SkyTest® Piloten-Assessment 2024: Handbuch zu den Einstellungstests für Ab-Initio- und Ready-Entry-Piloten
By Dennis Dahlenburg and Andreas Gall
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About this ebook
SkyTest® Piloten-Assessment 2024 ordnet die gegenwärtige Situation im Arbeits- und Ausbildungsmarkt für Verkehrspiloten im Kontext der Einstellungstests europäischer und internationaler Airlines und Flugschulen ein. Die inzwischen 17. Jahresauflage des Handbuchs erklärt Aufbau und Ablauf der Auswahlverfahren aktuell, transparent und verständlich.
Vorgestellte Verfahren:
· DLR BU/GU, DLR FQ/FU, DLR-Zertifikat - u.a. Lufthansa, Austrian Airlines, Swiss und Bundespolizei
· Interpersonal - u.a. Eurowings, Discover Airlines, Condor und DHL
· Aon, Safety Assessment (WT), Mollymawk®, ADAPT® und PILAPT®
· Fliegerischer Dienst bei der Bundeswehr
· ... und viele weitere Verfahren
Extras:
· Wissenswertes zu Bewerbung und Vorbereitung
· Mathematisches und physikalisches Grundwissen
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SkyTest® Piloten-Assessment 2024 - Dennis Dahlenburg
0 Vorwort
Mehr geht nicht: Europas Airlines fliegen nach überstandener Krise am Limit. Ende 2023 stellte der internationale Linienluftfahrtverband IATA fest: „Der Fokus der Branche hat sich von der Rückkehr zu bestimmten Passagierzahlen dahin verschoben, die Nachfrage zu decken." Ryanair beförderte 2023 bereits mehr Fluggäste als 2019, Konkurrenten werden spätestens 2024 die Krise endgültig abhaken. Die Erholung vom Covid-19-Schock verlief damit wesentlich schneller als selbst von optimistischen Stimmen erwartet wurde. Dafür werden andere Themen wichtig. Im Nachkrisenumfeld vereint sich mehr Marktmacht auf die großen Flugkonzerne Lufthansa, Air France-KLM, IAG und Ryanair. Kleinere Gesellschaften – wie ITA Airways, Air Europa, SAS und TAP Air Portugal – werden zu Übernahmezielen. Die Konsolidierung ist in vollem Gange. Zeitgleich fehlt Fluggesellschaften nicht nur neues Fluggerät, sondern auch -personal. Das schafft Chancen für Berufseinsteiger.
SkyTest® Piloten-Assessment erscheint – jährlich aktualisiert – seit 2008. Kurz nach der Erstausgabe dieses Buchs wurde die Luftfahrbranche von der schweren Finanzkrise durchgerüttelt, zahlreiche Airlines meldeten Insolvenz an – oder suchten (wie jetzt wieder) ihr Heil in Zusammenschlüssen. Der Arbeitsmarkt für Piloten ging kurzfristig in die Knie – und kam in den 2010er Jahren umso stärker zurück. Genau dieses Szenario zeichnet sich nun erneut ab. Die internationale Strategieberatung Oliver Wyman warnte bereits 2021 in einer viel beachteten Studie, dass eine neue Phase des Pilotenmangels nur noch eine Frage der Zeit ist. Nach Airbus-Daten werden Airlines weltweit noch bis 2026 rechnerisch 55 Piloten jeden einzelnen Tag neu einstellen.
Tatsächlich braut sich auf dem Arbeitsmarkt für Verkehrspiloten ein perfekter Sturm zusammen. Viele Nachwuchspiloten haben sich in der Krise beruflich neu orientiert – und ihre Flugausbildung abgebrochen. Zeitgleich schickten Airlines Piloten in den vorgezogenen Vorruhestand. Rückblickend vorschnell, denn ohnehin wird in Europa und Nordamerika in den 2020er Jahren eine Pensionierungswelle brechen. In den USA werden bis 2030 jedes Jahr 3,8 Prozent der aktiven Piloten in den Ruhestand gehen, mehr als 5.000 haben ihre Pensionierung in der Krise vorgezogen.
Selten waren die Vorzeichen für den Start einer Pilotenlaufbahn so gut wie heute. Zumal Fluggesellschaften sich zunehmend auch wieder an den Ausbildungskosten beteiligen, um Nachwuchs zu finden und zu binden.
Aber: Die Krise hat gezeigt, wie schnell das Berufsumfeld in der Verkehrsfliegerei von einem Extrem ins andere umschlagen kann. Wer im Jahr 2024 eine Flugausbildung beginnt, sollte seine Karriereplanung von vornherein mit einem „Plan B" absichern – und die ATPL mit einem Studium hinterlegen. Mehrere Universitäten bieten hier attraktive Programme ein, die ein akademisches Studium mit einer fliegerischen Ausbildung (sinnvoll) kombinieren.
