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Das Echternach Syndrom 3: Band 3 - Medienerziehung in Luxemburg
Das Echternach Syndrom 3: Band 3 - Medienerziehung in Luxemburg
Das Echternach Syndrom 3: Band 3 - Medienerziehung in Luxemburg
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Das Echternach Syndrom 3: Band 3 - Medienerziehung in Luxemburg

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About this ebook

Der Begriff "Echternacher Springprozession" wird im Sinne der Form des "drei Schritte vor, zwei zurück für besonders mühsame Prozesse verwendet, bei denen viele Rückschritte zu verzeichnen sind" (Wikipedia). Adorno bemerkte: "Die Echternacher Springprozession ist nicht der Gang des Weltgeistes" (Minima Moralia, S. 165). Dass es die Luxemburger Politik nicht so sehr mit dem Weltgeist hat und lieber (außer in Geldangelegenheiten) ihre eigenen Wege geht, zeigt sie in den Domänen, die in dieser kleinen Buchreihe thematisiert werden.
Die Artikel in diesen Büchern wurden in den Jahren 1980-2010 geschrieben und sind doch noch immer aktuell, eben weil die Fortschritte in den Bereichen Schule, Heimerziehung, Familie, Medienerziehung und Umsetzung der Kinderrechte so langsam sind.
In diesem Band enthalten sind hauptsächlich die Protokolle der Seminare "Médiamorphose 1 & 2", die vom Conseil National des Programmes in den Jahren 2002 und 2003 organisiert wurden. Daneben enthält das Buch einige Artikel zur Medienerziehung, die in der Zeitschrift "Forum" veröffentlicht wurden sowie andere Beiträge zu diesem Thema.
LanguageDeutsch
Release dateNov 27, 2017
ISBN9783746050584
Das Echternach Syndrom 3: Band 3 - Medienerziehung in Luxemburg
Author

Robert Soisson

Robert SOISSON, Jahrgang 1950, Sekundarschule in Esch-sur-Alzette, Abitur, Studium der Psychologie an der Universität Heidelberg 1970-1975. Arbeitete bis zur Pensionierung als Psychologe in eiser schulpsychologischen Beratungsstelle in Esch-sur-Alzette. Aktiv in verschiedenen NGOs im Bereich Kinderrechte, inclusive Schulpolitik und Rechte von Behinderten. Verheiratet, Vater von 2 erwachsenen Kindern. Von 1968-1973 war er aktiv in linken Schüler- und Studentengruppen für deren Publikationen er Artikel schrieb und Karikaturen anfertigte.

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    Das Echternach Syndrom 3 - Robert Soisson

    Düssseldorf

    Dezember 2001: Kinder und Jugendliche in der Neuen Medienlandschaft

    Spiele, Pornographie, Wahrnehmung¹⁰

    Robert Soisson, Psychologe, Mitglied des „Conseil national des Programmes" als Vertreter der Nationalen Koalition für die Rechte des Kindes

    0.Einleitung

    Welchen Einfluss haben die Neuen Medien auf unsere Kinder? Diese Frage stellen sich immer mehr Eltern, Lehrer, Politiker, Experten. Gibt es gesicherte Ergebnisse aus der Forschung? Hat der Umgang mit diesen Medien einen direkten Einfluss auf gewalttätiges Verhalten von Kindern und Jugendlichen?

    Dieser Artikel versucht, den letzten Stand der Diskussionen um dieses Thema wiederzugeben. Das geschieht aus drei Gründen:

    Im Rahmen der schwedischen Präsidentschaft der EU fand vom 12-13. Februar ein Seminar in Stockholm über das Thema „Kinder und Neue Medien" statt. Ich hatte die Gelegenheit, als Vertreter des Conseil National des Programmes an dieser Tagung teilzunehmen und möchte die Gelegenheit benutzen, über die Ergebnisse dieses Seminars zu berichten.

    An der Universität Göteborg in Schweden wurde 1997 mit der Unterstützung der UNESCO und der schwedischen Regierung das International Clearinghouse on Children and Violence on the Screen gegründet. Dieses Forschungsinstitut versucht, unser Verständnis der vielfältigen Beziehungen von Kindern zu den Medien zu verbessern um eine Medienpolitik auf der Grundlage der Konvention über die Rechte des Kindes zu fördern. Kinder sollen Zugang und ein Recht auf Mitgestaltung der ihnen zugedachten Medienproduktionen haben; der Gebrauch, den sie von den Medien machen soll erforscht werden und ihre „Medienkompetenz gefördert werden. Das „Clearinghouse publiziert Jahrbücher und über das letzte möchte ich in diesem Artikel berichten.¹¹

    Seit drei Jahren bin ich Mitglied im Conseil National des Programmes und vertrete dort die „Coalition Nationale pour les Droits de l’Enfant". Eines meiner Anliegen in diesem Gremium ist die Einführung einer Erziehung zur Medienkompetenz unserer Kinder in unseren Schulen. Beispiele im Ausland zeigen, dass dies möglich ist und entsprechendes Material wurde bereits entwickelt.¹²

    1.Expertenseminar über Kinder und Jugendliche in der Neuen Medienlandschaft

    Über 200 Teilnehmer aus den EU-Mitgliedsstaaten und den Ländern, die der EU beitreten möchten, aus der Medienindustrie, Regierungsstellen und NGOs hatten sich in Stockholm eingefunden um zu diskutieren vor was Kinder beschützt werden sollten, warum und wie diese Schutzmaßnahmen realisiert werden können und wer verantwortlich ist für ihre Umsetzung.¹³

    Die Konferenz wurde durch die schwedische Kultusministerin Marita ULVSKOG eröffnet und durch ein Referat von Cecilia VON FEILITZEN eingeleitet. Die Referentin arbeitet in dem oben beschriebenen „Clearinghouse" und ist Mitherausgeber des weiter unten besprochenen Jahrbuchs über Kinder und neue Medien. Zwei Schulklassen mit 11-jährigen Kindern hatten eine kleine Show vorbereitet in der sie ihre Haltung gegenüber den Neuen Medien deutlich machten.

