Gendarmentod: Kriminalroman
By Oskar Feifar
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Oskar Feifar
Oskar Feifar wurde 1967 in Wien geboren und verbrachte dann Teile seiner Jugend im niederösterreichischen Weinviertel. Nach einer Ausbildung als Kellner und einigen Jahren auf Saison, die in quer durch Österreich und um die halbe Welt führten, wechselte er 1995 zur Exekutive und verrichtete zwölf Jahre lang seinen Dienst in Niederösterreich. Im Jahr 2008 übersiedelte der Autor nach Salzburg, wo er beim Landeskriminalamt tätig ist. Seit dem Jahr 2012 schreibt Feifar nebenberuflich seine Kriminalromane, rund um Postenkommandant Leopold Strobel.
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Gendarmentod - Oskar Feifar
Oskar Feifar
Gendarmentod
Kriminalroman
390453.pngZum Buch
Ein bombiger Einstand Bezirksinspektor Leopold Strobel hat es endlich getan. Er ist dem Ruf des Chefinspektors Travnicek gefolgt und zur Kriminalabteilung gegangen. Aber nur auf Probe. Immerhin ist es möglich, dass es ihm nicht gefällt. Und genau danach sieht es nach wochenlangem Dienst in einer Bank auch aus. Bis er schließlich einen Bankräuber zur Aufgabe überreden kann und dafür großes Lob seiner neuen Vorgesetzten erntet. So wird er mit anderen Aufgaben betraut und bekommt gleich einen grausamen Fall vorgesetzt: Neben der Autobahn finden Beamte einen Bombenkrater mit verstreuten Leichenteilen. Nachdem die Leiche identifiziert werden konnte, sucht Strobel im Umfeld des Toten nach Hinweisen auf den Mörder. Bis bei einer Befragung einer der Verdächtigen mehrere Polizisten erschießt und flieht. Eine der bisher größten Fahndungen der Republik wird gestartet und Strobel hat bald mehr Verantwortung als ihm lieb ist. Denn der Verdächtige zieht eine blutige Spur durch Niederösterreich und führt die Polizei ein ums andere Mal an der Nase herum.
Oskar Feifar wurde 1967 in Wien geboren und verbrachte dann Teile seiner Jugend im niederösterreichischen Weinviertel. Nach einer Ausbildung als Kellner und einigen Jahren auf Saison, die in quer durch Österreich und um die halbe Welt führten, wechselte er 1995 zur Exekutive und verrichtete zwölf Jahre lang seinen Dienst in Niederösterreich. Im Jahr 2008 übersiedelte der Autor nach Salzburg, wo er beim Landeskriminalamt tätig ist. Seit dem Jahr 2012 schreibt Feifar nebenberuflich seine Kriminalromane, rund um Postenkommandant Leopold Strobel.
Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:
Maulwurfhatz (2016)
Zwergenaufstand (2015)
Wer mordet schon in Salzburg? (2014)
Fingerspitzengefühl (2014)
Saukalt (2013)
Dorftratsch (2012)
Impressum
Besuchen Sie uns im Internet:
www.gmeiner-verlag.de
© 2017 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
info@gmeiner-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2017
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Gortincoiel / photocase.de
ISBN 978-3-8392-5468-4
Haftungsausschluss
Die Handlung basiert auf realen Begebenheiten, geht aber frei mit Personen, Daten und Ereignissen um.
Widmung
Für Giesela, Kathi, Peter und Kristin.
Vielen Dank für die schönen Zeiten, die wir mit euch erleben dürfen!
Kapitel 1
Die Wesensglieder des Menschen entwickeln sich in Siebenjahresperioden, sagen die Anthroposophen¹. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wer die sind und was das heißen soll. Die Vorstellung, dass sich unser Geist und unser Körper alle sieben Jahre verändern, ist spannend. Aber bei manchen Menschen, die einen über Jahre hinweg begleiten, kaum beweisbar. Manch einer neigt zur Sturheit. Vielleicht aus Angst vor Veränderung, vielleicht aber auch, weil ihm gefällt, wie er lebt. Möglicherweise aber auch, weil er keine Idee hat, was er mit seinem Leben anderes anfangen soll. Wer weiß?