Vor der anspruchsvollen Pilotenausbildung (oder einem Direkteinstieg mit Lizenz) lauert nach wie vor eine Hürde: das Auswahlverfahren, mit dem sich ausnahmslos jeder Berufspilot früher oder später konfrontiert sieht – oft schon an der Flugschule, in jedem Fall vor der Einstellung. In der Regel aufgeteilt in eine kapazitive, fliegerische Potenzialabklärung, eine flugpsychologische Untersuchung mit eingehendem Interview und eine Feststellung der flugmedizinischen Tauglichkeit („Medical") trennt das Screening aussichtsreiche von nicht aussichtsreichen Bewerbern für eine fliegerische Ausbildung („Ab Initio) oder einen Airline-Direkteinstieg („Ready Entry
). In Europa ist diese Form der Eingangsuntersuchung seit 2021 sogar gesetzlich Pflicht.
SkyTest® Piloten-Assessment 2024 nimmt Sie mit hinter die Kulissen der gängigen Auswahlverfahren europäischer und internationaler Airlines mit Schwerpunkt auf die kapazitiven, computergestützten Eignungstests. Wer versteht, weshalb und wie diese Tests durchgeführt werden, hat bessere Chance, sie zu bestehen.
Alle in diesem Buch beschriebenen Tests und Beispiele beziehen sich zu Illustrationszwecken auf korrespondierende Module aus der SkyTest® Trainingssoftware. Aber Achtung: Airlines, Flugschulen und Personaldienstleister können Screening-Verfahren auch kurzfristig austauschen oder verändern.
Auf www.SkyTest.de finden Sie hierzu eine fortlaufend aktualisierte Übersicht – und auf www.SkyJobs.com vielleicht den passenden Arbeitsplatz. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Test und „many happy landings"!
Baiersdorf, im November 2023
Dennis Dahlenburg und Andreas Gall
Inhalt
1 Einleitung
2 Grundanforderungen an Piloten
3 Flugausbildung und Direkteinstieg
4 Lufthansa und der DLR-Test
4.1 Die Berufsgrunduntersuchung (BU)
4.1.1 Merkfähigkeit
4.1.2 Konzentrationsvermögen und Aufmerksamkeit
4.1.3 Psychomotorik und Mehrfacharbeit
4.1.4 Räumliches Orientierungsvermögen
4.1.5 Logik-Tests
4.1.6 Wissenstests, Psychologisches Profil und GU
4.2 Die Firmenqualifikation (FQ)
4.2.1 Das Rollenspiel
4.2.2 Die Gruppenspiele
4.2.3 Der Dyadic Cooperation Test (DCT)
4.2.4 Der FQ-Simulator
4.2.5 Simulator-Screening für Ready Entries
4.2.6 Das Einzelinterview
4.3 Testverfahren für Aerologic
4.3.1 Stufe 1
4.3.2 Stufe 2
4.3.3 Stufe 3
4.4 Testverfahren für Helikopterpiloten
4.4.1 Multitasking im Cockpit
4.4.2 Psychomotorik-Mehrfacharbeits-Analyse (PMA)
4.4.3 Gestalterkennungstest
5 Eurowings, Condor und die Interpersonal BQ
5.1 Abschnitt I der Eignungsabklärung
5.1.1 Operationelle und kognitive Leistungsfähigkeit
5.1.1.1 Konzentrationsvermögen und Merkfähigkeit
5.1.1.2 Räumliches Orientierungsvermögen
5.1.1.3 Psychomotorik und Mehrfacharbeit
5.1.1.4 Logik
5.2 Abschnitt II der Eignungsabklärung
6 Swiss und Helvetic
6.1 Stufe I – Ab Initio
6.2 Stufe I – Ready Entry
6.3 Stufe II
6.4 Stufe III
6.5 Stufen IV und V
6.6 Helvetic Airways und Horizon SFA
7 Safety Assessment und KLM
7.1 Räumliches Vorstellungsvermögen
7.2 Aufmerksamkeit
7.3 Psychomotorik und Mehrfacharbeit
7.4 Logik
8 Mollymawk® und Cargolux
9 Ryanair und Aon
9.1 Vorauswahl mit Aon
9.2 Telefoninterview
9.3 Einstellungsinterview und Sim-Check
10 Wizz Air und COMPASS®
10.1 Die Leistungstest
10.2 Testerweiterungen für Ready Entries
