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Turaabhi: Das Bäumchen, das geschnitten werden musste
Turaabhi: Das Bäumchen, das geschnitten werden musste
Turaabhi: Das Bäumchen, das geschnitten werden musste
Ebook630 pages9 hours

Turaabhi: Das Bäumchen, das geschnitten werden musste

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Das Lebensdrama eines Bön-Lamas, das sich vor 7000 Jahren in der Mongolei zutrug

Völlig überraschend und ungewollt taten sich der Autorin eine Reihe von Vorleben auf. Stück für Stück eröffneten sich ihr die Lektionen, die sie im jeweiligen Leben zu absolvieren hatte. Es wurde ihr gezeigt, wie sie durch die eigenen Gedanken und Handlungen ihre Lebenskette selbst gestaltet hat und wie sie aus allen Verstrickungen wieder zur Erlösung gelangen kann. Diese geistigen Methoden stehen auch jedem anderen offen, ohne dass er selbst seine früheren Inkarnationen noch einmal durchleben müsste.

Das hier geschilderte Lebensdrama spielte sich vor 7000 Jahren in einem mongolischen Kloster der Bön-Religion ab. Diese stand damals in ihrer Blütezeit; echte Geistigkeit durchdrang das Leben und Wirken der Mönche. Die Autorin schildert lebensnah, wie sie gleich nach ihrer Geburt ins Kloster gebracht wurde und eine strenge und zugleich liebevolle Erziehung durch erleuchtete Meister erfuhr. Die Ausbildung zum Priester und Arzt war für den jungen Lama nicht nur eine Zeit beglückender Erfahrungen, sondern auch großer Her-ausforderungen; doch die schwerste Prüfung seines gesamten Lebenszyklus' stand ihm erst noch bevor.
LanguageDeutsch
Release dateJan 15, 2018
ISBN9783796405341
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    Turaabhi - Räälja Cuntööleng

    Räälja Cuntööleng

    TURAABHI

    Das Bäumchen,

    das geschnitten werden musste

    Das Lebensdrama eines Bön-Lamas,

    das sich vor 7000 Jahren

    in der Mongolei zutrug

    HEINRICH SCHWAB VERLAG

    ARGENBÜHL-EGLOFSTAL

    Band 1 der Serie

    „Im Spiegel der Inkarnationen"

    1. Auflage 2006

    Alle Rechte vorbehalten

    © 2006 by Heinrich Schwab Verlag KG

    D-88260 Argenbühl-Eglofstal

    Tel. 0049-7566-941957

    http://www.heinrichschwabverlag.de

    Umschlaggestaltung: Annette Wagner

    E-Book-Umsetzung: Zeilenwert GmbH

    ISBN-10: 3-7964-0534-1

    ISBN-13: 978-3-7964-0534-1

    Verehrung sei Dir, oh Gott,

    dem Meister aller Meister!

    Verehrung auch den Meistern aller Welt

    sowie all jenen unbekannten und auch bekannten,

    hohen und erleuchteten Lamas der Bön-Religion –

    der erhabenen und überaus mystischen Lehre,

    die von Alters her im regen Austausch

    mit allen Hochreligionen und geheimen Zentren stand –

    jenen hohen Bön-Lamas,

    die von Anbeginn bis zum heutigen Tag

    ihre Linie aufrechterhielten.

    Ihnen allen sowie den Tülküs und Tschelas aller Zeiten

    sei in Demut dieses Buch geweiht.

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Einleitung

    Lied der Einstimmung auf das Abendgebet der Lama-Gemeinschaft

    I. Wissen von meinem Dasein vor dieser Inkarnation und wie mir dieses Wissen genommen wurde

    1. Meine Herabkunft und Geburt

    2. Die Schulung des Aq’la

    II. Etappen der Ausbildung in der Heilkunst

    1. Erste Erfahrungen mit meinem Medizinmeister Terye Lama

    2. Jahre der Ausbildung

    3. Reitlektionen bei Terye Lama

    4. Geheimnisvoller Altai

    5. Erster Katastropheneinsatz

    III. Der Weg zum Priestertum

    1. Noviziatsprüfung und Einweihung

    2. Die Ausbildung im Noviziat

    3. Auf der Suche nach der seltenen Heilpflanze – Die Rettung eines Kindes – Geheimnisse der Mandalas

    4. Die Aq’laprüfung

    5. Weitere Studien in Heilmandalas und Heilritualen – Die Auswertung der seltenen Melissenpflanze

    6. Rettungseinsatz bei großer Naturkatastrophe

    7. Das Lamaexamen

    8. Die Lamaweihe

    III. Dem Gipfel entgegen

    1. Bewältigung des restlichen mehrjährigen Medizinstudiums innerhalb eines Jahres

    2. Medizinexamen und höhere Lamaweihe

    3. Im Zenit meines Lebens

    4. Der Fall der Hohepriesterin und die Suche nach einer neuen

    5. Besuch in meiner geistigen Heimat – Letzte Einweihung und Vorahnung

    IV. Kampf auf Leben und Tod

    1. Abschied von Terye Lama

    2. Raub von Medizinvorräten durch den Fürsten

    3. Ein weiterer Todesfall

    4. Erneuter Aufschwung und fruchtbare Tätigkeit

    5. Kriegsaussichten

    6. Die Ermordung Waschdu Lamas und meine darauffolgende Geistesverwirrung

    7. Erneuter Raubversuch des Fürsten und seine Niederlage

    8. Erster Besuch beim Fürsten und Besetzung von dessen dämonischen Kräften

    9. Im Kampf mit den Dämonen

    10. Meine Aussendung zu einem Edelmann

    11. Ansturm heilsuchender Edelmänner

    12. Die Versuchung der Welt

    13. Die Verfluchung

    14. Konfrontation mit dem Schicksal der Mätresse und dritter Fluch

    15. Ein Lichtblick im Unglück – Das Leid als Erzieher

    16. Die Wandlung der Mätresse im Schmelztiegel des Leids

    17. Wahrnehmen der Verantwortung – Bewährung in fruchtbarem Wirken und Hilfeleistung

    18. Bestehen einer weiteren, durch den Hohepriester auferlegten Prüfung

    19. Prophetische Schau über die Bön-Religion

    20. Flucht der Mätresse vor Mördern und neue Anstellung an fremdem Ort

    21. Erneute Prüfung durch Verwandte – Erkennen verdrängter Wünsche und Kampfansage

    22. Versuchung durch langdauernden Verwandtenbesuch – In der Falle der Eitelkeit – Neue Entlassung und Zusammenbruch der Mätresse

    23. Kampf auf Leben und Tod – und meine Errettung

    V. Wie es zu meinem endgültigen Absturz kam

    1. Erfolg am Fürstenhof und Sturz

    2. Verlust meiner Heilkraft – Ungehorsam und meine Ausschließung vom Priestertum

    3. Die Verschwörung der jungen Lamas gegen mich

    4. Erneuter unerlaubter Adligenbesuch und meine Absetzung als Arzt

    5. Meine Erkrankung – Reue auf dem Sterbebett und Tod

    VI. Läuterung im Jenseits

    1. In den Höllenregionen – Rettung durch die Transformationsengel

    2. Tod der Mätresse

    3. Meine Bestattung – Begräbnisrede des Hohepriesters

    4. Echo bei den Lamabrüdern auf meinen Tod

    5. Die Mätressenkinder werden als Aq’las erkannt

    6. Dank- und Bittgebet der Rückschauenden

    7. Mein Reinigungsweg durch die mittlere Hölle

    8. Mein Leidensweg durch die oberste der drei Höllen

    9. Heilung durch den blauen Engel

    10. Weitere Stufen der obersten Hölle

    11. Hinauf in die Übergangssphäre – Lebensrevision und Aufgaben in der dortigen Aq’la-Schule

    12. Aufstieg in die vierte Sphäre des Übergangsreichs

    13. Eingang in die siebte Sphäre des Übergangsreichs, das Tor in die höheren Welten

    14. Der Weg jenseits der Himmel

    Einleitung

    Stelle dir vor, lieber Leser, ein Vorhang würde vor dir geöffnet und du selber stündest da, mitten auf einer früheren Lebensbühne, und erlebtest dich in einer ganz anderen, aber nicht weniger realen Welt. Und du wärst ganz sicher, dass du es bist, der dort steht!

