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Vorarlberg kompakt: 101 Fragen - 101 Antworten
Vorarlberg kompakt: 101 Fragen - 101 Antworten
Vorarlberg kompakt: 101 Fragen - 101 Antworten
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Vorarlberg kompakt: 101 Fragen - 101 Antworten

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Fragen über Fragen
Haben Sie sich auch schon immer mal die Frage gestellt, warum die Vorarlberger anders sprechen als die übrigen Österreicher? Oder: Woher kommen die "Gsiberger" überhaupt? Was hat es mit dem Spruch "Schaffa, schaffa, Hüsle baua" auf sich? Warum brennt es am ersten Fastensonntag im ganzen Land – oder stimmt es gar, dass die Vorarlberger von Natur aus unmusikalisch sind?

101 Antworten auf 101 Fragen zum westlichsten Bundesland Österreichs
Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen – insgesamt 101 – bieten eine gleichermaßen informative wie vergnügliche Lektüre zu Geschichte und Gegenwart, Politik und Wirtschaft, Natur und Kultur des westlichsten österreichischen Bundeslands.

Zahlreiche Farbabbildungen und Karten illustrieren die von namhaften Fachleuten verfassten Texte und bieten umfassende Einblicke in das kleinste, aber vielleicht vielfältigste Bundesland Österreichs.
Aus dem Inhalt:
Weshalb sind die Landschaften Vorarlbergs so vielgestaltig?
Helmut Tiefenthaler
Sind die Vorarlberger "Alemannen"?
Alois Niederstätter
Ist Vorarlberg ein selbständiger Staat?
Peter Bußjäger
Warum sprechen die Vorarlberger anders als die anderen Österreicher?
Alois Niederstätter
Gab es Vorarlberg schon immer?
Alois Niederstätter
Wie kam Vorarlberg zu seinem Namen?
Alois Niederstätter
Gibt es auch in Vorarlberg ein Ober-, Unter-, Inner-, Hinter- und Vorderland?
Manfred Tschaikner
Woher kommen die Vorarlberger?
Alois Niederstätter
War Vorarlberg immer schon ein "Ländle"?
Manfred Tschaikner
Wer regiert Vorarlberg?
Peter Bußjäger
Und noch viele weitere interessante und amüsante Fragen können Sie in "Vorarlberg kompakt" nachlesen!
LanguageDeutsch
Release dateOct 13, 2017
ISBN9783703009303
Vorarlberg kompakt: 101 Fragen - 101 Antworten

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    Vorarlberg kompakt - Alois Niederstätter

    Bodensee.

    001 Weshalb sind die Landschaften Vorarlbergs so vielgestaltig?

    »Vom Bodensee zum Gletschereis« – so oder ähnlich heißt es oft in der Tourismuswerbung, wenn das Besondere an Vorarlberg verlockend gemacht werden soll. Ein Höhenunterschied von beinahe 3.000 Metern zwischen Bodensee und Piz Buin ist bei einer Distanz von nur 80 Kilometern zweifellos respektabel. Für die Erforscher der Erdgeschichte ist er jedoch viel weniger beachtenswert als die Verschiedenartigkeit der hier anzutreffenden Gesteinswelten: »Vorarlberg ist jenes österreichische Bundesland, das auf kleinster Fläche größte geologische Mannigfaltigkeit aufweist. Es reicht vom Alpenvorland bis zu den Zentralalpen und verbindet in geologischem Sinne West- und Ostalpen« (Raimund von Klebelsberg).