    Drei Arbeitsgruppen diskutierten folgende Themen:

    1.1Schutz der Kinder vor schädlichen Inhalten im Internet sowie in Computer- und Videospielen

    Alle Teilnehmer waren sich einig, dass es Schutzmaßnahmen geben muss. Diskutiert wurden technische Hilfsmittel wie Klassifizierungs- und Filtermethoden, Aufklärungskampagnen und Medienerziehung. Die Verantwortung von Eltern, Regierungen, Internet Serviceanbietern und Medienproduzenten wurden angesprochen. Ein einheitliches europäisches Bewertungssystem wurde gefordert.

    1.2Schutz der Kinder vor schädlichen Inhalten im digitalen und globalen Fernsehen

    Angesichts beträchtlicher kultureller Unterschiede bei der Einschätzung der Schädlichkeit von bestimmten Inhalten wurde ein europaweites, differenziertes und wertneutrales Beschreibungssystem gefordert, um Altersgrenzen empfehlen zu können.

    ¹⁴

    Sehr viel Wert wurde auf qualitativ hochwertige Kinderprogramme gelegt. Die Vertreter von öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wurden dabei heftig von einer Vertreterin einer privaten TV-Kette angegriffen: Kinder wollten sich beim Fernsehen nur unterhalten („They just want to have fun!") anstatt sich Filme über Randgruppen oder alltägliche Lebensprobleme anzusehen. Die Last der Verantwortung beim Schutz der Kinder darf nicht allein den Eltern aufgebürdet werden: Die Programmveranstalter müssen sie ebenso tragen.

    1.3Das Problem der Werbung, die sich direkt an Kinder adressiert

    Hier prallten zwei Meinungen aufeinander: Auf der einen Seite die Teilnehmer, die finden, dass Kinder noch nicht die Fähigkeit haben, die Absichten der Werbung zu durchschauen und auf der anderen Seite die Teilnehmer, die meinten, die Werbeeinnehmen seien notwendig, um gute Kinderprogramme zu gestalten. Außerdem würden Kinder so auf „real-life"-Situationen vorbereitet.

    (Diese Haltung vertritt auch die Luxemburger Regierung, wie mir vor meiner Reise nach Stockholm mitgeteilt wurde)

    Schlussfolgerungen der schwedischen Präsidentschaft

    Durch die rasante Entwicklung der Medienlandschaft sind neue Probleme entstanden. Kinder werden zunehmend schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Welche Einflüsse das sein können hängt von kulturellen Faktoren ab. Wie die Kinder beschützt werden können hängt von der Art und Weise ab, wie der Zugang zu den verschiedenen Medien möglich ist. Der Trend geht in die Richtung der Entwicklung von sicheren Filtersystemen. Noch wichtiger aber sei die Notwendigkeit, gute Kinderprogramme zu produzieren und Kinder durch Medienerziehung zu kritischen Konsumenten zu erziehen. Medienerziehung sollte Bestandteil der regulären Schulausbildung sein. Eltern sollten besser und gezielter über Programminhalte informiert werden, die Konsumenten sollten gestärkt werden („empowering the consumers). Kinder sollten beim Fernsehen darauf aufmerksam gemacht werden, dass eine Werbesendung stattfindet. Über die Notwendigkeit von Werbesendungen im Kinderfernsehen klafften die Meinungen weit auseinander. Die Schwedische Präsidentschaft hofft, dass die Diskussionen des Seminars die Gestaltung der EU-Richtlinie über Fernsehen ohne Grenzen sowie die Empfehlung zum Schutz der Kinder und der Menschenwürde im „Internet Action Plan günstig beeinflussen.

    2.Gewalt in Video- und Computerspielespielen

    2.1Allgemeine Überlegungen

    Viele Erwachsene, Eltern, Pädagogen und andere Personen, die mit Kindern in Kontakt sind, kennen das Phänomen der Videound Computerspiele, kennen auch mehr oder weniger die Möglichkeiten des Internets, aber das alles oft nur recht oberflächlich. Es fehlt an Zeit und an zuverlässlichen Informationen über diese Spiele, damit z.B. Eltern den Zugang ihrer Kinder zu potentiell schädlichen Inhalten regeln können. Aber auch Leute, die professionell mit Kindern zu tun haben, wissen oft nicht besser Bescheid. Deshalb versuche ich hier, die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Jahrbuch der oben erwähnten UNESCO-Einrichtung zusammenzufassen.

    In den einleitenden Artikeln des Yearbooks stellen Ulla Carlsson und Cecilia von Feilitzen fest, dass mit der explosionsartigen Ausbreitung der Neuen Medien in den letzten 15 Jahren immer mehr Fragen über ihren Einfluss auf die psychologische und soziale Entwicklung des Kindes gestellt werden. Immer mehr Kinder haben Zugang zu Medieninhalten, die an ein erwachsenes Publikum gerichtet sind. Der vielgepriesene unbeschränkte Zugang zur „Information" bringt es mit sich, dass neue Ängste entstehen über die weltweite Verbreitung einer Einheitskultur, von Gewalt strotzender Unterhaltung, Pornographie, sexistischer, rassistischer und fremdenfeindlicher Inhalte.

    Optimisten sehen in der Entwicklung der Neuen Medien Entwicklungschancen für Kinder und Jugendliche während die Pessimisten nur Gefahren wittern: Immer mehr Bereitschaft, Gewalt als Mittel zur Lösung von Problemen zu akzeptieren, Desensibilisierung gegenüber dem Gebrauch von Gewalt, gesteigerte Aggressivität, Abhängigkeit vom Medienkonsum, soziale Isolation, Verzicht auf außerschulische Aktivitäten, bis hin zu gesundheitlichen und kognitiv-emotionalen Schädigungen.

