Seewölfe - Piraten der Weltmeere 349: Rächer der Spanischen Krone
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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 349 - Davis J.Harbord
9
1.
An jenem Abend Mitte September 1593, an dem die Seewölfe mit dem Franzosen Honoré Letray an Bord der „Isabella IX." Rabbit Island ansteuerten und auf diesem Eiland vor der Festlandküste eine immense Schatzbeute vereinnahmten, liefen fünf gut armierte spanische Galeonen sehr viel weiter östlich in den Hafen von Pensacola ein.
Dort, an der Nordwestküste von Florida, hatten die Spanier einen Stützpunkt errichtet – in der Hoffnung, von hier aus den nördlichen Golf von Mexiko besser kontrollieren zu können. Schnapphähne aus der Karibik trieben dort ihr Unwesen, aber es galt auch, andere Neugierige von dem Land fernzuhalten, das vielleicht Reichtum barg und erst von ein paar Konquistadoren erforscht worden war.
Dieses Land mußte von unheimlicher Größe sein – ein Grund mehr, es gegen Glücksritter, Abenteurer oder gar forschende Seefahrer aus den anderen Ländern der Alten Welt abzuschirmen oder zu verhindern, daß andere Mächte aus dem alten Europa an diesen Küsten Fuß faßten und womöglich ihrerseits Stützpunkte errichteten.
So herrschte in Pensacola ziemliche Aufregung, als die fünf spanischen Kriegsgaleonen unter dem Kommando des Don Augusto Medina Lorca einliefen, im Hafen vertäuten und die sehr ehrenwerten Señores des Flaggschiffs „Santa Veronica" sehr schnell an Land gingen, kaum daß die Stelling ausgebracht war.
Die Mienen dieser sehr ehrenwerten Señores versprachen wenig Gutes und sahen insgesamt so aus, als seien ihnen einige Läuse-Geschwader über die Leber gelaufen.
Die Herumlungerer und Tagediebe, die es hier genauso wie in allen Häfen der Welt gab, registrierten diese miesen Mienen der sehr ehrenwerten Señores und erbauten sich daran, weil so etwas selten geschah. Denn sonst pflegten die Señores sehr hochmütig dreinzuschauen, etwa so, als seien sie Seine Allerkatholischste Majestät im fernen Spanien höchstselbst.
Dieses Mal waren sie nicht „höchstselbst", blickten auch nicht blasiert über das Hafengetriebe, als sei alles ein einziger Ekel, nein, sie stierten bodenwärts, obwohl dort Dreck und Unrat herumlag, der sonst für ihre hochwohlgeborenen Augen eine Beleidigung war. Und das freute die Strolche im Hafen, die Penner, Eckensteher und Faulsäcke, die als menschliches Treibgut zu bezeichnen waren, durch irgendeinen Wind an diese ferne Küste geschwemmt und hier hängengeblieben.
Als die Señores in der Kommandantur verschwanden, rissen die Kerle dann doch die Augen auf, und ihr höhnisches Grinsen verflüchtigte sich, denn weitere Personen trabten über die Stelling an Land, aber das waren weiß Gott keine Hochwohlgeboren, nein, das waren eher Typen ihres Schlages.
Die Tagediebe hielten Maulaffen feil. Das taten sie sonst auch nach Art ihres beschäftigungslosen Herumtrödelns, aber jetzt gerieten sie doch ins Staunen. Denn die Kerle, die nach den Señores das Flaggschiff verließen, waren gefesselt und wurden von mindestens doppelt so vielen Seesoldaten bewacht.
Diese Kerle sahen zum Fürchten aus.
Noch fürchterlicher – und das war wie ein Hieb in die Magengrube – wirkte das große knochige Weibsbild, das indianischer Abstammung zu sein schien. Aber eher war vorstellbar, daß diese Hexe der Hölle entstammte und demnach nicht gefesselt sein durfte, sondern auf einem Besen durch die Lüfte hätte reiten müssen.
Einer der Herumlungerer zischte: „Mardengo und Oka Mama, des Teufels Großmutter!" Und damit verschwand er, als sei der Leibhaftige samt Familie und Gefolge an dieser Küste erschienen, um Pensacola mit Feuer, Pech und Schwefel auszurotten und auszuräuchern.
Es stimmte, was er den anderen zugezischt hatte – bis auf die Tatsache, daß Oka Mama nicht des Teufels Großmutter, sondern die Mutter Mardengos war. Aber das kam fast aufs selbe hinaus, ob nun Mutter oder Großmutter. Denn Mardengo selbst war ein Teufel, der Teufel von Florida, das er den Spaniern mit seinem Angriff auf Fort St. Augustine hatte entreißen wollen.
Die Kerle, die am Hafen herumlungerten, gaben Fersengeld, zumal die Seesoldaten ausschwärmten und mit ihren angeschlagenen Musketen sehr deutlich unterstrichen, daß sie rücksichtslos schießen würden, falls der Pöbel versuchte, den Galgenvogel Mardengo, seine Oka Mama und die Bande zu befreien. Aber da konnten sie ganz unbesorgt sein. Die Tagediebe hatten vor Mardengo und seinem Haufen mehr Angst als vor der bewaffneten spanischen Macht. Sogar gefesselt war diese berüchtigte Piratenbande immer noch furchterregend.
