Zauber, Magie und Hexerei: Eine etymologische und wortgeschichtliche Untersuchung sprachlicher Ausdrücke des Sinnbezirks Zauber und Magie in indogermanischen Sprachen
Von Michaela Essler
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Michaela Essler
Michaela Essler studierte an der Paris-Lodron-Universität Salzburg Allgemeine und Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft und promovierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Fach Indogermanische Sprachwissenschaft.
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Zauber, Magie und Hexerei - Michaela Essler
hat.
1. Einleitung
Der Sinnbezirk Zauber und Magie in historischen indogermanischen Sprachen ist durch eine Vielzahl sprachlicher Ausdrücke gekennzeichnet, die in ihren etymologisch feststellbaren Grundbedeutungen auf völlig unterschiedliche Tätigkeiten zurückgehen. So finden sich neben Verben und Nomina, die eine Grundbedeutung „singen" (ahd. galan, lat. incantāre), „jammern, klagen (gr. γόης) aufweisen, Verben und Nomina, für die eine Grundbedeutung „binden
(gr. καταδέω, an. seiðr) oder „wahrsagen, weissagen" (ags. wicca) feststellbar ist.
Für diese Verben und Nomina ist zum großen Teil weder innersprachlich noch sprachvergleichend eine etymologische Verwandtschaft gegeben. Das einzig verbindende Element ist die Bedeutung „zaubern, „Zauber
, „Magie. Die gut belegte vedischgriechische Verbindung innerhalb der Indogermania versagt völlig. Es gibt keine etymologischen Anknüpfungsmöglichkeiten an die Lexeme der germanischen Sprachen. Und für das Indogermanische ließ sich bis heute keine Verbalwurzel mit der Bedeutung „zaubern
rekonstruieren. Dieser uneinheitliche Befund ist für die Indogermania untypisch. Umso mehr, als wir für Zauber und Magie in den indogermanischen Sprachen über eine umfangreiche Beleglage verfügen, und somit mit Sicherheit sagen können: Alle haben es zu allen Zeiten getan. So ist der Sinnbezirk Zauber und Magie in den indogermanischen Sprachen gekennzeichnet von der Heterogenität der Lexik, der die Monotonie der Semantik gegenübersteht.
Fokus der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung und Analyse des lexikalischen Befundes sprachlicher Ausdrücke, die dem Sinnbezirk Zauber und Magie in indogermanischen Sprachen zugeordnet werden können, die Ermittlung der Gründe und Ursachen, die zu diesem uneinheitlichen lexikalischen Befund geführt haben sowie die Herausarbeitung der Elemente, die im Kontext von Zauber und Magie für indogermanische Zeit festgemacht werden können. Der erste Teil der Arbeit (Kapitel 2) befasst sich mit den Etymologien sprachlicher Ausdrücke, die dem Sinnbezirk Zauber und Magie in indogermanischen Sprachen zugeordnet werden und mit der Bedeutung „Zauber bzw. „zaubern
behaftet sind. Für die indogermanische Sprachwissenschaft erstellte OSTHOFF in den Jahren 1898 und 1899 eine sprachvergleichende Arbeit, die den Sinnbezirk Zauber und Magie etymologisch behandelt. Soweit dies feststellbar war, wurde seitdem keine sprachvergleichende etymologische Zusammenstellung der Lexeme in einem ähnlichen Umfang für die Indogermania erstellt. Die etymologische Arbeit fokussierte sich primär auf die Erarbeitung von Einzeletymologien bzw. im Hinblick auf Rückschlüsse für idg. Zeit auf Teilaspekte des Gesamtbildes. Die etymologischen Einzeluntersuchungen zu den Lexemen haben zwar für viele Lexeme mögliche Grundbedeutungen herausgearbeitet. Es fehlt jedoch häufig eine Erklärung, wie eine Bedeutung „zaubern bzw. „Zauber
entstehen konnte bzw. wie Lexeme, für die eine Grundbedeutung „binden oder eine Grundbedeutung „singen
feststellbar ist, plötzlich eine gemeinsame Bedeutung „zaubern aufweisen können. Die Vielzahl der Lexeme, die mit einer Bedeutung „zaubern
bzw. „Zauber/Zauberei" behaftet sind, machte es notwendig, eine Auswahl zu treffen. Bei der Auswahl der Lexeme orientierte ich mich an OSTHOFFs Untersuchung Allerhand Zauber etymologisch beleuchtet aus den Jahren 1898/1899 und an BUCKs Dictionary of Selected Synonyms in the Principal Indo-European Languages (1988: 1494-1499). Weiters habe ich Lexeme ausgewählt, die mir beim Studium der Primärliteratur interessant erschienen. Der etymologische Befund ergab drei semantische Gruppen, in die sich die Lexeme des Vedischen, des Altgriechischen, des Lateinischen und der germanischen Sprachen anhand ihrer etymologisch festmachbaren Grundbedeutungen einordnen lassen: 1) heilen und vergiften: gr. φάρμακον, lat. venēnum, venēficium, ahd. gift, luppi, eitar, 2) binden und bannen: gr. καταδέω, καταδεσμός, lat. dēfixiō, an. seiðr, ai. k ty
-,
δή, lat. fascinum, canere, cantāre, carmen, ags. spell, ahd. galan, galdar, ai. bráhman-. Eine vierte Gruppe bilden Lexeme, die andere etymologische Grundbedeutungen aufweisen. Hierzu zählen ved. yātú-, yātudh
na-, heth. alwanzatar und lat. maleficium.
