Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Liebe, Surfen, Leidenschaft: Liebesroman - Verliebt in einen Surfer
Liebe, Surfen, Leidenschaft: Liebesroman - Verliebt in einen Surfer
Liebe, Surfen, Leidenschaft: Liebesroman - Verliebt in einen Surfer
Ebook353 pages4 hours

Liebe, Surfen, Leidenschaft: Liebesroman - Verliebt in einen Surfer

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Sommer, Sonne, Leidenschaft und ein Surfer-Paradies - der Liebesroman:

Riesenschock für Tara – Knall auf Fall ist ihre langjährige Beziehung an die Wand gefahren! Kurzentschlossen kehrt die junge Hamburgerin den emotionalen Tiefausläufern an der kalten Heimatfront den Rücken, nimmt den nächsten Flieger Richtung Süden und sich eine Auszeit auf Fuerteventura.

Unter der heißen Sonne der Kanaren kochen bald die Leidenschaften hoch. Auch hier läuft alles anders als geplant: Tara muss gefährliche Abenteuer bestehen und verliebt sich Hals über Kopf in ihren Retter – Luke! Der unverschämt gutaussehende Surfer-Star zeigt ihr die Insel, die Kunst des Wellenreitens und die ganz große Liebe… Oder hat er sie am Ende doch nur verraten und verkauft?
LanguageDeutsch
Release dateJun 21, 2017
ISBN9783869921686
Liebe, Surfen, Leidenschaft: Liebesroman - Verliebt in einen Surfer

Related to Liebe, Surfen, Leidenschaft

Related ebooks

Romance For You

View More

Related articles

Reviews for Liebe, Surfen, Leidenschaft

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Liebe, Surfen, Leidenschaft - Marina K. Bley

    haben.

    1. Das Gespräch

    „Das Essen schmeckt wunderbar, und der Cabernet Sauvignon passt ganz ausgezeichnet dazu. Tara schenkte dem Ober ein gezwungenes Lächeln und senkte ihren Blick wieder auf ihr Lammfilet in Balsamico-Rosmarin-Soße. Eigentlich war es ihr verhasst, aufgesetzte, gut gelaunte und platte Sprüche über Esskultur von sich zu geben. Aber was konnte schließlich der arme Kellner dafür, dass sie sich heute Abend so richtig mies fühlte. „Was mache ich hier eigentlich?, fuhr es Tara durch den Kopf. Sie war wütend, sie war verletzt, und sie fühlte sich unendlich gedemütigt.

    Wenn sie das täte, wonach ihr wirklich zumute war, würde sie die Lammfilets jetzt mit Schmackes an die Designerwand klatschen! Schnaubend würde sie verfolgen, wie die Fleischstücke dort erst kurz kleben blieben, um dann unter den staunenden Blicken der versammelten Gäste und des Servicepersonals langsam in einer dunklen Soßenspur hinab zu rutschen. Und der Rotwein. Der würde sich über den hübschen Kopf ihres Begleiters ergießen. Der Mann mit dem hübschen Kopf, der Taras Meinung nach eine Cabernet-Dusche mehr als verdient hatte, war ihr Freund und Lebensgefährte Alexander. Tara beherrschte sich, ließ den teuren Wein in den Gläsern, und auch die Filets blieben artig auf ihrem Teller. Alexander hatte ihr schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass er ihre Gefühlsausbrüche nicht schätzte. „Du bist in allem, was du tust, viel zu emotional!, lautete sein Standard-Urteilsspruch. „Das sagt genau der Richtige!, dachte Tara: „Kunststück. Wer keine Gefühle hat, kann sie auch nicht rauslassen."

    Der Abend war nur die Spitze des Eisberges gewesen, der monströse Großteil der gestrigen Geschehnisse trieb noch schmerzlich kalt durch die Tiefen ihrer Erinnerung. Tara wäre es am liebsten, wenn der eisige Klotz von dort aus mit irgendeiner Meeresströmung schnellstmöglich in Richtung Nordpol verschwinden würde. Doch er tat ihr nicht den Gefallen. Das Wochenende war dermaßen desaströs verlaufen… „Eines ist mal sicher", befand sie, während sie lustlos und traurig auf ihrem Teller herumstocherte: So konnte – und so würde ihr Leben nicht weiter gehen! Nur wohin ihr Weg sie nun führen sollte, war ihr in diesem Moment noch alles andere als klar.

