FM4 Wortlaut 17. GRELL: Der FM4-Kurzgeschichten-Wettbewerb
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Mit Texten von: Vinzenz Dellinger, Barbara Fohringer, Lukas Gmeiner, Verena Keßler, Lea Moser, André Patten, Martin Peichl, Romina Pleschko, Amos Postner und Sascha Preiß.
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Book preview
FM4 Wortlaut 17. GRELL - Vinzenz Dellinger
Czesch
Wie grell ist das denn?
Bei manchen Jurysitzungen erkennt man sehr schnell die Einigkeit, was Geschmack und Urteil angeht. Bei anderen dauert das etwas. Die diesjährige Wortlautjurysitzung zählt ganz klar zu zweiter Gruppe. Nach jedem besprochenen Text schien ein Resultat noch weiter weg zu rücken. Aber der Reihe nach.
Bei Wortlaut, dem FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb, wird Anfang März ein Thema bekannt gegeben. Heuer war das GRELL.
Bis Anfang Mai haben uns gut 800 Autorinnen und Autoren ihre Texte geschickt – herzlichen Dank an der Stelle!
Wochenlang hat sich die redaktionelle Vorjury (die FM4-RedakteurInnen Zita Bereuter, Jenny Blochberger, Claudia Czesch, Conny Lee, Maria Motter, Martin Pieper, Lisa Schneider, Simon Welebil, Irmgard Wutscher und Jürgen Lagger vom Luftschacht Verlag) durch diese Texte gelesen, hat sie auf der Rückseite kommentiert und weitergegeben. Und weiter. Und weiter.
Am Ende hat sich die Vorjury dann auf zwanzig Texte geeinigt – die mittlerweile von mindestens sechs JurorInnen gelesen waren. Die Diskussionen in dieser Sitzung sind regelmäßig lange, intensiv und teilweise heftig. Schließlich freuen wir uns auch in diesem Jahr über zwanzig sehr gute Kurzgeschichten – v.a. über das große grelle Spektrum, das diese eröffnen.
Anonymisiert und einheitlich formatiert hat die Jury diese zwanzig Texte erhalten.
Dann kam der Tag der Jurysitzung, an dem sich Sebastian Fasthuber (Kulturjournalist), David Fuchs (Wortlautgewinner 2016), Hosea Ratschiller (Kabarettist), Cornelia Travnicek (Autorin) und Yasmo (Rapperin und Autorin) auf zehn Texte einigen sollten. Und davon noch mal drei auszeichnen.
Und in dieser Sitzung hat sich dann gezeigt, wie unterschiedlich Meinungen zu Texten sein können. Nicht nur einmal haben sich vier gegen einen Text ausgesprochen, während die oder der Fünfte überzeugt und selbstbewusst – v.a. aber auch kompetent – erklärte, warum ihr oder ihm der Text gut gefallen habe.
Für diese konstruktive Kritik und die durchaus faire Diskussionsbereitschaft möchten wir uns bei der Jury besonders bedanken!
Das Ergebnis ist eine grelle Mischung, die alles andere als durchschnittlich ist. Ob am Donaukanal, in Russland oder in Thailand. Man liest von Verlassenen, Verliebten und Verbitterten. Von Außenseitern, Angebern und Mitläufern. Von Lautem, von Grellem und von Hellem.
Schnell einig war sich die Jury bei den drei ersten Plätzen:
Grelles Schwarz wurde als „absurder, verstörender Text bezeichnet, mit „der originellsten Grundidee
und „ganz vielen kleinen Kunstgriffen, mit einer „leicht depressiven, aber trotzdem noch neugierigen und interessanten Stimmung
. Ein Text, bei dem zwar viel auseinanderfällt, er selbst „bleibt aber ganz und endet wunderbar und ist einfach ein guter Text."
Am Beckenrand überzeugte mit dem „großartigen Einstieg, die Geschichte sei „unterhaltsam
und „witzig mit „ wunderbaren kleinen Bildern
. Dabei aber „morbid und „atmosphärisch
und mit „der einen oder anderen Untiefe drinnen".
Und Donau, Kanal, Treiben wurde mit dem Prädikat „grundsympathisch ausgezeichnet, ein Text, der beim Lesen „sehr viel Spaß„ gemacht und auch „sprachlich eine eigene Rhythmik
in sich habe. Ein „schneller, dynamischer Text mit viel Atmosphäre und „mit einem sehr guten Schlusssatz
. „Und das Erdäpfelgulasch wird auf alle Fälle hängen bleiben."
In diesem Sinn – Mahlzeit und viel Freude beim Lesen.
Wir gratulieren herzlich den hier vertretenen Autorinnen und Autoren!