    Wenn wir nach der Entstehung solcher Vielfalt fragen, beginnt der Rückblick vor etwa 250 Millionen Jahren. Damals breitete sich zwischen dem europäischen und afrikanischen Urkontinent ein Meer aus, dem man den Namen »Tethys« gab. Darin lagerten sich Sedimente in je nach Tiefe und Küstennähe sehr verschiedenen Zusammensetzungen ab. In dem den Landmassen vorgelagerten Schelf (Flachmeer) ließ eine in subtropischem Klima entwickelte artenreiche Lebenswelt kalkreiche Meeresböden entstehen. In die weiter entfernten Tiefseebecken wurde hingegen vorwiegend Schlamm eingeschwemmt. Im Laufe von mehr als 200 Millionen Jahren erwuchsen als Folge wechselnder Meerestiefen ungleiche Schichtfolgen von bis zu mehreren hundert Metern Mächtigkeit.

    So langsam dabei die Verfestigung zu Gesteinsschichten in der Tiefe vor sich ging, so unmerklich langsam kam es ab der ausgehenden Kreidezeit vor etwa 60 Millionen Jahren zu Hebungen des Meeresgrunds, durch die mit der Zeit eine zusammenhängende Alpeninsel entstand. In der von den Geologen als Tertiär bezeichneten Epoche der Erdgeschichte bewegte sich die afrikanische Kontinentalmasse allmählich nordwärts. Das hatte zur Folge, dass die verschiedenen Ablagerungsschichten durch gewaltige Schubkräfte verbogen, übereinandergeschoben und gefaltet wurden. Dadurch kamen ganze »Decken« von Gesteinsformationen des afrikanischen Flachmeers über jenen der Tiefsee und der europäischen Schelfgebiete zu liegen. Was davon heute als zusammengewachsenes Gebirge zu sehen ist, könnte vergessen lassen, wie weit in manchen Schichtenstapeln die Entstehungsräume ursprünglich voneinander entfernt waren.

    Dafür gibt es in Vorarlberg vielerlei Beispiele, wie etwa am Westrand des Rätikons bei Feldkirch. Hier entstammt das »Ostalpin« der Drei Schwestern afrikanischer Küstennähe, der Flysch des Älpelekamms einem Tiefseetrog des Ur-Mittelmeers und der Stadtschrofen wie die anderen niedrigen Anhöhen um die Stadt dem nahe bei Europa abgelagerten »Helvetikum«. Im vereinfachten Überblick liegt Feldkirch an der geologischen Grenze von Ost- und Westalpen, die sich quer durch Vorarlberg bis ins Kleinwalsertal und weiter ostwärts zieht.

    Hoch ragt die aus Jurakalk des Helvetikums bestehende Kanisfluh bei Au im Bregenzerwald auf.

    Was die Eigenart dieser Großeinheiten ausmacht, kommt in den Verschiedenheiten ihrer von Süden her übereinandergeschobenen »Decken« und ihren kleinregionalen »Schuppen« zur Geltung. Während sich der leicht verwitterbare Flysch mit grünen Höhenzügen wie etwa am Walserkamm zu erkennen gibt, präsentiert sich die nördlich angrenzende helvetische »Säntisdecke« auch mit wuchtigen Kalkbergen wie der Kanisfluh und dem Hohen Ifen. Die Besonderheiten der Nördlichen Kalkalpen sind in der das Lechquellengebirge und den Rätikon aufbauenden »Lechtaldecke« mit ihren steilwandigen, scharf gezackten Kalk- und Dolomitmauern noch auffälliger ausgeprägt. Wieder anders kommt das massige »Kristallin« – früher sagte man »Urgestein« – des Verwalls und der Silvretta ins Landschaftsbild. Ihr heutiges Profil verlieh den Bergen und Tälern erst die fortdauernde Erosion.

    Die aus Sulzfluh-Kalk aufgebauten Drei Türme sind die markantesten Berggestalten im Rätikon.

    Die Sonnenseite des Großen Walsertals gehört der Flyschzone an.

    Von der nördlichen Landeshälfte war im Rohbau Vorarlbergs noch vor 20 Millionen Jahren fast nichts zu sehen. Diese lag in einem langgestreckten seichten Randmeer und den Schuttfächern der nordwärts strömenden Urflüsse verborgen. In den dort abgelagerten Flussschottern und Sandschichten hatte aber bereits die Verfestigung neuer Gesteine begonnen, die als »Molasse« bezeichnet werden. Sie wurden erst nach den Hebungsvorgängen im Spättertiär nördlich des Hochälpele, besonders am Pfänderstock und im Vorderwald, als Stapel von »Nagelfluh«-Konglomeraten, Mergel- und Sandsteinschichten sichtbar.

