Auf dem Weg der Stille: Das Heilige im Alltag leben
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Ein im besten Sinne des Wortes leises Buch, das uns im Lärm und der Hektik des Lebens Ruheoasen schenkt und uns die reiche Spiritualität von David Steindl-Rast näherbringt.
"Die Stille der Ordnung ist eine dynamische Stille, die Stille einer Flamme, die in vollkommener Ruhe brennt, oder eines Rads, das sich so schnell dreht, dass es stillzustehen scheint. Schweigen in diesem Sinn ist nicht nur eine Eigenschaft der Umgebung, sondern in erster Linie eine Einstellung, eine Haltung des Hörens. Lasst uns also einander Schweigen schenken. Lasst uns damit auf der Stelle anfangen." (David Steindl-Rast) Stille ist ein Geschenk Gottes, sagt der Benediktiner und Weisheitslehrer David Steindl-Rast. In diesem Buch beschreibt er einen Weg der Stille, der uns lehrt, mit unserem Leben und mit uns selbst achtsamer umzugehen. So lernen wir wieder die leisen Schönheiten des Alltags zu entdecken und zu schätzen.
Ein im besten Sinne des Wortes leises Buch, das uns im Lärm und der Hektik des Lebens Ruheoasen schenkt und uns die reiche Spiritualität von David Steindl-Rast näherbringt.
"Die Stille der Ordnung ist eine dynamische Stille, die Stille einer Flamme, die in vollkommener Ruhe brennt, oder eines Rads, das sich so schnell dreht, dass es stillzustehen scheint. Schweigen in diesem Sinn ist nicht nur eine Eigenschaft der Umgebung, sondern in erster Linie eine Einstellung, eine Haltung des Hörens. Lasst uns also einander Schweigen schenken. Lasst uns damit auf der Stelle anfangen." (David Steindl-Rast)
David Steindl-Rast
Benediktinermönch, Wien, studierte Kunst, Anthropologie und Psychologie an der Universität Wien.
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Book preview
Auf dem Weg der Stille - David Steindl-Rast
David Steindl-Rast
Auf dem Weg der Stille
Das Heilige im Alltag leben
Aus dem Amerikanischen
von Bernardin Schellenberger
596.pngTitel der Originalausgabe:
The Way of Silence.
Engaging the Sacred in Daily Life
© David Steindl-Rast 2016. Alle Rechte vorbehalten.
Veröffentlicht von Franciscan Media, Cincinnati/Ohio, USA, 2016
Als deutsche Bibelübersetzung ist zugrunde gelegt:
Die Bibel. Die Heilige Schrift
des Alten und Neuen Bundes.
Vollständige deutschsprachige Ausgabe AΩ
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2005
Für die deutschsprachigen Ausgabe:
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand, Stefan Weigand
Umschlagmotiv: © bmnarak – shutterstock
E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern
ISBN (E-Book) 978-3-451-81009-1
ISBN (Buch) 978-3-451-37523-1
Inhalt
Kapitel 1
Lernen, wie man in Stille betet
Kapitel 2
Das Vermögen des menschlichen Herzens, heimzufinden
Kapitel 3
Der Mystiker in uns allen
Kapitel 4
Mit Körper, Denken und Geist lebendig sein
Kapitel 5
Gott durch die Sinne finden
Kapitel 6
Die Kunst dankbarer Freude entwickeln
Kapitel 7
Auf die dynamische Ordnung der Liebe eingestimmt sein
Kapitel 8
Auf heiligem Grund stehen
Kapitel 9
Unsere Suche nach dem letzten Sinn
Kapitel 10
Der mystische Kern der organisierten Religion
Meditation
Quellen
Über den Autor
Kapitel 1
Lernen, wie man in Stille betet
Es gibt eine negative und eine positive Bedeutung von Stille. Negativ aufgefasst bedeutet Stille die Abwesenheit von Geräusch oder Wort. Auf diesen Seiten beschäftigen wir uns mit der positiven Bedeutung. Stille ist die Matrix, aus der heraus ein Wort geboren wird, das Heim, zu dem es über das Verstehen zurückkehrt. Ein Wort (im Gegensatz zur Unterhaltung) bricht die Stille nicht. Im echten Wort kommt die Stille zu Wort. Im wirklichen Verstehen kehrt das Wort heim in die Stille. Für jene, die lediglich die Welt der Worte kennen, ist Stille bloße Leere. Unser stilles Herz aber kennt das Paradox: Die Leere der Stille ist unerschöpflich reich; alle Worte dieser Welt sind nur ein Tropfen ihrer Fülle.