    Denn überaus wirklich und unabwendbar ist das Rad des Geschehens, das nun vor dir abläuft. So sicher wie du dir deines jetzigen Lebens gewahr bist, weißt du, dass dies kein Traum, sondern die reine Wirklichkeit ist! Eine Realität, gebunden in Zeit und Raum, die einst war und auch jetzt noch in dir lebendig ist. „Fort mit dir!, schreit es in dir, „geh weg, auf immer, du Eindringling, und störe den Frieden meines jetzigen Lebens nicht! Vergeblich. Unaufhaltsam dreht sich das Rad mit dem Auf und Ab deines Geschicks. Unfähig sich ihm zu entziehen, beginnst du deine Wanderung. Und Leben um Leben rollt nun vor dir ab. Doch statt in geordneten Bahnen eines nach dem anderen erkunden zu können, wirst du hin- und hergeschleudert in scheinbarer Unberechenbarkeit. Rückwärts und vorwärts, vorwärts und rückwärts durch die Inkarnationen geht es ohne Ende. Und während du nach dem Warum forschst, beginnst du allmählich zu verstehen. Denn in dem scheinbaren Durcheinander erkennst du ein treffsicheres Aufeinanderprallen von Lektionen, die du im früheren, aber auch im jetzigen Leben, ja im jetzigen Moment lernen sollst. Du staunst? Es ist die Seele, die jenes Spiel so vollkommen bis ins Kleinste zusammenfügt! Und je mehr du dich zu lernen bemühst, oh Freund, desto eher findest du aus diesem endlosen Kreislauf heraus. Erst dann wirst du in der Wahrheit erwachen und erkennen, dass das, was du als Wirklichkeit zu greifen glaubtest, sich als Traumgebilde enthüllt!

    Noch aber ist die Zeit dafür nicht da, denn die Autorin ist erst auf dem Weg dahin. Und es öffnet sich ihr weiterhin die Schau früherer Leben in immer weiter reichenden Zusammenhängen. Sie erfährt, wie sich das Kleinere im Größeren und das Größere im Kleineren offenbart und sich gegenseitig durchdringt.

    Das vorliegende Lebensdrama spielt sich im frühen 5. Jahrtausend v. Chr. in einem Kloster in der Mongolei ab, als sich die Bön-Religion in ihrer Blüte befand, sich dann noch bis zum 3. Jahrtausend v. Chr. dort ausbreitete und in hohem Ansehen stand. Der Schauplatz der Ereignisse befindet sich in der heutigen nordwestlichen Mongolei, südlich des westlichen Endes der Tannu Ola Gebirgskette und etwas südöstlich vom hohen Altai. Die damalige Mongolei aber erstreckte sich sehr viel weiter bis hin zur Tunguska ins heutige mittlere Sibirien hinauf. Im Westen reichte sie mindestens bis über den hohen Altai und im Osten umfasste sie Burjatien samt dem Baikalsee.

    In dieser Zeit gab es zwischen den verschiedenen Klöstern keine Rivalitäten noch irgendeine Zwistigkeit. Vielmehr gab es nur ein einziges gegenseitiges Unterstützen, ein einziges Miteinander und Füreinander. Und das war der Grund des Aufschwungs und der Blüte dieser Religion. Das war die Bön-Religion, als es noch keine Lamakrieger gab, denn die Gewaltlosigkeit, aber auch das auf hoher geistiger Stufe stehende geistige Leben der Lamas regierten und schützten die Klöster. Die Lamas suchten nicht ihren eigenen Schutz. Vielmehr waren sie es, die die Bevölkerung schützten und ihr in vielerlei Schwierigkeiten wie Katastrophen, Unfällen und Krankheiten wirksamen Beistand leisteten. Die Lamas aßen auch niemals Fleisch, sondern ernährten sich von Pflanzen, Getreide, Milch und Butter. Wilde Heilpflanzen und Früchte des Feldes wurden nur dort geerntet, wo die Gottheit dies erlaubte und das Gleichgewicht der Natur dadurch keinen Schaden litt.

    Auch gab es weder eine Unterdrückung der Kams (Schamanen) noch eine Rivalität zwischen ihnen und den Lamas. Vielmehr unterstützten die Lamas die Kams. Umgekehrt achteten und unterstützten die Kams die Lamas. Das ging so weit, dass Lamas und Kams zusammen Rituale vollführten! Es geschah dies vor allem in Zeiten der Not. Da herrschte nur gegenseitige Freundschaft.

    Um Medikamente herzustellen, wurden keine Tiere umgebracht. Es war zudem üblich, dass die Bön-Medizinlamas und -Hohepriester nicht nur traditionelle Medizin praktizierten, sondern Forscher waren, die laufend neue Arzneien und Heilverfahren erfanden oder die im Geistesflug Heilmethoden anderer Hochkulturen erkundeten und je nach Bedarf in ihre Praktiken mit einbezogen. Jeder Arztlama hatte seine speziellen Stärken und Gebiete. Soweit die schlechten Wegverhältnisse und großen Distanzen ein Zueinanderkommen ermöglichten, waren die Priester jener Epoche auch äußerst freigebig und selbstlos im Austausch und Weitergeben solcher Entdeckungen. Die Bön-Lama-Ärzte wurden so berühmt, dass reiche Leute vom Ausland wie z.B. China, Sinkiang usw. den weiten Weg zu ihnen nicht scheuten.

    Die Bezeichnung Aq’la (= eine Abkürzung für Aqöla) soll nur damals existiert haben und stammt aus einem Alt-Mongolisch, das eine gänzlich andere Sprache war als das heutige Mongolisch und jenes der letzten Jahrtausende. Aq’la entspricht dem tibetischen Begriff „Tülkü" und meint stets eine Inkarnation eines hohen Lamas. An ganz speziellen Anzeichen und Merkmalen werden solche Tülküs schon im Kleinkindalter erkannt und zu ihrem jeweiligen Stammkloster gebracht.

    Das Tülkü-System existierte schon damals (das tat und tut es in verschiedenen Varianten auch in allen anderen Hochreligionen und Geheimlehren, ist es doch ein universelles Erfordernis wahrer Religion). Im Bön-System wurden die jungen Aq’las so früh wie möglich von einem Meister eingeschult. Man suchte sie nicht unbedingt. Vielmehr wurden sie oft gebracht oder von Lamas durch eine glückliche Fügung gefunden. Die kleinen Aq’las wurden aber nie sofort inthronisiert, selbst wenn man sie als wiedergeborene Hohepriester erkannte. Vielmehr wurden sie nur als Schüler aufgenommen und mussten sich lange bewähren, bevor sie zu den Noviziatsprüfungen zugelassen wurden, die allein schon streng waren. Sodann folgte die Lamaprüfung, die noch härter war. Ein Abt oder Hohepriester hatte die schwersten Prüfungen zu bestehen. Er musste bestimmte hohe geistige Qualitäten verwirklichen. Andernfalls wurde er nicht eingesetzt. Das einzige Privileg, das ein junger Bön-Aq’la für sich beanspruchen konnte, war, dass er einer viel strengeren Erziehung als die gewöhnlichen Klosterschüler und einfachen Novizen unterzogen wurde.