    Den Einfluss der Neuen Medien auf Kinder und Jugendliche wissenschaftlich zu untersuchen ist schwierig:

    Da es sich um ein rezentes Phänomen handelt gibt es noch relativ wenig Forschung. Interessanterweise ist die Forschung in Japan, dem Land was eine Hauptrolle in der Entwicklung und Vermarktung von Videospielen einnimmt, am wenigsten entwickelt.¹⁵

    Kurzfristige Effekte des Konsums gewalttätiger Videos sind seit den Experimenten Banduras bekannt, es gibt aber so gut wie keine Untersuchung über die längerfristigen Auswirkungen eines solchen Konsums.

    Aus ethischen Gründen können Kinder nicht an Experimenten über den Einfluss von Gewalt und Pornographie teilnehmen¹⁶.

    Die wenigen Untersuchungen, die vorliegen, wurden hauptsächlich in den reichen Ländern durchgeführt; hier sind die Neuen Medien ja auch am weitesten verbreitet.

    Die Forschungsmethoden stehen noch stark unter dem Einfluss der Film- und Fernsehforschung der vorigen Jahrzehnte: Der Einfluss interaktiver Medien bedarf neuer experimenteller Settings.

    In den meisten industrialisierten Ländern haben 80% der Kinder im Primärschulalter mindestens eine Videokonsole zuhause. Immer mehr Kinder haben direkten Zugang zu Internet. Trotzdem ist das Fernsehen immer noch an erster Stelle beim Medienkonsum der Kinder. Video- und Computerspiele brauchen zusätzlichen Zeitaufwand. In der Literatur werden die Kinder gewöhnlich in drei Kategorien eingeteilt: Gelegentlicher, mittlerer und häufiger Konsum. In den USA gibt es viele Kinder, die 30 Stunden und mehr pro Woche vor dem Schirm sitzen. Davon entfallen 2 Drittel auf Fernsehen und ein Drittel auf Videospiele.

    In der Literatur unterscheidet man zwischen Computerspielen, Videospielen und Online-Spielen. Letztere sind nur über Internet zugängig. Die Spiele selbst kann man in sechs Kategorien einteilen:

    Aktionsspiele

    Strategiespiele

    Abenteuerspiele

    Rollenspiele

    Sportspiele

    Simulationsspiele

    Die problematischste Kategorie sind natürlich die Aktionsspiele. Kinder geben aber an, dass nicht die Gewalt, sondern Problemlösungsstrategien den Reiz des Spiels ausmachen¹⁷.

    1998 setzte die Videospiele-Industrie 18 Billionen Dollar um ohne sich um die möglichen Auswirkungen ihrer Produkte auf die Kinder, ihre Familien und ihre Lebensumwelt (z.B. die Schule) zu kümmern. Dass die „Screenagers" ihre Zeit damit verbringen, sich tage-, manchmal wochenlang durch gewalttätige, sexistische und oft auch rassistische Spielszenarios durchzukämpfen kümmert sie wenig; Hauptsache der Ertrag der japanischen oder amerikanischen Sicavs stimmt.

    Eine Untersuchung in Dänemark¹⁸, durchgeführt vom Medienrat für Kinder und Jugendliche des Kultusministeriums zeigte, dass 338 Video- und Computerspiele allein im Jahre 1998 auf den Markt kamen. Davon waren knapp die Hälfte Action- und Simulationsspiele, nur 1% sogenannte „Edutainment"-Produkte. In den meisten Action-, Strategie- und Rollenspielen dominierten gewaltsame Inhalte, meistens eine Kombination von verschiedenen gewalttätigen Aktionen. In dieser Studie wurde eine Liste der 20 Spiele publiziert, die am meisten Gewalt enthielte.

    Dies führt zum Problem der Klassifizierung interaktiver elektronischer Medien: Jan Christofferson versuchte eine Zusammenstellung der gebräuchlichen „rating systems": Das strengste Kontrollsystem gibt es in Australien: Verbotene Spiele dürfen nicht verkauft oder verbreitet werden; wer es dennoch versucht riskiert eine Gefängnisstrafe. In Japan praktiziert die Medienindustrie eine Art freiwillige Selbstkontrolle. In den USA gibt es das „Entertainment Software Rating Board, ein Gremium das laut Christofferson die beste („most ambitious and extensive) Klassifizierung liefert. Europa hat kein einheitliches Klassifizierungssystem: Es gibt Labels in Großbritannien, Dänemark und Schweden. Auf vielen Videospielen werden verschiedene Labels aufgedruckt, was Verwirrung stiften kann.

    2.2Erfahrungs- und Forschungsberichte

    In allen Berichten wird festgestellt, dass es herzlich wenig Forschungsergebnisse im Bereich der Auswirkungen von Videospielen auf Kinder gibt und dass Anstrengungen unternommen werden müssten sowohl was die Zahl als auch was die Methodik der Untersuchungen anbelangt.

    In Kanada fordert Stephen Cline¹⁹ eine „allgemeine Taxonomie für Videospiele. Die Massaker an amerikanischen Schulen (Paducah, Jonesboro und Littleton) sieht er als eine mögliche Konsequenz einer Desensibilisierung gegenüber dem Gebrauch von Gewalt als eine Möglichkeit zur Lösung von Konflikten. Als Kronzeuge zitiert er Dave Grossmann, einen Ex-Kolonel der US-Armee, dessen Spezialgebiet es war, Soldaten die Hemmung vor dem Töten abzugewöhnen. Grossman²⁰ berichtet aus Erfahrung, wenn er beschreibt, wie Soldaten dazu erzogen werden, den „Feind eher als Zielscheibe denn als menschliches Wesen zu betrachten. Durch „emotionslose, unblutige „Simulationsspiele gelang es den Ausbildern, die Hemmschwelle beim „Abdrücken drastisch zu reduzieren und damit „Eliteeinheiten herauszubilden. Grossman, der sich nach seiner Pensionierung anscheinend in einen Pazifisten verwandelt hat, sieht ähnliche Auswirkungen von Videospielen auf Jugendliche: „In other words, agression training is more effective to the degree it is experienced as not really violent – even pleasurable and enjoyable – which is the case for most games."²¹

    ²²

    Die Beobachtung von Spielhallenbesuchern in Kanada zeigte, dass diese eine Art Abhängigkeit entwickeln, ihre Fähigkeiten (skillfulness) leicht überschätzen und daher eher bereit sind, diese vermeintlichen Fähigkeiten bei Geldspielen einzusetzen.