Der zweite Teil der Arbeit (Kapitel 3, 4 und 5) widmet sich den Etymologien, Bedeutungsentwicklungen und Wortgeschichten der neuhochdeutschen Lexeme Zauber, Magie und Hexerei. Die Wortgeschichten der Lexeme werden jeweils beginnend mit den Erstbelegen bis hin zur heutigen Bedeutung und Verwendung dargestellt. Auch wird der Frage nachgegangen, wodurch die semantische Nähe und der stellenweise nahezu indifferente Gebrauch der Lexeme Zauber und Magie und ihrer Derivate im heutigen Sprachgebrauch begründet sein kann. Die Wegmarken der Wortgeschichte des sprachlichen Ausdrucks Magie werden in Kapitel 3 behandelt. Diese Darstellung ist keine „Geschichte der Magie", sondern eine Analyse der Bedeutungselemente, Konnotationen und semantischen Umdeutungen von gr. μαγεία, lat. magia, ars magica und nhd. Magie. Bei der Verwendung des sprachlichen Ausdrucks Magie unterscheiden Sprecher häufig unter Hinzunahme eines Adjektivs zwei Arten von Magie: schwarze Magie oder weiße Magie. Diese unterscheidenden sprachlichen Ausdrücke werden im allgemeinen Sprachgebrauch und im wissenschaftlichen Sprachgebrauch verwendet. Wie es zur Prägung dieser beiden Ausdrücke kam, wird in Abschnitt 3.6. und 3.9. beleuchtet.
Für das Neuhochdeutsche wird die Verwendungsmöglichkeit des sprachlichen Ausdrucks Magie sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch (3.11.) als auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch (3.10.) behandelt. In der wissenschaftlichen Forschung haben sich zahlreiche Disziplinen mit dem Phänomen Magie beschäftigt. So findet sich zum Thema Magie umfangreiche altertumswissenschaftliche, ethnologische, anthropologische, rechtshistorische, soziologische, religionswissenschaftliche und wissenschaftsgeschichtliche Fachliteratur. Im wissenschaftlichen Diskurs der vergangenen zwei Jahrhunderte wurde der sprachliche Ausdruck Magie primär als kategoriale Bezeichnung verwendet. Jedoch hat das Bestreben, die Kategorie Magie wissenschaftlich zu definieren und eine klare Abgrenzung zwischen den beiden Kategorien zu finden, die mit den sprachlichen Ausdrücken Religion und Magie bezeichnet werden, bis heute mehr Probleme aufgeworfen als Lösungen erbracht (3.10.). In Kapitel 4 wird die Etymologie und die Wortgeschichte von ahd. zoubar und nhd. Zauber behandelt. Insbesondere nhd. Zauber und nhd. zaubern weisen eine sehr weite Verwendungsmöglichkeit auf und können heute ohne jegliche Kontextbindung verwendet werden. So ist für das Nomen Zauber eine inflationäre Kompositabildung feststellbar: für nhd. Zauber sind über 800 Komposita belegt. In Abschnitt 4.2. wird der Frage nachgegangen, wie es zu einer derartigen Kompositahäufung kommen konnte, die im Übrigen immer noch weiter angereichert wird. Neben der semantischen Paarung Zauber und Magie stehen etwas abseits die sprachlichen Ausdrücke nhd. Hexe, Hexerei und hexen, die ebenfalls dem Sinnbezirk von Zauber und Magie zuzurechnen sind. In Kapitel 5 werden diese sprachlichen Ausdrücke etymologisch und wortgeschichtlich betrachtet sowie die Bedeutungselemente und Wortgeschichten jener Lexeme, die für die Entwicklung des Bedeutungsinhalts von nhd. Hexe maßgeblich waren: ahd. hag(a)zussa, lat. strīx und striga. Im dritten Abschnitt der Arbeit werden die Rückschlüsse dargestellt, die für indogermanische Zeit zu Zauber und Magie möglich sind (Kapitel 7). Der hohe Anteil an sprachlichen Ausdrücken, die auf eine Grundbedeutung „singen, sprechen, schreien zurückgehen und sekundär eine Bedeutung „zaubern