Zita Bereuter und Claudia Czesch
Manche Dinge ändern sich nicht
Es war einmal, als die bereits vierte Tasse Kaffee ihren braunen Dreiviertelkreis auf einer Manuskriptseite hinterlassen hatte, und die Jurymitglieder sich in ihrem verrauchten Kammerl vor lauter Zigarettenqualm gegenseitig nicht mehr sehen konnten …
Nein, manche Dinge ändern sich doch. Also kein Zigarettenqualm und nicht ganz so viel Kaffee in den Bechern, dafür ein bisschen Tee, weil im Sommer hat man es wegen der Klimaanlage doch ständig mit dem Hals …
Es war also einmal, da mussten wir eine schwierige Entscheidung treffen.
Eine Jury, in der drei von fünf Leuten selbst Schriftstellerinnen bzw. Schriftsteller sind, ist eine sehr verständnisvolle. Man kennt das alles ja.
Eine Jury, in der drei von fünf Leuten selbst Schriftstellerinnen bzw. Schriftsteller sind, ist keine sehr verständnisvolle. Weil: Man kennt das alles ja.
Dass man manchmal zum Beispiel einfach nicht weiß, wie man diese dämliche Themenvorgabe in die eigene, eigentlich ur supere, aber irgendwie nichts damit zu tun habende Kurzgeschichte einbauen soll. Und den Text dann trotzdem einschickt. Weil: Warum nicht. Er ist ja GUT. SO GUT. Die Jury wird’s schon … und so weiter.
Oder, dass man sich selbst eigentlich immer wieder sagt, dass einem alle Literatur-Wettbewerbe im Grunde ein mit gewürztem Fleischgatsch gefülltes Stück Darm sind und man sich ganz sicher nicht darüber aufregen wird, wenn man nix gewinnt. SICHER NICHT. Und so fort.
We feel you.
Weil wir so viel mit euch fühlen, wollen wir ein bisschen Mitgefühl retour. Verständnis dafür, wie schwierig es ist, fünf ganz unterschiedliche Geschmäcker auf einen Nenner zu bringen, ohne am Schluss mit einem irgendwie lauwarmen Kompromiss dazustehen. Und weil wir genau das verhindern wollten, habe wir nicht nur einige Stunden wirklich ausführlich und ernsthaft diskutiert, unsere Prioritäten sortiert und Texte nach bestem Wissen und Gewissen selektiert, nein, wir sind auch noch auf die geniale Idee gekommen, wirklich alle Kurzgeschichten, die bei irgendeiner oder irgendeinem von uns ganz vorne gereiht waren, zumindest in die Anthologie mit aufzunehmen. Egal, wie sie bei den anderen bewertet waren. Volle Bandbreite. Für euch.
Die Entscheidung für den erstplatzierten Text war am Ende ganz eindeutig, das muss betont werden. Und die mit jeder verbalen Verteidigungsrunde weiter angewachsene Zuneigung zu den eigenen Favoritengeschichten hatte nach der Besprechung die Dimension aufrichtiger Liebe angenommen. Wir sind also nicht nur höchst zufrieden mit uns selbst – Grundvoraussetzung dafür, eine ordentliche (Literatur-) Rampensau zu sein – sondern auch mit dieser Anthologie.
Darum gehen hiermit unsere herzlichsten Glückwünsche an alle, die es dieses Jahr geschafft haben: Gratulation! Kudos! Gönnt euch!
Für alle anderen gilt: Nicht traurig sein. Fleischgatsch in Darm. Nach dem Wortlaut ist vor dem Wortlaut. Neues Jahr, neues Glück.
(Und wenn ihr euch fragt, was die Überschrift eigentlich mit diesem Vorwort zu tun hat, dann, ja, also, muss ich euch sagen: Ich habe eigentlich angefangen, einen ganz anderen Text zu schreiben. Ihr kennt das ja.)
Cornelia Travnicek
Cornelia Travnicek, geb. 1987, hat im Wortlaut-Universum einen fixen Stern. Mit Wie ein Mixtape von Thomas Kunst belegt die damals 19jährige 2006 den zweiten Platz beim FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb. 2009 wird sie Dritte. Damals begeistert sie die Jury mit ihrer Kurzgeschichte Aurum metallicum Oder Was für ein Kind ich bin. Daraus entwickelt sie den Roman Chucks (DVA 2012), der 2015 gleichnamig verfilmt wird und beim Filmfestival von Montreal mit dem ersten Publikumspreis „for the most popular film of the Festival" ausgezeichnet wird.
Cornelia Travnicek studierte an der Universität Wien Sinologie und Informatik und arbeitet Teilzeit als Researcher in einem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung. 2012 gewinnt sie beim Wettlesen um den Bachmannpreis den Publikumspreis für Junge Hunde (Roman, DVA