    Noch vor zwei Millionen Jahren fehlte der Bodensee. Das Rheintal war zwar schon von einem Ur-Rhein durchflossen, doch dieser war zur Donau gerichtet. Zudem brauchte die Ausbildung von einigermaßen sanften Landschaftsformen wiederholte Ansätze von »letztem Schliff«. Diesen brachten mehrere Eiszeiten zustande, in denen sich gewaltige Massen von Gletschereis nordwärts bewegten. Sie schürften die Haupttäler zu tiefen, breiten Wannen aus und hinterließen Schuttmassen, die in den Haupttälern nach dem Abschmelzen des Eises von den Bächen und Flüssen in großflächigen Schwemmlandebenen ausgebreitet wurden. Die Zuflüsse aus den Gebirgstälern hatten allerdings ein starkes Gefälle zu überwinden, sodass bei ihren Ausmündungen in die breiten Haupttäler Schluchten entstanden sind.

    Von der Späteiszeit an ging die Landschaftsgeschichte unter den Augen von Menschen vor sich. Sie hatten am neu entstandenen Bodensee schon Wohnplätze gesucht, als das eisfrei gewordene Mittelgebirge noch von Tundrenvegetation bedeckt war. Für die Jäger der Mittelsteinzeit erschwerte eine bereits ziemlich dicht gewordene Waldwildnis das Vordringen in die Gebirgstäler. Nun schätzten sie die Möglichkeit, mit Einbäumen auf dem bis weit ins Rheintal reichenden Bodenseefjord zum Kummenberg und anderen Inselbergen rudern zu können. Hier ließen sich in Vorarlberg auch erste Spuren von sesshaft gewordenen Einwanderern nachweisen.

    Seither haben die Rheinzuflüsse immer größere Schuttfächer ins Rheintal vorgebaut und in einem schwindenden Rheintalsee eine Fluss- und Sumpfwildnis entstehen lassen. Die letzten zwei Jahrtausende der Landschaftsgeschichte prägte ein zusehends rascherer Wandel der Naturlandschaften in Kulturland mit wachsenden und immer sicherer werdenden Siedlungsgebieten. In der Anpassung an grundverschiedene naturräumliche Voraussetzungen gewannen auch die Kulturlandschaften ausgeprägte Eigenarten.

    Am Beispiel des Rheintals mag es so aussehen, als sei hier mit technischer Perfektion eine weitgehende Beherrschung der Natur gelungen. Nicht zuletzt angesichts klimatischer Veränderungen mehren sich allerdings Anzeichen, wie zivilisatorische Fortschritte neue Naturgefahren provozieren können.

    Helmut Tiefenthaler

    002 Sind die Vorarlberger »Alemannen«?

    Alemannische Bodenfunde sind in Vorarlberg selten. Als Grabbeigabe wurde in Dornbirn-Hatlerdorf ein Kurzschwert (»Sax«) geborgen, aus Bregenz stammt ein Wurfbeil (»Franzsika«).

    Streng genommen: nein ! Als »Alemannen« (in der Fachsprache meist: »Alamannen«) bezeichnen Geschichtswissenschaft und Archäologie die Angehörigen eines germanischen »Stamms«, der seit der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. als bedrohlicher Gegner Roms ins Blickfeld der antiken Überlieferung kam. Zunächst siedelten die Alemannen im Südwesten des heutigen deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg. Von dort aus stießen sie mehrfach nach Gallien sowie über die Alpen bis nach Italien vor. Solche Kriegszüge betrafen auch das Alpenrheintal. Das Verhältnis zwischen Römern und Alemannen war jedoch keineswegs nur von Feindschaft geprägt. Alemannische Truppenteile dienten in verschiedenen Einheiten des römischen Heeres, alemannische Fürsten stiegen in der römischen Militärhierarchie auf.