    In den vielen, ihr gezeigten Inkarnationen durch die Jahrtausende (bis zum ersten Jahrtausend v. Chr.) konnte die Autorin große zeitliche und auch örtliche Veränderungen der Bön-Religion feststellen, auch wenn deren Grundstruktur im Wesentlichen gleich blieb. Denn die Bön-Religion zeichnete sich stets durch eine überaus flexible, anpassungsfähige, weise wie auch erstaunlich tolerante Einstellung aus. Nie versuchten die Lamas in jenen ihr gezeigten Zeitaltern und Ländern, den Menschen eine andere Kultur und eine fremde Religion aufzuzwingen. Vielmehr integrierten sie die wertvollen Inhalte der Kultur jener Völker, bei denen sie sich niederließen, vermischten sie mit der Essenz ihrer eigenen Lehre und formten eine ganz andere, neue und fruchtbare Religion daraus. Jede Religions- oder Rassenverfolgung war den Bön-Lamas völlig wesensfremd, sahen sie doch den Einen Gott in allen und alle in Ihm, dem Einen.

    Der Niedergang der Bön-Religion aber, auf dem in diesem Buch verschiedentlich hingewiesen wird, betrifft nicht nur diese Lehre. Vielmehr war er epochenbedingt und erfasste alle großen Hochreligionen rund um die Welt.

    Die Verfasserin hat sich im jetzigen Leben nie mit der Bön-Religion als solche befasst. Auch hatte sie nie Kontakt mit Angehörigen der Bön-Religion. Vielmehr wuchs sie im westlichen Christentum auf und verfolgte ihren geistigen Weg in einer ganz anderen spirituellen Gruppe. So war sie gänzlich unbeeinflusst von irgendeiner derzeitigen Lehre, als ihre Inkarnationsschau begann. Die Rückschauende hat sich überdies nie für Reinkarnationstherapie oder dergleichen interessiert. Ganz im Gegenteil: Sie stand diesen Dingen sehr skeptisch und ablehnend gegenüber. Ganz ohne ihr eigenes Zutun tat sich die Schau in ihre früheren Leben auf.

    „Aus ewigen Höhen des All-Seins bist Du entsprungen,

    oh reinste, von göttlichem Odem beseelte Quelle!

    Deine Barmherzigkeit ist unerschöpflich! Strömst Du doch von Deiner Erhabenheit immerfort zu unserer Begrenztheit herab.

    Kein Hindernis vermag Deinen Weg aufzuhalten.

    Stolze Berggrate demütigst Du, furchst tief durch sie Deinen Weg.

    Über Stock und Stein sprudelnd, funkelst Du im blendenden Licht der Gottgegenwart!

    Glücklich ist, was Du berührst.

    Denn allein Du, oh klarstes Wasser, vermagst alle Erde, die Du durchflutest, zur herrlichsten Blüte zu bringen und alle Lebewesen, die sich an Dir laben, zum vollsten Gedeihen zu verhelfen.

    Nur von Dir, kostbarstes aller Wasser, will ich trinken.

    Nur Du kannst meinen Durst löschen!

    Reinige mich! Durchdringe mich! Kläre mich von meinen Schlacken, meiner Wirrnis und allem, was mich von Dir trennt!

    Erfülle mich ganz und gar mit Dir,

    auf dass ich völlig aufgehen möge in Dir, der einzigen, allheilenden Quelle!"

    Lied der Einstimmung

    auf das Abendgebet

    der Lama-Gemeinschaft

    I. Wissen von meinem Dasein vor dieser Inkarnation und wie mir dieses Wissen genommen wurde

    1. Meine Herabkunft und Geburt

    Zum letzten Mal sauge ich die heilende Strahlkraft des Lichts ein, das aus der höheren Welt herabströmt und mich umgibt. Unter mir dehnt sich in einförmigem Grau eine von Hügeln durchbrochene Hochebene aus und verliert sich im nebligen Horizont. Es ist das Bild der nordwestlichen Mongolei, das ich erblicke. Das unheimliche Dunkel, das über der Steppe lastet, scheint das ganze Geschick zu bergen, das auf mich wartet. Doch für ein Zögern ist jetzt keine Zeit mehr. Der Moment meiner Wiedergeburt ist da. Sachte löse ich mich von der Schwelle des Jenseits und gleite in die Erdatmosphäre hinab.

    In Begleitung eines großen, herrlich anzusehenden Engelwesens sehe ich mich vor dem breiten Bett meiner zukünftigen jungen Mutter wieder. Mutter betet. Sie ist sehr fromm. Nun muss ich in diesem vornehmen Adelspalast meine Bleibe nehmen. Dies fällt mir ungeheuer schwer. Es folgt die Stunde, da meine Seele in den Schoß meiner Mutter eingeht, während ich in intensives Gebet zum Allerhöchsten vertieft bin. In diesem Zustand verharre ich im Bauch meiner Mutter. Da mir mein Wissen um meine Zukunft geblieben ist und alles Erlernte aufrechterhalten wurde, wende ich meine angesammelten Kräfte an, um konstant auf das absolute Göttliche ausgerichtet zu bleiben. Unentwegt bete ich alle Mantras und heiligen Texte, die ich je erlernte, denn ich will mein Dauergebet dazu benutzen, um die gesamte Fürstenumgebung so weit wie möglich umzuwandeln und mit Licht zu erfüllen. Während der ganzen Schwangerschaft bin ich ausschließlich in diese Aufgabe vertieft.

    Dies hat eine nachhaltige Wirkung auf meine junge Mutter. Eine Veränderung geht in ihr vor. Zwar hat sie schon drei Kindern das Leben geschenkt und ich werde das vierte sein. Aber eine Schwangerschaft wie diese hat sie noch nie erlebt. Laufend kommt sie in höhere Zustände und ist dann für weltliche Belange nicht ansprechbar. Sie erhält auch Eingebungen, dass mit mir kein übliches, sondern ein mit außerordentlichen geistigen Gaben ausgestattetes Kind auf die Welt kommen wird. Es folgt eine Szene, worin ich sie vor einem hohen Gottesbild stehen und ins Gebet versunken sehe. Meine Mutter betet während der Schwangerschaft viel und scheut die Gesellschaft von Menschen. Da sie aber eine Adlige ist, wird ihr Verhalten von ihrer Umgebung mit Befremden zur Kenntnis genommen. Ihr Ehemann hat nichts für Religion übrig. Er steht mit beiden Füßen fest auf der Erde. Deshalb kann er ihr Verhalten nicht verstehen und gerät immer mehr in Sorge wegen Mutters Zuständen. Schließlich fragt er sich allen Ernstes, ob diese auf ihre Schwangerschaft zurückzuführen seien oder ob es sich um eine beginnende Geistesgestörtheit handle.

    Während dieser ganzen Entwicklung bete ich unentwegt zu meinem geliebten höchsten Herrn, uns die nötige Führung zu erteilen. Vater hat immer mehr Zweifel an den Erzählungen meiner Mutter über meine zukünftige Bestimmung und ist von großer Unruhe erfüllt. Eines Tages äußert nun Mutter den Wunsch, mit Vater zusammen das nächste Lamakloster aufzusuchen und einen kompetenten Priester nach seiner Meinung über das zukünftige Kind zu fragen. Vater ist sofort damit einverstanden und es werden Vorbereitungen für die Reise getroffen.

    Am nächstmöglichen Tag reiten beide zu Pferd in Richtung eines großen Klosters. Dort wird Vater von einem einfachen Lama empfangen, der das Ehepaar ins Gästehaus führt. Vater spricht nun sein Anliegen aus. Dies tut er mit sehr beunruhigten Seitenblicken auf seine Frau und gibt dem Lama dadurch indirekt zu verstehen, dass er am Verstand seiner Gemahlin ernste Zweifel hegt. Meine Mutter ihrerseits äußert den Wunsch, die Meinung eines erleuchteten Lamas zu hören, denn, so meint sie, dieses Kloster sei berühmt dafür, solche Lamas zu haben. Der Priester verspricht, einen von ihnen zu suchen.

