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Erinnerungen eines Patrioten: Motive und Stationen
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Erinnerungen eines Patrioten: Motive und Stationen
Ebook264 pages2 hours

Erinnerungen eines Patrioten: Motive und Stationen

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About this ebook

Der frühere ZDF-Redakteur Ekkehard Kuhn, Autor preisgekrönter Filme und Bücher, hat sich in seinem Wirken vor allem für seine Heimat Schlesien, sein Vaterland Deutschland und für Freundschaft mit den osteuropäischen Nachbarn engagiert.
Er, der immer an die deutsche Einheit geglaubt hat, sieht sich als schlesischen und deutschen Patrioten, als überzeugten Europäer.
In diesem Buch hält er Rückschau auf sein Leben und die einzelnen Stationen.
LanguageDeutsch
Release dateJan 17, 2018
ISBN9783744832533
Erinnerungen eines Patrioten: Motive und Stationen
Author

Ekkehard Kuhn

Ekkehard Kuhn - pensionierter Fernsehredakteur und Bestsellerautor von Sachbüchern veröffentlicht hier seinen ersten Roman, dessen Thematik alle Menschen auf der Erde betrifft: Ein politisches Märchen mit der Brisanz der Wirklichkeit

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    Erinnerungen eines Patrioten - Ekkehard Kuhn

    hat."

    Station 1

    Zodel in Schlesien - mein Geburtsort

    Mein Geburtshaus in Zodel, eine ehemalige Schule, im ersten Stock rechts wurde ich geboren. Der Ort im Kreis Görlitz gehörte damals zum Regierungsbezirk Liegnitz in Schlesien. Ein Foto von 2005, das Haus wurde neu angestrichen und die Straße erneuert

    In diesem Schulhaus in Zodel Kreis Görlitz in Schlesien wurde ich am 9. Juni 1938 in der Wohnung des Lehrerehepaars Alfred und Elfriede Kuhn geboren. Nach meinen beiden Schwestern war ich der schon von den Eltern sehnsüchtig erwartete Stammhalter - wie es damals hieß. Mein Vater, der aus Adelsbach im Waldenburger Bergland in Schlesien stammte, war als dritter Lehrer in das 1000-Seelen-Dorf versetzt worden. Er und meine Mutter aus dem Nachbarort Altreichenau im Waldenburger Bergland hatten am 19. Juli 1927 geheiratet und waren nach einigen Zwischenaufenthalten des Vaters als Lehrer nach Zodel in ihre gemeinsame Wohnung in dem neu aufgestockten Schulhaus gezogen.

    Heute ist Zodel das östlichste Kirchdorf des nach dem Zweiten Weltkrieg im Osten so gestutzten Deutschlands. In den letzten Wochen des Krieges ging durch mein Heimatdorf die Frontlinie, was zu schweren Zerstörungen führte, von denen auch die Kirche betroffen war. Die vielen Gräber von Gefallenen zeugen noch heute von diesem Schicksal am Ende des Krieges.

    Im September 1944 hatte meine Schulzeit begonnen. Bei der Einschulung fragte uns der Schulleiter, wie weit die Russen kommen, wohl in der Hoffnung Antworten zu erhalten, dass sie an den im Osten ausgehobenen Panzersperren festgehalten werden. Ich aber sagte forsch Vielleicht bis nach Berlin! Meiner Mutter blieb das Herz stehen, denn für den 100-prozentigen Parteigenossen war das klarer Defaitismus. Man konnte daraus schließen, dass ich so etwas zuhause gehört haben muss. Darauf wartete das Konzentrationslager. Gottseidank hat der Schulleiter auf eine Anzeige verzichtet. Meine Schule dauerte zunächst nur ein halbes Jahr, weil wir am 17. Januar 1945 flüchten mussten.

    Die Jesus-Christus-Kirche in Zodel, die östlichste Kirche in Deutschlands. Von hier sind es nur wenige hundert Meter bis zur Neiße, der deutsch-polnischen Grenze.

