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Die Hundefrau
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eBook232 Seiten2 Stunden

Die Hundefrau

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Über dieses E-Book

Was treibt Giulia an, streunende Hunde aufzusammeln? Sind es Liebe und Mitleid, oder macht etwas anderes sie zum Animal Hoarder, zur Tiersammlerin? Diese Frage stellen sich auch die Behörden des toskanischen Ortes Verdalmasso, an dessen Rand die alte Dame aus der Schweiz in Einsamkeit lebt. Der Bürgermeister muss sich allerdings nicht nur mit der "Hundefrau" auseinandersetzen, sondern auch mit der Johannisnacht, die das Dorf seit jeher zur Bühne für Familienzusammenkünfte der etwas anderen Art macht. Valeria, die Psychologin, die sich Giulias Problem annehmen soll, wurde in diese Welt hineingeboren: Sie ist eine direkte Nachfahrin der Etrusker, die ihre Spuren nicht nur in den Gräbern außerhalb des Dorfs, sondern auch in einer architektonischen Besonderheit im Dorf selbst hinterlassen haben: den Totentüren, denen man nachsagt, sie hätten die Macht, den Menschen die Angst vor dem Tod zu nehmen.
SpracheDeutsch
HerausgeberWieser Verlag
Erscheinungsdatum7. Dez. 2017
ISBN9783990470961
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    Buchvorschau

    Die Hundefrau - Sibyl von der Schulenburg

    Epilog

    1.

    »Maremma bonina!«, rief Paolo aus, während er seinen Motorroller an der Landzunge abstellte. Hinter ihm lag ein Kilometer Schotterstraße voller Schlaglöcher und Staub, der sie alle einhüllte, doch vor ihm lag das schönste Panorama der Etruskischen Küste. In der Ferne lag das von weißen Segeln gesprenkelte Meer, in dem sich die Sonne spiegelte.

    Ein paar Meter darunter, jenseits des in Terrassen angelegten Olivenhains, lag der Bauernhof, der durch die alten Ziegelsteine zu schwitzen schien. Das Dach war noch immer dasselbe wie vor 100 Jahren, als das Haus noch von einer großen Familie bewohnt war und im Stall Kuh und Esel einander Gesellschaft leisteten. An mehreren Stellen waren die Dachschindeln durch Flickmaterial ersetzt worden und der typisch toskanische Hof hätte dringend eine Entrümpelung nötig gehabt. Zu seiner Rechten erhob sich der Wald.

    Paolo kratzte sich an seinem hervorstehenden Bauch, bevor er zu dem Gutshof hinunterging; er passierte das letzte Schild mit der Aufschrift Privatbesitz und suchte den Haupteingang. Ihn empfing eine Mischung aus Jaulen, Heulen und Bellen.

    Auf der Tenne mit Lehmboden, vor der langen, dem Meer zugewandten Fassade, stand ein schmutziger Geländewagen mit fremdem Kennzeichen. Überall lag Abfall aller Art, Plastik, Dosen, Karton und anderes, herum; nicht ein Quadratmeter war frei von Müll. Die Brise, die vom Meer kam, wehte Paolo den Gestank von Fäkalien und Aas in die Nase. Alle Fenster waren geschlossen: Die innenliegenden, hölzernen Fensterläden waren geschlossen.

    »Keiner da?«, rief er in Richtung Natursteinfassade.

    Die Tür im Erdgeschoss öffnete sich gerade so viel, dass eine dünne Gestalt hindurchschlüpfen und sie sofort wieder schließen konnte. »Was wollen Sie?«

    »Post! Ein Telegramm… Brauch ’ne Unterschrift.«

    Die Frau hielt auf den Stufen zum Eingang mit flatternden Augenlidern inne. Sie führte die Hand an die Stirn und blickte zu dem Mann. »Für mich?«

    »Giulia Regazzoni… sind das Sie?«

    Die Frau, die wohl etwa siebzig Jahre alt war, strich eine graue Strähne hinters Ohr. »Das bin ich, aber ich kenne niemanden.«

    »Das hier kommt aus… Bellinzona in der Schweiz.« Der Briefträger näherte sich der Frau mit geöffnetem Registerbuch.