erhalten haben, lenkt den Fokus der Betrachtung auf die indogermanischen Vorstellungen zur Wirkkraft der Sprache und ihrer praktischen Anwendung in Eid, Fluch, Lobpreis, Schmähung und Heilung von Wunden und Krankheiten (7.1., 7.2.). Die professionelle Anwendung und Kultivierung der Wirkkraft der Sprache wurde in der Indogermania von einer Gruppe von Personen entwickelt, deren Wirken, Funktionen und Aufgaben innerhalb der idg. Stammesverbände in Abschnitt 7.3. dargestellt wird. Das Spektrum dieser Tätigkeiten steht typologisch den Tätigkeiten der sibirischen Schamanen nahe, sodass von einem indogermanischen Schamanismus gesprochen werden kann. Die Professionalisierung ist gekennzeichnet von einer Sprache, die sich von der Alltagssprache abhebt, die dichterisch geformt ist, und die in allen Bereichen Anwendung fand, die für die idg. Gesellschaften von hoher Relevanz waren. Auffälliges Merkmal dieser dichterisch geformten Sprache sind feste Ausdrücke und Redewendungen, die in Epen, Götterhymnen, Lobpreisungen, Schmähungen, Flüchen, Eiden und Zaubersprüchen belegt sind (7.3.4.). Die Verteilung dieser feststehenden Junkturen in völlig unterschiedlichen Anwendungen lassen den Rückschluss auf eine gemeinsame Quelle zu, die bei den Professionisten verortet werden kann, die in Tätigkeit und Funktion aus dem indogermanischen Schamanentum hervorgegangen sind.
Nomina agentis sind mit dem grammatischen Geschlecht angeführt, das dem grammatischen Geschlecht der Primärbelege entspricht. Für Nomina agentis, bei denen ein Femininum gebildet werden kann und keine Femininform angeführt wird, gilt diese als impliziert.
2. Alles Zauber
Der Sinnbezirk Zauber und Magie umfasst in den indogermanischen Sprachen eine Vielzahl von Lexemen, die unterschiedliche Grundbedeutungen aufweisen und deren auffälligstes Merkmal das Fehlen etymologischer Verwandtschaft ist. Vergleichende etymologische Überlegungen zu Lexemen mit der Bedeutung „zaubern" stellte bereits GRIMM in seiner Deutschen Mythologie an. Eine vergleichende etymologische Betrachtung erstellte 1898/1899 Hermann OSTHOFF in seinem Aufsatz Allerhand zauber etymologisch beleuchtet. Soweit dies feststellbar war, wurde seither in der indogermanischen Sprachwissenschaft in diesem Umfang keine vergleichende etymologische Untersuchung sprachlicher Ausdrücke, die mit der Bedeutung „zaubern behaftet sind, erstellt. Der Fokus der etymologischen Arbeit der vergangenen 100 Jahre lag primär auf der Erstellung von Einzeluntersuchungen zu Lexemen, die dem Sinnbezirk Zauber und Magie zuzurechnen sind. Ausgehend von GRIMMs und OSTHOFFs Arbeit werden nachfolgend Lexeme, die dem Sinnbezirk Zauber und Magie zugerechnet werden können, auf dem heutigen Stand der Forschung, erweitert mit eigenen Überlegungen, dargestellt. Ein Teil der sprachlichen Ausdrücke, die mit der Bedeutung „zaubern
, „Zauber, „Zauberei
behaftet sind, lassen sich in drei semantische Gruppen ordnen: 1) heilen und vergiften, 2) binden und bannen, 3) sprechen, schreien und singen.
2.1. Heilen und vergiften = zaubern
Dieser Gruppe sind die sprachlichen Ausdrücke gr. φάρμακον, lat. venēnum und lat. venēficium, ahd. gift, ahd. luppi und ahd. eitar zuzuordnen.