    Bei der Renovierung der im Krieg beschädigten Kirche wurden im Chor Fresken von 1350 entdeckt und freigelegt. Am Tor zur Kirche und im Inneren erinnern Tafeln an den hier im Ort 1710 geborenen Traugott Gerber, der als Botaniker und Arzt im Zarenreich berühmt wurde und als Namensgeber der Pflanze Gerbera bekannt ist

    Auf unserer Flucht landeten wir schließlich in Oberschlesien, das nun in polnischer Hand war. In Kattowitz gerieten wir mit einer deutschen Gruppe in Geiselhaft von bewaffneten Polen. Hier begann unser Leidensmarsch. Wer nicht weiter marschieren konnte, wurde ohne Gnade erschossen. Wir sollten alle unser Leben an einem bestimmten Ort verlieren, wo die SS ein ganzes Dorf niedergemetzelt hatte. Eine sprachgewandte Leidensgenossin hatte es bei Gesprächen unserer Treiber erlauscht und konnte es bei einer Rast an einem Brunnen Russen mitteilen, die dort ihre Pferde tränkten. Unser Zug von mehreren Hundert Gefangenen wälzte sich mühsam auf der Landstraße weiter, als plötzlich russische Reiter angesprengt kamen und unsere Peiniger verjagten. Noch heute höre ich den erlösenden Satz: IHR WERRDET NIECHT ERSCHOOSSÄN! IHR KOOHMT AUF EIHN SCHLOOOOSS! Unsere Befreier geleiteten uns auf das Schloss von Teschen an der Grenze zu Tschechien, wo wir ohne Angst zwei Wochen kampieren konnten.

    Als wir im September 1995 in Oberschlesien mit dem ZDF-Team für unseren Film Schlesien - Brücke in Europa gedreht haben, bin ich von Pleß nach Teschen mit dem Auto gefahren - den Weg, den ich im Juli 1945 als siebenjähriges Kind mit meiner Mutter und meinen beiden Schwestern zu Fuß zurücklegen musste. Bei sengender Hitze, ohne Essen und Trinken, in Todesangst. Als ich die bergauf, bergab endlos geradeaus führende Straße vor mir sah, spürte ich plötzlich ganz elementar die damalige Ohnmacht, das Gefühl, nicht mehr weitergehen zu können. Noch Stunden nach dieser Fahrt und der Besichtigung der Burg in Teschen hatte ich ein unruhig schlagendes Herz.

    Meine Erlebnisse am Ende des Krieges, vor allem diese Rettungstat der Russen haben mich für meinen späteren beruflichen Werdegang sehr beeinflusst. Die Wahl des späteren Studiums der Slawistik und der Osteuropäischen Geschichte haben hier ihren Ursprung. Ich wollte mit dazu beitragen, dass es keinen Krieg mehr gibt und das Verhältnis zu unseren Nachbarn im Osten sich zu Freundschaft entspannt.

    Auch wenn die Nachkriegsjahre durch Hunger und Armut geprägt waren, hatte ich doch eine schöne Kindheit. Die Mutter war lieb, ich habe sie nie über irgendetwas klagen hören. Sie hat fast nie geschimpft, sie hat mich im Gegenteil mit Lob erzogen. Wenn und weil sie mich gelobt hat, wollte ich sie nicht enttäuschen. Sie war von einer heiteren Laune, immer zufrieden. Später als ich eine Verbindung zum anderen Geschlecht suchte, verglich ich alle weiblichen Wesen mit der Art meiner Mutter und bin damit gut gefahren, weil ich so zwei wunderbare Frauen geheiratet habe.

    Ich ging gern zur Schule, weil wir viel Neues lernen konnten. Der Lehrer oder die Lehrerin waren für uns Kinder nicht nur eine Respektsperson, sondern erschienen uns auch als Zauberkünstler, weil sie uns bisher Unbekanntes zeigen konnten. Anders als die heute mit allen neuen möglichen Medien überfütterten Kinder dürsteten wir nach Wissen. Für uns war in der Schule alles neu.

    Am 5. Juli 1952 hatte ich meine Grundschulzeit Mit Auszeichnung beendet. Ich hatte in allen Fächern sehr gut, das einzige, wo ich nur ein gut hatte, war Körpererziehung. Am 1. September 1952 wurde unser Vater, der wegen der NS-Parteizugehörigkeit im Dritten Reich nach dem Krieg suspendiert war, wieder als Lehrer in den Schuldienst eingestellt. Er bekam eine freie Stelle in der Grundschule Deschka-Zentendorf, im Nachbarort. Ich begann nach der Annahme meiner Bewerbung die Oberschulzeit in Reichenbach, einer Kleinstadt ca. 15 Kilometer westlich von Görlitz. Da die Wohnung im Schulhaus in Zentendorf noch nicht frei war, blieben wir zunächst in Zodel. Mit dem Fahrrad fuhr ich nach Reichenbach, wo ich ein Zimmer in einer privaten Pension gemietet hatte, in der auch schon meine jüngere Schwester während ihrer Oberschulzeit war.