    Sie waren wie so oft am Sonntagnachmittag miteinander an der Elbe spazieren gegangen. Tara hatte Alexander gefragt, wie er es fände, wenn sie ein Kind bekämen und dann sie, Alexander und das Kind zusammen eine Familie wären. Mit dem, was dann kam, hatte Tara in ihren schlimmsten Alpträumen nicht gerechnet. Alexander bekam einen Wutausbruch, der einem Feuer speienden Drachen alle Ehre gemacht hätte. Er war richtig stinksauer geworden. Tara fragte sich, ob es wirklich ihr selbstbeherrschter Alexander war, der hier Gift und Galle spie. Alexander hatte ihr unverblümt mitgeteilt, dass er keine Kinder mit ihr haben wollte, dass er überhaupt nicht daran dachte, mit ihr eine Familie zu gründen. Tara konnte kaum glauben, was er da sagte, mit welcher Härte und Wut er es sagte. Sie dachte, sie träume seine Worte nur, träume alles, was dermaßen schmerzhaft geschah. Ihre Kehle war augenblicklich bis oben hin zugeschnürt, und ihr Bauch fühlte sich an, als würden rote Lavaströme im Sog eines Mahlstromes rotieren. Ihre Augen brannten vor geweinten und ungeweinten Tränen, und eine eisgraue Kälte kroch über ihr Rückgrat vom Steißbein bis nach oben zu den Schulterblättern.

    Jetzt, wo sie erneut daran dachte, zitterten ihre Hände immer noch, und ihre Gedanken fühlten sich so taub an, als hätten sie ihr Haltbarkeitsdatum weit überschritten.

    Es war einfach nur ungerecht. Alles war ungerecht. Alles, einfach alles. Aber ganz besonders ungerecht waren Alexanders Anschuldigungen gewesen. Sie verdiene zu wenig Geld, hatte er ihr vorgeworfen. Er würde sich, sollten sie denn eine Familie haben, finanziell um alles kümmern müssen, während sie mit einem Halbtagsjob für ihr Vergnügen sorgte. Taras so genannter Halbtagsjob war eine halbe Stelle als Sportlehrerin an einem Hamburger Gymnasium. Die Stelle war so – als halbe Stelle eben – ausgeschrieben gewesen, und Tara hatte sie angenommen. Da sie nicht von der Arbeit in der Schule allein leben konnte, verdiente sie ihr Geld zusätzlich als Übersetzerin für Französisch und Englisch. Dummerweise hatte sie ihren zweiten Job als Dolmetscherin in einer großen Hamburger Firma verloren. Vor einem Monat war sie vor die Tür gesetzt worden. „Betriebsbedingte Kündigung" nannte man das heutzutage. Die Finanzkrise hatte zugeschlagen und bei ihr ganz persönlich an die Haustür geklopft. Aber sie brauchte das Geld, und sie wollte die Arbeit, wollte das Gefühl, Leistung bringen zu können. Der Rauswurf machte sie traurig und ihr bis heute noch mächtig zu schaffen.

    Seit drei Jahren waren Tara und Alexander ein Paar. Trotzdem hatten sie all die Jahre über zwei getrennte Wohnungen behalten. Vor allem Alexander war das wichtig gewesen.

    Natürlich waren in Alexanders Wohnung ein paar persönliche Sachen von ihr deponiert. Zahnbürste, Schlafanzüge, Gesichtscremes, Unterhosen, Tampons, was man halt so braucht. Sie verbrachten vor allem die Wochenenden miteinander. Spielten Tennis, gingen laufen, ins Kino, auf Partys. Das klassische Programm für ein Paar ohne Kinder. Sie waren fast jeden Freitag und Samstag unterwegs. Aber zu einer gemeinsamen Wohnung war es irgendwie nie gekommen.

