Hamburg.Licht.Kunst: Der Lichtkünstler Michael Batz
By Matthias Gretzschel and Michael Zapf
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About this ebook
Michael Batz, der inzwischen spektakuläre Lichtprojekte von Shanghai bis Sao Paulo realisiert, bezieht sich in seinem Wirken auch auf die Geschichte des öffentlichen Lichts. Diese begann in Hamburg im Jahr 1382 und hat die Stadt auf der Grundlage der jeweiligen technischen Möglichkeiten in ihrer Alltags- und Festkultur zunächst fast unmerklich, später jedoch dramatisch verändert.
Mit aufschlussreichen Texten des Journalisten und Autors Matthias Gretzschel stellt der opulente Band die inzwischen weltweit bekannten Projekte des Lichtkünstlers vor, erklärt seine Motive und Ideen und erzählt zugleich die spannende Kulturgeschichte des städtischen Lichts. Die faszinierenden Fotografien von Michael Zapf ergänzen das Werk perfekt und machen es zu einem wahren Blickfang. Der Titel erscheint als fixed ebook.
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Book preview
Hamburg.Licht.Kunst - Matthias Gretzschel
AUTOREN
WIE HAMBURG DAS LICHT AUFGING
EINE KLEINE GESCHICHTE DER ÖFFENTLICHEN BELEUCHTUNG
Zum nächtlichen Beginn einer großen Hochzeitsfeier sollten zehn junge Mädchen dem Bräutigam mit Lampen entgegengehen. Fünf von ihnen hatten vorgesorgt und zusätzliches Öl mitgebracht, die anderen fünf aber nicht. Als die Feier zu weit vorgerückter Stunde endlich begann, waren deren Lampen heruntergebrannt. In ihrer Not eilten sie zwar noch zum Händler, doch als sie mit frisch aufgefüllten Lampen, aber deutlich verspätet am Hochzeitssaal erschienen, blieb dessen Tür für sie verschlossen.
Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen aus dem Matthäusevangelium war den Menschen im mittelalterlichen Hamburg wohl vertraut. Wenn sie in St. Petri den Altar, den Bertram von Minden 1379 bis 1383 geschaffen hatte, zu hohen Festtagen in geöffnetem Zustand betrachteten, standen ihnen die fünf jungen Frauen mit den brennenden und ihre fünf unglücklichen Gefährtinnen mit den verloschenen Lampen als Schnitzfiguren deutlich vor Augen. Und obwohl der biblische Text damals schon etwa 1300 Jahre alt war, unterschied sich die Lebenssituation der Menschen im Hamburg des späten 14. Jahrhunderts kaum vom Alltag in der Antike. Das öffentliche Leben vollzog sich zwischen dem Sonnenaufgang und dem Einbruch der Dunkelheit. Das Tageslicht war die Voraussetzung für Arbeit und gesellschaftliches Leben, künstliche Lichtquellen waren selten, teuer und schwer verfügbar. Der Kienspan oder das Talglicht im privaten Haus wurden nur entzündet, wenn es unbedingt notwendig war. Die Stadt mit ihren Straßen und Gassen versank nach Sonnenuntergang in Dunkelheit. Das Mittelalter betrachtete die Schöpfung als Materialisierung des göttlichen Lichts. Es unterschied dabei zwischen LUX, dem Licht Gottes selbst, in Einheit und Einzahl, und LUMEN, irdische Phänomene des Lichts, in Vielzahl, LUMINA, somit alles, was Licht erzeugt oder körperlich leuchtet, etwa Sonne, Sterne, Kerzen, Öllampen, aber auch Reflexionen auf Oberflächen.
Nachts nie ohne Laterne! Im 17. und 18. Jahrhundert wurde nach Einbruch der Dunkelheit die Begleitung durch einen Lichtträger obligatorisch. Das Kerzenlicht reichte kaum zur Erhellung des Straßenraums, war aber wichtig als Signal für wandelndes Publikum.
Später wurden diese Begriffe zu technischen Maßeinheiten. „Lux bezeichnet die Maßeinheit der Beleuchtungsstärke auf einer beleuchteten Fläche, „Lumen
ist dagegen die Einheit des Lichtstroms, der von einer Lichtquelle ausgeht. Das lateinische Wort Lux steht nicht nur für Licht, sondern bezeichnet zugleich den Tagesanbruch. Weit über das europäische Mittelalter hinaus war Licht nicht nur Lumen und Lux, sondern eben auch Luxus. Wenn man vom dunklen Mittelalter spricht, ist das durchaus auch wörtlich zu verstehen.