    Videospiele werden immer perfektionierter und immer brutaler. Die interaktive Natur dieser Spiele wurde von De Waal²³ untersucht: Mit Hilfe des lizensierten ICARUS-Systems wurden „blood flow, heart rate, eye muscle tension and galvanic skin responses" von Jugendlichen beim Spielen von Videospielen und beim bloßen Zuschauen gemessen. Alle gemessenen Werte lagen signifikant höher beim Spielen als beim Zuschauen und die Interpretation der Ergebnisse im Vergleich mit anderen Studien bestätigt die These einer zunehmenden emotionalen Desensibilisierung durch interaktive Videospiele mit brutalem Inhalt.

    In kanadischen Untersuchungen wurden Spieler in drei Gruppen unterteilt, je nachdem ob sie wenig, gelegentlich oder viel spielten. Sogenannte „heavy Players" unterscheiden sich in ihren Freizeitgewohnheiten signifikant von den anderen Gruppen: Sie verbringen ca. 30 Stunden in der Woche vor einem Schirm, lesen sehr wenig, spielen wenig draußen und hören seltener Musik als die Kinder aus den Vergleichsgruppen. Moralisch finden sie Vergewaltigung, physische und verbale Gewalt, militärischer Einsatz von Gewalt und Entführungen als weniger verwerflich. Stephen Kine fordert eine Klassifizierung der Spiele und findet es sei an der Zeit, die Alarmglocke zu läuten.

    In Japan besitzen 90% der Primärschulkinder Videokonsolen. Videospiele sind bei Jungen und Mädchen an die zweite Stelle in der Beliebtheitsskala aller möglichen Freizeitaktivitäten gerückt. Auch in Japan, dem weltweit führenden Hersteller von dieser Art Entertainment machen Eltern und Lehrer sich Sorgen über deren Einfluss auf die Kinder. Die CESA (Computer Entertainment Software Association) hat sich anscheinend verpflichtet, auf die Produktion gewaltverherrlichender Software zu verzichten. In einem Familiengerichtsurteil vom 18. März 1998 wird die Agression eines Jugendlichen gegenüber einem Polizisten nicht durch Impulsivität, sondern dadurch erklärt, dass seine Gewaltbereitschaft durch den Gebrauch von Medien wie Videospielen weiterentwickelt wurde²⁴. Für Akira Sakamoto besteht kein Zweifel, dass Videospiele die Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen stärken. Die japanische Industrie macht jedoch wenig Anstrengungen, den Einfluss ihrer Produkte auf die Konsumenten zu erforschen. Wurde zu Beginn der 90er Jahre noch jeglicher schädlichere Einfluss der Videospiele auf die Kinder und Jugendlichen (auch von Sakamoto selbst) verneint, so wurden doch eingreifende Veränderungen in vier Bereichen festgestellt:

    Forschungsergebnisse belegen immer öfter einen direkten Einfluss der Videospiele auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen

    Videospiele werden immer brutaler

    Videospiele werden immer häufiger und länger benutzt

    In Japan wird eine Zunahme von Gewaltdelikten festgestellt

    Sakamoto fordert, dass die Sozialwissenschaftler sich endlich ernsthaft mit dem Phänomen der Videospiele beschäftigen.

    In Australien und Neuseeland untersuchte Kevin Durkin²⁵ 1995 die negativen („Abhängigkeit", Lernen am aggressiven Modell, Einfluss auf Familienleben und Schulleistungen, Auswirkungen auf die Gesundheit) und die positiven (Einfluss auf kognitive und perzeptorisch-motorische Fähigkeiten, soziale Interaktionen in der Gleichaltrigengruppe und Training im Umgang mit Computern) Effekte von Videospielen.

    Seiner Meinung nach haben Videospiele keinen direkten schädlichen Einfluss auf Kinder und Jugendliche. Wenn diese jedoch in Wettbewerbssituationen eingebunden sind (wenn sie z.B. Bonuspunkte für die Tötung von „Gegnern" bekommen) steigert sich ihre Gewaltbereitschaft enorm. Dies belegt eine Studie von Alexander Ask et al²⁶., welche in Adelaide (Australien) durchgeführt wurde. Sie stellten fest, dass Jugendliche in Videospielen weniger Hemmungen vor dem Gebrauch von Gewalt haben, wenn sie dafür belohnt werden, dass dies in Abwesenheit von Gefühlen wie Ärger geschieht, dass ein Publikum nicht unbedingt vorhanden sein muss und dass es eine Übereinstimmung gibt zwischen besonders aggressiven Spielern und deren Sozialverhalten in der Schule (gemessen durch Einschätzungen von Lehrern).

    In Holland versuchte Peter Nikken²⁷ herauszufinden, was Kinder an Videospielen fasziniert. Obschon Jungen und Mädchen die Akzente anders setzen, konnten fünf Dimensionen erfasst werden:

    Herausforderungscharakter (Challenge): Spannung, was geschieht als Nächstes? es wird immer schwieriger!