    Alexander hatte das Gehrock an diesem emotional verhagelten Sonntagabend vorgeschlagen, um Tara auf andere Gedanken zu bringen, um sie vielleicht sogar aufzuheitern. Tara wusste das, und doch schien ihr die Geste zu durchsichtig, zu nichtssagend. So schnell konnte sie die Ereignisse des vergangenen Tages nicht vergessen. Ihr Blick war so trübe, als würden sie ihre Mahlzeit nicht im Sternerestaurant, sondern in einem dunklen Kohlenkeller zu sich nehmen.

    Das Gehrock war, sah man von diesem Abend mal ab, eines ihrer Lieblingsrestaurants im Hamburger Szeneviertel Eppendorf. Der Laden hatte sich durch eine herausragende Kritik in einer Gourmetzeitschrift zu einer festen Größe am Hamburger Restauranthimmel etabliert. Wenn man hier essen gehen wollte, so sollte man als Nicht-Eingeweihter einen langen Atem besitzen. Alexander war ein Eingeweihter. Er zählte zu den Günstlingen des Küchenchefs. Sternekoch und Besitzer Sven Gehrock und ihr Liebster Alexander spielten gemeinsam in einer Tennismannschaft der Altersgruppe „Herren 30". Alle acht Mitspieler standen mitten im Berufsleben. Also reichten ihre sportlichen Ambitionen nur für die Bezirksliga, aber auch da musste man einige Male den Ball übers Netz befördern, bevor es hieß: Spiel, Satz und Sieg. Soviel gemeinsames Leid und zusammen durchlebter Schweiß auf dem Spielfeld und abseits davon verbindet, und Alexander hatte sich seinen Stammplatz im Gehrock mit gutem Topspin und gefühlvollem Rückhand-Slice fest erspielt.

    Tara zerfleischte sich seit dieser Kündigung schon genug. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, hatte sich mit Schuldgefühlen verrückt gemacht. Obwohl das Wort „Finanzkrise" in allen Medien immer und immer wieder thematisiert worden war, hatte sie es sich persönlich angekreidet, es als persönliches Versagen empfunden, als sie den Job verlor. Ihre Familie und ihre Freunde versuchten, sie davon zu überzeugen, dass sie alles richtig gemacht hatte, dass die Kündigung nichts mit ihr zu tun hatte, nicht von ihren Fähigkeiten oder Leistungen abhing. Inzwischen glaubte sie schon fast selbst daran: Sie hatte keine Schuld an der Kündigung. Es war einfach gottverdammtes Pech. Umso ungerechter war dieser Streit mit Alexander gewesen. Er zerriss ihr mühsam errichtetes Gebäude von positiven Argumenten wie ein dünnes Spinnennetz.

    „Du bist viel zu sprunghaft, nicht strukturiert genug für eine Familie. Du kannst ja nicht mal auf eigenen Beinen stehen – und du würdest die Verantwortung für eine Familie voll und ganz auf mich abladen, waren Alexanders Worte. „Und der Verlust an materieller Sicherheit, all die Einschränkungen!, so Alexander. „Das ist in keinem Fall meine Vorstellung von einem glücklichen Leben."

    Taras Tränen liefen unkontrolliert über beide Wangen, als sie schüchtern einwendete: „Aber Kinder sind doch auch etwas sehr Schönes. Willst du wirklich alt werden –und als einzige Erinnerung auf eine Sammlung von Tennispokalen schauen?"

    Taras Blick fiel auf die dunkelbraunen Sitzbänke, die aus glatt poliertem, abgestepptem Leder waren und aussahen wie Chesterfield-Klubsessel. Der Rest des modernen, großen Raumes wirkte nicht annähernd so gemütlich wie die Lederbänke. Gebürsteter grauer Stahl und grünliche Milchglasscheiben erinnerten eher an die Räume einer Werbeagentur als an ein Gourmetrestaurant. „Aber vielleicht ist das ja der Trick, dachte Tara mit Galgenhumor. „Es sieht genauso aus wie das Büro, in dem man den ganzen Tag hinter dem Rechner hockt. Niemand muss sich umstellen. Anstelle der Tastatur lag ein Teller samt Besteck auf dem Tisch, und man musste nur aufpassen, dass man statt seiner Finger Messer und Gabel benutzte… Tara erkannte, dass sie heute und in dieser finsteren Laune kein gutes Haar an ihrer Umgebung lassen konnte.