Aus: Fülle und Nichts, 185
Meine früheste Erinnerung an das formelle Gebet sieht so aus: Meine Großmutter ruht nach unserem gemeinsamen Mittagessen auf ihrem Bett, hält in ihren Händen den Rosenkranz und bewegt leise ihre Lippen.
In meiner Erinnerung wirkte ihr Bett auf mich riesig, und deshalb muss ich damals noch recht klein gewesen sein. Doch als ich sie bat, auch mir dieses geheimnisvolle Spiel beizubringen, tat sie das. Die Geschichten hinter den fünfzehn Geheimnissen, wie meine Großmutter sie mir erzählte, blieben mir im Gedächtnis und keimten in meinem Herzen. Sie trieben darin wie Setzlinge in gutem Boden Wurzeln, wuchsen weiter und bildeten Ableger. Sie tragen ganz ähnlich wie eine alte Erdbeerpflanze bis heute immer wieder Frucht.
Ungefähr dreißig Jahre danach und in einem anderen Erdteil ruhte meine Großmutter wieder auf ihrem Bett und ich kniete daneben; dieses Mal lag sie im Sterben. Auch meine Mutter kniete am Sterbebett ihrer Mutter, und wir sprachen gemeinsam die Sterbegebete aus dem englischen Brevier. Großmutter lag im Koma, aber sie wirkte ruhelos. Immer wieder hob sie ihre linke Hand etwas an und ließ sie wieder aufs Bett zurückfallen, immer und immer wieder. Wir konnten das Klimpern des silbernen Rosenkranzes hören, den sie ums Gelenk gewickelt hatte. Schließlich begriffen wir, was sie wollte. Wir hörten mit den Psalmen auf und begannen den schmerzensreichen Rosenkranz zu beten.
Dann lasen wir ihr aus ihrem Andachtsbuch vor: »Mein Sohn kam mit seinen Aposteln auf den Ölberg. Dort war ein Garten, in dem er häufig zu beten pflegte. Er empfand Traurigkeit, eine tiefe, tiefe Traurigkeit. Er fühlte sich einsam: Mein Sohn in seinem Menschsein verspürte eine tiefere Traurigkeit, als sie irgendjemand sonst verspüren konnte, denn er war reinen Herzens: Er war ohne Sünde. Er nahm seine engsten Freunde mit: Petrus, dem er seine Kirche anvertrauen wollte, Jakobus und Johannes. Johannes war derjenige, der sich meiner annehmen sollte, nachdem Jesus von den Toten auferstanden war. Jesus sagte zu ihnen: ›Mein Herz ist traurig bis zum Tod. Bleibt hier und betet und wacht, indes ich gehe und für mich allein bete.‹ Jesus ging zum Beten weiter hinein. Er wollte ganz für sich allein beten. Er wollte seinem Vater sein Herz ausschütten …«
Bei diesen ihr vertrauten Sätzen aus dem Andachtsbuch entspannte Großmuter sich, und als wir zum Geheimnis des Sterbens Jesu am Kreuz kamen, gab sie friedlich ihren Lebensatem Gott zurück.