2.1.1. Gr. φάρμακον
Für gr. φάρμακον n. gibt GEW II (992) die Bedeutungsangaben: „heilbringendes od. schädliches Mittel, Heil-, Giftkraut, Arznei, Gifttrank, Zauber(trank), Färbemittel, Naturstoff für physikalische od. chemische Bearbeitung; Komposita: φαρμακοπώλης m. „Arzneiverkäufer, Apotheker
, πολυφάρμακος „viele φ. besitzend, vieler φ. kundig".
Von φάρμακον wurden zahlreiche Ableitungen gebildet (nachfolgende Bedeutungsangaben nach GEW II 992):
(GEW II 992f.)
Die Etymologie von φάρμακον ist nach GEW „nicht sicher erklärt, da „die urspr. Bedeutung […] nicht feststellbar ist
, daher „hat der Etymologe einen weiten Spielraum (GEW II 993). Möglich wäre nach GEW *φάρμα „Zauber
oder „Kraut" zu *bher- „schneiden, dreinhauen „als „das Geschnittene
wie nhd. Heu, eig. „das Gehauene (od. „das zu Hauende
)" (GEW II 993).
OSTHOFF nimmt für φάρμακον eine ursprüngliche Grundbedeutung „Zauber, Zaubermittel" an (OSTHOFF 1898: 145). BEEKES geht von einem vorgriechischen Ursprung des Lexems aus, dessen ursprüngliche Bedeutung nicht mit Sicherheit geklärt werden kann. (BEEKES II 1554).
Φάρμακον „bezeichnet ursprünglich nicht das Medikament, sondern jeden in den Körper eingebrachten Stoff, welcher geeignet ist, dessen Struktur und Funktionen zu ändern" (DNP 9: 744).
Bei Homer ist φάρμακον „immer mit pflanzlichen Stoffen, nicht mit animalischen¹ oder mineralischen" verbunden (ARTELT 1937: 40; vgl. DNP 9: 746, 747). Homer verwendet den sprachlichen Ausdruck φάρμακον als allgemeine Bezeichnung für Pflanzen, die sowohl positive als auch negative Wirkungen erzeugen können².
τῆ πλεĩστα φέρει ζείδωρος ἄρουρα φάρμακα, πολλὰ μεν ἐσθλά μεμιγμένα, πολλὰ δὲ λυγρά, […]. (Od. 4, 229-230)
dort [i. e. Ägypten] bringt die fruchtbare Erde mancherlei Kräuter hervor, mit vielen guten auch böse […]. (HAMPE)
Weiters wird φάρμακον in Getränke und Speisen gemischt – ebenfalls sowohl mit positiven als auch negativen Wirkungen³.
ν ἐπίληθον ἁπάντων. (Od. 4, 220-221)
und sie [Helena] warf in den Wein, von welchem sie tranken, ein Mittel gegen Kummer und Groll und aller Übel Gedächtnis. (HAMPE)
. (Od. 10, 290) Einen Trank bereitet sie, wirft in die Speise dann Kräuter. (HAMPE)
Φάρμακον bezeichnet Kräuter, die zur Wundheilung dienen⁴, und auch Kräuter, die als Gifte verwendet werden⁵.
δ’ ἐπì Παιήων ὀδυνήφατα φάρμακα πάσσων ἠκέσατ’ […]. (Il. 5, 401-402)
Und Paieon legte ein linderndes Kraut auf die Wunde, daß er genas […]. (RUPÉ)
φάρμακον ἀνδροφόνον διζήμενος, ὄφρα οἱ εἴη ἰοὺς χρίεσθαι χαλκήρεας (Od. 1, 261-262)
Denn er war auf der Suche nach männertötendem Gifte, um die erzbeschlagenen Pfeile damit zu bestreichen (HAMPE)
Und φάρμακον bezeichnet Kräuter, die eine gestaltwandelnde Wirkung haben⁶.
σαν, καì πολὺ καλλίονες καì μείζονες εἰσοράασθαι. (Od. 10, 391-396)
Und die stellten sich dann gegenüber, und sie zwischen ihnen schritt hindurch und bestrich mit anderem Kraut einen jeden. Denen fielen die Borsten ab, die ihnen gewachsen durch das verderbliche Kraut, das ihnen Kirke, die hehre, gab, und wieder zu Männern wurden sie, jünger als vorher, und sie waren viel schöner anzusehen und größer. (HAMPE)
δαĩς f.Dat.Pl.) oder Zauberknoten (καταδέσεσι f.Dat.Pl.) schädigen (βλάπτειν Inf.)⁷.