Henry Ford hat einst gesagt, dass wer immer tut, was er schon kann, immer bleibt, was er schon ist. Möglicherweise kannte der Leopold Strobel, seines Zeichens Kommandant auf dem Gendarmerieposten in Tratschen, diesen Spruch und tat nichts weiter, als ihn zu beherzigen, als er im Frühjahr 1973 zur Kriminalabteilung nach Wien wechselte.
Vielleicht lag es aber auch an den Veränderungen, die sich in den letzten Jahren in Tratschen ergeben hatten. Die waren weiß Gott nicht spurlos an ihm und den Ortsbewohnern vorübergegangen. Oder aber, er suchte einfach eine neue Herausforderung. So ganz genau lässt sich das heute nicht mehr sagen, warum der Mann sich zu diesem Schritt entschloss. Genauso wenig, wie ich dir sagen kann, ob es für den Strobel besser gewesen wäre, hätte er dem Bösen nicht so tief in die Augen geschaut, wie er es nach seinem Wechsel getan hat. Aber wie auch immer.
Jedenfalls hatte der Strobel seine Wahlheimat und die Dienststelle verlassen. Probeweise, für drei Monate, wie es zwischen ihm, dem Major Schuch, seinem momentanen Vorgesetzten, und dem Chefinspektor Travnicek, seinem zukünftigen Vorgesetzten, vereinbart war. Diese Probephase sollte sicherstellen, dass der Strobel seine neue Tätigkeit auch tatsächlich mochte, aber auch zeigen, ob er in die Mannschaft passte. Falls nicht, stand ihm der Weg zurück offen. Und weil der Strobel von je her ein Mensch gewesen ist, der so seine Probleme mit wichtigen Entscheidungen hatte, war ihm das sehr recht.
Allerdings liefen die Dinge am Anfang überhaupt nicht so, wie er sie sich vorgestellt hatte. Nichts war mit den großen Kriminalfällen quer durchs Bundesland Niederösterreich. Und schon gar nichts mit eigenen Ermittlungsakten. Der Herr Bezirksinspektor Strobel fand sich stattdessen in einer Situation wieder, mit der er nicht gerechnet hatte. Er musste sich ganz hinten anstellen. Wie ein Lehrbub quasi. Das war etwas, das ihm in seinem Alter gar nicht leicht fiel. Zwar musste er nicht für alle Kaffee kochen, aber so manche Tätigkeit, die er ausführen musste, war für ihn nicht besonders weit davon entfernt. Aber so ist das halt oft im Leben. Wenn du der Letzte in der Schlange bist, musst du nehmen, was von den Leuten vor dir keiner haben wollte. Und das ist logischerweise meistens nichts Gescheites.
Und so ist es halt dazu gekommen, dass der Strobel am Freitag, dem 08. Juni 1973, um halb drei am Nachmittag in der Filiale der Sparkasse am Kepplerplatz in Wien saß und alle fünf Minuten auf die Uhr schaute. Sämtliche Kreuzworträtsel in den Tageszeitungen waren gelöst, und es fehlte ihm eindeutig an einer sinnvollen Beschäftigung. Deshalb zog sich die letzte halbe Stunde seiner Schicht auch wie der sprichwörtliche Strudelteig. Wenn du dich jetzt fragen solltest, was genau der Strobel denn in dieser Bank zu tun gehabt hat, dann will ich dir das sehr gerne erklären.
Heutzutage glaubt ja ein jeder, dass es eine neue Entwicklung ist, dass immer mehr Leute mit ihrem Geld nicht auskommen. Aber das stimmt nicht so ganz. Auch damals hat es schon haufenweise Menschen gegeben, die von einem Monat zum nächsten nicht so recht gewusst haben, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. In der Weihnachtszeit verschärfte sich das Problem dann aufgrund der Geschenkewünsche der Familie. Das trieb den einen oder anderen dazu, auf die Bank zu gehen und einen »Hände-hoch-Kredit« aufzunehmen.
Aber eben nicht nur zur Weihnachtszeit. Damals waren Banküberfälle, speziell in Wien, von Jahr zu Jahr mehr geworden. Deswegen kam man in der Führungsebene der Polizei auf die Idee, in besonders gefährdete Banken Polizeibeamte zu setzen. Das wurde freilich auch publik gemacht, um so mögliche Missetäter abzuhalten. Schließlich gehörte die Prävention ja auch damals zu den Aufgaben der Exekutive. Aber wie dem auch sei.