Eine andere Kindheitserinnerung, die ich habe, hängt mit dem Angelus-Gebet zusammen. In meinem ganzen Heimatland Österreich erklingt morgens, mittags und noch einmal vor Anbruch der Nacht von allen Kirchtürmen der Chor der Angelus-Glocken. Als Erstklässler in der großen, wunderschönen Schule der Christlichen Schulbrüder stand ich einmal im obersten Stock am offenen Fenster und blickte auf den Schulhof hinunter. Es war Mittag. Der Unterricht war gerade zu Ende gegangen, und Kinder und Lehrer strömten in die Höfe und Gänge hinaus. Von so hoch oben aus wirkte das alles wie ein Ameisenhaufen an einem heißen Sommertag. Da begann plötzlich von der Kirche her die Angelus-Glocke zu läuten, und mit einem Schlag standen alle diese umherwimmelnden Menschen still. »Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft …« Man hatte uns beigebracht, still dieses Gebet zu verrichten. Dann wurde das Geläute langsamer; die Glocke schlug ein letztes Mal an, und der Ameisenhaufen begann wieder zu wimmeln.
Noch heute, so viele Jahre danach, erinnere ich mich ganz deutlich an diesen Augenblick des Schweigens zur Mittagszeit. Ob mit oder ohne Glocken, ich bete auch heute noch den ›Engel des Herrn‹. Ich lasse das Schweigen wie einen Kieselstein mitten in meinen Tag hineinfallen und seine Wellenkreise sich über dessen Oberfläche ausbreiten. Das ist für mich das Angelus-Gebet: Das Jetzt der Ewigkeit, das sich in Wellenkreisen durch die Zeit zieht.
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
Ich möchte hier auch noch von einer weiteren Erinnerung erzählen, nämlich der Erinnerung an meine erste Begegnung mit dem Jesusgebet oder – wie es auch genannt wird – dem Herzensgebet. Damals war ich schon über das Kindesalter hinaus und vielleicht zwölf. Ich saß mit meiner Mutter im Wartezimmer unseres Arztes und legte meine rechte Hand zuerst auf das eine Knie, dann auf das andere, dann auf die Lehne meines Stuhls, dann auf eine Fensterbank, von der aus ich nur eine hohe Hecke und einige Spinnweben sehen konnte. Meine Hand war dick eingebunden und ich war gekommen, damit mir der Arzt diese Bandage erneuerte. Schließlich sah ich mir eine Zeit lang ein Einmachglas voller lebender Blutegel an, wie sie Landärzte damals noch zum Blutabsaugen verwendeten. Aber dann gab es in dem kahlen Raum nichts mehr, was mich hätte unterhalten können, und ich wurde zappelig.
Da sagte meine Mutter etwas zu mir, das mich überraschte: »In Russland kennen die Menschen das Geheimnis, wie es einem nie langweilig wird.« Von Russen hatte ich bis dahin nur in Verbindung mit den Olympischen Spielen gehört; aber wenn die eine geheime Methode kannten, sich nie mehr zu langweilen, musste ich diese so schnell wie möglich lernen. Erst Jahre später, als ich auf den von einem anonymen Verfasser stammenden Klassiker »Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers« stieß, begriff ich den geheimnisvollen Hinweis meiner Mutter, denn dieses Buch war eine Übersetzung aus dem Russischen.
»Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner, des Sünders.«
Aus diesen »Aufrichtigen Erzählungen« erfuhr ich nun zwar ausführlich von dem Geheimnis, wie es einem nie langweilig wird, aber meine Mutter hatte es schon früher fertiggebracht, es so einfach auf den Punkt zu bringen, dass sich sein Sinn sogar einem zwölfjährigen Jungen erschloss: »Du brauchst bloß mit jedem Atemzug immer und immer wieder den Namen ›Jesus‹ zu wiederholen. Das ist alles. Der Name Jesu wird dich an so viele schöne Geschichten erinnern, dass dir die Zeit nie zu lang wird.« Ich versuchte es und es funktionierte.
Es stellte sich heraus, dass die Langeweile dann in meinem Leben ohnehin nie mehr zum Problem wurde – sondern eher das Gegenteil der Fall war. Als das Jesusgebet schließlich meine ständige Gebetsform wurde, stellte ich es mir eher wie einen Anker vor, der mir auch dann noch Halt gibt, wenn das Leben nur noch langweilig wirkt. Oder um es mit einer Formulierung aus dem Römischen Messbuch zu sagen: Das