Φάρμακον hatte in nachhomerischer Zeit jedoch nicht nur die Bedeutung „Heilmittel oder „Gift
. So bezeichnete φάρμακον auch Heilmittel im „übertragenen Sinne: „der Wein als Pharmakon gegen seelische Leiden
, der Mantel „als Pharmakon der Kälte, „der Schlürftrank von Gerste
als „Pharmakon der Not (ARTELT 1937: 46). Auch im christlichen Kontext wurde noch im 2. Jh. n. Chr. die Taufe als φάρμακον verstanden (FRENSCHKOWSKI 2010: 938). Im Corpus Hippocraticum (5. Jh. v. Chr.-1./2. Jh. n. Chr.) wird φάρμακον „ganz allgemein in mehrfacher Bedeutung angewandt
, und zwar „nicht nur für heilsame, sondern auch für schädigende Substanzen (ARTELT 1937: 50f.). Jedoch bezeichnet φάρμακον primär ein „Mittel
mit heilender Wirkung. Die allgemeinste Bedeutung von φάρμακον ist „Heilmittel. Weiters kann φάρμακον Arzneimittel bezeichnen, die „nicht aus dem Bereich der menschlichen Nahrung stammen
. In seiner engsten Bedeutung bezeichnet φάρμακον „Reinigungsmittel, „Purgans
(ARTELT 1937: 51). Dem engeren hippokratischen Begriff φάρμακον werden jedoch nur jene Stoffe zugerechnet, die nicht als Nahrungsmittel gelten können⁸ und lat. medicamentum⁹ entsprechen. Damit konnten Arzneimittel bezeichnet werden, die sowohl zur äußerlichen als auch zur innerlichen Verwendung (primär als Trank: φάρμακον πίνειν) dienten (ARTELT 1937: 55f.). In seiner engsten Bedeutung als Purgans hat das φάρμακον die Aufgabe zu reinigen (καθαίρειν). Unter Reinigung (κάθαρσις) ist nicht nur die Entleerung des Verdauungstraktes zu verstehen, sondern auch die „Entleerung „aus dem ganzen Körper, dem Fleisch, den Adern
. Die κάθαρσις „soll eine Ausscheidung der Stoffe bewirken (sowohl „nach oben
als auch „nach unten), die Krankheiten verursachen (ARTELT 1937: 58). Im Corpus Hippocraticum ist die Bedeutung „Heilmittel
für φάρμακον implizit und bedarf keiner näheren Bestimmung durch Epitheta. Epitheta werden dann verwendet, wenn die Bedeutung „Gift ausgedrückt werden soll: θανάσιμον „tödlich, todbringend
, βλαβηρόν „schädlich, verderblich. Die schädlichen Pharmaka spielen jedoch eine untergeordnete Rolle. „[I]m Gegensatz zu den φάρμακα, die nur durch falsche Anwendung oder in zu großen Dosen schädlich werden
, wie z. B. Schierling, Hyoscyamus (Bilsenkraut) oder Mandragora (Alraune), die in kleinen Dosen „zu therapeutischen Zwecken verwendet wurden (ARTELT 1937: 94). So nimmt ARTELT „mit aller Bestimmtheit
an, dass φάρμακον „für den Hippokratiker nur zwei Erscheinungsformen eines Grundbegriffes gewesen sind, und „heilsame wie schädliche Wirkstoffe […] mit dem einen Wort φάρμακον bezeichnet
wurden (ARTELT 1937: 96). Es wurde also auch im hippokratischen Kontext φάρμακον als vox media verwendet. Neben dieser medizinischen Bedeutung von φάρμακον war „in den breiten Schichten des Volkes, die Vorstellung von φάρμακον als ‚Zaubermittel‘ lebendig (ARTELT 1937: 99). Φάρμακον als „Zaubermittel
lebte vor allem „in den attischen Tragödien und Komödien fort: „Φάρμακα vermögen auf magischem Wege zu heilen, zu behexen, Liebe zu erregen; sie vermögen […] ewige Jugend zu verleihen, wahnsinnig zu machen, unfruchtbar zu machen und vor allem zu töten, […]
(ARTELT 1937: 48).