    Nach einer Weile werden meine zukünftigen Eltern in ein anderes Gebäude geführt. Es ist das Spital neben dem Kloster. Da erscheint eine strahlende schlanke Gestalt vor ihnen. Es ist Terye Lama. Er ist erst 29 Jahre alt und hat bereits einen höheren Erleuchtungsgrad. Seine Augen strahlen wie Sterne. Er ist von fast überirdischer Schönheit. Mein Vater bringt nun sein Anliegen vor. Er erzählt, was Mutter während der Schwangerschaft alles an übernatürlichen Erlebnissen erfahren haben will. Sein Gesichtsausdruck zeigt Unruhe und Besorgnis. Er liebt seine Frau sehr. Sie ist von außerordentlicher Schönheit und großer Tugendhaftigkeit. Meine Mutter schweigt bescheiden.

    Terye Lama zeichnet wie selbstverständlich mit einem Stock etwas auf den Boden und murmelt dazu unverständliche Worte. Dies dauert kaum eine Minute. Dann blickt er auf und sagt erst zu meinem Vater: „Sorge dich nicht! Deine Frau ist wohlauf und vollkommen gesund, sowohl am Geist als auch am Körper! Dann fährt er fort, zu beiden gewandt: „Euer Sohn wird im Monat des Affen geboren werden. Ein hoher Lama erblickt mit ihm das Licht der Welt. Sein Aufstieg wird hoch sein, sein Ruhm groß. Da aber sein Sinn völlig auf die höchste Gottheit ausgerichtet ist, hat er die feste Absicht, raschmöglichst seinen geistigen Bestimmungsort zu erreichen. Deshalb muss das Kind gleich nach der Geburt hierher in dieses Kloster gebracht werden. Beachtet ihr diesen Rat nicht, dann wird das Kind nach seiner Geburt unweigerlich sterben. Denn es ist mit einer bestimmten Mission auf die Erde entsandt worden, die es nur erfüllen kann, wenn es von Anfang an in das ihm bestimmte geistige Umfeld kommt.

    Erstaunt hört Vater der Rede Terye Lamas zu. Darauf führt dieser ein Schutzritual an meiner Mutter durch. Er hält seine Hand über ihren Kopf und spricht intensive Gebete. Danach übergibt er ihr eine Talisman-Kette, die sie um ihren Hals tragen soll. Schließlich segnet er sie liebevoll. Terye Lama gibt mir außerdem im Mutterleib einige neue Meditationsübungen auf, die sowohl mein geistiges als auch mein körperliches Wachstum während der Schwangerschaft fördern und mich für mein zukünftiges Klosterleben vorbereiten sollen. Dankbar nehme ich die Übungen auf und wende sie an. Sie sind sehr wohltuend und stärkend für mich und helfen indirekt auch meiner Mutter.

    Kaum bin ich geboren, werde ich sorgfältig mit vielen Decken in ein vornehmes Bettchen gehüllt und ins Kloster gebracht.

    Dort werde ich von Priestern über die Schwelle getragen. Dabei beobachten die Seherlamas aufmerksam die Zeichen und Begebenheiten während dieses Übertritts. Davon können sie auf das Genaueste Schlüsse auf meine Zukunft ziehen.

    Auch die Meister, die mich erstmals sehen, können an speziellen Körpermerkmalen dasselbe erkennen. Bereits zu Beginn wird alles daran gesetzt, um mir die sorgfältigste Betreuung und Erziehung zu gewährleisten, die mir schon in jungen Jahren möglichst viel gutes Karma einbringen sollen. Bei meiner ersten Berührung mit der Klosteratmosphäre atme ich befreit auf. Doch gleichzeitig erfasst mich der große Ernst der Situation. Denn als Neugeborenes ist mein gesamtes Wissen um meine Vergangenheit und die bevorstehende Lebensprobe erhalten geblieben.

    2. Die Schulung des Aq’la

    Mit zirka anderthalb Jahren kann ich bereits kurze Strecken gehen. Ich sehe mich auf der Wiese draußen in der Nähe von Schesei-Lama, meinem ersten Meister in diesem Leben. Er beobachtet mich sehr aufmerksam. Ich bin sehr glücklich in der Nähe meines Meisters. Doch immer wieder erinnere ich mich an das Schwere, das mir bevorsteht. Dann versetze ich mich mit äußerster Kraft ins Gebet. Viele Gebetshaltungen und Mudras sowie vielfältige Anrufungen an Gott übe ich mit größter Ernsthaftigkeit schon in diesem Alter aus. Dies nicht etwa, weil sie mir beigebracht worden wären, sondern aufgrund meiner intakten Rückerinnerung an vergangene Leben. Manchmal nimmt mich dann Meister Schesei an der Hand und versucht meine Aufmerksamkeit auf die Blumen, Schmetterlinge und die Schönheiten der Natur zu lenken. Da freue ich mich jeweils sehr und reagiere überaus lebhaft darauf. Doch bald versenke ich mich wiederum ins Gebet und werde unansprechbar für die Umgebung.

    So wachse ich langsam heran und werde drei Jahre alt. Bis jetzt haben sich die Meister abwartend verhalten. Sie beobachten an mir immer häufiger Lama-Gewohnheiten, Disziplinen und Gebetsformen, die mir noch nie in diesem Leben beigebracht wurden. Meister Schesei versucht, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Spiel und Disziplin aufrechtzuerhalten, denn inzwischen bin ich nach und nach an die Klosterdisziplin gewöhnt worden. Auch hat die Schulung in bestimmten Fächern begonnen.

    Eines Tages sieht mich Meister Schesei wiederum im Gras. Mit tiefster Ehrfurcht nehme ich dort ein paar Gräser und lege sie in meine zusammengefalteten Hände. Dann hebe ich sie mit den Gräsern über meine Stirn und verneige mich, indem ich mit großem Ernst Mantras wiederhole. Dabei leiste ich ständig Fürbitte für andere Menschen und versuche ganz bewusst mit größtem Eifer so viel wie möglich Gutes zu tun. Meister Schesei betrachtet diese Entwicklung mit zunehmender Sorge. Als ich von meinem Gebet aufblicke, sehe ich das Klostergebäude und die Mauern vor mir und spontan bete ich mit Inbrunst zu Gott: Gerade will ich aufspringen und zur Mauer eilen, da mahnt mich mein Schutzengel streng: „Halt, Taarilonn! Begehe nicht eine solche Torheit! Nur auf Gott sollst du deine Aufmerksamkeit richten. Nur Ihn sollst du dir in deiner Erinnerung tief einprägen, nicht flüchtige Orte in irdischer Form!" Sofort halte ich ein und fühle genau, dass der Engel Recht hat.

