Elben-Legenden
By Alfred Bekker and Hendrik M. Bekker
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About this ebook
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Elben-Legenden - Alfred Bekker
Ashkor
LIRANDIL – DER FÄHRTENSUCHER DER ELBEN
von Alfred Bekker
Es war aber einige Zeit ins Land gegangen, nachdem Daron König von Elbiana wurde und seinem Vater Keandir auf den Thron folgte. Da ging Lirandil zu seinem König und sagte: „Ihr seid der vierte Elbenkönig, dem ich lange und treu gedient habe. Schon im Auftrag Eures Urgroßvaters Péandir durchstreifte ich als junger Fährtensucher die Wälder und Gebirge von Athranor, der alten Heimat der Elben. Später diente ich seinem Sohn Eandorn, als die Elben von Athranor aus auf die große Seereise gingen und sich für mehr als eine Ewigkeit im Nebelmeer verloren, ehe schließlich unter der Herrschaft Eures Vaters, des ruhmreichen Königs Keandir, das Zwischenland erreicht und das neue Reich von Elbiana gegründet wurde. Auch diesen Kontinent erforschte ich – zuerst auf Geheiß Eures Vaters, später auf das Eure, mein König.
Jetzt aber, nach all Jahrtausenden des treuen Dienstes an der Elbenheit, erbitte ich Zeit für mich selbst, denn ich will auf eine Reise gehen, die mich weiter fortführen wird, als alle meine bisherigen Reisen zuvor!"
„Zumindest seit der großen Seereise des Elbenvolkes von Athranor zur Küste des Zwischenlandes, die Ihr ja noch erlebt habt, werter Lirandil", schränkte Daron ein.
„Wer weiß …", gab Lirandil zurück.
König Daron aber ließ eine Falte auf seiner ansonsten vollkommen glatten Stirn erscheinen. „Eure Bitte sei Euch gewährt! Niemand hat sich dies mehr verdient, als Ihr!"
„Ich danke Euch, mein König!"
„Aber gestattet Ihr mir eine Frage?"
„Gewiss!"
„Wo ist das Ziel Eurer Reise? Wonach sucht Ihr da draußen, was Ihr hier in Elbiana nicht zu finden vermögt?"
„Es sind die Gestade der Erfüllten Hoffnung – Bathranor! Einst glaubte auch ich, dass der zwischenländische Kontinent mit diesen Gestaden identisch wäre. Aber wir alle wissen inzwischen, dass dies nicht der Fall ist!"
König Darons Blick wurde nachdenklich. „Ja, ist mir wohl bewusst …"
„Ich brauche Gewissheit, mein König!"
„Das verstehe ich nur zu gut, mein getreuer Fährtensucher!, erwiderte Daron. „So geht und kehrt wohlbehalten zurück, sodass Ihr mir berichten könnt. Falls Ihr aber nicht zurückkehren werdet, so werde ich hoffen, dass es daran liegt, dass Ihr Euch dem Zauber jener seeligen Gestade ergeben habt und es vorzieht, im Wahren Bathranor zu bleiben, was Euch niemand verübeln wird!
Nachdem Lirandil sich verabschiedet hatte, ging er zu Sarwen, der Zwillingsschwester des Königs, die in jenen Tagen die Oberste Schamanin der Elbenheit war. Sarwen gab Lirandil einen Trank, der die Klarheit des Geistes und die Schärfe der Urteilskraft zu erhöhen versprach. „Beides werdet Ihr auf dieser Reise mehr brauchen, als jemals zuvor, prophezeite Sarwen. „Die vergessenen Namenlosen Götter unserer Vorfahren mögen Euch gnädig sein, die verklärten Totenseelen der Eldran mögen Euch bewachen und Euch ihren Rat zukommen lassen – und die verfluchten Schattenkreaturen der Maladran mögen sich von Euch fernhalten und Euch mit ihren üblen Gedanken verschonen!
Und so zog Lirandil von dannen.
Als er das Stadttor von Elbenhaven verließ, ritt er nicht auf einem Elbenpferd, dass sich allein mit der Gedankenkraft seines Reiters lenken ließ, sondern auf einem gewöhnlichen Menschengaul, der an einem primitiven Zügel gehalten werden musste und nicht in der Lage ist, den Willen seines Herrn von allein zu erkennen.
Aber Lirandils Absicht war es, unter den Sterblichen nicht allzu sehr aufzufallen. Und da Elbenpferde in den Ländern der Rhagar unüblich waren, nahm der Fährtensucher diese Unbequemlichkeit in Kauf.