2.1.2. Lat. venēnum
Das entsprechende Pendant zu φάρμακον, das „in jeder beziehung begrifflich am nächsten kommt", ist lat. venēnum, das „im sinne von schädlichen substanzen, vornehmlich ‚gift‘, ursprünglich den zusatz malum" benötigte (OSTHOFF 1898: 145f.). Aufgrund „der anerkannten etymologischen deutung aus *venes-no-m" zu Venus, aind. vánas n. „Verlangen, Lust" geht OSTHOFF davon aus, dass „venēnum ursprünglich sogar nur einen ganz bestimmten zauber, den ‚liebeszauber‘, das amātōrium, φίλτρον"¹⁰ bezeichnete¹¹. Im juristischen Kontext ist venēnum bereits im Zwölftafelgesetz belegt (Tafel 8, 25), und zwar mit dem Hinweis, dass venēnum durch malum oder bonum näher spezifiziert werden muss. Ebenso wie φάρμακον ist venēnum damit in den Gesetzen als vox media gekennzeichnet:
Qui venenum dicit, adicere debet, utrum malum an bonum; nam et medicamenta venena sunt, quia eo nomine omne continentur, […].¹²
Wer venenum sagt, schuldet es entweder „schlecht oder „gut
beizufügen; denn auch Heilmittel sind venena, weil in ihrem Namen alles enthalten ist, […]. (MiE)
Adiectio autem ista veneni mali ostendit esse quaedam et non mala venena. Ergo nomen medium est et tam id, quod ad sanandum, quam id, quod ad occidendum paratum est, continet, sed et id quod amatorium appellatur.¹³ Diese Hinzufügung des schlechten venenum aber zeigt, dass es irgendwelche sind und nicht schlechte venena. Daher ist [es] ein Mittelname und enthält ebenso, wenn [es] zum Heilen wie gleichfalls, wenn [es] zum Töten bereitet wurde oder auch ebenso, wenn [es] Liebesmittel/-trank genannt wird. (MiE)
Venēnum bezeichnete (ebenso wie φάρμακον) sowohl Heilmittel (medicamentum) als auch Mittel, die schaden (nocent), Mittel, die sowohl heilen (sanandum) als auch töten (occidendum) können, ebenso wie den Liebestrank, das Liebesmittel (amatorium). Wurde im römisch-juristischen Kontext die Bedeutung von venēnum differenziert, so zeigt sich in der antiken römischen Dichtung eine eingeschränkte Verwendung von venēnum. Venēnum ist primär der Liebeszauber, der Liebestrank, das Liebesmittel – insbesondere im Kontext von Magie und Zauberei (vgl. LUCK 1962).
2.1.3. Lat. venēficium
Anders als venēnum weist das Kompositum venēficium n. nur die verengte Bedeutung „Gift bzw. „Giftmord
auf. Venēficium ist ein Kompositum aus venēnum n. und facere „tun, machen mit der Bedeutung „trankbereitend, giftbereitend
; dazu die Nomina agentis venēficus m. und venēfica f. „Trankbereiter(-in); Giftbereiter(-in); Giftmörder(-in)"¹⁴.
So bezieht sich die Lex Cornelia de sicariis et veneficis (81 v. Chr.), die von Lucius Cornelius Sulla (138-78 v. Chr.) erlassen wurde, auf Giftmischer bzw. Giftmörder (venēficus) und auf Dolchmörder (lat. sīca f. „Dolch, Dolchstich" > lat. sīcārius m. „Dolchmörder"). In der antiken römischen Dichtung hingegen wurden die Komposita venēficus m. „Giftmörder" und venēfica f. „Giftmörderin", ebenso wie venēnum, überwiegend im Kontext von Magie und Zauberei verwendet (vgl. LUCK 1962).
In den frühmittelalterlichen Leges wurde der Giftmord (venēficium) teilweise dem homicīdium n. „Mord" und teilweise dem Schadenzauber zugeordnet¹⁵. Der Schadenzauber wiederum wurde in den Leges dem maleficium (siehe 2.4.4.) zugerechnet, und richtete sich gegen „Leib und Leben, Hab und Gut […]: Schädigung der Ernte durch Wettermachen […], Schädigung des Viehes […]. Genannt werden in unseren Quellen das Benehmen des Verstandes, die Abtreibung der Leibesfrucht und die Tötung durch Zaubermittel" (VORDEMFELDE 1923: 127). Das maleficium kann sowohl von Männern als auch von Frauen ausgeübt werden, teilweise werden in den Gesetzen beide Geschlechter genannt, teilweise nur die maskulinen Formen angeführt. So etwa in der Lex Ribvaria¹⁶ 86, 1:
Si quis baro seu mulier Ribvaria per maleficium aliquem perdiderit […]. Wenn irgendein Mann oder eine ribuarische Frau durch maleficium jemanden vernichtet haben sollte. (MiE)
Jedoch sind „gewisse Arten des veneficium bereits zur Zeit der Stammesgesetze vor allem auf Frauen bezogen worden […]" (VORDEMFELDE 1923: 134f.). Als Grund für die spätere Einschränkung des maleficium auf Frauen sieht VORDEMFELDE die Verbindung des maleficium mit dem venēficium. Die „Wechselseitigkeit der Begriffe veneficium und maleficium"¹⁷ (venēficium als eine Form des maleficium) begünstigte in weiterer Folge die zu beobachtende Entwicklung der Gleichsetzung der beiden Begriffe: maleficium = venēficium, malefica = venēfica (VORDEMFELDE 1923: 135) (siehe 3.5.).