    Am Ende des 5. Jahrhunderts, als das weströmische Reich zusammenbrach, gerieten die Alemannen mit den unter dem Merowinger-König Chlodwig († 511) geeinten Franken in Konflikt. In mehreren Feldzügen geschlagen, siedelten sich alemannische Gruppen im bayerisch-schwäbischen Alpenvorland an, etwa von der Mitte des 6. Jahrhunderts an auch in der heutigen Schweiz und in Vorarlberg. Dieser Zuzug geschah nicht als gewaltsame »Landnahme«, sondern als ein kontrollierter Vorgang in einem nach dem Zusammenbruch der spätantiken Ordnung zwar verdünnten, aber doch besiedelten Gebiet. Im Süden Vorarlbergs dominierte die romanische Bevölkerung noch lange Zeit, auch Angehörige anderer Völkerschaften – Franken, Thüringer, ja sogar Slawen – lassen sich damals hierzulande nachweisen. Stellt man außerdem die weiteren Migrationsbewegungen der letzten anderthalb Jahrtausende in Rechnung, werden wohl nur wenige heutige Bewohner des Landes von den Alemannen des Frühmittelalters abstammen.

    Eine St. Galler Handschrift aus dem Jahr 793 überliefert das Volksrecht der Alemannen (»Lex Alamannorum«).

    Geblieben ist die landläufige Zuweisung Vorarlbergs zur »schwäbischalemannischen« Mundartgruppe (004 Warum sprechen die Vorarlberger anders als die anderen Österreicher?). Die Sprachwissenschaft bezeichnet sie freilich neutral als »westoberdeutsch« und bringt damit zum Ausdruck, dass sie mit den Sprachformen des seinerzeitigen Stamms der Alemannen nichts zu tun hat.

    In der Landesgeschichte spielte das »Alemannentum« insofern eine Rolle, als es – unter verschiedenen Vorzeichen – als »ethnisches Identifikationsangebot« diente: zunächst um den Wunsch nach der verwaltungsmäßigen Trennung von Tirol zu begründen, später um sich vom »bajuwarischen Osten« Österreichs, insbesondere vom »roten« Wien abzugrenzen sowie um angeblich in Vorarlberg besonders ausgeprägte Wesensmerkmale und »Tugenden« (Fleiß, Sparsamkeit, Realitätssinn, demokratisches Empfinden) damit zu verbinden.

    Alois Niederstätter

    003 Ist Vorarlberg ein selbständiger Staat?

    Die 1984 vom Landtag beschlossene Verfassung.

    Ja ! Gemäß der Bundesverfassung ist die Republik Österreich ein Bundesstaat und Vorarlberg eines der neun »selbständigen Länder«, die diesen Bundesstaat bilden. Zwar wird die Republik durch den Bundespräsidenten und die Bundesregierung vertreten, aus juristischer Sicht sind die Bundesländer aber »selbständige Staaten«.

    Das zeigt sich darin, dass sie eigene Gesetze erlassen dürfen und eigene Landesregierungen haben. Alle Zuständigkeiten, die nicht von der Bundesverfassung auf den Bund übertragen sind, verbleiben im so genannten »selbständigen Wirkungsbereich« der Länder.

    Historisch reicht Vorarlbergs Selbständigkeit ins Jahr 1918 zurück, als beim Zusammenbruch der Habsburgermonarchie eine provisorische Landesversammlung in Bregenz zusammentrat, die bis dahin bestehende Verwaltungseinheit mit Tirol aufkündigte und Vorarlberg »auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes als eigenes selbständiges Land im Rahmen des deutsch-österreichischen Staates« deklarierte.