    Agression: Viel Blut, Kämpfe

    Kontrolle: Der Spieler entscheidet, was geschieht

    Technik: Gute Grafik, effektvolle Geräusche

    Lernmöglichkeiten: ich kann dabei etwas lernen

    Auch hier gab es signifikante Geschlechtsunterschiede: Die Dimension „Agression" rangiert bei Jungen an zweiter, bei Mädchen an letzter Stelle

    Schweden: Peter Petrov²⁸ fand bei schwedischen Jugendlichen ebenfalls signifikante Geschlechtsunterschiede was den Besitz und den Gebrauch von Computern anbelangt. Jungen sind stärker an den Neuen Medien interessiert, sie gebrauchen sie häufiger als Mädchen zuhause und außerhalb, z.B. bei Freunden. Dies gilt für alle Geräte, vom Fernseher bis zum Handy. Der einzige signifikante Unterschied beim Gebrauch der Neuen Medien ist, dass Mädchen häufiger an Chatgruppen teilnehmen als Jungen. 60 % der Jungen aber nur 3 % der Mädchen suchen pornographische Internetseiten auf. Das Internet wird vor allem als Mittel zur Vergnügung und Ablenkung betrachtet, seltener als Informations- und Diskussionsmedium.

    In Dänemark wurde 1999 eine Untersuchung über den Einfluss der Neuen Medien auf die Kinder durchgeführt²⁹. Kinder lieben die Spannung und den Wettbewerb, die interaktive Natur der Spiele, die Möglichkeit, mit mehreren Partnern zu spielen. Zur Gewalt haben die Kinder ein ambivalentes Verhältnis: Im realen Leben lehnen sie Gewalt ab, in den Spielen aber akzeptieren sie sie aber mit dem Hinweis, dass sie nur simuliert ist. Kinder können laut dieser Studie gut zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Kinder erleben Computerspiele als viel weniger beängstigend als z.B. angsteinflößende Fernsehsendungen, vielleicht auch wegen des interaktiven Charakters der Neuen Medien.

    In Spanien fand Ferran Casas³⁰ heraus, dass 44 % der Eltern nie über die Videospiele, die ihre Kinder gebrauchen, sprechen, geschweige denn, sie ausprobieren. Videospiele werden von den meisten Eltern als Zeitvergeudung betrachtet.

    3.Sexualität und Pornographie in den Neuen Medien

    Sexualität ist in den Medien überall präsent. Das Thema ist allgemein wenig erforscht und deshalb gibt es auch wenig Antworten auf die Frage, ob und wie sexuelle Inhalte das Verhalten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen. Ein wichtiger Grund ist natürlich die Tatsache, dass aus ethischen Gründen Kinder nicht zu experimentellen Zwecken mit sexuellem und pornographischem Material konfrontiert werden können. Quer durch die Literatur kann man jedoch einige sichere Erkenntnisse finden:

    Sexuelle Themen sind zunehmend und mehr oder weniger explizit in den Programmen enthalten, die tagsüber gesendet werden (z.B. Soap operas und Talkshows). In den USA kommt quer durch alle Programme ca. Alle 10 Minuten eine Sexszene vor (explizit oder verbal)³¹

    Jungen suchen signifikant häufiger pornographische Inhalte in den Medien auf als Mädchen

    Die Rolle der Frau in den Neuen Medien ist die eines Objekts der Begierde und der Gewalt.

    Die Konsequenzen sexueller Kontakte werden sehr selten angesprochen (Schwangerschaft, Aids usw.)

    Die Medien spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Sozialisation sexuellen Wissens, sexueller Ansichten und Verhaltensweisen

    Noch häufiger als die mehr oder weniger expliziten Darstellungen von Sex sind Gespräche über Sex³²

    Gutes Aussehen ist selbstverständlich sowohl für Frauen als auch für Männer

    Kinder sind also sehr oft mit sexuellen Inhalten in den Medien konfrontiert und für ihre Eltern ist dies fast unmöglich zu kontrollieren. Diese häufigen Konfrontationen kommen andererseits dem großen Interesse der Kinder an sexuellen Dingen entgegen. Sexuelle Inhalte werden außerdem zunehmend in der Musik (Rap) und in der Werbung explizit dargestellt.

    Luxemburg: In einer Studie, die wahrscheinlich im Juni veröffentlicht wird, hat das Luxemburger Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium erstmals umfassendes Zahlenmaterial über das Wohlbefinden der Luxemburger Jugendlichen zusammengetragen. Dabei kam heraus, dass fast 60% aller 12-18jährigen 2 bis 3, darunter rund 20% 4 Stunden und mehr am Tag fernsehen! Der Fernsehkonsum sinkt bei einem höheren Ausbildungsniveau. Rund 70% aller Jugendlichen verbringen dazu noch zwischen 3 und 9 Stunden in der Woche mit elektronischen Spielen, wobei Jungen mehr spielen als Mädchen.³³

    Über die Art und Weise, wie und in welchem Ausmaß sexuelle Inhalte in den Medien Kinder beeinflussen, herrscht noch Unklarheit. Laut Ellen Wartella sind die Messmethoden noch sehr ungenau („crude") und es gibt relativ wenig Forschung. Sicher scheint, dass sexuelle Inhalte in den Medien die Einstellungen und Ansichten der Kinder gegenüber Sex, Partnerschaft, Heirat und Ehe stark beeinflussen.

    In einer Untersuchung von schwedischen Erwachsenen hat Margareta Forsberg³⁴ einen signifikanten Zusammenhang zwischen Pornographiekonsum und diversen sexuellen Praktiken gefunden.

    Mark Griffiths³⁵ stellt fest, dass immer mehr Erwachsene und auch Kinder „internetabhängig werden. Das Netz wirkt wie eine Droge. Die Hälfte der Zeit, die Menschen im Internet verbringen ist sexuellen Inhalten gewidmet: Nicht weniger als 11 verschiedene Motive nennt Griffiths um im Internet nach sexuellen Inhalten zu suchen, wobei Selbstbefriedigung und das Suchen nach Online-Partnerschaften am häufigsten auftreten. Wenn die „Droge Internet nicht zur Verfügung steht können bei vielen Menschen regelrechte Persönlichkeitsstörungen auftreten: Zwanghafte Beschäftigung mit Sex, Launenhaftigkeit, Entzugssysmptome, Konflikte mit den Familienangehörigen usw.