    Mitte Juni 1953 war ich in einer HNO-Klinik für eine notwendige Nasenoperation in Görlitz. Die Klinik war in einer Villa zwischen der sowjetischen Kommandantur und der Staatssicherheit, beides auch in großen alleinstehenden Gebäuden. Als ich nach der Operation am 17. Juni noch leicht betäubt in mein Zimmer geführt wurde, hörten wir plötzlich Schüsse. Mein Zimmernachbar ging daraufhin zum Schrank und versteckte seine Uniform der Volksarmee hinter dem Schrank. Vom Gebäude der Staatssicherheit hörten wir aufgebrachte Stimmen und es gab weitere Schüsse. Aus Angst gingen wir in unserem Zimmer in Deckung, denn der Aufruhr passierte direkt neben uns.

    Am nächsten Tag besuchten mich meine Eltern. Wir gingen zum Gespräch in den Garten, in dem sie mir die Erklärung für das Geschehene zuflüsterten. Es gab gestern - es war der 17.Juni 1953 - einen Aufstand in Görlitz, der aber von den Sowjets mit Panzern niedergeschlagen wurde. Auch in Zodel gab es den Ausnahmezustand und Verhaftungen, darunter auch Bekannte. Gut, dass ich in der Klinik war. Hätte ich mich nicht den Aufständischen angeschlossen? Was hätte es für meine Zukunft bedeuten können?

    Station 2

    Görlitz - meine Oberschulzeit

    Der Blick über die Neiße, dem Grenzfluss zu Polen, auf die deutsche Altstadt mit der Peterskirche. Die Brücke wurde vor einigen Jahren an dieser Stelle wieder errichtet

    Da die Entfernung zur Oberschule von Zentendorf nach Reichenbach nun noch 5 Kilometer weiter war, wechselte ich zur Oberschule nach Görlitz. Im 11. Schuljahr wurde unsere Klasse aufgeteilt und es änderte sich der Stundenplan. Für mich als Fahrschüler war das äußerst nachteilig, ich konnte nun täglich erst um 18 Uhr zu Hause sein.

    Ich fand dann in einer früher vornehmen Villa in Görlitz Quartier, unter dem Dach, in dem früher die Dienstboten wohnten. In dieser Zeit war ich recht fleißig, ich fing auch an Gedichte zu schreiben. Meiner Schwester in der Bundesrepublik schickte ich im Mai 1955 eine Kostprobe. Sie begann mit einer Klage über die mangelnde Freiheit:

    Könnt' ich Vögel mit euch fliegen

    fliegen weit in fremde Lande

    mich in blauen Lüften wiegen

    all zerreißen meine Bande.

    Freiheit dürsten meine Sinnen

    Freiheit ruft die Seele mir

    Freiheit musst du dir gewinnen

    sonst vergehest du noch hier.

    Doch ich kann den Wunsch nicht stillen

    Freiheit ist nur in den Träumen

    niemals geht sie zu erfüllen

    in des Lebens engen Räumen.

    *

    Durch den Abend dringt das Rauschen

    feierlich mir an das Ohr

    und es zwingt mich ihm zu lauschen

    stärker dann als je zuvor.

    In dem schwankend Windesrauschen

    find' ich meine Seele wieder

    einsam steh' ich um zu lauschen

    Wind und Brust geh'n auf und nieder.

    *

    Die Nacht bricht ab, der Tag beginnt

    die Sonne steigt empor

    aus allen meinen Adern springt

    die Freude mir hervor.

    Die Sonne strahlt, der Wald erwacht

    schon schallt der Vögel Sang

    das Herz, der ganze Körper lacht

    stimmt freudig in den Klang!

    Meine Zensuren waren am Ende des 11. Schuljahrs in sämtlichen Fächern gut. In der allgemeinen Beurteilung hieß es: Ekkehard ist in seinem Verhalten diszipliniert und ordentlich. Er ist stark interessiert, arbeitet deshalb rege und fleißig mit.