2.1.4. Ahd. gift
Eine ähnliche Bedeutungsentwicklung weist auch ahd. gift f. „(Opfer-)Gabe, Spende, Geschenk, Gegebenes, Gnade, Huld, Barmherzigkeit, Gifttrank, Zaubertrank" aus urgerm. *gefti- < vorurgerm. *ghéb-e/o- „geben" (EWAhd IV 257) auf; mhd. gift f. „das Geben, Gabe, Geschenk; Datum einer Urkunde; Übergabe von Grundstücken; Gift", mhd. giften „geben, schenken; vergiften", ae. gift, gyft f. „Gabe; Brautpreis; (Pl.) Hochzeit, Heirat", aisl. gipt, gift f. „(Ab-)Gabe, Glück", got. -gifts in fragifts f. „Verleihung, Verlobung"¹⁸. Der Bedeutungswandel von „Gabe zu „Gift
geht vermutlich auf den Einfluss von gr. δώς f. und lat. dōs f. „Gabe, Arzneigabe, Gift" zurück. Im 16. Jh. differenzierte sich im Frühneuhochdeutschen die Bedeutung. Das Lexem Gift verlor die Bedeutung „Gabe, wurde auf die heutige Bedeutung „Gift
eingeschränkt und wurde Neutrum. Die Bedeutung „Zaubertrank" löste sich ebenfalls von dem Lexem Gift ab und wurde mit einem eigenen sprachlichen Ausdruck versehen – dem Kompositum Zaubertrank.
Die Bedeutung „Gabe" ist im Nhd. nur mehr in dem Kompositum nhd. Mitgift erhalten und ist hier Femininum geblieben. Im Neuenglischen erhielt sich die ursprüngliche Bedeutung: ne. gift „Gabe, Geschenk"¹⁹.
2.1.5. Ahd. luppi
Ahd. luppi n. „Gift" wird in den Glossen für lat. maleficium n. (siehe 2.4.4.), ahd. luppari m. für lat. maleficus m. und venēficus m. verwendet. Ahd. luppi n. „stark wirkender Pflanzensaft, Gift, Zauberei", luppōn „vergiften" leitet sich ab von germ. *lubja- „Kraut, Heilkraut", ebenso aisl. lyf n. „Heilkraut", ae. lybb n. „Heilkraut, Gift, Zauber", got. lubjaleis „giftkundig", got. lubjaleisei f. „Giftkunde, Zauberei. Für die Bedeutungsentwicklung geht WESCHE von der Grundbedeutung „Kraut, Heilkraut
aus, die sich auf „Giftkraut einengte und zu „Zaubermittel
weiterentwickelte (WESCHE 1974: 18). Neben der eingeengten Bedeutung „Zaubermittel" behielt luppi auch weiterhin die allgemeine Bedeutung „Gift". So wird luppi auch in Kontexten verwendet, die keinen Zusammenhang mit Zauber oder Zaubermittel aufweisen, z. B. für vergiftete Waffen oder vergiftete Wunden²⁰.
2.1.6. Ahd. eitar
Auch für ahd. eitar n. „Gift, Eiter ist nur teilweise die Bedeutung „Zauber
festmachbar. Ahd. eitargerio m. wird in den Glossen für lat. venēficus m. verwendet und „mit ahd. luppari synonym gebraucht" (WESCHE 1974: 22). Ahd. eitar n., mhd. eiter n. „Gift, besonders tierisches" geht zurück auf urgerm. *aitra- „die aus Geschwüren austretende (giftige) Flüssigkeit" < idg. *o d- [**H2o
d-], die o-stufige (?) Wurzelform von idg. *a
d- [**H2e
d-]
dος, oἰδημα n. „Geschwulst, das Anschwellen, Schwellung", aisl. eitr n. „Gift, Zorn", ae. āt(t)or, ǣt(t)or n. „Gift, Galle". Die Mehrheit der Belege verwendet eitar mit der Bedeutung „Eiter, schlechter Saft, ekelhaftes Geschwür"²¹. Die teilweise Bedeutungsentwicklung zu „Zauber
führt WESCHE auf „christliche Terminologie
zurück: „Man konnte damit gut die abscheuliche Sünde des malificium (sic!) bezeichnen und zugleich zu erkennen geben, was man davon hielt" (WESCHE 1974: 23).