    Weil aber Gesetze auch vom Nationalrat und vom Bundesrat in Wien sowie vom Europäischen Rat und vom Europäischen Parlament – Österreich ist einer von derzeit 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union – erlassen werden, ist Vorarlbergs »Selbständigkeit« beschränkt.

    Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten von Europäischer Union, Mitgliedstaaten und Ländern bzw. Regionen wird häufig das »Subsidiaritätsprinzip« herangezogen. Demgemäß soll eine übergeordnete Ebene nur dann einschreiten, wenn die nachgeordnete Ebene bestimmte Aufgaben nicht hinreichend erfüllen kann. In der Praxis erweist sich die Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips freilich als schwierig. Sowohl der Bund als auch die Europäische Union versuchen immer wieder, den Gestaltungsspielraum der Länder zu beschneiden.

    Peter Bußjäger

    004 Warum sprechen die Vorarlberger anders als die anderen Österreicher?

    Zwar sprechen alle Österreicher, sofern sie die herkömmlichen regionalen Mundarten verwenden, »oberdeutsch«, doch trennt der Arlberg – mehr oder weniger genau – das bairische vom alemannischen Dialektgebiet. Zu Letzterem gehört in Österreich im Wesentlichen nur Vorarlberg, außerdem die deutschsprachige Schweiz, große Teile Baden-Württembergs und das Elsass. Dieser Unterschied ist eine Folge der Siedlungsverhältnisse im frühen Mittelalter (002 Sind die Vorarlberger »Alemannen«?).

    Weil das Alemannische auch beim Hilfsverb »sein« keine Mitvergangenheitsform kennt und dafür das Perfekt »i bi gsi« (= ich bin gewesen) verwendet, kamen die Vorarlberger im übrigen Österreich zum scherzhaften Übernamen »Gsiberger«.

    Charakteristisch ist außerdem das Fehlen der so genannten »neuhochdeutschen Diphthongierung«, weswegen man in Vorarlberg beispielsweise »Hus« für »Haus« oder »Krüz« für »Kreuz« sagt. Gerne wird auch die mit der Nachsilbe »-le« gebildete Verkleinerungsform verwendet, etwa »Hus« – »Hüsle«. Dazu kommen Vokabeln, die die Schriftsprache bzw. andere Dialekte nicht kennen: »Häs« (Kleidung), »Gof« bzw. »Gog« (Kind) usw.

    Allerdings gibt es keine einheitliche Vorarlberger Mundart, vielmehr beeindruckt die ungewöhnlich große Vielfalt auf kleinem Raum. Allein dass es für »gehabt« in Bregenz »ket«, in Dornbirn »kia« und in Feldkirch »ka« heißt, zeigt die starke innere Differenzierung. Besonders ausgeprägte Mundarten werden in Lustenau, im hinteren Bregenzerwald und im Montafon gesprochen. Im nördlichen Bregenzerwald finden sich deutliche Anklänge an das Allgäuische, in Bregenz ans Schwäbische, am Tannberg und in den beiden Walsertälern Relikte des Walserischen (034Warum beanspruchen die »Walser« eine Sonderstellung in Vorarlbergs Geschichte?).

    Wie alle Sprachen verändern sich auch die Dialekte. Wachsende Mobilität etwa drängt lokale Besonderheiten zurück, manches vermischt sich. Während bestimmte Begriffe verschwinden, kommen neue hinzu. Dennoch bleiben die Vorarlberger Mundarten ein starkes Identitätsmerkmal.

    Alois Niederstätter

    005 Gab es Vorarlberg schon immer?

    Kurz gesagt: nein ! Seine gegenwärtigen Grenzen erhielt Vorarlberg erst im Jahr 1814, zu einem »Land« im heutigen Sinn des Wortes wurde es gar erst 1861. Bis dorthin war der Weg lang: Im Hochmittelalter gehörte jenes Gebiet, das viel später einmal Vorarlberg werden sollte, zum Herzogtum Schwaben. Vor Ort hatten die Grafen von Bregenz, der Abt des Klosters St. Gallen sowie Beauftragte des Herzogs bzw. des Königs das Sagen. Vom 13. Jahrhundert an schufen die Grafen von Montfort (031Wer waren die »Montforter«?) und ihre Nebenlinie, die Grafen von Werdenberg, hier, aber auch links des Rheins und nördlich des Bodensees eigenständige Herrschaftsgebiete, die durch Erbteilungen aber immer kleiner wurden.