    Doch dem erleuchteten Meister Schesei, der alle meine Gedanken lesen kann, wird das nun zuviel. Mit energischem Schritt kommt er herbei und nimmt mich bei der Hand. Ich spüre deutlich, dass jetzt etwas sehr Entscheidendes geschehen wird, und mir wird recht bang zumute. Er betritt mit mir die Medizinabteilung und spricht dort mit Terye Lama, dem Arzt des Klosters: „Die Erinnerung hält ihn mehr und mehr gefangen!, sagt Meister Schesei zu Terye Lama. „Ständig denkt er nur daran, was er tun kann, um sich auf sein künftiges Schicksal vorzubereiten. So geht das nicht weiter. Es muss jetzt etwas getan werden, um dem einen Riegel vorzuschieben. Sonst kann er sich als Kind gar nicht normal entwickeln! Und er bespricht mit Terye Lama Dinge, die ich nicht verstehe, vor denen ich aber umso mehr Angst habe. Ich weiß nur ganz gewiss, dass mir eine einschneidende Veränderung bevorsteht. Dann lässt mich Meister Schesei allein mit Terye Lama in der Medizinabteilung zurück. „Komm, Taarilonn!, sagt dieser junge erleuchtete Meister freundlich, doch bestimmt zu mir, „sieh dir hier deinen künftigen Wirkungsbereich an! Und er führt mich durch den glasbedeckten äußeren Gang seiner Abteilung hindurch. Dann hält er an einer bestimmten Stelle an und deutet mir, mich zu setzen. „Und jetzt, Taarilonn, lass sowohl Zukunft wie Vergangenheit hinter dir und achte wohl darauf, was ich dir jetzt sage: Lebe nur noch in der Gegenwart! Dies allein ist jetzt von Wichtigkeit für dich. Vergiss ganz, was einst sein wird und was war!" Dabei fährt mir der Lama mit der Hand über meine Stirn und von da an sind sämtliche Erinnerungen an das Jenseits und an meine Vorbereitungen für die Zukunft aus meinem Gedächtnis gelöscht.

    Wieder zurück bei Meister Schesei fühle ich traurig, dass mir etwas Kostbares verloren ging. Doch weiß ich nicht, was es ist. Auch die unmittelbare Verbindung mit Gott und das Wissen aus früheren Leben gingen mir verloren und ich bin von da an ständig am Suchen, was es wohl sein könnte. Meister Schesei ermuntert mich jetzt vermehrt zum Spiel, nebst dem Unterricht, und erst jetzt fange ich an richtig zu spielen. Doch kann ich mich nicht wirklich daran erfreuen, da mir der direkte Zugang zu Gott fehlt, was mir natürlich nicht bewusst ist. Doch ich fühle es umso mehr. Eines Tages fange ich an, beim Spiel Fragen zu stellen. Mich faszinieren vor allem die Vögel, und als ich sie hochfliegen sehe, frage ich meinen jungen Lamalehrer, der mit mir im Garten ist: „Wohin fliegt dieser Vogel, Lama? „Er fliegt zu seinem Nest, ist seine Antwort. „Und wohin fliegt er dann weiter?, will ich wissen. „Er fliegt weit in den Himmel hinauf, erwidert mein Lehrer. „Und wie weit fliegt er da hinauf?, ist meine nächste Frage. „Eine weite Strecke, mein Kind. Aber die Antworten des Lama befriedigen mich nicht. „Und wo hört der Himmel auf?, frage ich weiter. „Kann der Vogel auch über den Himmel hinausfliegen?, möchte ich wissen. „Was gibt es jenseits dieses Himmels, Lama?" Meine Sucherei geht jetzt über das Fragen weiter und betrifft nur die Suche nach Gott. Da mich das Fliegen der Vögel ungemein fasziniert und immer neue Fragen in mir wachruft, entwickelt der junge Lama ein Vogelspiel, das wir jeweils zusammen spielen und das mir große Freude bereitet.

    Die sonstigen Schulfächer bereiten mir keine große Mühe. Eigentlich ist das Lernen für mich mehr ein Erinnern und plötzlich, wenn mir ein ritueller Gegenstand oder ein Schriftsatz gezeigt wird, pflege ich mich jeweils an das Erlernte aus früheren Lamaleben zu erinnern, wobei ich sehr schnell vorwärts komme. Doch immer bleibt in mir diese innere Leere, der Verlust von etwas, das ich unbedingt wiederfinden muss.

    So werde ich fünf Jahre alt. In einem weißen langen Überkleid, gebunden über der Brust, und mit dem Hut eines Klosterschülers treffe ich mich wieder. In Begleitung eines Lamas begebe ich mich in eine weite Halle zu einer großen Mönchsversammlung. Es haben sich dort ungefähr 300 Lamas eingefunden. Ich setze mich auf das Podest unter die hohen Lamas, da ich ein Aq’la bin.

    Ich sitze im Meditationssitz während des Gottesdienstes. Alle Mönche beten. Die hohen Lamas gehen in gebeugter Haltung nahe an mir vorbei mit seltsamen Hüten, die ich interessiert betrachte. Eine wunderbare, intensive, gehobene Atmosphäre und ein Licht ist im Raum, das durch die gemeinsame Meditation erzeugt wird. Als Fünfjähriger sauge ich diese Atmosphäre mit allen Poren ein. Da schreckt mich ein strenger Aufseherlama auf. Er kommt zu mir mit einer Peitsche in der Hand. „Was schaust du herum?, schilt er mich scharf. „Komm mit! Ich muss aufstehen, mich verbeugen und mitgehen. Er führt mich durch einen dunklen Gang in einen Raum mit einer Holzpritsche. Dort sieht er mich liebevoll an und erklärt mir mit einer Mischung von Liebe und Strenge genau, warum er mich jetzt bestrafen muss: „Du bist belehrt worden, den Blick nach innen zu richten, Aq’la! Mit Aq’la werde ich immer dann angeredet, wenn ich an meine Pflichten als ein angehender hoher Lama erinnert werde. Sonst nennt man mich bei meinem Namen. Mit dieser Anrede will der Aufseher andeuten, dass ich mir als hoher Lama ein solches Benehmen nicht leisten darf, schon gar nicht in aller Öffentlichkeit, denn ein hoher Lama hat immer ein beispielhaftes Benehmen unter Beweis zu stellen. „Du hast aber deinen Blick nicht nur nach außen gerichtet, sondern sehr unziemlich und dreist über alle hohen Lamas streifen lassen. Dabei sollst du nicht einmal deine Augen erheben, wie du wohl weißt. Deshalb, oh Aq’la, muss ich dich bestrafen. Die Erziehung, den Blick auf einen Punkt zu richten und nicht umherschweifen zu lassen, förderte auf einer ersten Stufe die Konzentration, auf einer zweiten Stufe das Zurückziehen der Sinne nach innen und auf einer dritten Stufe mit längerer Übung gewöhnte sich der Schüler daran, die Dinge mit dem „inneren Blick wahrzunehmen. Genauer gesagt heißt dies: Da er gewohnt war, den Blick immer nach innen zu richten bzw. auf sein drittes Auge, nahm er mit der Zeit auch die äußere Welt mit seinem inneren Auge wahr. Deshalb sprach Christus von einem „einfältigen Auge (Matth. 6,22 und Luk. 11,34). Während der Hiebe gebe ich keinen Laut von mir, denn ich bin gelehrt worden, Schmerzen auszuhalten, ohne wehleidig zu klagen. Der Lama schlägt mich ohne jede Aggression. Er ist vielmehr voller Wohlwollen und Liebe für mich, wie ich genau spüre. Nach der Strafe werfe ich mich demütig vor ihm nieder und bitte ihn um Verzeihung, wie es meine Pflicht ist. Meine Demut und Reue sind aber echt. Denn ich weiß für mein junges Alter sehr wohl, was es heißt, den Blick nach innen zu richten, da ich bereits länger darin geschult bin. Der Lama lächelt mich gütig an und sagt: „Lass deinen wachsamen Geist künftig selbst die Peitsche sein, oh Aq’la! Dann muss ich nicht mehr die äußere Peitsche gegen dich anwenden." Und ich gehe in seiner Begleitung beschämt in die große Mönchsversammlung zurück. Jedermann weiß nun, dass ich bestraft worden bin. Denn wenn ein Aq’la für seine Vergehen nicht bestraft wird, was soll dann aus den übrigen Klosterschülern und Novizen werden? Mit gesenktem Kopf setze ich mich an meinen Platz und fange an zu meditieren.