    Warum hatte sie Alexanders Einladung eigentlich überhaupt angenommen? Tara fühlte sich unendlich verletzt und war Alexanders demonstrativ gute Laune einfach nur leid. Und diese sinnentleerten und durchgeplanten Wochenend-Rituale, die organisiert waren wie von einer Lifestyle-Zeitschrift zusammengestellt, gleich oben drauf! Aber das Schlimmste war Alexanders Zurückweisung gewesen. Sie hatte sich ihm geöffnet, ihm ihre Liebe für die Ewigkeit, ihre Bereitschaft für eine gemeinsame Familie angeboten. Und er? Er hatte sie und ihre Wünsche zurückgewiesen, als hätte sie ihm statt einer Familie ein Stück gammeliges Fleisch angeboten. Aber das Beste an der ganzen Geschichte war: Alexander gab ihr die Schuld daran, dass er keine Familie wollte.

    Tara schob die Ärmel ihres französischen Armeeparkas, dem eine findige Designerin ein großes, rotbuntes Kreuz in schönstem Katholenkitsch auf den Rücken gestickt hatte, über die Ellbogen und zog sich eine Haarkralle aus der Parkatasche. Mit einer entschlossenen Geste packte sie ihr wuscheliges dunkles Haar, drehte es im Nacken zu einer Rolle zusammen und steckte es hoch. Alexander betrachtete die ihm vertrauten Gesten mit zusammengekniffenen Brauen. Auch ihm stand das vergangene Wochenende noch vor seinem inneren Auge, und auch ihm war klar, es gab wenig Anlass für ein heiteres, leichtes Abendessen. Und zu einer angeregten Plauderei über Filme, Bücher, Politik und Philosophie würde Tara sich heute auch nicht eignen. Er wusste: Was er Tara vor ein paar Stunden gesagt hatte, würde er nicht mehr zurücknehmen können. Und genau genommen meinte er es ja auch genau so, wie er es gesagt hatte. Er wollte es nicht zurücknehmen. Er würde eben die nächsten Wochen versuchen, den Ball flach zu halten, und er würde das Entschuldigungs-Programm fahren. Blumen, tiefe Blicke, kleine Geschenke. Er liebte Tara. Irgendwie und auf seine Weise. Und was die komische Idee mit der Familie betraf: Alexander war sich sicher, wenn er die nächsten Wochen ein bisschen nett und aufmerksam blieb, würde Tara das unsägliche Gespräch irgendwann vergessen.

    2. Taras Geschichte

    Tara und Alexander hatten sich in ihrem Tennisverein kennengelernt. Tara war, als sie die Arbeit an dem Gymnasium begann, aus dem Süden Hamburgs fort und näher ins Zentrum gezogen. Ihr alter Klub lag jenseits der Elbe, und sie musste sich jedes Mal durch den verstopften Elbtunnel quälen, um auf die andere Seite zum Training oder zu Spielen zu fahren. Irgendwann hatte es ihr gereicht. Mit einer Party verabschiedete sie sich von ihrer Mannschaft und wechselte in einen kleinen Verein in der Nähe ihrer neuen Wohnung. Sie spielte im Jahrgang „Damen 30". Älter als dreißig, sogar viel älter, durfte man sein. Jünger nicht. Ihre neue Mannschaft machte ihr den Wechsel leicht. Es gab nicht so viele Spielerinnen, die auch bereit waren, aktiv an den Medenspielen, den Turnieren zwischen den Tennismannschaften der Vereine, teilzunehmen.

    Tara hatte Alexander eines Tages Tennis spielen sehen und sich sofort in seine Vorhand-Longline verliebt. „Die ist ja scharf wie eine Waffe", zischte sie ihrer Mannschaftskollegin zu und beobachtete ihn wie gebannt weiter bei seinem Match. Aus den Augenwinkeln sah Alexander sie am Rand stehen, verschlug einen Ball und brauchte einige Schläge, um sich wieder auf das Spiel konzentrieren zu können. Er gewann dennoch.