    »Oh …«, Giulia hüllte sich fester in die schmutzige Strickjacke und senkte den Blick. »Da gibt es also noch jemanden…«

    Zwei Schritte von der Frau entfernt rümpfte Paolo die Nase und blieb stehen. Er streckte den Arm aus und hielt ihr das Buch mit dem an einem Faden befestigten Stift hin.

    Mit zitternder Hand kritzelte die Frau hinein und gab ihm das Buch zurück.

    Der Postbote zeigte auf das Auto: »Ist das ein Schweizer Kennzeichen?«

    »Ja, aber es funktioniert auch hier.« Giulia starrte auf das weiße Kuvert. »Was wollen Sie denn noch …«

    Paolo ging zwei Schritte zurück und blickte sich um. Aus der Scheune drangen Hundelaute. »Halten Sie Jagdhunde?«

    »Sie sind wie meine Kinder.«

    »Ich jag’ ab und zu Wildschweine, aber hier sind wir im Naturschutzgebiet, da schießt man nicht. Was machen Sie hier mit den Hunden?«

    »Ich pflege sie, weil keiner sie will. Ich gebe ihnen ein Zuhause.«

    »Das scheinen aber ganz schön viele zu sein …«

    »Es gibt Unmengen an Streunern. Die Menschen sind schlecht, sie lassen sie einfach zurück.« Die Frau strich sich über die Schulter. »Und die Jäger erst… Bestien!«

    Eine neue Dunstwolke erreichte Paolos Nase. »Hier muss irgendwo ein verendetes Wildschwein liegen«.

    Giulia blickte in Richtung des Meers. »Kann schon sein.«

    »Schade, dass Sie die Hunde hier nicht frei laufenlassen können, aber Zäune darf man hier im Naturschutzgebiet ja leider keine bauen. Dabei gibt es so viel Platz.« Der Postbote blickte nach unten, während er mit der Schuhspitze eine Dose, die am Boden lag, nachzeichnete. »Viel Natur …«

    »Ich hab nachgefragt, vor ein paar Jahren, als ich hierhergekommen bin. Sie haben nein gesagt.«

    »In der Gemeinde hat es Änderungen gegeben, vielleicht geht’s jetzt, wenigstens hier rund ums Haus.« Der Mann machte eine Kreisbewegung mit seinen Armen, die die Tenne und die Nebengebäude miteinbezog. »Und die Fassade der Scheune könnte auch ein bisschen Putz vertragen.«

    »Ich finde, der passt schon so. Gut, er ist ein bisschen abgebröckelt, aber er hält noch.«

    »Wenn Sie etwas brauchen, ich mache solche kleinen Arbeiten, auch wenn da und dort ein bisschen Dreck weggeräumt werden soll.«

    »Das ist kein Dreck, ich hab nur noch keine Zeit zum Aufräumen gehabt.«

    Der Briefträger steckte das Buch in die schwarze Umhängetasche und schwang sich auf seinen Motorroller.

    »Warten Sie!«, Giulia bewegte sich zwei Schritte auf den Mann zu. Sie streifte sich die faltige Hand an der völlig verdreckten Hose ab und gab ihm das Kuvert. »Lesen Sie es mir vor?«

    Paolo stieg von seinem Roller ab und stellte ihn wieder auf seinen Ständer. Er schob seine Dienstmütze zurück und kratzte sich mit dem kleinen Finger am Kopf. »Ich verstehe kein Schweizerisch …«

    »In Bellinzona spricht man Italienisch.«

    Der Postbote riss die kurze Seite des Kuverts auf und zog ein Blatt aus dünnem Papier mit dem Poststempel von Verdalmasso heraus. Er hielt es eine Handbreit vor seine Augen und las: »Mama …«.

    Giulia biss die Zähne zusammen. »Lena… Die Vorzeigeschwiegertochter …«

    »Wir reisen Montag, den 9., mit dem Zug um 15:35 Uhr am Bahnhof von Cecina an. Bis bald. Milena.«

    Die Frau nahm das Kuvert, das der Mann ihr wiedergab. »Milena…«

    »Das ist heute«, sagte Paolo.