11 EasyJet und ADAPT®
11.1 Persönlichkeitsorientierte Stufe
11.2 Leistungsorientierte Stufe
11.2.1 Aufmerksamkeit
11.2.2 Gedächtnisleistung
11.2.3 Orientierungsvermögen
11.2.4 Psychomotorik
11.2.5 Logik, Mathematik, Physik und technisches Verständnis
12 IAG und PILAPT®
12.1 PILAPT®
12.2 Screening für British Airways
13 Fliegerischer Dienst bei der Bundeswehr
13.1 Phase I
13.2 Phase II
13.2.1 Der ICA 90 II
13.2.2 Das Abschlussgespräch
13.3 Phase III
14 Assessment-Center übergreifende Tests
14.1 Mathematik
14.1.1 Kopfrechnen
14.1.2 Schätzaufgaben
14.1.3 Textaufgaben
14.1.4 Zahlenreihen
14.1.5 Algebraische Grundlagen
14.1.6 Geometrische Grundlagen
14.2 Physik
14.2.1 Mechanik
14.2.2 Elektrizitätslehre
14.2.3 Optik
14.2.4 Wellenlehre
14.2.5 Wärmelehre
14.2.6 Radioaktivität
1 Einleitung
Pandemieschock, gesperrte Lufträume, Inflation, Flottenengpässe, Personalmangel: Die Luftfahrt stand und steht vor vielzähligen Herausforderungen. Gleichwohl ist das Umfeld für einen Berufseinstieg als Pilot gerade jetzt günstig. Weil viele Piloten die Uniform in der Krise an den Nagel gehängt haben und in andere Jobs (oder in den vorzeitigen Ruhestand) abgebogen sind, fehlen noch immer sowohl Kapitäne als auch Erste Offiziere. Karriereportale wie SkyJobs.com (betrieben von den Herausgebern dieses Buchs) füllen sich wieder mit Stellen. Und die sind besser bezahlt als jemals zuvor. Allein Lufthansa und Condor haben 2023 neue Tarifverträge abgeschlossen, die Piloten mindestens 18 Prozent Gehaltsplus bis 2026 garantieren und zeitgleich Verbesserungen bei Dienstzeiten und -strukturen mit sich bringen.
Lizenzinhaber mit Type Rating sind auf dem Arbeitsmarkt aktuell besonders gefragt, zumal fliegerischer Nachwuchs fehlt. Zwar haben die großen Flugkonzerne ihre Ausbildungsprogramme reaktiviert. Doch gibt es schlicht nicht genug qualifizierte und motivierte Bewerberinnen und Bewerber. Von früheren Kursstärken – bis 2019 schrieb Lufthansa pro Jahr bis zu 450 Flugschülerinnen und Flugschüler in ihr Ab-Initio-Programm ein – sind die Programme meilenweit entfernt. Das liegt zum Teil an den Angeboten – so rief Lufthansa zum Neustart an der Verkehrsfliegerschule EFA Schulungsgebühren zwischen 105.000 und 115.000 Euro auf. Eine Komplettfinanzierung der Ausbildungskosten schreckt – auch angesichts gestiegener Zinsen – viele Kandidaten ab. Dass ein hochverzinster Schuldenberg zum Karrierebeginn den Pilotenberuf nicht unbedingt attraktiver macht, hat man auch im Kranich-Universum eingesehen. So hat die Konzerntochter Swiss den fixen Eigenanteil für ihre Nachwuchspiloten auf 35.000 Schweizer Franken begrenzt. Für Schweizer Staatsbürger kommt noch ein von Swiss vorgestrecktes und gering verzinstes Schulungsdarlehen über 45.000 Schweizer Franken, für EU- beziehungsweise EFTA-Bürger über 69.000 Schweizer Franken hinzu.
An den Stellschrauben der Ausbildungskosten werden noch weitere Airlines drehen (müssen), damit die Suche nach Nachwuchs nicht am Geld scheitert. Überzeugungsarbeit ist aber auch an anderer Stelle nötig. Den abrupten Ausbildungsstopp für ganze Jahrgänge im ersten Krisenjahr 2020 haben Schulabgänger bei der Berufswahl noch im Hinterkopf und stellen sich – zu Recht – die Frage: Wie stabil und planbar ist (m)eine fliegerische Laufbahn überhaupt?