    Nach dem Gottesdienst habe ich Unterricht bei Tutschen Lama im Ritualgottesdienst. Er ist ein junger, hagerer Lama mit sympathischem Aussehen. Wir sitzen in einem großen Holzraum einander mit gekreuzten Beinen gegenüber. „Oh Lama, können wir nicht hinausgehen und das Vogelspiel machen?, flehe ich ihn inständig an. Aber Tutschen Lama lacht und sagt: „Ja, Aq’la, aber vorerst lass uns noch ein anderes Spiel zu Ende führen. Dann machen wir das Vogelspiel. Darauf zeigt er mir einen Ritualgegenstand nach dem anderen und ich muss zu jedem den Namen sagen. Bei jedem Gegenstand hält der Lama ein und lässt ihn mich betrachten. Beim Anblick des Gegenstands entsteht vor meinen Augen ein wunderbares großes Meditationsbild. Denn diese Gegenstände wecken in mir tiefe Inspiration. Der Lama kann dank seiner yogischen Kräfte genau wahrnehmen, wann das Meditationsbild bei mir wieder verebbt, und nimmt sodann einen neuen Gegenstand hervor, der wiederum neue Bilder vor meinem Auge erstehen lässt.

    Ich liebe diese Art Spiel sehr und kann gar nicht genug davon bekommen. Aber schließlich hat der Lama alle Objekte gezeigt und sagt: „So, Aq’la, jetzt sind wir fertig. Nun können wir das Vogelspiel machen! „Oh nein, Lama, das Spiel, das wir jetzt gerade machten, ist viel, viel schöner als das Vogelspiel! Kannst du nicht fortfahren damit?, bitte ich ihn. Denn über diesen tief inspirierenden Meditationsbildern hat das Vogelspiel seinen Reiz für mich verloren. So nimmt Tutschen Lama noch andere Dinge hervor und wir machen weiter. Aber mittendrin hat mich plötzlich eine übermächtige Sehnsucht gepackt und ich werfe mich ganz spontan vor Tutschen Lama nieder und rufe flehentlich: „Oh Lama, ich will nur die Erleuchtung und nichts als die Erleuchtung! Oh Lama, ich will nur das und nichts als das!" So klage ich in grenzenloser Sehnsucht.

    Vor mir sehe ich Meister Schesei, meinen Führer. Er ist ein wahrhaft großer, d.h. in sehr hohem Grad erleuchteter Lama. Er trägt einen eigenartigen, in der Mitte nach vorn gefiederten Hut. Er hat blaue Augen und ein breites, sehr weißhäutiges Gesicht mit etwas gebogener Nase ohne mongolische Züge. Sein Unterricht ist stets unvorhersehbar und spontan. Man weiß bei ihm nie, was als Nächstes kommt.

    Wieder ist mein Herz von einer übermächtigen Sehnsucht nach Gott erfasst. Ich spreche mit ihm darüber. Er lächelt nachdenklich, mit seltsamem Ernst. Dann spricht er in seiner gütigen und geduldigen Art mit mir. Schließlich verlässt er mit mir die Klostermauern. Wir gehen beide den Weg entlang und kommen an den Rand eines Abhangs. Dort setzen wir uns nieder. Von hier aus haben wir eine schöne Sicht über das Land. „Oh Meister, seufze ich erneut in großer Sehnsucht, „mich verlangt so sehr nach Gott, oh Lama, nur das möchte ich allein, nur das!, klage ich mit Tränen in den Augen und mein kleines Herz schmerzt mich, so sehr hat mich diese Sehnsucht gepackt. „Taarilonn, oh Kind vornehmer Herkunft!, lächelt mein Meister gütig und bei diesem Lächeln ist es, als würde die Sonne über sein Gesicht huschen, „die Erleuchtung ist keine schnelle Sache! Und er gibt mir einen langen und ausführlichen Vortrag über alle Vorbedingungen, die erfüllt werden müssen, damit der Aufstieg überhaupt möglich wird. Danach zeigt er auf seinen Körper und sagt zusammenfassend: „Vollkommene Beherrschung des Körpers und des Gemüts ist Voraussetzung für dieses Unterfangen. Sei Meister deiner selbst. Dann erst ist der Weg zur Erleuchtung frei. „Oh Lama, zeige mir, wie ich all diese Vorbedingungen erfüllen kann! Nichts ist mir zu hart, um das Ziel zu erreichen!, rufe ich von glühendem Eifer erfüllt, denn die Sehnsucht verzehrt mich fast. „Taarilonn, Taarilonn!", sagt Meister Schesei mit mahnendem Lächeln. „Noch viele Bäume werden hier wachsen und wieder vergehen. Ebenso werden auch viele Leben kommen und gehen, bis du gereift sein wirst, die Erleuchtung zu empfangen! Die erhabene Bön-Religion mit ihren verschiedenen Zweigen und hohen Yogas wird einen langen und schlimmen Niedergang erleben und bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden, bevor du so weit bist, und erst nach ihrer Auferstehung, oh Kind, kann dein Aufstieg beginnen."

    Als Fünfjähriger habe ich noch keinen Begriff für Zeitabläufe und die prophetischen Worte meines Meisters erscheinen mir wie ein Rätsel. Dann fügt Schesei Lama hinzu: „Doch ich werde dich immer begleiten, Taarilonn, durch alle diese Zeiten hindurch. Ob du mich siehst oder nicht, ich werde immer bei dir sein."

    Nach einer Weile der Unterweisung erhebt sich mein Lehrer. Wir machen nun einen Spaziergang über Land. Am Kamm eines Hügels hält er an und zeigt auf das Feld hinunter. „Siehst du dort, Aq’la, sagt Meister Schesei freudig. „Da ist das Göttliche und ruft uns. Lass uns unverzüglich dorthin eilen! Von weitem sehe ich ein schwarzbraunes Ackerpferd und einen Mann am Boden liegen. Als wir die beiden erreicht haben, stellt sich heraus, dass der Bauer vom Pferd gestürzt ist und sich dabei das Bein gebrochen hat. Er ist unfähig, sich zu erheben. „Siehst du, mein Kind? Wo immer ein Kranker oder Verunglückter uns begegnet, da ist es Gott, der uns in ihm entgegenkommt. Und diesem Gott lass uns dienen! Unverzüglich kniet sich Meister Schesei zum Bauern hin. Er untersucht sein Bein. Dann nimmt er sein eigenes schönstes Tuch und verbindet damit das Knie des Verletzten, indem er ihm Trost zuspricht. Darauf sagt er zu mir abermals: „Wo immer uns ein solcher Kranker, Verletzter oder Hilfebedürftiger begegnet, oh Taarilonn, begegnet uns Gott. Mit jeder kleinen Hilfe, die wir ihm leisten, wartet eine kleine Erleuchtung auf uns und zahllose solche kleinen Erleuchtungen führen uns schließlich zur großen Erleuchtung! Nun hebt der Meister den Bauern hoch und hebt ihn auf seinen Rücken. Ich, der erstaunte Schüler, begleite den Lama mit seiner Bürde bis zum Bauernhof, indem ich das Pferd am Zaum nehme. Dort empfängt uns eine überraschte Bäuerin, die beide Hände über dem Kopf zusammenschlägt und sich tief vor Meister Schesei verneigt, denn er ist nicht nur als Lama, sondern als erleuchteter Meister in der Umgebung bekannt. Die Frau will sofort ein aufwendiges Mahl für uns kochen. Der Meister wehrt ab und sagt, ein Tee genüge uns, wir müssten gleich wieder weitergehen. So bewirtet uns die Frau mit Tee. Meister Schesei gibt noch Anweisungen zur Pflege des Bauern und sagt der Frau: „Hast du einen Arbeitsersatz für deinen Mann auf dem Feld? Oder sollen wir dir jemanden besorgen? Denn dein Mann sollte sein Bein für längere Zeit stillhalten." Da spricht der Bauer und sagt, er habe einen Sohn, der ihn vertreten könne. Meister Schesei gibt noch einige Ratschläge und verabschiedet sich dann von den dankbaren und glücklichen Bauersleuten.