    »Was?«

    »Der Neunte, Montag.«

    »Ah …«

    »Es ist schon zwei Uhr. Bis nach Cecina braucht man vierzig Minuten.«

    Die Frau drehte sich um und stieg zwei Stufen bis zur Tür hinauf. »Ich weiß.«, sagte sie, bevor sie ins Haus schlüpfte.

    Der alte Mitsubishi Pajero fuhr langsam hinunter ins Tal. In der ersten Serpentine rutschte das Kuvert mit dem Telegramm vom Beifahrersitz.

    Giulia saß aufrecht hinter dem Lenkrad, den Blick nach vorne gerichtet, die Zähne aufeinandergebissen. »Was zum Teufel …«, murmelte sie ab und an. »Nach all den Jahren …«. Das Auto kam mit 40 Stundenkilometern voran und hinter ihr bildete sich eine lange Schlange auf der Straße, die bis ins Tal führte. Um 16:20 bog der Pajero in den fast menschenleeren Bahnhofsvorplatz ein. Nur noch eine junge Frau und ein Mädchen saßen im Schatten des Bahnhofsgebäudes auf ihrem Gepäck. Die Frau stand auf, als sie den Geländewagen sah.

    Giulia parkte mit ein paar gewagten Manövern ein, stieg aus und blieb neben dem Auto stehen.

    Die Frau und das Mädchen kamen näher, zwei Koffer hinter sich herziehend. »Mama«, sagte die Frau, ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet…«

    »Warum bist du gekommen, Lena?«

    »Ich brauche Hilfe.«

    »Und da kommst du zu mir? Ich kann dir nicht helfen, das musst du selbst erledigen.«

    »Zuhause glauben sie, du seist tot, du hast kein Telefon …« Milena betrachtete die Schwiegermutter, das Auto und dann wieder die alte Frau. »Geht es dir gut?«

    Giulia nickte und lehnte sich an die Tür des Pajero.

    »Du erinnerst dich an Lucia, meine Tochter, deine …«

    Das blonde Mädchen erhob den Blick auf die Großmutter. »Hallo.«, murmelte sie, während sie die Finger in die Taschen ihrer Jeans steckte, die an ihren Hüften spannte. Das kurze T-Shirt ließ ein Fettröllchen unbedeckt, das über den Gürtel hing.

    »Sie sieht dir sehr ähnlich.«, antwortete Giulia trocken. »Und warum hältst du mich nicht auch für tot?«

    »Vielleicht hätte ich das gemacht, aber der Inspektor von der Pensionsbehörde ist gekommen, er will einen Lebensnachweis.«

    »Ach, deshalb kommt kein Geld mehr.«

    Milena seufzte. »Vielleicht bist du diejenige, die Hilfe braucht. Aber… müssen wir hier mitten auf der Straße stehenbleiben?«

    Giulia zog die Augenbrauen hoch und zeigte auf die Bar auf der anderen Seite des kleinen Platzes. »Gut, dann also auf einen Kaffee. Du bezahlst.«

    Die drei gingen bis zur Bar.

    »Wovon lebst du, Mama?«, fragte Milena mit einem Brötchen vor sich.

    »Von Almosen.«

    Der Kellner, der der alten Dame den Kaffee brachte, zog geräuschvoll seine Nase hoch. »Es stinkt …«, sagte er und richtete den Blick auf den Boden rund um den kleinen Tisch. »Verdammte Hunde.«

    Lucia errötete und blitzte den Kellner zornig an.

    »Du hast also nicht wieder mit dem Schreiben angefangen.«

    »Ich schaffe es nicht mehr seit… Rodolfo… Ich…«, die Frau biss die Zähne zusammen und erschien noch zerbrechlicher.

    »Das ist sechs Jahre her. Nicht einmal eine Karte zu Weihnachten.«

    »Ich habe zu tun, ich kann nicht. Ich habe eine Aufgabe …« Giulia untersuchte die Sohlen ihrer Schuhe.

    »Aber wir sind deine Familie! Alle haben gelitten, nicht nur du.«

    »Willst du mir sagen, ich habe kein Recht darauf, alleine zu trauern?«

    »Du antwortest nicht auf meine Briefe …« Milena setzte ihre Sonnenbrille auf und zog die Nase hoch.