Die Sicherstellung des öffentlichen Lichts war eine hoheitliche Aufgabe. Um nicht für nächtliche Herumtreiber gehalten zu werden, konnten sich die Lampenbesorger mit einer Erkennungsmarke ausweisen. Eine Methode, die in späterer Zeit auch von Beamten der Kriminalpolizei verwendet wurde.
Ein Lampenanstecker bei der Arbeit, die durch Mandat genau geregelt war. Vergeben war die Pflege der öffentlichen Beleuchtung an Pächter, die wegen des schnellen Abbrennens der Leuchtmittel mehrfach in der Nacht ihre Tour machen mussten.
Es begann 1382 in Hamburg mit einer einzigen Öllampe
Nur wenn die Stadt hohen Besuch empfing, wenn Adelige oder Kirchenfürsten ihre Aufwartung machten, ließ der Ehrbare Rat an wichtigen Plätzen und Straßen Pechpfannen aufstellen, die die Wege für die hohen Gäste illuminierten. Reisten sie ab, versank die Stadt nachts wieder in Dunkelheit. Das sollte sich erst im Jahr 1382 ändern, ein Jahr, bevor Meister Bertram sein großartiges Altarwerk für St. Petri vollendet hatte. Damals beschloss der Rat, dass vor dem Rathaus eine Öllampe zu installieren sei, die die ganze Nacht über leuchten sollte. Man kann sich gut vorstellen, dass die Ratsherren ihre Entscheidung reiflich überlegt hatten, schließlich war sie mit erheblichen Kosten verbunden. Es ist überliefert, dass der Betrieb pro Jahr mit 48 Schillingen zu Buche schlug, ein Betrag, für den man auch zwölf Kühe oder 144 Tonnen Bier kaufen konnte. Dennoch markiert die Öllampe vor dem Rathaus, das sich damals noch am Neß neben der Trostbrücke befand, den Beginn der öffentlichen Beleuchtung in Hamburg. Fast 100 Jahre lang sollte es dabei bleiben, erst 1476 erhielten die Reimers- und die Holzbrücke und 1478 auch die Trostbrücke Glaslaternen, die mit Öl betrieben wurden. Für Hamburg waren Brücken besonders wichtige Verkehrsbauten, dass man sie ab Ende des 15. Jahrhunderts kostspielig beleuchtete, war angesichts des wachsenden Hafenverkehrs notwendig geworden. Offenbar ließen sich die Umschlag- und Transportaufgaben im Hafen nicht mehr ausschließlich bei Tageslicht bewältigen, weshalb der Hafen der erste Bereich der Stadt war, in dem immer mehr „Lichtpunkte installiert und betrieben wurden. Das machte sogar eine neue Berufsgruppe notwendig, die „Luchtenmaker
, deren Zunft am 13. Juli 1541 gegründet wurde. Sie mussten sich nicht nur um das abendliche Entzünden und frühmorgendliche Löschen der Glaslaternen, sondern auch um deren Wartung kümmern.
Das gleißende Licht der Bogenlampen – hier ein Beispiel aus Berlin Ende des 19. Jahrhunderts – verwandelte die Städte, tauchte sie in den Glanz der Moderne und versprach ein Zeitalter eines bis dahin unvorstellbaren Fortschritts.
Mit der Einführung der Reformation 1529 ging für Hamburg zwar das Mittelalter endgültig zu Ende, heller wurde es auf den Straßen und Plätzen der Hansestadt aber zunächst kaum. Und das war in den allermeisten europäischen Städten kaum anders. Nur im damals noch mittelalterlich verwinkelten Paris beschloss die Stadtverwaltung schon 1558, dass die Straßen nachts mit Pech- und Kiefernpfannen zu beleuchten seien. Daran war in Hamburg nicht zu denken, so empfahl es sich, nach Einbruch der Dunkelheit besser im Haus zu bleiben. Denn draußen auf den Straßen trieb sich jenes Gesindel herum, das man als „lichtscheu" bezeichnete. Und wer tatsächlich aus irgendeinem Grund des Nachts auf die Straße musste, war