    Sexseiten im Internet sind die teuersten Werbeträger und sind so organisiert, dass der Konsument immer tiefer hineingelockt wird, was dann auch immer teurer wird.

    In England gaben ein Drittel aller Kinder in einer Umfrage an, dass sie im Internet auf sexuelle Inhalte gestoßen sind die sie in Verlegenheit brachten. Griffiths plädiert für verschiedene Schutzmaßnahmen:

    Richtlinien für Kinder (siehe untenstehenden Text in Kursivschrift))

    European Research into Consumer Affairs³⁶

    Tipps zum sicheren Surfen

    Verabrede dich mit niemandem, den du über das Internet kennen gelernt hast, es sei denn deine Eltern sind bereit dich zu begleiten. Das Treffen sollte nur an einem öffentlichen Ort stattfinden.

    Schicke niemandem, auch nicht in chat-rooms, deine E-Mail-Adresse, deine Anschrift, deine Telefonnummer, den Namen deiner Schule - oder ein Foto von dir. (E-Mails können verloren gehen oder von anderen eingesehen werden - E-Mails sind ähnlich wie Postkarten. So sind auch Chatrooms öffentliche Begegnungsstätten und man weiß nie, wer mitliest oder zuhört.)

    Denke daran, dass die Leute, mit denen du online zu tun hast, nicht immer sind, was sie vorgeben zu sein, auch deine E-Mail Brieffreunde. Menschen sagen online nicht immer die Wahrheit, denn niemand kann sie sehen.

    Wenn jemand dir in einem Chatroom oder per E-Mail etwas sagt oder schreibt, das dich beunruhigt oder verletzt, ist das nicht deine Schuld. Sag es deinen Eltern und benachrichtige euern Internet Anbieter.

    Sei bei chat-rooms besonders vorsichtig. (Auch wenn ein chat-room behauptet, nur für Kinder zu sein, gibt es derzeit keine Möglichkeit zu überprüfen, ob jeder dort wirklich ein Kind ist. Erwachsene oder ältere Kinder könnten versuchen, dich reinzulegen oder zu belästigen.)

    Sieh nach, ob dein Internet Anbieter spezielle Kinder-Chat-rooms für dein Alter anbietet: wenn du plaudern möchtest, benutze nur die Chatrooms für deine Altersgruppe. (Das heißt, ein verantwortungsbewusster Erwachsener ist immer auch online und entfernt alle widerlichen oder vieldeutigen Mitteilungen. Aber, keine Angst! Der Erwachsene mischt sich nicht ein, und du wirst von ihm nichts merken, es sei denn er entfernt Belästigungen.)

    Reagiere nie auf widerliche oder vieldeutige Mitteilungen. Sage es aber Deinen Eltern oder Erziehungsberechtigten, wenn du abstoßende Nachrichten bekommst oder widerliche Bilder online siehst.

    Benachrichtige auch deinen Internet Anbieter. Es gibt Organisationen wie beispielsweise Jugendschutz.net (www.jugendschutz.net) die diese Belästigungen einstellen können. Deine Eltern sollten die Jugendschutz.net direkt informieren, wenn derartiges passiert.

    Es ist nicht klug, jemandem Kreditkartennummern und Bankdaten zu schicken, bevor du deine Eltern oder Erziehungsberechtigten gefragt hast. Jemand könnte Deine Daten benutzen, um dich zu bestehlen.

    Teile niemandem dein Internet-Kennwort mit. (Die Person könnte sich für dich ausgeben und deine E-Mails lesen.

    Denk daran, dass es sich bei einem Angebot, das aussieht als wäre es zu schön, um wahr zu sein, auch meist tatsächlich um einen Schwindel handelt.

    Halte Dich von Seiten, die ab 18 sind fern. (Die Altersbegrenzung dient dazu, dich zu beschützen und Seiten für Erwachsene können sehr viel teurer sein und die Gebühren hochschrauben.

    Klicke nicht auf Links in E-Mails und öffne keine Anhänge, die von Personen kommen, die du nicht schon gut kennst und denen du vertraust. Das gleiche gilt für das Herunterladen von Dateien von Internetseiten. (Öffne sie nur, wenn sie von Leuten sind, die du kennst und denen du vertraust. Es könnte sein, dass du einen Virus lädst oder irgendeine andere Datei, die deinem Computer schaden oder ihn zerstören könnte.)

    Ständige Präsenz, wenn Kinder fernsehen

    Service-Provider, die einen kindersicheren Zugang anbieten

    Installieren von Filtersystemen

    Mit der zunehmenden Verbreitung des Netzes nimmt auch die Zahl der sexuell motivierten Internet-Kriminalität zu: Herunterladen von verbotenen Inhalten (z.B. Kinderpornographie) oder sexuelle Belästigung von Erwachsenen und Kindern. In England bekamen 41% der Frauen, die regelmäßig surfen unaufgefordert pornographische Inhalte geschickt.

    In Norwegen wurde eine Studie über gewaltsame Pornographie im Internet durchgeführt³⁷: Diese wird definiert dadurch, dass sie groteske, bizarre, abscheuliche oder perverse Inhalte verbreitet. In der Regel werden die Opfer dieser Handlungen vermeintlich oder tatsächlich physisch und psychisch gequält. Oft sind diese Darstellungen nicht unbedingt illegal, sie können allerdings als „unacceptable", also nicht annehmbar bezeichnet werden.

    Die Studie konzentrierte sich auf drei „newsgroups", die gewaltsame Pornographie anboten: Sex mit Tieren, Sadomasochismus, Nekrophilie, Inzest, Pädophilie usw. Die untersuchten Internetseiten ließen für Interessierte nichts zu wünschen übrig. Obschon manche Szenen nur nachgestellt sind, fallen sie auf durch ihre extreme Grausamkeit und Sadismus. Am meisten bedauerten die Autoren der Studie die Verdinglichung der Frau als Objekt sexueller Phantasmen.