Zwar sahen sie allesamt ziemlich gerupft aus, aber gerade ihre Blessuren zeigten an, daß mit ihnen nicht zu spaßen war. Fünfzehn Kerle waren es, die mit Mardengo und Oka Mama zur Feste getrieben wurden, wo man sie in den Kellerverliesen einlochen würde.
Das Ganze war ziemlich rätselhaft. Wenn man Mardengos Piratenhorde zerschlagen und ihn selbst mit Oka Mama und fünfzehn Kumpanen gefangen hatte, warum bliesen die ehrenwerten Señores dann Trübsal, statt sich über den Fang zu freuen?
Sehr merkwürdig war das. In Pensacola wucherten die Gerüchte und trieben seltsame Blüten. Schon Tage zuvor war bekannt geworden, daß Indianersklaven in dem spanischen Lager an der Waccasassa Bay rebelliert hätten und mit einer nagelneuen Galeone in den Golf von Mexiko geflohen wären. Das mußte man sich mal vorstellen! Halbnackte Wilde auf einem Schiff Seiner Allerkatholischsten Majestät!
Allerdings sollte diesen dreisten Wilden ein schwarzhaariger Teufel geholfen haben, als Don Bruno Spadaro mit seiner „Galicia die Ausbrecher auf See gestellt hatte. Die „Galicia
war ohne Fockmast und mit ziemlichen Brandschäden nach Pensacola zurückgekehrt, gewissermaßen auf einem Fuß hinkend. Dieser schwarzhaarige Teufel – man erzählte sich, er sei aus England – und seine höllischen Gesellen sollten bei dem Gefecht mit der „Galicia" regelrecht Feuer gespuckt haben, Feuer aus Flaschen!
Ja, dieser Teufel aus England sollte mit dem Teufel Mardengo einen unheiligen Bund geschlossen haben mit dem Ziel, alle spanischen Siedlungen in der Neuen Welt einzuäschern, die Frauen zu entführen und zu verhexen und die Männer am Halse langzuziehen oder über dem Feuer zu rösten.
Die Leute von Pensacola einschließlich der Tagediebe sahen dunkle Wolken über sich aufziehen. Vielleicht stand sogar der Weltuntergang bevor. Da sollten die höllischen Mächte vorher besonders wild toben und ihr Unwesen treiben – sagten die frommen Padres!
Indessen versammelten sich folgende Señores in der Stadtkommandantur: Don Augusto Medina Lorca, Befehlshaber des Verbandes der fünf Kriegsgaleonen, mit denen er eigentlich zu dieser Zeit längst auf dem Wege nach Spanien sein sollte, Don Lope de Sanamonte, Kommandant von Fort St. Augustine, den die Seewölfe um einen Schatz erleichtert hatten, der dem spanischen König zugedacht gewesen war, und Don José Isidoro, Kapitän der auf ein Riff gelaufenen und dann von Duvaliers Piraten ausgeplünderten „Santa Teresa, sowie sein Erster und sein Zweiter Offizier, zusammen mit ihrem Kapitän die drei einzigen Überlebenden dieser Kriegsgaleone. Diese fünf Señores hatten soeben das Flaggschiff „Santa Veronica
verlassen und darum gebeten, in der Kommandantur sofort mit den Befehlshabern der Stadt und des Hafens sowie dem Vertreter der Admiralität sprechen zu können, da sie wichtige Nachrichten hätten.
Diese Señores wurden hastig zusammengetrommelt. Es erschienen: Don Bruno Spadaro, Kapitän der Kriegsgaleone „Galicia", Don Angelo Baquillo, Kommandant des spanischen Lagers und der Werft an der Waccasassa Bay, ferner Don Moreno Borgo-Antigua, der Vertreter der Admiralität, sowie der Stadtkommandant und der Hafenkapitän.
Eine illustre Gesellschaft war das, die hier in der Kommandantur zusammentraf und sich im großen Beratungsraum an einem mächtigen Rundtisch auf die lederbezogenen Stühle niederließ, nachdem man einander begrüßt und die üblichen Floskeln ausgetauscht hatte.
Wären die Tagediebe anwesend gewesen, dann hätten sie ein zweites Mal hämisch grinsen können, denn auch die fünf hinzugekommenen Hochwohlgeborenen hatten Friedhofsmienen aufgesetzt, als gelte es, einen teuren Toten zur letzten Ruhe zu betten.
Da nutzte es wenig, daß ein herausgeputzter Diener auf einen Wink des Stadtkommandanten hin den Señores rubinroten Wein in funkelnden Gläsern servierte. Man prostete sich gemessen, eher verdrießlich, zu, der Diener schenkte noch einmal nach und mußte sich dann entfernen, damit die Señores unter sich sein konnten.
Don Moreno Borgo-Antigua als der Rangälteste unter den Señores richtete den Blick auf Don Augusto Medina Lorca, räusperte sich und sagte: „Was haben Sie zu berichten, Don Augusto?" Er runzelte die Stirn. „Ich bin sehr verwundert, Sie hier in Pensacola anzutreffen. Sie hatten doch Order, Fort St. Augustine anzulaufen, dort die für