    Lucia legte das halbe Brötchen auf den kleinen Teller und tätschelte die aufgedunsene Hand der Mutter. »Nicht weinen, Mami!«

    Zwei Tropfen bahnten sich ihren Weg unter den dunklen Brillengläsern nach unten. »Es ist nichts… nur die Allergie gegen die Platanen.«

    Giulia verschränkte die Arme. »Wie auch immer: Warum bist du gekommen?«

    »Das ist schwer zu erklären, und …«, murmelte Milena.

    »Also ich fahre wieder nach Hause, sie warten auf mich.« Giulia rückte den Stuhl nach hinten.

    »Mama …«

    Sie schwieg.

    »Ich muss dich bitten, Lucia bei dir aufzunehmen, für ein paar Tage, eine Woche.«

    Giulia schaute erst die Schwiegertochter und dann die Enkelin an. Sie schüttelte den Kopf.

    »Es ist ein Notfall, sonst hätte ich dich nicht gefragt. Ich muss fortgehen… ins Ausland.«

    Giulia verlagerte ihr Gewicht wieder auf den Stuhl. »Ausland?«

    »Ja… ich erkläre dir das dann, aber es geht um Leben und Tod.«

    »Kommt nicht in Frage.«

    »Lucia findet sich zurecht, sie putzt und kann kochen.«

    »Ich weiß nicht, wohin mit ihr, ich habe keinen Platz, wir haben nicht einmal etwas zu essen.«

    »Ihr reicht ein winzig kleines Plätzchen und sie muss nur wenig essen.« Milena lächelte die Tochter an. »Wie ein Kätzchen, nicht wahr, Liebling?«

    Lucia nickte mit verschränkten Armen, sodass das Doppelkinn ihr Unterkiefer begrub.

    Giulia neigte den Kopf zur Seite und betrachtete die Enkelin. »Ein Kätzchen… Nein, kommt gar nicht in Frage, außerdem hab ich kein Geld mehr.«

    »Gut Mama, ich lass dir welches da, wie viel brauchst du?«

    »Wofür?«

    »Mama …«

    Giulia rieb die Handflächen aneinander. »Na gut, mach du… Ich geb’ es dir dann zurück, wenn die Pension kommt.«

    Milena nahm das Portemonnaie aus der Handtasche und zog ein paar Scheine heraus. Sie legte sie auf den Tisch und ließ sie bis zu ihrer Schwiegermutter gleiten. »Hier …«

    Giulia packte das Geld und steckte es in die Tasche, dann stand sie in einer fließenden Bewegung auf. »Na gut, aber wenn sie nicht gehorcht, setze ich sie in den Zug zurück nach Bellinzona.«

    »Mami«, bat Lucia mit verkniffenem Gesicht, »lass mich mit dir kommen… ich störe dich auch nicht.«

    »Ich kann nicht, mein Schatz, ich kann wirklich nicht. Ich hab dich sehr lieb und auch die Oma hat dich lieb, du wirst schon sehen.« Milena sah die Schwiegermutter an, die sich zu ihrem Auto bewegte. »Ich breche sofort auf, das weißt du… Wir hören uns. Ich muss wissen, dass es dir gut geht.«

    Lucia nickte mit Tränen in den Augen. »Ich weiß, Mami.«

    Milena ließ Geld auf dem Tisch liegen und streichelte die Wange ihrer Tochter. »Zu deinem Geburtstag sind wir wieder zusammen, wir werden in Bellinzona sechzehn Kerzen auspusten.«

    Giulia wartete hinter dem Steuer darauf, dass die Schwiegertochter das Gepäck der Tochter einlud und die Enkelin stieg in den Pajero ein. Ohne ein weiteres Wort verließen sie den Bahnhofsvorplatz.

    Lucia winkte ihrer Mutter mit ausladenden Bewegungen aus dem hinteren Autofenster.

    »Ich hab viel zu tun.«, sagte Giulia. »Ich hab keine Zeit für dich.«

    Lucia sank auf dem Rücksitz zusammen und schloss die Augen.