2.2. Binden und bannen = zaubern
Dieser Gruppe sind die sprachlichen Ausdrücke gr. καταδέω, καταδεσμός, lat. dēfixiō, an. seiðr und ai. k ty
- zuzuordnen.
2.2.1. Gr. καταδέω, καταδεσμός
Prominenter Vertreter dieser Gruppe ist das griechische Verbum καταδέω, das bereits im 6. und 5. Jh. v. Chr. in den griechischen Fluchtafeln verwendet wird. Gr. καταδέω ist ein Kompositum aus κατά „herab und dem Verbum δέω „binden
< idg. *deh1- „binden"; heth. tiya „binde!", ved. dyati „bindet" (ved. D³- „binden), myk. de-de-me-no „gebunden
²². Auch ved. DĀ⁵- „jemandem anfeindend nachstellen, jemanden anfeinden, jemandem etwas anhaben wollen, das ebenfalls von idg. *deh1- „binden
abgeleitet werden kann, ist dem Kontext des Bindens zuzuordnen (JANDA 2000: 121).
Weitere Ableitungen und Komposita von gr. δέω:
(GEW I 374f.; GEMOLL 54, 55, 199, 200, 207, 438, 822)
Das Nomen καταδεσμός m. „Herabbindung wird in den Übersetzungen „mit der allgemeinen Bedeutung ‚Verzauberung‘, ‚Verwünschung‘
wiedergegeben (KROPP 2008: 38). In der Spätantike (vornehmlich in den Papyri Graecae Magicae) finden sich auch „semantisch angrenzende Bezeichnungen" (KROPP 2008: 38), wie z. B.
φιλτροκατάδεσμος „Liebesherabbindung":
PGM III 163, PGM IV 298, PGM VII 191
κάτοχος²³ „Fesselung":
PGM IV 972: κάτοχος τοῦ φωτòς „Fesselung des Lichts"
PGM IV 1051: κάτοχος τοῦ θεοῦ „Fesselung des Gottes"
PGM VII 429: κάτοχος παντòς πράγματος „Bannmittel für jedes Ding"
ὑποτακτικόν²⁴ „Unterwerfung":
PGM VII 940: θυμοκάτοχον καὶ ὑποτακτικόν „Herzfesselung und Unterwerfung"
φιμωτικόν²⁵ „Knebelzauber":
PGM VII 396: φιμωτικòν καὶ ὑποτακτικόν γενναĩον καὶ κάτοχος „vorzügliches Mittel zum Fesseln und Unterwerfen und Bindezwang" (PREISENDANZ).
2.2.2. Lat. dēfixiō
Gr. καταδεσμός steht lat. dēfixiō gegenüber, das sich von dēfīgere „einfügen, einschlagen, hineinschlagen, -stoßen, -stechen, unbeweglich machen, festbannen, festzaubern" ableitet (GEORGES I 1971-1973). Lat. dēfīgere ist der „zentrale Formelbestandteil der vulgärlateinischen Fluchtafeln, der in der Literatur der Kaiserzeit „im übertragenen Sinne von ‚verwünschen‘ verwendet wird
. Dēfixiō ist hingegen „nicht vor dem 6. nachchristlichen Jahrhundert belegt" (KROPP 2008: 39).
Bietet καταδεσμός, die Herabbindung, „zumindest potentiell noch die Möglichkeit „des Lösens
, so handelt es sich bei der dēfixiō, der Durchbohrung, um eine „nicht umkehrbare Handlung, die „über eine punktuelle Immobilisierung des Opfers hinaus […] auf das Zufügen einer physischen Verletzung verweist
und sich im „Schädigungsund Tötungswunsch" von Gladiatoren und Wagenlenkern niederschlägt (KROPP 2008: 40). Als Terminus technicus bezeichnet dēfixiō in der Forschungsliteratur sowohl das Ritual, mit dem die Fluchtafel erstellt wird (Vorgang), als auch die fertiggestellte Fluchtafel selbst (Resultat).
2.2.3. An. seiðr
Der germanische Vertreter dieser Gruppe ist an. seiðr m. „Band, Gürtel (ANEW 468), „Zauber, Zauberei, Hexerei, Zaubergesang
(BAETKE 522) und an. seið f./n. „Zauber" (ANEW 467). Ableitungen und Komposita von an. seiðr:
(BAETKE 255, 338, 397, 399, 522, 563, 596, 739)
Weitere etymologisch verwandte germanische Lexeme zu an. seiðr sind ae.