Weil die Wiener Polizei damals nicht genügend Leute hatte, um diesen Plan umzusetzen, musste die Gendarmerie aushelfen. Inklusive die Beamten der Kriminalabteilung. Den Strobel als Neuling traf es dann halt als einen der Ersten. Seit einem Monat machte er das jetzt schon. Gefallen hat es ihm aber nicht, weil diese Tätigkeit aus seiner Sicht unglaublich fad war. Der einzige positive Aspekt an der Bewachungsgeschichte war, dass er freitags um 15 Uhr Dienstschluss hatte und keinen Wochenenddienst machen musste. An diesem Wochenende wollte er zusammen mit der Frau Doktor nach Tratschen fahren, um dort seine ehemaligen Kollegen zu besuchen.
Ungeduldig trommelte der Strobel mit den Fingern auf der Tischplatte herum und schaute abwechselnd auf den Eingang und auf seine Uhr. Sie schien still zu stehen. Und siehst du, zwei Minuten vor dem heiß ersehnten Dienstschluss ist es dann passiert. Murphy’s Gesetz quasi. Alles, was passieren kann, wird auch passieren. Und so war es jetzt auch. Und zwar in einem Moment, in dem der Strobel es gar nicht gebrauchen konnte. Ich meine, so einen Bankraub brauchst du eigentlich nie wirklich, aber so kurz vor Dienstschluss schon gar nicht.
Der Ordnungshüter war geistig schon im Wochenende, als er den Mann beim Eingang bemerkte, der gerade sehr umständlich versuchte, eine Strumpfmaske über sein Gesicht zu ziehen. Im ersten Moment kapierte der vom Sitzen müde Strobel gar nicht, was er da sah. Erst der laute Knall, den es gab, als der Maskenmann hereinstürmte und dabei mit der Schulter gegen die Glastür rannte, weckte ihn richtig auf. Aber da war es schon zu spät. Der Kerl stand schon mitten in der Bank und schrie: »Hände hoch, das ist ein Überfall!«
Dabei fuchtelte er mit einem Revolver wild in der Luft herum. So richtig beängstigend sah das allerdings irgendwie nicht aus. Schon deswegen nicht, weil die Strumpfmaske nicht so gut saß, wie sie sollte. Sie war eher kurz ausgefallen und reichte ihm nur bis unter die Nase.
Die beiden Kassiererinnen und die letzten beiden Kunden wurden trotzdem schlagartig stocksteif und leichenblass. Folgsam rissen sie die Arme in die Höhe. Nicht so der Strobel. Der saß an seinem Platz, stützte immer noch den Kopf auf die rechte Hand und rührte sich nicht. Nur mit der Fingertrommelei hörte er auf und starrte den Räuber überrascht an. Das klingt jetzt so, als wäre der Strobel voll der abgebrühte Hund gewesen. Ein cooler Typ quasi. Aber das war er ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Starr vor Schreck war er und konnte deshalb gar nicht mehr tun, als den Mann überrascht anzuschauen. Der Räuber selbst schaute den Strobel genauso überrascht an. Weil der in seiner Haltung so gelangweilt wirkte, dass es dem bösen Buben glatt die Sprache verschlug.
Der Strobel überlegte, dass es wahrscheinlich besser war, sich nicht zu bewegen. Erschießen wollte er sich so kurz vor seinem freien Wochenende nämlich auf keinen Fall lassen. Die beiden Kassiererinnen und die Kunden sahen den Mann des Gesetzes auch ziemlich blöd an, weil er so gar nichts machte. Aber einmal ganz ehrlich, was hätte er auch tun sollen?
Gendarm hin und Bankbewachung her. So eine große Waffe, wie der Räuber sie hatte, treibt den meisten Menschen den Schweiß ins Gesicht und die heldenhaften Gedanken aus dem Kopf.
Freilich entging dem Strobel nicht, dass die Leute darauf warteten, dass er irgendwas machte oder sagte. Also tat er ihnen den Gefallen und sagte halt etwas. Und zwar das Erste, das ihm einfiel:
»Grüß Gott, der Herr. Wir sperren leider schon zu. Kommen S’ doch am Montag wieder.«
Ich schwöre dir, das hat er wirklich gesagt.