    „Du bringst mir Glück!", hatte er damals gesagt und sie zu einem Bier im Vereinslokal eingeladen. Von dem Tag an waren sie ein Paar. Für Tara war es nahezu unmöglich, gegen Alexander zu gewinnen, aber er war ein exzellenter Trainingspartner für sie.

    Sie spielten, wenn sie nicht zusammen irgendwohin fuhren, jeden Samstag gegeneinander, tranken hinterher eine Apfelschorle oder ein Bier und quatschten eine Weile mit anderen Klubmitgliedern, bevor sie sich wieder auf den Weg machten.

    So gingen die Jahre dahin, und jeder im Tennisverein, in ihrem Freundeskreis und alle Verwandten waren der Meinung, Tara und Alexander seien so etwas wie Mann und Frau. Auch Tara hatte das bis gestern geglaubt.

    „Vor ein paar Tagen hat er mir noch erklärt, dass er meine Verrücktheiten, meine ‚Eulenspiegelnatur’, wie er es nennt, über alles schätzt!" Tara suchte Trost im Gespräch mit ihrer Freundin und Mitbewohnerin Maxi. Sie musste mit jemandem über die vergangenen Ereignisse sprechen, denn sonst hatte sie das Gefühl, sie würde platzen.

    „Aber er versteht das irgendwie anders als ich. Er hält mich für einen lebensuntüchtigen Kasper!"

    Maxi musste lachen. „Und du dachtest die ganze Zeit, du wärst die liebe Gretel."

    „Wozu braucht man Feinde, wenn man Freunde hat wie dich!", heulte Tara, und Maxi nahm sie tröstend in den Arm.

    Tara und Maxi waren nicht nur Freundinnen, sie arbeiteten auch zusammen. In Altona teilten sich die beiden eine Vier-Zimmer-Wohnung. Maxi gab den Kunstunterricht an ihrer Schule und verliebte sich überwiegend in Frauen. Als zweites Alleinstellungsmerkmal neben ihrer Bisexualität hatte sie einen untrüglichen Sinn für coole Wohnungseinrichtungen. Was immer Maxi in ihren geschickten Fingern herumdrehte, hinterher sah es aus, als sei es eine Installation, und ihre Wohnung glich einer Galerie. Maxi und Tara ergänzten sich großartig. Tara schätzte an Maxi, dass sie so anders war als viele andere Frauen aus ihrem Bekanntenkreis. Sie war weder zickig, noch spielte sie sich prinzessinnenmäßig in den Mittelpunkt. Stutenbissigkeit gab es nicht in ihrem Vokabular. In Maxi vereinte sich die Sensibilität einer Frau mit der Sachbezogenheit und Direktheit ihrer männlicheren Seite aufs Eleganteste. Tara hatte Homophobie noch nie verstanden, sie nahm grundsätzlich jeden Menschen so, wie er vor ihr stand. Wer war sie denn, anderer Leute Leben und Vorlieben zu beurteilen? Sollte doch jeder so glücklich werden, wie er oder sie es für richtig hielt! Solange alle Beteiligten damit glücklich waren.

    Auch bei ihrer Arbeit in der Schule ging es darum, ein Kind nicht irgendwelchen Vorstellungen zu unterwerfen. Vorurteilsfreiheit und Liebe zu den Kindern gehörten einfach dazu. Lehrer, die Lieblinge hatten oder bestimmte Schüler aus was für Gründen auch immer ablehnten, hatten ihrer Meinung nach schlicht ihren Beruf verfehlt. Und Maxi erschien ihr gerade, weil sie anders war, ein so wunderbarer und spezieller Mensch zu sein, dass sie es sich überhaupt nicht erklären konnte, was engstirnige Menschen an ihrem Lebensstil zu kritisieren hatten. Maxi war für Tara die ideale Freundin. Nicht mehr und nicht weniger. Anfangs hatten einige Kollegen aus der Schule ihre Witzchen über das sportliche Pärchen gemacht, aber Tara und Maxi gingen mit ihrer Freundschaft und unterschiedlichen sexuellen Orientierung so offen um, dass sich schließlich das ganze Kollegium gerne bei Partys um ihren Küchentisch versammelte.