    Den Grundstein für die spätere Landeseinheit legte schließlich die Territorialpolitik der habsburgischen Herzöge von Österreich. Mit dem Kauf der Neuburg (bei Koblach) im Jahr 1363 wurde die Tür geöffnet, dann ging es Schlag auf Schlag: Es folgten der Erwerb der Herrschaften Feldkirch (1375/1390) und Bludenz (1394/1420), der Südhälfte der Herrschaft Bregenz (1451), des Tannbergs samt dem Kleinwalsertal (1453), der Grafschaft Sonnenberg im Walgau mit dem Klostertal (1474) sowie schließlich der Nordhälfte der Herrschaft Bregenz (1523). Nur Hohenems mit Lustenau und Blumenegg (das Große Walsertal mit den im Walgau vorgelagerten Gemeinden Thüringen, Ludesch und Bludesch) blieben davon ausgenommen.

    Damit war zwar ein beträchtlicher Teil des heutigen Vorarlberg in österreichischer Hand, aber noch lange nicht verwaltungsmäßig vereinigt. Deswegen gab es auch keinen gemeinsamen Namen dafür. Aus Innsbrucker Sicht sprach man einfach von den »Herrschaften vor dem Arlberg« (006Wie kam Vorarlberg zu seinem Namen?).

    Erst mit der Einrichtung eines »Oberamts« in Bregenz (1750), aus dem später ein »Kreisamt« wurde, erfolgte die organisatorische Zusammenführung. Dieser Prozess sowie die gemeinsamen militärischen Anstrengungen in den Kriegen gegen Frankreich (053Warum gab es in Vorarlberg »Franzosenkriege«?) an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ließen allmählich ein auf ganz Vorarlberg bezogenes Wir-Gefühl, ein Landesbewusstsein, entstehen. Inzwischen waren auch Hohenems (1765/67) und Blumenegg (1804) an Österreich gekommen.

    Nachdem Vorarlberg an der Jahreswende 1805/06 den Bestimmungen des Friedens von Pressburg gemäß an das Königreich Bayern (054 Gehörte Vorarlberg einmal zu Bayern?) abgetreten worden war, wurde es der Provinz Schwaben zugeteilt und verschwand damit von der politischen Landkarte. Mit der Rückkehr an Österreich im Jahr 1814 fand es, weil das Allgäuer Gebiet um Weiler bei Bayern verblieb, zu seiner heutigen Gestalt. Den Status als Land wollte Kaiser Franz freilich nicht bzw. nicht in vollem Umfang anerkennen. Tirol und Vorarlberg erhielten eine gemeinsame Oberbehörde, unter der Vorarlberg nur einen Verwaltungskreis bildete. Auch die im Revolutionsjahr 1848 errungene Aufwertung zum Land blieb nur eine kurze Episode.

    Als Blasius Hueber 1783 die erste moderne Vorarlbergkarte schuf, gehörten die Grafschaft Hohenems und die Herrschaft Blumenegg noch nicht zum Land, dagegen aber jene Allgäuer Gebiete, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts an Bayern fielen.