Terroranschläge, Finanzkrisen, die Pandemie und der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 unterstreichen, wie anfällig die globale Luftfahrt für externe Ereignisse ist. Wer in dieser Branche, ganz gleich in welcher Funktion, eine Karriere plant, schläft mit einem Plan B besser. Jeder Pilot und Flugschüler sollte neben der ATPL oder MPL weitere Qualifikationen aufbauen. Das kann inzwischen bereits parallel zur fliegerischen Ausbildung geschehen. In Bremen und Aachen bieten Hochschulen duale Studiengänge an, die eine ATPL mit einem Bachelor in Wirtschafts- oder Ingenieurswissenschaften kombinieren – womit Absolventen auf einen wesentlich breiteren Arbeitsmarkt treffen. Auch nach einem Karrierestart im Cockpit stehen Piloten branchennahe Weiterbildungsmöglichkeiten offen – an einer Hochschule oder über Entwicklungsprogramme des Arbeitsgebers. Denn Piloten sind nicht nur im Cockpit als Führungskräfte gefragt – Flugbetrieb und Personalwesen bieten Chancen für interessante Karrierezweige.
Egal, über welche Schiene man den Weg ins Cockpit einschlägt – alle Bewerberinnen und Bewerber werden zunächst in umfangreichen Auswahlverfahren auf ihre generelle Eignung für den Pilotenberuf und ihre spezifische Eignung für die jeweilige Airline getestet.
Seit Februar 2021 ist ein psychologisches Assessment vor einer Anstellung bei einer Airline zumindest in Europa obligatorisch: EASA.CAT.GEN.MPA.175(b) schreibt zwingend ein Piloten-Eignungsscreening in vier Teilbereichen vor:
Kognitive Leistung
Persönlichkeitsmerkmale
Operationelle und berufsspezifische Kompetenz
Soziale Kompetenzen im Kontext von CRM
Die auch vor diesem Hintergrund im Regelfall mehrstufig aufgebauten Screenings setzen sich aus eignungsdiagnostischen Tests, einer psychologischen Untersuchung sowie einem Medical zusammen. Der nicht-technische Teil eines Auswahlverfahrens zur kognitiven Leistung überprüft dabei individuelle Leistungsbereiche (sog. „pilot aptitudes"), die für die Ausübung des Pilotenberufs überdurchschnittlich stark ausgeprägt sein sollten. Es werden berufsrelevante psychomotorische, kapazitive und kognitive Fähigkeiten bestimmt.
Zur Grundabklärung des fliegerischen Potenzials im NOTECHS Framework des JAR-OPS/FCL Regelwerks für Zulassung und Training von Flugpersonal gehören die Fähigkeitsbereiche:
Psychomotorik
Räumliches Vorstellungs-/Orientierungsvermögen
Merkfähigkeit
Stresstoleranz
Leistungsverhalten unter mehrfacher Beanspruchung
Leistungsverhalten unter monotoner Dauerbeanspruchung
Problemlösungsverhalten / Strategien der Entscheidungsbildung
Situative Wahrnehmung / Aufmerksamkeitsverteilung
Informationsaufnahme und -verarbeitung
Kommunikationsverhalten
Mathematik, Physik und technisches Verständnis
Englischkenntnisse
ATPL- und CRM-Wissen (für Bewerber mit Fluglizenz)
Noch bis in die späten 1990er Jahren wurden diese Fähigkeitsbereiche mit Paper-and-Pencil-Tests untersucht. Inzwischen greifen nahezu alle Auswahlverfahren auf softwaregestützte und teils sogar mobil einsetzbare Testbatterien zurück. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurden zwar bereits in den 1960er Jahren apparategestützte Auswahltests für Verkehrspiloten gefahren. Der tatsächliche Übergang von Paper-and-Pencil zu computergestützter Aufgabenstellung vollzog sich jedoch erst Jahrzehnte später.
Tests am Computer bieten einen großen Vorteil. Mit ihnen lassen sich dynamische Szenarien darstellen, was das eignungsdiagnostische Spektrum deutlich erweitert. Diese Möglichkeit steigerte im Zusammenspiel mit datenbasierten Auswertungsverfahren Genauigkeit und Aussagekraft der individuell ermittelten Eignungsgrade – und damit die Prognosesicherheit der Verfahren.
An die Grundabklärung fliegerischen Potenzials schließt eine psychologische Eignungsuntersuchung an. Sie soll zum einen die berufliche Motivation der Bewerber feststellen. Zum anderen sollen Prognosen über künftiges Verhalten im Team und Zuverlässigkeit getroffen werden. Die Organisation eines standardisierten Luftverkehrssystems kennzeichnet, dass permanent mehrere Menschen am Boden und in der Luft zusammenwirken. Soziale Kompetenz ist daher besonders für Piloten weit mehr als ein „Soft Skill", sie ist eine handfeste Schlüsselqualifikation.