    Beim Weggehen sagt er zu mir: „Sei immer hilfsbereit, aber bleibe nie lange an einem Ort. Nimm keine Geschenke für deine Hilfeleistung an, denn du hast sie Gott dargebracht. Wasche dich nach dem Besuch am nächsten Bach und sprich deine Gebete, indem du dich wieder mit dem Göttlichen in dir verbindest."

    Ich steige mit Meister Schesei den Berg hoch zum Kloster zurück. Prustend eile ich dahin. In seiner gewohnt gütig-humorvollen Art neckt er mich und meint, ein Yogi würde niemals so viel prusten, sondern tief und rhythmisch durchatmen. Dann kommen wir auf dem Klosterareal an. Dort erfasst mich von Neuem die schmerzhafte Sehnsucht, so dass mein Herz physisch schmerzt. „Oh Meister, flehe ich ihn an: „Kannst du mir bitte Gott zeigen? Meister Schesei streicht liebevoll über meinen Kopf und führt mich zum Garten. Dort zeigt er mir die Vögel, Blumen und Pflanzen und sagt: „Überall darin ist Gott, Taarilonn. Es gibt keinen Ort, wo Gott nicht ist!" Ich seufze.

    Hernach geht Meister Schesei mit mir durch den Klosterweg. Beim Gartenportal nahe des Gebäudes treffen wir den Medizinlama Terye. Er ist groß und schlank und von typisch mongolischem Aussehen und dunklem Typus mit tief blickenden schwarzen Augen. In seiner ganzen äußeren Erscheinung ist er das genaue Gegenstück zu Meister Schesei, der klein und breitschultrig ist und den ich aufgrund seiner hellen Erscheinung schon damals gern „Meister Sonne" genannt hätte. Meister Schesei sagt zu ihm: „Sieh, Bruder Terye, hier unseren Taarilonn! Durch anhaltendes Meditieren wurde bei ihm bereits Hoobött,* die verzehrende Sehnsucht nach Gott, geweckt und ist kaum noch zu stillen. Da er noch sehr jungen Alters ist, muss Hoobött in die richtigen Kanäle geleitet werden, andernfalls richtet es bei ihm Schaden an, weil es seine ganzen Vitalkräfte und damit seine Gesundheit aufzehren würde! Mitfühlende Hilfe an Leidenden kann dieses Feuer kühlen und richtig verteilen. Deshalb, lieber Bruder, wäre es für ihn am besten, er käme unter deine Obhut und in deinen Unterricht! Ich verneige mich vor Terye Lama. Er segnet mich mit einem gütigen Lächeln. „Nun geh mit Meister Terye Lama und tu, wie er dir sagt! Und ich gehe mit dem Medizinlama in seine Räume. Dort muss ich mein weißes Kleid ausziehen und mich auf einen Tisch stellen. Er sagt, er müsse mich untersuchen. , denke ich, Nun sucht der Lama mit einem durchdringenden und äußerst konzentrierten Blick meinen ganzen Körper ab. Sein Blick ist sehr ernst und in sich gekehrt. Als er damit fertig ist, lächelt er mir liebevoll zu und lässt mich wieder mein Kleid anziehen. Dann sagt er zu mir: „Geh zu Meister Schesei, Taarilonn, und sage ihm, dass du die Aufnahmeprüfung für den Medizinunterricht bestanden hast! Ich starre den Arztlama entgeistert an, denn ich habe ja gar nichts getan für diese Prüfung. Da lacht er und sagt: „Nun geh schon! Der Unterricht fängt morgen nach dem Morgengottesdienst an! Dann fügt er streng hinzu: „Sei pünktlich hier nach dem Gottesdienst, oh Aq’la! Ich weiß, was das heißt. Ich verneige mich erstaunt, eile zu Meister Schesei und werfe mich zu seinen Füßen. „Oh Meister Schesei!, rufe ich aufgeregt, „der Medizinlama sagt, ich hätte das Aufnahmeexamen für den Medizinunterricht bestanden, obwohl ich ja gar nichts getan habe. Und ich bin doch erst fünf Jahre alt! „Warum so aufgeregt, Taarilonn?, lächelt Meister Schesei. „Danke Gott für diese große Gnade! Durch jene Tätigkeit wirst du vielen Menschen helfen können und damit Gott in ihnen dienen, sofern deine Hilfe selbstlos geschieht! Nun geh, oh Aq’la, und tu, was dir gesagt wird! „Oh Meister, bitte gib mir deinen Segen. Denn aus eigener Kraft schaffe ich es nicht! Da segnet mich der Meister und entlässt mich. Normalerweise wurden in jener Epoche Schüler nicht unter acht Jahren zum Medizinunterricht zugelassen. In meinem Fall wurde eine Ausnahme gemacht, weil der Dienst an Kranken für mich die beste Medizin war, den Hoobött zu neutralisieren, und weil ich ein natürliches Talent für diesen Beruf besaß.

    Ich erhebe mich und verlasse den Meister. Hinter der Mauer an einem stillen Ort halte ich ein, schließe die Augen, lege die rechte Hand auf mein leidendes Herz und seufze innerlich zu Gott: „Oh Yeesche, lass mich nicht länger leiden! Komm und zeige dich!" Darauf gehe ich.


    * Hoobött war ein ganz bestimmter Begriff der mystischen Bön-Schriften und hieß: „unstillbarer Durst" und bedeutete eine alles verzehrende Sehnsucht nach Gott, bei der man – zumindest zeitweilig – alle Interessen und Wünsche für andere Dinge verlor.