(Aus der Chronik des Fährtensuchers)
*
Viele Fährtensucher hat es unter den Elben gegeben – aber Lirandil war derjenige von ihnen, der diese Kunst am besten verstand – und der Einzige, der sie über die Zeit der langen Seereise von Athranor ins Zwischenland bewahrt hatte.
So ward er einzigartig unter denen, die zum Volk des Lichtes gehörten.
(Aus dem Älteren Buch Keandir)
*
Lirandil aber wandte sich dem Lande Marana zu, das seit langem von den Rhagar bewohnt wurde, wie man die Menschen früher genannt hatte. Aber es gab einsame Täler dort, felsige Schluchten und durch Magie und andere Mittel verborgene Orte. Und deren Geheimnisse waren es, die den Fährtensucher lockten.
An manchen dieser Orte konnte es sein, dass man sie durchquerte ohne etwas von ihrer wahren Natur zu sehen. Kam man ein zweites mal dort hin, zog man jedoch durch ein völlig verändertes Land und war in einer anderen Ebene der Existenz gefangen. Aber Lirandil konnte nichts schrecken. Auch die Aura einer tödlichen Form übelster Zauberei nicht, die aus einer Fäulnis des Geistes gewonnen worden war, wie kein Elb sie sich auch nur vorzustellen vermochte.
(Der Chronist von Elbenhaven)
*
Der Tod-in-Gestalt trug eine dunkle Kutte, deren Kapuze tief heruntergezogen war. Sein wahres Gesicht lag im Schatten, ganz gleich, wie das Licht fiel. Aber das war vielleicht auch besser so. Ein Ahnungsloser ist er, dachte der Tod-in-Gestalt, der auf einem kargen Hügel stand, von dem aus man die Umgebung überblicken konnte. Ein Punkt hob sich in der Ferne ab, für das menschliche Auge kaum sichtbar. Der Tod-in-Gestalt brauchte keine Augen, um zu wissen, wer es, war, der es wagte, sein Reich zu betreten. Ja, es konnte nur ein Unwissender sein. Ein Narr.
Der kleine schwarze Punkt wurde größer.
Ein Reiter bildete sich daraus.
Er ritt in scharfem Galopp.
Aber er würde zwangsläufig langsamer werden, wusste der Tod-in-Gestalt. Es war immer dasselbe. Zu oft hatte er es mit angesehen.
Ich bin gespannt, ob der Fremde bleiben wird, überlegte der Tod-in-Gestalt. So wie die vielen anderen Narren …
*
Ein Land des Todes, dachte der einsame Reiter. Eine Art Wüste, die nicht durch das Klima geschaffen zu sein scheint, sondern …
Lirandil ließ sein Pferd anhalten. Der weitgereiste Fährtensucher aus dem nahezu unsterblichen Volk der Elben hatte sich daran gewöhnt, dass die Pferderassen aus der Zucht der Menschenvölker, der Halblinge oder der Blaulinge nicht auf die Kraft eines Gedanken reagierten, wie es bei den Rössern der Elben der Fall war. Stattdessen mussten sie mit Hilfe von Zügeln gelenkt werden. Fast so, wie in der Alten Zeit in Athranor, bevor die Elbenpferde gezüchtet worden waren!, erinnerte sich Lirandil. Aber diese Zeiten waren schon so fern, dass er manchmal das Gefühl hatte, die Erinnerung daran, wie er als junger Fährtensucher im Auftrag des Elbenkönigs Péandir die Wälder und Gebirge von Athranor durchstreift hatte, würden langsam aber sicher verblassen. In anderen Momenten jedoch standen sie ihm wieder in so großer Deutlichkeit vor Augen, dass man glauben konnte, all das sei erst gestern oder im letzten Jahrtausend geschehen – und nicht schon Zeitalter zuvor.
Schon als er mit der Elbenflotte das Zwischenland erreicht hatte, war Lirandils Haar grau gewesen. Und grau war es über viele Zeitalter geblieben. Inzwischen war es fast weiß und fein wie Elbenseide. Seinem Körper allerdings hatte die lange Lebenszeit nichts anhaben können – ebenso wenig, wie die Schärfe seiner Elbensinne in dieser Zeit nachgelassen hatte. Und sein Gesicht wirkte alterslos.
Der Weg zur Küste von Marana führte hier her. Und dorthin wollte er. Also