Erfolgreiche Teamarbeit wiederum setzt Abstimmung in effizienter Kommunikation voraus. In den Auswahlverfahren wird daher untersucht, ob ein Bewerber auch in Stress- und Belastungssituationen über Führungskompetenz verfügt und Teammitglieder in Entscheidungsprozesse einbinden kann – Fluggesellschaften suchen grundsätzlich potenzielle Kapitäne und Teamplayer.
Auch für die arbeitspsychologische Eignungsabklärung wurden in den vergangenen Jahren softwarebasierte Testverfahren entwickelt. Gruppenübungen, Streitgespräche und Einzelinterviews sind aber nach wie vor wichtiger Bestandteil dieses nachgelagerten Abschnitts einer Eignungsuntersuchung. Da diese Verfahren sowohl personalals auch zeitintensiv sind, werden nur solche Bewerber geladen, die den kapazitiven Teil bereits erfolgreich durchlaufen haben.
Im Rahmen der psychologischen Eignungsabklärung werden verschiedene Methodiken eingesetzt und auch kombiniert. Verhaltensorientierte Ansätze stellen auf beobachtetes oder von einem Bewerber beschriebenes Verhalten in einer gegebenen (hypothetischen oder tatsächlichen) Situation ab. Ein Klassiker sind dabei sogenannte „TMAAT-Fragen („Tell me about a time…
): Wie haben Sie Konflikte erlebt und entschärft, welche Konsequenzen aus Erfahrungen gezogen?
Im Gegensatz dazu leiten strikt biographische Ansätze aus sozialen und karrierebezogenen Informationen Prognosen über zukünftiges Verhalten und berufliche Erfolgsaussichten ab.
Wichtig: ein standardisiertes Persönlichkeitsprofil, nach dem Airlines Piloten mustern, gibt es nicht – ein extrovertierter Kandidat ist im Zweifel genauso gut geeignet wie ein introvertierter Bewerber, solange beide auf ihre Art Führungsstärke, Problemlösungskompetenz, Kommunikations- und Teamfähigkeit bewahren.
Airlines investieren viel Zeit und Geld in die Auswahl geeigneter Piloten. Die Feststellung der grundsätzlichen fliegerischen Eignung steht bei Bewerbern für eine fliegerische Ausbildung daher an erster Stelle aller Auswahlverfahren. Direkte und indirekte Kosten einer ATPL- oder MPL-Ausbildung summieren sich mit anschließende Type Rating und Line Training schnell auf Beträge zwischen 120.000 und 150.000 Euro pro Flugschüler. Auch wenn die meisten Airlines ihren Nachwuchs an diesen Kosten weiterhin beteiligen, besteht auch für sie ein hoher finanzieller Anreiz, Abbruchquoten während der Ausbildung an der Flugschule so gering wie möglich zu halten. Tatsächlich schließen von 100 Flugschülern, die zuvor an einer Eignungsuntersuchung teilgenommen haben, 97 ihre Ausbildung mit Erfolg ab. Ohne Screening liegt dieser Anteil bei lediglich 40 bis 50 Prozent. Insoweit relativieren sich die Kosten einer Eignungsuntersuchung von etwa 400 bis 1.200 Euro, die in den meisten Fällen von der Fluggesellschaft getragen werden.
Der Anteil der in allen Stufen eines Auswahlverfahrens erfolgreichen und damit für eine fliegerische Ausbildung angenommenen Bewerber variierte in den vergangenen Jahren zwischen drei und neun Prozent. Im Durchschnitt investierte eine Airline 10.000 Euro für die Auswahl eines passenden Nachwuchspiloten aus allen eingegangenen Bewerbungen.
Konzernairlines konkurrieren auf dem Arbeitsmarkt mit Billigfliegern um Piloten. Dieser Wettbewerb wird nicht nur über die Gehälter ausgetragen. Zunehmend wichtig ist die Karriereplanung – und hier lohnt eine tiefere Recherche. First Officer in der Lufthansa-Mainline können zwar mit sehr guten Einstiegsgehältern – mit Zulagen deutlich über 75.000 Euro pro Jahr – rechnen, brauchen aber Geduld. Nach Angaben der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit kann der Karrieresprung zum Kapitän im Lufthansa-Kern 17 Jahre oder länger dauern. Bei anderen Airlines – selbst innerhalb des Konzerns – ist ein Wechsel vom rechten auf den linken Cockpitsitz zum Teil bereits nach weniger als der Hälfte dieser Zeit möglich.
Eine gewisse Karrieredynamik in den ersten zehn Berufsjahren ist spätestens in der nächsten Krise von Vorteil. Die Luftfahrtbranche reagiert als erste und besonders sensibel auf wirtschaftliche Schwankungen.