    ³⁸

    Rachel O’Connell untersuchte pädophile Newsgroups³⁹. 0.07 % der untersuchten Newsgroups enthalten pädophiles Material, welches alle möglichen Wünsche und Bedürfnisse der „Kunden erfüllt. Die Einfachheit des Zugangs zu diesen Internetseiten bewirken, dass das Internet „einen sicheren, bequemen und leicht zugänglichen Einstieg zur Kinderpornographie ermöglicht.

    O’Connell beschreibt ausführlich die Mythen, welche die kindliche Sexualität betreffen. Internet-Newsgroups zum Thema Kindersexualität unterstützen passiv die Schaffung einer virtuellen Umwelt, die die sexuelle Gewalt gegen Kinder als normal, häufig und gesund darstellt.

    Carlos A. Arnaldo⁴⁰ von der UNESCO bedauert, dass das Internet von Pädophilen und anderen Usurpatoren missbraucht wird. Zensur ist keine Lösung. Die UNESCO setzt sich ein für einen demokratischen Zugang und eine freie Nutzung des Internet. Die Regierungen sollen deshalb versuchen, ihre Kinder vor negativen Inhalten zu schützen. Er gibt einige Beispiele aus den USA (Cyberangels, United Motters usw.) und stellt fest, dass in Europa derartige „Helbing Agens" selten seien. Aber auch hier seien Rädda Barnen und ECPAT International wachsam.

    4.Wahrnehmung von Sex und Gewalt in den Medien

    Wie wird Sex und Gewalt in den Medien wahrgenommen? Andrea Millwood Hargrave⁴¹ stellt in England fest, dass Gewalt in den Medien eher toleriert wird als die sogenannte „Fäkaliensprache" oder die Darstellung von sexuellen Aktivitäten. Bei Frauen und Mädchen ist die Toleranzschwelle niedriger als bei Männern und Jungen. (Diese Feststellung machen auch andere Autoren in anderen Kulturen).

    Darstellung von Gewalt in den Nachrichtensendungen wird akzeptiert, wenn über Kriegsgeschehen berichtet wird, nicht aber bei Geschehnissen des Zivillebens. Zuschauer bemängeln verschiedene stilistische Techniken des Fernsehens, gewaltreiche Ereignisse z.B. in Zeitlupe, mit Geräuscheffekten und speziellen Kameraeinstellungen zu dramatisieren. Gewaltdarstellungen werde als belastend erlebt, wenn das Ereignis nicht in weiter Ferne, sondern im nahen Lebensbereich des Zuschauers stattfand, wenn Gewissheit über die Realität des Geschehens besteht und wenn die Opfer als unschuldig erlebt werden.⁴²

    In Chile hingegen⁴³ fühlen sich mehr Zuschauer durch die Darstellung von Gewalt im Fernsehen belästigt (54%); nur 9% ärgern sich über sexuelle Inhalte und 17% über beides zusammen. Immerhin finden fast 20% der Zuschauer nichts dabei, wenn Sex und Gewalt im Fernsehen dargestellt werden. Je höher die Ausbildung, desto mehr sind die Zuschauer von negativen Auswirkungen überzeugt, allerdings gelten diese Auswirkungen nur für „die anderen", Auswirkungen auf sich selbst werden verneint oder unterschätzt. Zu den Auswirkungen gehören: Nachahmung gewalttätigen Verhaltens, Desensibilisierung gegenüber Gewalt im sozialen Zusammenleben und das Zunehmen von Angst, Schmerz und Unsicherheit bei kleinen Zuschauern.

    Sensationsjournalismus, die Distanzlosigkeit der Reporter und die Akzentuierung negativer Inhalte führen zu Unsicherheit, Verletzbarkeit und Angst vor der Gesellschaft beim Zuschauer.

    Wie in England befürworten die Zuschauer die Existenz einer regulativen Instanz um sie vor Machtmissbrauch der Vertreibergesellschaften und der Journalisten zu schützen. Auch deutliche Hinweise auf Gewalt oder Sexualität in Film- und Fernsehproduktionen werden befürwortet.

    In den Zeichentrickfilmen, die in Chile gezeigt werden, wird der Anteil an gewalttätigen Szenen auf 80% geschätzt. Kinder reagieren negativ auf das Ausmaß des Leids, welches dem Opfer zugefügt wird, auf die Art und Weise, wie Gewalt audiovisuell dargestellt wird, auf die Nähe zur Realität, auf die Abwesenheit ethischer Aspekte und Humor.

    In Singapur wird das Fernsehen streng von der Regierung kontrolliert. Alle Sendungen werden zensuriert. Eine Untersuchung von Albert C. Gunther und Peng Hwa Ang zeigt, dass die Bevölkerung in Singapur diese Zensurmaßnahmen unterstützt da die meisten Leute der Meinung sind, dass es gut für „die anderen" ist, dass sie selbst hingegen nicht empfindlich gegenüber der Darstellung von Gewalt und Sexualität sind⁴⁴.

    In Australien⁴⁵ dagegen haben die großen Betreibergesellschaften einen „code of practice" entwickelt, der alle Fernsehsendungen umfasst und der besteht aus einem Klassifizierungssystem, Überprüfung der Nachrichtensendungen auf Genauigkeit und Fairness, Schutz vor Diskriminierung, der Privatsphäre usw. Bei Umfragen äußerten dennoch 33% der Befragten Kritik. Besonders negativ empfunden wurden unnötige Darstellung von Toten oder Leuten in großer Not sowie überflüssige Gewaltszenen in den Nachrichtensendungen; Vorurteile bei der Berichterstattung, mangelnder Respekt der Privatsphäre, Übertreibung und Sensationsgier.