Worte, die auf den Maskenmann eine seltsame Wirkung hatten. Ganz abrupt hörte der damit auf, mit seinem Revolver herum zu wedeln, und glotzte mit leicht geöffnetem Mund ungläubig in Richtung Strobel. Ich glaube, der Kerl hatte eine genaue Vorstellung im Kopf gehabt, wie sein Überfall ablaufen sollte. Und in dieser Vorstellung hat der Strobel mit seinem komischen Verhalten keinen Platz gehabt.
Auf jeden Fall war der Räubersmann offensichtlich sehr verwirrt und kam voll aus dem Konzept. Irgendwie verständlich. Weil für so eine Situation hatte er sicher keinen Plan. Außerdem war er so nervös, dass der Strobel ihn einfach fragen musste:
»Ihr erster Bankraub? Oder?«
Dabei verzog er keine Miene. Auch seine Sitzposition veränderte er nicht. Die Tatsache, dass ihm der Maskierte eine Antwort schuldig blieb, interpretierte der Strobel als Zustimmung. Deshalb erklärte er seinem Gegenüber, dass er sich deswegen nicht zu genieren brauchte. Und das meinte er wirklich ehrlich. Immerhin war es ja auch für den Strobel das erste Mal, dass er sich mitten in einem Banküberfall wiederfand. Was er dem Mann dann auch gleich beichtete. Die übrigen Anwesenden konnten gar nicht glauben, was da vor ihren Augen und Ohren ablief.
Der Strobel seinerseits bemerkte, wie der Räuber immer unsicherer wurde, und führte das Gespräch weiter. Er fragte, ob er denn so viele Schulden habe, dass er so einen Blödsinn machen müsse, und redete ihm ins Gewissen. So von wegen, er solle sich überlegen, was seine Kinder in der Schule sagen sollen, wenn sie zukünftig nach dem Beruf vom Papa gefragt würden. Bankräuber vielleicht? Außerdem, so meinte der Strobel, mache sich so eine Tat im Lebenslauf nicht wirklich gut.
Der Maskenmann stand mit hängenden Schultern mitten im Schalterraum. Fassungslos hörte er dem Ordnungshüter zu, der ihm ganz ernst erklärte, dass es eine brotlose Kunst sei, an einem Freitagnachmittag eine Bank zu überfallen. So kurz vor dem Wochenende hätten viele Leute Geld abgehoben, und deswegen sei logischerweise fast keines mehr da.
Der Möchtegern Jesse James sagte immer noch kein Wort. Er stand nur da und zielte mit der großen Kanone in Richtung Strobel. Zumindest so ungefähr. Dabei wischte er sich ständig mit dem Handrücken über die Stirn. Anscheinend schwitzte er unter seiner Maske ganz schön.
Vor der Bank sammelten sich bereits etliche Schaulustige und glotzten bei den Fenstern herein. In einiger Entfernung waren die Sirenen der Streifenwagen zu hören, und dem Strobel war klar, dass er schnell eine Lösung herbeiführen musste. Und zwar, bevor seine Kollegen da waren und der Räuber vielleicht irgendeinen Blödsinn machte. Also gab er sich einen Ruck und würgte seine Angst hinunter. Er erklärte dem in der Zwischenzeit zu einem Häufchen Elend verkommenen Bankräuber, dass es sich nicht auszahlen würde, wegen ein paar tausend Schilling sieben oder acht Jahre ins Gefängnis zu gehen oder gar von der Polizei erschossen zu werden.
Die Worte erzielten mehr Wirkung, als er zu hoffen gewagt hatte. Denn plötzlich begann der Maskenmann tatsächlich zu weinen.
Das musst du dir einmal vorstellen! Da stand er nun mitten in der Bank, mit einer Maske auf dem Kopf, einem Revolver in der Hand und heulte. Unglaublich, aber wahr.
Der Strobel gab den Kassiererinnen und den Kunden Zeichen, sich langsam in Richtung Ausgang zu bewegen. Er selbst blieb auf seinem Stuhl hocken und machte weiter Konversation. Natürlich wollte er damit den Räuber von den vier Menschen ablenken, die gerade dabei waren, sich aus dem Staub zu machen. Wie ein Mantra betete er immer wieder die gleichen Sätze herunter. Dass das doch alles keinen Sinn habe, weil die Polizei sowieso gleich da sei und der Räuber seine Situation nicht noch schlechter machen solle.
