungen funktionieren? Das Leben? Herrliche Aussichten. So entpuppte sich der erste Schultag auch bei mir nachträglich als Placebo mit Zuckerguss.

    An dieser Erkenntnis knabbern immer noch viele Kinder. Der erste Schultag verläuft zwar heute ganz anders, aber die Zuckertüte, in die jetzt zum Teil auch werthaltige Geschenke gepackt werden, existiert immer noch. Der Tag ist zum Familienfest geworden und die Einführung in den harten Schulalltag geht sanfter von statten. Für die Kleinen gibt es auch in den ersten beiden Jahren nur verbale, meist großzügige Beurteilungen. Die Grundschule bemüht sich, zumindest in den ersten beiden Schuljahren, Schüler und nicht Fächer zu unterrichten. Aber spätestens ab der dritten Klasse wird die Geschichte schon stressiger. Jetzt beginnt nämlich die Vorstufe des Selektionsprozesses, Noten und Klassenarbeiten zeigen tatsächliche oder vermeintliche Leistungsunterschiede auf. Eltern werden dann schnell sehr aktiv, denn die Festlegung der Schullaufbahn ist eine existenzielle Lebensentscheidung. Die Kinder müssen in den nächsten beiden Jahren (in einigen Bundesländern auch erst nach weiteren vier Jahren) sortiert werden. Die Lehrer geraten dann oft unter starken Druck, denn am Ende dieser Phase

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