    II. Etappen der Ausbildung in der Heilkunst

    1. Erste Erfahrungen mit meinem Medizinmeister Terye Lama

    Ich sehe mich zusammen mit Terye Lama, dem erleuchteten Medizinlama, beim Unterricht. Meister Terye steht auf einem Hocker, holt viereckige kleine Kräuterkisten aus dem Schrank und reicht sie mir weiter. Über meinem Mönchsgewand trage ich eine Schürze, wie Diener bzw. Laienmönche sie tragen, da ich in Meister Teryes Dienst vor allem schmutzige und untergeordnete Arbeiten mache. „Ein Arzt muss in allererster Linie Diener sein!, sagt Terye Lama. „Daher musst du imstande sein, all jene Arbeiten perfekt auszuführen, die ein Diener täglich ausübt. Es ist leicht, schmutzige Arbeiten Dienern zu überlassen. Besser ist es, oh Aq’la, durch Erfahrung zu wissen, was den Dienern zugemutet wird. Nur so wirst du fähig sein, einem Diener Arbeit zuzuweisen. Ich bin gerade fertig mit Putzen und Schrubben. Täglich muss ich die Medizinräume blitzblank halten. Beim geringsten Unterlassungsfehler werde ich von Meister Terye scharf gerügt. Ich stelle die Kräuterkisten schön nebeneinander. Dann heißt mich der Meister, von jeder Kiste Kräuter in einen Teller zu schöpfen. Das tue ich. „So, und jetzt mische die Kräuter durcheinander!, befiehlt Terye Lama. Ich nehme den Löffel und zerdrücke die Kräuter. „Mischen habe ich gesagt, nicht zerstampfen!, donnert mich Terye Lama an. „Wo hast du deine Ohren? Nimm das Zerdrückte sofort heraus, das können wir nicht mehr gebrauchen. Du hast nun wertvolles Kräutermaterial zerstört, Aq’la!, tadelt mich der Meister scharf. Ich verbeuge mich mit gefalteten Händen vor ihm und bitte ihn um Verzeihung. Sehr oft muss ich das am Tage tun, denn Terye Lama rügt mich oft und streng. An der Wand hat er eine Peitsche hängen und er machte bereits mehrfach deutliche Anspielungen, dass er bei ernsthaften Vergehen meinerseits nicht zögern werde, davon Gebrauch zu machen. Sein Unterricht muss im wahrsten Sinn des Wortes als drastisch bezeichnet werden. Wenn ich mit ihm die Medizinräume verlasse und mit ihm irgendwohin gehe, bin ich gehalten, hinter ihm herzugehen. Meist sieht man mich kleinlaut mit gesenktem Kopf hinter ihm hertrippeln. „Sei achtsam, Aq’la!, mahnt Terye Lama mich. „So mancher Aq’la, der es an Achtsamkeit fehlen lässt, fällt vom geistigen Pfad! Nachdem ich alles aufgeputzt und in Ordnung gebracht habe, sagt Terye Lama: „Jetzt lass uns jemandem mit der Medizin helfen. Die medizinische Wissenschaft ist nur dazu da, um leidenden Menschen zu dienen. Lass uns daher Diener sein, Aq’la, merke dir das gut! Meister Terye nimmt einen Sack, den er mit verschiedenen Arzneien und Geräten füllt, und gibt ihn mir zum Tragen. Er selbst nimmt ein schweres großes Fass. So ziehen wir vor die Klostermauern. Wie üblich tripple ich hinter ihm her. Vor der Pforte lädt Meister Terye das schwere Fass auf einen Maulesel. Ich mache Anstalten, auch meinen Sack auf das Lasttier zu heben. „Halt!, schimpft Terye Lama. „Gewöhne dich daran, solch leichte Lasten selbst zu tragen, Aq’la, und sie nicht anderen aufzubürden! Schweren Herzens lade ich den Sack wieder auf meinen Rücken. Zu Fuß, den Maulesel am Zaum, gehen wir zum Krankenbesuch. Oft wird mir schwer ums Herz, wenn Terye Lama mich anhaltend schimpft. Wenn ich ihn dann traurig ansehe, fragt er mich scharf, indem er mir in die Augen sieht: „Wonach dürstest du, Aq’la? Nach Lob und Anerkennung oder nach Gott? Diese Worte wirken jedesmal Wunder bei mir. Alles entspannt sich in mir und ich bin plötzlich wieder getröstet. „Nur Gott, oh Lama, nur Gott!, flüstere ich dann in tiefer Ergriffenheit. Eben deshalb, weil ich mich im Zustand des Hoobött befinde, kann Meister Terye trotz meines jungen Alters eine derartige Strenge mir gegenüber anwenden. Wenn immer ein Schüler sich im Hoobött-Zustand befindet, ruft dies automatisch einen Läuterungsprozess auf den Plan. Wenn nicht der Meister selbst diese Reinigung durchführt, wie hier Meister Terye, dann kommen ganz von selbst Umstände, die eine solche Läuterung bewirken.

    Nach fast einer halben Stunde Wanderung auf dem Feldweg stoßen wir auf einen Bauernhof, wo wir um Einlass bitten. Dort werden wir schon erwartet. Wir treten in einen halbdunklen Raum, wo eine ältere Frau im Bett liegt und im Delirium ist. Sie erkennt uns nicht. Ich halte mich schüchtern im Hintergrund mit gesenktem Blick. „Was stehst du untätig da?, herrscht Meister Terye mich an. „Hier ist jemand krank und braucht Hilfe. Rühre dich etwas! Komm her und öffne deinen Sack! Ich tue wie geheißen. Der Meister nimmt flink die nötigen Dinge heraus. Ich muss sofort Kräuterwerk anzünden. Er geht damit um das Bett herum und räuchert ringsum alles aus. Dann setzt er sich an den Bettrand und fühlt den Puls der Kranken. Er beobachtet ihr Gesicht, während er an verschiedenen Stellen ihres Körpers seine Hände auflegt. Plötzlich schlägt die Kranke ihre Augen auf und sagt: „Oh Lama. Jetzt nimmt Terye Lama ihren Arm und entblößt ihn. Es kommt eine große Geschwulst zum Vorschein. Er erklärt ihr, dass es ein Abszess sei, der aufgeschnitten werden müsse. Ich muss ihm die entsprechenden Instrumente reichen. „Geh weg!, ruft Meister Terye scharf und sticht kurz in den Arm. Es spritzt in hohem Bogen heraus. Er lässt den Eiter ganz herauskommen. Am Ende sagt er zu mir: „Sieh genau hin! Das muss jeder Medizinlama können!", und er fasst mit seinem Munde die offene Wunde und saugt den letzten Rest des Eiters heraus. Er speit ihn in ein Gefäß. Darauf spült er seinen Mund mit Kräuterwasser. Nach mehrmaligem gründlichen Spülen bildet er wieder Speichel in seinem Munde. Diesen Speichel vermischt er mit Kräuterpaste und verrührt dies. Das Gemisch wird auf die Wunde aufgetragen und der Arm wird verbunden.

    Daraufhin gibt der Meister den Angehörigen genaue Anweisungen. Sie müssen der Kranken in regelmäßigen Abständen einen Kräutertee zum Trinken geben. Falls es nicht besser wird, dürfen sie nach ihm rufen. Sonst kommt er in ein paar Tagen wieder vorbei. Wir verabschieden uns von den dankbaren Leuten und gehen.

    Ich sehe mich am Boden knien und tüchtig den Boden schrubben, so dass ich schwitze; ich trage eine grobe Dienerschürze, die mir viel zu groß ist. Terye Lama arbeitet konzentriert und rasch an seinen Medizinschränken. Mit flinker Hand reißt er kleine weiße Stoffstücke auseinander und breitet sie auf dem Tisch aus. Terye Lama ist dauernd von früh bis spät intensiv an der Arbeit. Ich verehre und bewundere ihn sehr.

    Da spricht er plötzlich zu mir in einem ungewohnt freundlichen und fröhlich beschwingten Ton: „Auf, Taarilonn, ziehe deine Schürze aus, stelle deine Putzsachen weg und komm her! Ich gehorche erstaunt. Terye Lama sieht mich liebevoll an und erklärt mir genau, wofür die Arzneien sind, die er nun einzeln auf die Stoffstücke legt. Auf jedes Stoffstück kommt dasselbe Set von Arzneien. Eine große Kräuterkugel, Kräutertee, Pulver aus Mineralien, Samen usw. Als alles vollständig ist, muss ich jedes Stoffstück zusammenschnüren. „Erhebe dich, Taarilonn! Heute gehen wir zu Yeesche (ein Name für Gott) in deinen Mitmenschen! Gib die Stoffsäcklein in einen großen Sack und nimm ihn mit. Wir gehen! Meister Terye nimmt wie der Blitz weitere Utensilien und Kräutersäcke, die er selbst schultert. Dann machen wir uns auf den Weg.

    Ich bin sehr verwundert, denn Terye Lama ist heute überaus gütig zu mir. Er ist gar nicht die zorn- und donnervolle Gottheit, als die er sich mir gegenüber sonst meistens zeigt. Wir gehen zu Fuß, unsere Säcke auf dem Rücken. , bewundere ich ihn.

    Während unseres Weges zu den Kranken singen wir dauernd ein Mantra mit der folgenden Bedeutung:

    „Heil sei dem Boden, den meine Füße berühren, Heil sei allen Dingen, die meine Hände berühren, Heil sei allem, was mein Auge erblickt. Heil sei allem, was der Hauch meines Atems berührt. Heil sei der Erde, Heil sei dem Himmel, Heil sei der Unterwelt, Heil sei allen drei Ebenen, Heil sei allen Wesen in allen Welten."

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