Irgendwann fragte der Maskenmann dann kläglich, was er denn jetzt machen solle.
»Aufgeben«, sagte der Strobel. »Und zwar, bevor die Kollegen da sind und die Situation vielleicht eskaliert.«
Dann sagte er noch, der Mann solle die Maske abnehmen und ihm seinen Revolver geben, weil dann ganz sicher alles gut ausgehen werde. Außerdem, so fügte er noch hinzu, sei das ein Milderungsgrund für den Richter. Und stell dir vor, der Typ machte das wirklich. Da waren die Kassiererinnen und die Kunden allerdings schon draußen.
Der Strobel warf einen Blick auf die Waffe, die ihm der Bursche entgegenhielt, und sah, dass es ein Spielzeugrevolver war. Er holte seine Handschellen hervor und hielt sie dem Mann entgegen. »Schlüpf da bitte schnell rein«, sagte er freundlich zu ihm. Und wirklich wahr, der Bursche nahm die Handschellen und legte sie sich ohne Widerrede an.
Der Strobel, dem die Situation wie ein Traum vorkam und der sich lange nicht so entspannt fühlte, wie er es sich gewünscht hätte, beobachtete ihn dabei und betonte immer wieder, dass das eine gute Entscheidung gewesen sei. Der Räuber schluchzte vor sich hin und schaute drein wie der Krambambuli am Grab seines Herrchens.
Da packte den Strobel sogar ein bisschen das Mitleid. Er stand auf, ging zu dem Mann, holte ein Taschentuch hervor und reichte es dem heulenden Elend. In dem Moment stürmten auch schon vier Uniformierte mit Pistolen in den Händen in den Schalterraum. Sie hielten genau auf den Strobel zu, der ja noch immer den Spielzeugrevolver in der Hand hatte.
»Polizei! Waffe fallen lassen! Sofort! Runter auf den Boden mit dir!«, hörte er einen von ihnen brüllen und verstand nicht sofort. Der Räuber auch nicht, wie man seinem ausgesprochen blöden Gesichtsausdruck deutlich entnehmen konnte. Bevor der Strobel etwas sagen konnte, riss sein Gefangener die Hände mit den Handschellen in die Höhe.
»Nein! Halt! Ich bin der Räuber …«, rief er laut, und die Ordnungshüter blieben verwirrt stehen und machten ziemlich ratlose Gesichter. Trotz der wenig erheiternden Situation musste sich der Strobel das Lachen verkneifen, fand aber seine Sprache wieder und wies sich als Kollege aus.
Einer der Uniformierten sprach in sein Funkgerät, dass die Lage unter Kontrolle sei und sie mit dem Festgenommenen hinauskommen würden. Sie flankierten den immer noch weinenden Räuber und gingen in Richtung Ausgang. Der Strobel selbst bekam in diesem Moment derart weiche Knie, dass er zu seinem Schreibtisch gehen, sich setzen und ein paar Mal tief durchatmen musste. Sein Hirn spielte ihm derweil in den wildesten Szenen vor, was in der letzten halben Stunde alles hätte passieren können.
Als er die Bank dann schließlich verließ, standen vor der Tür eine ganze Menge Leute. Darunter auch schon einige von der Presse, die gerade dabei waren, mit den beiden Kunden und den Kassiererinnen zu reden. Kaum kam der Strobel aus der Bank, begannen einige der Umstehenden zu applaudieren und »Bravo« zu rufen. Die Reporter ließen ihre Gesprächspartner stehen, stürmten auf den völlig überraschten Strobel zu und bombardierten ihn mit Fragen. Gleichzeitig brach ein wildes Blitzlichtgewitter über ihn herein. Jetzt war der Mann im Zusammenhang mit der Presse ja schon einiges gewöhnt, aber das Tamtam übertraf für ihn alles bisher da gewesene. Von daher weigerte er sich einfach, irgendwas zu sagen, und suchte das Weite. Nicht zuletzt deshalb, weil er auf keinen Fall länger Dienst machen wollte, als nötig war, um den Papierkram zu erledigen.
1 Anthroposophie: eine von Rudolf Steiner begründete, spirituelle und esoterische Weltanschauung, die versucht, Elemente des deutschen Idealismus, der Weltanschauung Goethes, der Gnosis, fernöstlicher Lehren sowie der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ihrer