    Sport und ihre Arbeit als Sportlehrerin waren für Tara ein Teil ihrer Lebensphilosophie.

    Tara glaubte fest daran, dass Sport ein Allheilmittel für das Leben an sich sei und deshalb in keinem guten Haushalt fehlen sollte. So war ihr Sportunterricht von Anfang an kein Abhaken von Übungen gewesen. Sie reagierte darauf, was die Kinder brauchten, und es war ihr wichtig, sie für Bewegung zu begeistern. Wenn einer ihrer Schüler ihr stolz erzählte, dass er am Sonntag mit seinen Eltern im Park drei Kilometer gejoggt sei, konnte sie sich darüber freuen wie ein Kind am Geburtstagsmorgen.

    Die Kids verbrachten viel zu viel Zeit vor Rechnern, Spielkonsolen und Nintendos. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wohin diese Entwicklung führen würde! Ein erhöhter Zulauf bei Orthopäden, anderen Ärzten und Psychotherapeuten war nur eine Seite der Medaille. Dass Sport auch dazu beitrug, Qualitäten wie Ausdauer, Mut und Spaß zu fördern, stand auf der anderen Seite. Tara wollte ihren Schülern all dies zumindest in kleinen Dosen mit auf den Weg geben.

    Tara selbst hatte eine Vorliebe für fast alles, was mit Bewegung zu tun hatte. Vielleicht nicht gerade für Turm-springen oder Bungee-Jumping. Sie spielte aktiv Tennis, fuhr im Winter Ski, ging hin und wieder reiten, lief ganz gerne und hatte schon so ziemlich alle Gymnastikformen ausprobiert, die der Markt so in die Studios spülte. Vor ein paar Jahren war sie bei Yoga hängen geblieben. Irgendwie spürte sie schon nach der ersten Stunde, dass die Übungen des Yoga nicht nur rein zweckmäßige Körperform-Bewe-gungen waren. Die Weisheit vergangener Epochen turnte mit, und sie fühlte sich hinterher viel ausgeglichener als nach einer Stunde Step-Aerobic. Neben der Arbeit hatte sie eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht. Und sie gab ein paar Stunden in einem Hamburger Studio.

    Aber heute half ihr auch das geliebte Yoga nur bedingt aus dem Gefühlstief hinaus. Auch eine Stunde Tennis brachte nicht den gewünschten Erfolg. Ihre Mitspielerin beschwerte sich nur, dass ihr die Bälle so hammerhart um die Ohren flogen, dass es schon auffällig war. „Ärger mit Alexander", murmelte Tara entschuldigend, und ihre Mitspielerin nickte verständnisvoll.

    Sie hatte sich gestern Abend nach dem Essen im Gehrock von Alexander nach Hause bringen lassen und ihn gebeten, nicht mit hineinzukommen. „Wir würden uns doch nur streiten." Alexander, der Taras Gefühlsausbrüche kannte, verstand auf der Stelle und fuhr davon.

    Tara überlegte, wie sie die nächsten Wochen überstehen sollte. Sie klappte ihren Laptop auf und überlegte. „Es ist Ende Juni. Das Schuljahr ist gelaufen, die Zeugnisse sind geschrieben. Alle Tennisspiele in dieser Saison haben wir hinter uns."

    Ursprünglich hatten Alexander und sie vorgehabt, die ersten zwei Wochen der Sommerferien gemeinsam zu verreisen. Geplant war, mit Alexanders BMW und zwei Mountainbikes runter an den Gardasee zu fahren.

    „Unmöglich, murmelte Tara. „Ich kann jetzt ganz bestimmt nicht mit ihm in den Urlaub fahren. Ich muss alleine weg. Irgendwohin, wo mich niemand kennt, wo ich nachdenken kann – und wo mich nichts ablenkt.

