Und dann noch eine Zeile oder mehr: Gedichte aus sechs Jarhzehnten
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Wolfgang Tschapka
Geboren 1950 in Mondsee, Oberösterreich. Studium der Anglistik und Klassischen Philologie an der Universität Wien. Tätigkeit als Lehrer für Latein und Englisch an einem Wiener Gymnasium. Wolfgang Tschapka ist verheiratet und lebt in Wien.
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Book preview
Und dann noch eine Zeile oder mehr - Wolfgang Tschapka
Inhaltsverzeichnis
Cui dono lepidum novum libellum?
Frühling
Traumschmelze
Leben
Lenz
November
An den Bruder
Sonett
Jahreswechsel
Sonett
Fast
Wiedersehen
Heidegras
Flut
Crescendo
Impromptu
Goldenes Kalb
Ave amata
Ufer
Erinnerung 1
Erinnerung 2
Epiphanie
Hymnus
Neue Liebe
Porzellan
Ihr Lied
Wiedersehen
Steirisches Requiem
Gehalten werden
Liebschmelze
Für dich
Fuchs und Traube
Abend
Die Veronikalieder
Zum Tod von Veronikas Vater
Fremd
Ohne dich zu sein
Oiseaux tristes
Eurydike
Wild wund
Dichterschule: Suizid
Auf halbem Weg
Chloe
Kathedrale von Sevilla
Natürlich die Bäume
Märchenpotpourri
Meine Gasse
Irgendwann
Wenn ich ein Vöglein wär
Das Lied vom Putsch
Verkehrte Welt
Glaubensverlust
Mücken im Wind
Der alte Wolf
Ich träume manchmal winters
Danach
Dämmerung
Verbunden
Wir
Heimgekommen
Nocturne
Lied der Stadt
Die Vater-Sonette
Sinnlos
Lied für eine Gehetzte
Zufrieden
Heimat
Dahin
Es kommt die Zeit
Stadtmorgen
Septetten
Some English poems
The poet
Man
Sitting by the waterfall
To the ancient poet
To Ovidius
Rain, pour down
Misty reason
The cry
Little grew the day
The life we live
A song for you
About the un-girl
You
Cage-bird
Sexual act
The more you want me
Paradise regained
Greece
The rain of memory
To myself
Mating season
Waking up
Rigor mortis
Me – you – us
The jester 1
The jester 2
Farewell
Vorbemerkung:
Es wird immer wieder behauptet, ein gutes Gedicht brauche keine Erklärung. Ein Gedicht müsse durch sich selbst verständlich sein. Dem muss ich widersprechen. Es ist doch so, dass man Gedichte zu einem hohen Prozentsatz für sich selbst schreibt, mit dem Vokabular, mit all den Symbolen und Chiffren, mit dieser ganzen Geheimsprache, die einem so vertraut ist, dass Erklärungen tatsächlich überflüssig sind. Wenn man aber den Schritt wagt, mit seinen Gedichten an ein Leserpublikum heranzutreten, dann will man, dass Kommunikation entsteht, und die ist nur möglich, wenn die Texte mit ihren Andeutungen, Symbolen und Subtexten vertändlich sind.
Deshalb habe ich es für angebracht erachtet, hin und wieder kurze erklärende Kommentare zu meinen Gedichten hinzuzufügen.
Ich wünsche fruchtbare Lektüre!
W.T.
cui dono lepidum novum libellum?
Wem schenke ich das lächerliche neue Büchlein? Mit diesen Worten widmete der römische Dichter Catull seine Gedichtsammlung seinem Gönner Cornelius Nepos. In meinem Gedichtzyklus kommt auch versteckt Ovid vor, der seine Gedichte aus der Verbannung nach Rom schickte. Diesen beiden Dichtern verdanke ich sehr viel Inspiration.
1. cui
jahrhundertwein – und ich vergeh im denken.
ich bin nur ich, soweit ihr es erlaubt.
oder noch weniger? nie hätte ich geglaubt,
wie tief sich fremde spuren in mich senken.
doch hab ich nie aus blinder gier geraubt.
goldregen floss auf meine ausgestreckten hände
und wolken zogen an ein fernes dunkles ende,
ich trug sie fort, und trage noch – antik, verstaubt.
da kommt es, dass ich sie für mich verwende.
ich stehe auf der spitze einer pyramide
und gehe bröckelnd ein mit meinem liede
hinein, hinab in sand und wüstenbrände.
jahrhundertwein – und ich vergeh im denken:
wem soll ich meine armen verse schenken?
2. dono
der eine hatte gold an seinen armen.
an mir klebt staub und stein.
ich wollte scholle sein
und mich um alle welt erbarmen.
der zweite streute herben weihrauch ein.
ich blase staub aus lichternen gedanken
und weise kaum mich selber in die schranken,
geschweige denn das unrecht und die pein.
der dritte hatte myrrhe in den pranken.
ich weiß kaum was das ist.
als armer komponist
gerate ich nur allzu leicht ins wanken.
man spricht von königen und manchmal auch von weisen.
mich werden höchstens meine eigenen verse preisen.
3. lepidum
das epos ist noch immer ungeschrieben.
mein stift und auch mein wille ist zu klein
um humus und geburt für größeres zu sein
als das, woran die worte selber kleben blieben.
das hat mit feigheit nichts zu tun. o nein –
es soll nur jede meiner kurzen zeilen
sich gerne fügen. lang herum zu feilen
macht schmutzig. dazu bin ich mir zu fein.
vielleicht in ein paar jahren werd ich eilen
von drang zu sturm, vom singen zum geschrei.
ich fürchte nur, die melodien vergehen dabei,
die ich so liebe, wenn sie in mir weilen.
ich will im leben lieber groß sein und ertrinken
statt in der tinte einer falschen wahrheit zu versinken.
4. novum
erkennst du dich wieder beim lesen?
habe ich dich zu arg missbraucht?
ich warte bis dein zorn verraucht.
du bist früher nicht so roh gewesen.
du hast mir die seele eingehaucht,
hast mir den stift in die hand gezwungen.
stundenlang hab ich mit dir gerungen
und bin dann doch in dein meer getaucht.
ich habe deine weisen gesungen
bis mir der atem versagte, und dann
habe ich erst gewusst was ich kann:
es ist mir ein eigenes lied gelungen.
du – das ist: ihr – das ist: ich habe gelernt
und bin jetzt weiter als je von euch entfernt.
5. libellum
es hat einer einst sein buch nach rom geschickt.
ich schicke dich wie ein kind von mir.
meine blicke und gedanken folgen dir
wie wenn eine mutter aus dem fenster blickt.
bist du auch fort, bist du doch noch hier.
deine seiten, deine zeilen sind in meinem denken.
wohin wirst du jetzt deine schritte lenken?
ich steh da, dich im sinn, setz mich hin und frier.
in den künetten des lebens dich zu versenken –
lass es sie nur getrost versuchen.
du bist nicht gemacht für die geisteseunuchen
die sich