    1859 deponierte eine Vorarlberger Delegation in Innsbruck den ausführlich begründeten Wunsch nach einer Lösung von Tirol. Er ging 1861 in Erfüllung, als Kaiser Franz Joseph mit dem »Februarpatent« den Vorarlbergern eine Landesordnung sowie einen Landtag mit Sitz in Bregenz zubilligte (038Seit wann treten in Vorarlberg Landtage zusammen?). Trotz verhältnismäßig bescheidener Kompetenzen und der weiterhin bestehenden verwaltungsmäßigen Zuordnung zur Statthalterei in Innsbruck war Vorarlberg fortan politisch als Land »erlebbar«. Die Klammer, die es zusammenhielt, war einzig der Landtag, denn der Kaiser vereinigte die alten Herrschaften weiterhin nur durch seine Person als Graf von Bregenz, von Feldkirch, von Bludenz, von Sonnenberg, von Hohenems, als Herr von Blumenegg.

    Die vollständige Trennung von Tirol ermöglichten erst die Katastrophe des Ersten Weltkriegs und der Zusammenbruch der österreichischungarischen Monarchie: Am 3. November 1918 trat in Bregenz die provisorische Landesversammlung zusammen und beschloss unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker die Gründung Vorarlbergs als »eigenes selbständiges Land« im Rahmen der neuen, kleinen Republik Österreich (003Ist Vorarlberg ein selbständiger Staat?).

    Schon zwei Jahrzehnte später war alles wieder anders: Im März 1938 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht in Vorarlberg (086 War Vorarlberg ein unschuldiges Opfer des Nationalsozialismus?), deutsche Wehrmachtsverbände überschritten die Grenze. »Reichsgaue« traten an die Stelle der annektierten Republik Österreich und ihrer Länder, die Verwaltung des »Reichsgaus Tirol und Vorarlberg« wurde in Innsbruck konzentriert. Mit der Befreiung durch alliierte Truppen im Jahr 1945 (→ 087 Wer befreite Vorarlberg von der nationalsozialistischen Herrschaft?) und der Konstituierung eines wiederum demokratisch gewählten Landtags gewann Vorarlberg seine Selbständigkeit als österreichisches Bundesland zurück. Symbol dafür war am 11. Dezember 1945 die Konstituierung des kurz zuvor gewählten Landtags.

    Alois Niederstätter

    006 Wie kam Vorarlberg zu seinem Namen?

    Der Name »Vorarlberg« ist ein getreues Spiegelbild der historischen Entwicklung des vergleichsweise spät so bezeichneten Gebiets. Weil sich im Mittelalter – und noch darüber hinaus – weder ein Herrschaftsgebiet noch eine von den Bewohnern als Einheit empfundene Landschaft mit dem heutigen Land deckten, es Vorarlberg also schlichtweg nicht gab, brauchte es dafür auch keinen Namen (005 Gab es Vorarlberg schon immer?).

    Zwar erwarben die Habsburger zwischen 1363 und 1523 weite Teile des nachmaligen Vorarlberg, fassten diese aber organisatorisch nicht zusammen, sodass die Herrschaften Bregenz (mit Hohenegg), Neuburg, Feldkirch sowie Bludenz-Sonnenberg jeweils direkt dem Landesfürsten bzw. dessen Regierung in Innsbruck unterstanden.

    König Ferdinand verspricht den Ständen der vier Herrschaften »vor dem Arlenberg«, sie bei ihren althergebrachten Rechten und Freiheiten zu belassen.

    Wollte man diese Gebiete in ihrer Gesamtheit benennen, bediente man sich – von Tirol aus gesehen – des etwas umständlichen Begriffs »Herrschaften enhalb des Arls« bzw. »enhalb des Arl und des Ferns« (jenseits des Arlbergs und des Fernpasses), später auch »vor dem Arlberg«. Kam der Blick von Westen, hieß es folgerichtig »dieshalb« statt »enhalb«. Außerdem verwendete die habsburgische Verwaltung in Innsbruck von etwa 1500 bis über die Mitte des 17. Jahrhunderts dafür den Begriff»Walgau«, der das Ganze nach dem am nächsten gelegenen Teil bezeichnete.

    Erst von etwa 1700 an setzte sich als kürzere Form »vorarlbergisch« bzw. »Vorarlberg« durch – sowohl bei der staatlichen Obrigkeit,

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