    „Lassen wir den Zufall entscheiden! Tara öffnete Google Earth, gab der kleinen Erdkugel vor ihr auf dem Bildschirm einen Schwung und zoomte mit geschlossenen Augen das Bild heran. Eine kleine Insel oberhalb einer Inselkette vor der afrikanischen Küste erschien auf ihrem Display, während sich ihr Blick langsam schärfte: „Fuerteventura, flüsterte sie. „Eine der Kanareninseln – und mir noch vollkommen unbekannt…"

    Sie würde nichts googeln über Fuerteventura, sich nicht schlau machen, keine weiteren Informationen beschaffen. „Die Insel gehört zu Spanien, das heißt, man spricht mit 99-prozentiger Sicherheit Spanisch. Und Touristen gibt es auch, also wird man sich seine Lebensmittel anders besorgen können als mit Pfeil und Bogen. Das sollte erst mal genug an Wissen sein!"

    Tara öffnete ihr Mailprogramm und schrieb:

    „Lieber Alexander!

    Es ist nicht sehr mutig, dir meinen Entschluss per Mail mitzuteilen, aber wie du ja selbst immer sagst, bin ich sehr emotional. Das heißt, wenn wir uns gegenüberstünden, würde ich entweder anfangen zu heulen oder zu streiten. Beides magst du nicht, also bleibt es bei dieser Mail.

    Unser Gespräch über Familie und Kinder hat mich verwirbelt wie ein Zyklon. Ich bin aus allem rausgerissen worden, und ich kann nicht zurück.

    Keine Angst, es gibt jetzt keine Kommentare, keine Urteile. Nur soviel: Mein Vertrauen in unsere Zukunft ist dahin. Wir denken und fühlen zu unterschiedlich. An diesem Punkt unseres Lebens tut sich da ein Graben auf. Entweder einer von uns springt, oder der Graben bleibt.

    Ich werde wegfahren und sage dir nicht wohin. Aber du sollst wissen, dass ich alleine reise und über die Zukunft nachdenken will. Was aus uns wird? Ich weiß es jetzt gerade nicht. Vielleicht finde ich die Antwort auf meiner Reise. Du sollst wissen: Ich habe dich geliebt, aber jetzt heißt es für mich auf jeden Fall, von dir Abschied zu nehmen. Bitte versuch nicht, mich anzurufen. Gib uns beiden diese Pause.

    Tara."

    Nachdem Tara die Mail an Alexander abgeschickt hatte, ging sie in die Küche, um sich einen Tee zu kochen. Sie fühlte sich unendlich traurig und auch jetzt schon ein bisschen einsam, schließlich waren Alexander und sie drei Jahre lang zusammen gewesen. Während der Wasserkocher vor sich hinrauschte, holte sie die Kanne, den Tee und ihren Lieblingsbecher mit den Rosen aus dem offenen Regal.

    Maxi und sie hatten die Küche umgebaut, nachdem sie eingezogen waren. Alles, was vorher hier gestanden hatte, war auf den Sperrmüll gewandert. Stattdessen befand sich nun in der Mitte des nahezu quadratischen Raumes ein runder Holztisch mit einem dicken, säulenartigen Fuß, der unten in vier Tigerkrallen mündete. Darum gruppierten sich die unterschiedlichsten Stühle, ein Sammelsurium aus diversen Epochen und Stilen. Die Wände waren in einem dunklen Rot gestrichen, die Fensterbänke und der Rahmen dazu in Dunkelgrau. Tara hatte bei einem Tischler unten im Viertel eine große, alte Buchenholzplatte entdeckt. Der Tischler hatte sie ihnen so zugesägt, dass sie daraus Regale und eine asymmetrische Arbeitsplatte bauen konnten. Rund um die Spüle, den Herd und den Kühlschrank wurden die Arbeitsplatten so installiert, dass sie ein Regalsystem bildeten. Nach oben schloss eine durchgehende Arbeitsplatte das Ganze ab, und an den Seiten konnten sie in die entstandenen Nischen Töpfe und andere Sachen stellen. Es war ihr gemeinsamer Entwurf gewesen, und alle, die in die Küche kamen, lobten sie begeistert.