    Das änderte sich leider im nächsten Schuljahr, als ich mich in ein Mädchen verliebte. Mit ihr gingen wir oft zusammen ins Kino; Filme wurden neben dem Mädchen meine zweite Leidenschaft. Ich wollte später selbst Filme machen und hatte mich deshalb an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg für das Studienfach Regie beworben. Ich wurde zu einer Aufnahmeprüfung am 14. April 1956 eingeladen. Der damals und auch später sehr bekannte Filmregisseur Kurt Maetzig examinierte mich und untersuchte meine Begabung für diesen Beruf. Ich musste das Bild von Ilja Repin Die Soporoger schreiben einen Brief an den türkischen Sultan in einzelne Bildsequenzen zerlegen, aus denen man den Inhalt des Bildes verstehen konnte. Zum Ende unseres Gesprächs erklärte mir Kurt Maetzig: ich hätte die Prüfung bestanden, müsste aber noch das Abiturzeugnis und die fehlende gesellschaftliche Beurteilung der Schule nachreichen.

    Am 28. Mai 1956 erhielt ich mein Abiturzeugnis und damit die Quittung für meinen mangelnden Fleiß in den letzten Monaten. Ich hatte den Oberschulabschluss nur mit Genügend bestanden.

    Als ich nach dem Abitur mein Zeugnis und die gesellschaftliche Beurteilung zur Filmhochschule nach Potsdam-Babelsberg schickte, bekam ich umgehend von dort die Ablehnung. Darüber war ich sehr traurig, war es doch eine Ausbildung für meinen Berufswunsch, Filme zu machen. Wenn ich das jetzt hier schreibe, ist es für mich eine Genugtuung, dass ich später genau dieses Ziel erreicht habe, dass ich jahrzehntelang Filme produzieren konnte. Nur mit dem Unterschied, dass es keine Spielfilme sondern Dokumentarfilme waren. Aber die waren für mein später erwachtes politisches Interesse sogar noch wichtiger.

    Nach der Ablehnung durch die Filmhochschule bewarb ich mich an der Pädagogischen Hochschule in Dresden um eine Ausbildung als Volksschullehrer. Auch dort - wie noch an anderen Hochschulen - bekam ich eine Absage. Auf dem zuständigen Amt in Görlitz wurden mir für die Berufswahl drei Möglichkeiten offeriert: Volksarmee, Koch oder Grobschmied. Alles drei kam für mich nicht in Frage.

    Station 3

    Studium in Berlin

    Das Alte Museum in Ostberlin, hier eine Aufnahme nach der Wiedervereinigung, im renovierten Zustand

    Am 15. Oktober 1956 immatrikulierte ich mich im Sprachenkonvikt der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg in Ostberlin und einen Tag später an der Kirchlichen Hochschule in Westberlin für das Studium der Theologie. Es gab damals in Berlin noch keine Mauer, die die Stadthälften trennte. Diese Studienwahl war eine Verlegenheitslösung, durch sie konnte ich im Osten wohnen bleiben und im Westen studieren. Ich machte in den ersten Semestern fleißig meine Prüfungen und Scheine, suchte aber weiter auf einen Absprung, weil ich meiner ganzen Veranlagung nicht zum Pfarrer geschaffen war. Bei einem Besuch von Verwandten in der Bundesrepublik suchte ich Kontakt zu einer Akademie für Bühne, Film und Rundfunk in Wiesbaden, aber die Wahl scheiterte am fehlenden Geld. Während ich weiter offiziell brav Theologie studierte, ging ich mehrmals in der Woche in die Filmvorführungen im Deutschen Zeughaus zum Thema 60 Jahre Film. Ich erlebte dort die nationale und internationale Filmgeschichte. Während meiner Berliner Zeit schrieb ich viele Gedichte, von denen ich hier einige vorstellen möchte:

    Havelfahrt

    Langsam gleit ich mit dem Boote

    Unter Zweigen nah dem Ufer

    Durch das Grüne blickt der Himmel

    Wolkenlos in ernstem Blau

    Stille - nur vom Tier durchbrochen

    Hört sich hier in Schattenkühle

    Ohne einen Laut zu geben

    Gehen Wellen an das Land

    Weidenzweige fleh'n ins Wasser

    Wunderbar in ihrem Neigen

    Scheint als wollten sie mir sagen

    Dass ich ohne Träne bin

    Am Tegeler See (in Berlin)

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