    Der Parkplatz des Supermarkts war voller Autos mit ausländischen Kennzeichen. Holländer, Deutsche und Franzosen erkämpften sich einen Stellplatz neben Schweizern und Belgiern. Giulia parkte den Pajero mit zwei Rädern auf dem Blumenbeet. »Warte auf mich.«, sagte sie, bevor sie ausstieg und mit einem Einkaufswagen im Geschäft verschwand.

    Eine Viertelstunde später öffnete die Frau die Heckklappe und lud die Waren ein, sodass das Auto schwankte. Giulia verschwand erneut und nach fünf Minuten lud sie weitere schwere Kisten und sperrige Einkaufstüten ein. Der Pajero sank mit den Hinterreifen ein.

    »Gut«, sagte die Frau, während sie wieder hinters Lenkrad stieg, »wir haben etwas zu essen.«

    Lucia nickte schwach und strich die verschwitzten Haare von der Stirn. Sie sah nach draußen, in das Grün der toskanischen Felder, während der Geruch von Exkrementen sich mit dem der gerade eingeladenen Fracht vermengte. Sie lehnte den Kopf an die Rückenlehne und schloss die Augen.

    Der Geländewagen fuhr langsam die Straße ins Tal entlang und zog eine Kolonne ungeduldiger und hupender Autos hinter sich her. Giulia legte in aller Ruhe den Blinker ein und bog ab. Nach ein paar Kilometern mit leichter Bergfahrt schaltete sie zurück und bewältigte die erste Serpentine. Auf der einen Seite der Straße hoben sich Seekiefern und Korkeichen empor, auf der anderen reichte der Blick bis hin zur Küste. In der Ferne ragten die Inseln Elba und Capraia aus dem Meer.

    Als sie die Serpentine hinter sich gelassen hatte, brummte sie: »Na siehst du …«, fuhr an die Seite und schaltete den Motor aus.

    »Was ist?«, fragte Lucia.

    »Eine Mieze… sie ist klein… und arm, so allein.« Giulia stieg aus.

    Auch Lucia stieg aus. Sie sah das Objekt, das die Aufmerksamkeit der Großmutter erregt hatte: Ein Kätzchen, ein paar Monate alt, lag ausgestreckt im hohen Gras am Straßenrand. Es blickte die Frau, die sich ihm näherte, mit großen Augen an, öffnete das Mäulchen, um zu miauen, doch es kam kein Ton heraus.

    »Ich bin da… alles ist gut… miez, miez…«

    »Sie wird einen Besitzer haben, vielleicht in diesem Haus dort unten.« Lucia zeigte auf das Gebäude unter der Straße.

    »Nein, das ist ein Streuner.«

    »Aber… ich glaube, es geht ihm gut.«

    »Was willst du schon wissen? Die Katzen, die versteh ich sofort, es geht ihr schlecht.« Giulia kniete sich hin, um das Tierchen aufzuheben.

    Die Katze sprang plötzlich auf und lief drei Meter fort. Mit der Pfote schlug sie ein paar Mal nach einem Grashalm. Sie setzte sich hin und betrachtete die Frau erneut.

    »Miez, miez…«

    »Oma…«

    »Sei still, du erschreckst es.«

    »Dort ist seine Mutter.« Lucia zeigte auf eine erwachsene Katze, die durch das Gras heranschritt.

    Giulia richtete sich wieder auf, beobachtete die Katze und das Kätzchen, das zu seiner Mutter lief. Die Frau seufzte und ging zurück zum Auto.

    Der Pajero nahm wieder Fahrt auf und nach einigen Serpentinen erreichte er Verdalmasso. Giulia schlug das Lenkrad nach links ein und bog in die weiße, holprige Straße ein; Lucia klammerte sich am Türgriff fest.

    Endlich hielt das Auto in der Tenne des Landsitzes. Der Chor der Hunde war ohrenbetäubend.

    »Essen ist fertig!«, rief Giulia, sowie sie einen Fuß auf den Boden gesetzt hatte. Sie ging direkt zum Geräteschuppen und kam eine Schubkarre schiebend wieder zurück.

    Das Gebell wurde noch lauter.

    Lucia stieg vorsichtig zwischen dem Abfall aus; sie ging um das Auto herum und wartete, dass die Großmutter das Tor öffnete.

    Giulia öffnete und stellte die Schubkarre daneben.

    Das Mädchen betrachtete die

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