    In Australien haben die Zuschauer die Möglichkeit, sich zu beschweren, zunächst beim Fernsehsender selbst, dann bei der Australian Broadcasting Authority (ABA). Da nicht viele Zuschauer diese Möglichkeit nicht kannten, wurden die Fernsehgesellschaften „eingeladen" im Jahr 360 Werbespots zur Beschwerdeprozedur quer durch alle Einschaltzeiten zu senden.

    André H. Caron und Letizia Caronia haben in Kanada nachgewiesen, dass die Wahrnehmung von Gewalt und Sexualität in den Medien jedoch nicht nur vom Inhalt selbst abhängt, sondern ebenfalls sehr stark von den Erziehungs- und Interaktionsmustern in den Familien⁴⁶.

    Eltern haben ähnliche Befürchtungen gegenüber dem Internet wie gegenüber Film und Fernsehen, was problematische Inhalte anbelangt. In den USA wurden die Einstellungen der Eltern gegenüber dem Internetzugang für ihre Kinder untersucht⁴⁷. Die vorwiegend weißen, eher wohlhabenden Eltern hatten fast alle selber Zugang zum Internet und haben sehr großes Vertrauen in ihre Kinder, was den verantwortungsvollen Umgang mit dem neuen Medium anbelangt. Die Eltern machen eine Art Kosten-Nutzen-Analyse und dabei herrscht die Meinung vor, dass die nützlichen Aspekte des Internets überwiegen, dass das Internet sogar notwendig und unumgänglich für den schulischen und beruflichen Erfolg der Kinder ist.

    Die letzten vier Artikel in dem Buch von Cecilia von Feilitzen und Ulla Carlsson sind ebenfalls dem Internet gewidmet: Verbreitung, Einstellungen, Ängste und Erwartungen von Eltern und Kindern sowie Schutzmaßnahmen gegen den Missbrauch durch Kinder und Jugendliche. Ingrid Geretschlaeger aus Österreich findet immerhin fünf offizielle Dokumente, die in dieser Diskussion von Bedeutung sind:

    Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes (1989)

    Die EU-Direktive über Fernsehen ohne Grenzen (1989, 1997)

    Die EU Richtlinie über den Schutz Minderjähriger und der Menschenwürde in den audiovisuellen Medien und den Informationsdiensten (1998)

    Das EU-Green Paper über die Telekommunikation (1997, 1999)

    Der EU-Aktionsplan über einen sicheren Gebrauch des Internets (1998)

    Diese Verträge und Richtlinien müssen jedoch von den Regierungen umgesetzt werden, ohne die Rolle der Eltern zu vergessen. Die Meinung der Kinder und Jugendlichen muss gehört werden. Fast nirgends in Europa gibt es eine globale Kinderpolitik, geschweige denn eine Medienerziehung. Die Mittel für qualitativ hochwertige Medienproduktionen für Kinder werden überall gekürzt und Kinder immer mehr hin zu Produktionen für Erwachsene orientiert. Geretschlaeger fordert daher die Schaffung von Bildungseinrichtungen, die an der Ausarbeitung einer neuen Medienkultur arbeiten und die Kinder über den Medienkonsum aufklären.

    5.Ausblick

    Die Ereignisse des 11. September haben weltweit die Frage aufgeworfen: Wie reagieren Kinder auf diese Bilder? Viele Leute wurden sich zum ersten Mal bewusst, dass solche Darstellungen einen dauerhaften Eindruck bei Kindern und Jugendlichen hinterlassen werden und befürchten negative Reaktionen oder regressive Verhaltensweisen bei kleinen Kindern. Zurecht wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Ereignisse in Manhattan bereits in zahlreichen Romanen und Filmproduktionen praktisch bis ins kleinste Detail antizipiert worden sind, die Realität hat leider die Fiktion eingeholt. Seit dem Golfkrieg findet man im Internet Homepages, in denen Eltern und Erzieher Ratschläge finden können, wie sie mit Kindern über Terrorismus und Krieg sprechen können.⁴⁸

    Im Unterschied zu den Bildern der „alltäglichen" Gewalt im Fernsehen waren die Bilder aus New York bittere Wirklichkeit. Mit zunehmendem Alter merken die Kinder dies und entsprechend können ihre Reaktionen demnach durch Angst und regressives Verhalten geprägt sein.

    Zu Recht machen sich jedoch verantwortungsbewusste Eltern und Erzieher schon seit langem Gedanken über die Auswirkungen von der Darstellung von Gewalt in den Medien auf die Kinder, und dies nicht nur im kleinen Kreis von Experten, wie neulich in Stockholm, sondern auch in Fachzeitschriften, Elternmagazinen usw. Die Unterhaltungsindustrie produziert jedoch munter drauf los und die Darstellung von Gewalt in ihren Produkten nimmt zu und nimmt auch immer subtilere Formen an. Aus dem Argument, Kinder (und auch Erwachsene) wollten nur Unterhaltung („They just want to have fun", wie es die Vertreterin der Disney-Gruppe auf der Konferenz in Stockholm formulierte), leitet die Unterhaltungsindustrie die Berechtigung ab, ihre Produkte unkontrolliert zu produzieren und auf den Markt zu werfen. Negative Auswirkungen auf die Psyche der Konsumenten werden bewusst in Kauf genommen; Eltern, Erzieher und andere Fachleute dürfen dann später den Schaden feststellen und zu beheben versuchen.

    In Frankreich gibt es eine Forschungsgruppe, welche die Beziehungen der Kinder zu den Medien untersucht (GRREM, Groupe de recherche sur la relation enfants-médias). Das GRREM verlangt, dass auf europäischer Ebene Richtlinien für eine anspruchsvolle Medienerziehung festgelegt werden, die auf nationaler und lokaler Ebene den sozialen, ökonomischen, erzieherischen und kulturellen Bedürfnissen des Kindes gerecht werden⁴⁹. In Frankreich hat sich das System der Kennzeichnung von Programmen bewährt (signalétique

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