    An den Wänden hingen gerahmte Werke von Maxi. Abstrakte Gemälde. Grobe Pinselstriche auf durchgearbeitetem Hintergrund. Die Bilder sahen dekorativ und dynamisch aus. Tara fand sie großartig und ermutigte Maxi, sich einen Galeristen zu suchen. Maxi nickte dann großmütig. Das hieß soviel wie: Sie hatte wenig Lust, sich auf dem Kunststrich zu prostituieren, aber wenn es sich ergeben sollte, würde sie ihre Werke schon mal ausstellen.

    Tara goss das zischend heiße Wasser in die Teekanne und stellte den Wecker am Herd auf drei Minuten. Während sie auf den Tee wartete, holte sie ihren Koffer aus der Abstellkammer und begann zu packen. Der Wecker klingelte, und sie brachte ihren Becher mit dem Tee und der Milch in ihr Zimmer. „Sommersachen brauche ich, soviel ist klar." Ein Badeanzug, Sandalen und ihre Kulturtasche flogen oben drauf. Sie hatte zwar noch keinen Flug, aber der Koffer sollte Abmarschbereitschaft signalisieren. Sie wollte keinen Tag länger in Hamburg bleiben.

    Im Flur hörte sie Maxi mit dem Schlüssel hantieren. Die Tür fiel ins Schloss, und ihre Freundin schnaufte vernehmlich, bevor sie ihre Taschen fallen ließ. „Hey, Sweety! Was treibst du so?"

    „Ich hab gepackt – und weißt Du, wohin ich jetzt reisen werde?"

    „Nach Castrop-Rauxel?"

    „Was soll ich denn da?"

    „Ein Gleichgewicht herstellen zwischen innerer und äußerer Tristesse?"

    „Wäre eine Möglichkeit. Aber ich glaube, ich hab was ähnlich Schräges gefunden. Ich hau ab nach Fuerteventura."

    „Fuerteventura! Maxi überlegte. „Kanareninsel, gehört zu Spanien, Äquatornähe, Tourismus und viele Steine, spulte sie aus dem Gedächtnis ab.

    „Hört sich toll an, genau das Richtige für meine wunde Seele. Und wenn mein Gemüt sich gar nicht erholt, kommst du schnell angeflogen."

    „Um dich zu retten?"

    „Wir könnten ein Vermögen machen, wenn du am Strand Touristen porträtierst."

    „Oh ja, diese Art von Künstler wollte ich immer schon sein!"

    Tara blinzelte mit den Augen und verschwand wieder in ihrem Zimmer. Auf ihrem Laptop gab sie „flieg-in-den-urlaub.de" ein und suchte Flüge nach Fuerteventura.

    Sie buchte den frühesten Hinflug mit verschiebbarem Rückflug für den nächsten Tag. „Wenn schon, denn schon", murmelte sie und gab die Nummer ihrer Kreditkarte ein.

    Am nächsten Morgen brachte Maxi sie mit ihrem Peugeot 307 zum Flughafen. Nachdem Tara eingecheckt hatte und ihren Koffer losgeworden war, umarmten sich die beiden Freundinnen zum Abschied.

    „Ich wünsche dir, dass du dort all das findest, was du suchst, und was du brauchst. Und denk dran: Alles wird gut! Manchmal tut einem das Schicksal erst mal weh, um dann Platz für etwas viel Schöneres und Größeres zu schaffen!"

    Tara verdrückte ein paar Tränen, rieb sich mit der Hand über die Augen und umarmte Maxi fest.

    „Falls ich mich nicht sofort melde, mach dir keinen Kopf. Ich will versuchen, nach vorne zu schauen, und na, du weißt schon!"

    Maxi nickte verständnisvoll und winkte hinter ihr her, als Tara in der Sicherheitsschleuse verschwand.

    3. Last-minute Fuerteventura

    Im Flugzeug nach Fuerteventura versuchte Tara, ein bisschen zu schlafen. Der Flug dauerte fast fünf Stunden, und die sollten erst mal gefüllt werden, während sie

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1