Hilferuf von der Clanton-Ranch: Wyatt Earp 159 – Western
By William Mark and Mark William
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An dem Tage, an dem es begann, lag Arizona wie immer unter strahlendblauem Himmel. Während anderwärts bereits die Winterstürme über das Land fegten, war es hier unten im alten Cochise County noch spätsommerlich warm.
Die großen Ranches, auf denen im Frühjahr, im Sommer und auch im Herbst reger Betrieb herrschte, lagen still und verödet da.
Auch die größte Ranch, die es hier unten gab, die Clanton Ranch, die den Namen einer sehr bekannten Familie trug, bot das typische Bild einer weit südlich gelegenen Ranch um diese Jahreszeit. Der Rancher war mit der Winterherde nach Norden gezogen, wo er sie an den großen Verladestationen verkaufte. Dann blieben selbst auf einer so großen Ranch nur noch wenige Pferde und höchstens zwei, drei Cowboys zurück, die für alles Nötige sorgten, und im Stall standen nur noch ein paar Kühe, die den Milch- und Butterbedarf der Ranch sicherstellten.
Es war früh am Morgen, kurz nach vier Uhr. Oben am Ranchhaus wurde die Flügeltür geöffnet; eine alte Frau trat heraus, blieb einen Augenblick auf dem Vorbau stehen und blinzelte in den Hof, der im fahlen Morgenlicht dalag. Es war Martha Clanton, des Ranchers Ike Clantons Mutter. Seit die Bauten vor einem Dreivierteljahr von Banditen niedergebrannt worden waren, hatte sich die Ranch wieder gut gemacht. Ike hatte dafür gesorgt, das die alten Bauten neu und schöner wieder erstanden waren.
Die Frau hatte zwei Eimer in den Händen und überquerte den breiten Hof, um auf das Stallhaus zuzugehen. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie, als sie bemerkte, daß die Stalltür nicht ganz
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Hilferuf von der Clanton-Ranch - William Mark
Wyatt Earp
– 159–
Hilferuf von der Clanton-Ranch
William Mark
An dem Tage, an dem es begann, lag Arizona wie immer unter strahlendblauem Himmel. Während anderwärts bereits die Winterstürme über das Land fegten, war es hier unten im alten Cochise County noch spätsommerlich warm.
Die großen Ranches, auf denen im Frühjahr, im Sommer und auch im Herbst reger Betrieb herrschte, lagen still und verödet da.
Auch die größte Ranch, die es hier unten gab, die Clanton Ranch, die den Namen einer sehr bekannten Familie trug, bot das typische Bild einer weit südlich gelegenen Ranch um diese Jahreszeit. Der Rancher war mit der Winterherde nach Norden gezogen, wo er sie an den großen Verladestationen verkaufte. Dann blieben selbst auf einer so großen Ranch nur noch wenige Pferde und höchstens zwei, drei Cowboys zurück, die für alles Nötige sorgten, und im Stall standen nur noch ein paar Kühe, die den Milch- und Butterbedarf der Ranch sicherstellten.
Es war früh am Morgen, kurz nach vier Uhr. Oben am Ranchhaus wurde die Flügeltür geöffnet; eine alte Frau trat heraus, blieb einen Augenblick auf dem Vorbau stehen und blinzelte in den Hof, der im fahlen Morgenlicht dalag. Es war Martha Clanton, des Ranchers Ike Clantons Mutter. Seit die Bauten vor einem Dreivierteljahr von Banditen niedergebrannt worden waren, hatte sich die Ranch wieder gut gemacht. Ike hatte dafür gesorgt, das die alten Bauten neu und schöner wieder erstanden waren.
Die Frau hatte zwei Eimer in den Händen und überquerte den breiten Hof, um auf das Stallhaus zuzugehen. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie, als sie bemerkte, daß die Stalltür nicht ganz geschlossen war. Keine Sekunde dachte sie daran, daß einer der beiden Cowboys vielleicht im Stall gewesen sein könnte, denn die beiden waren alt und machten sich bestimmt nicht vor dem Frühstück im Stall zu schaffen.
Sie öffnete die Tür weiter und blieb wie erstarrt stehen. Die sieben Boxen, in denen die Rinder gestanden hatten, waren leer.
Die Frau stand unbeweglich da, dann glitten ihr plötzlich die beiden schweren Eimer aus den Händen und fielen dröhnend auf den steinernen Boden des Stallganges. Wie unsinnig lief die alte Frau von einer Box zur anderen, tastete sich bis zur Krippe vor und stand dann ratlos am Ende des Stallganges in der Tür zur Futterkammer.
Dann stieg plötzlich eine fürchterliche Ahnung in ihr auf. Sie eilte durch die Futterkammer, riegelte die Tür hinten zum Pferdecorral auf und blieb wie versteinert stehen. Der Corral war leer. Die Pferde, die zur Ranch gehörten, und nachts immer draußen im Corral standen, waren ebenfalls verschwunden.
Es dauerte Sekunden, bis die Frau sich gefaßt hatte. Dann lief sie auf steifen Beinen zurück in den Hof, rannte auf das Bunkhaus zu und hämmerte mit beiden Fäusten gegen die verschlossene Tür.
Es dauerte ziemlich lange, bis ihr geöffnet wurde. Ein alter, mickrig dreinblickender Mann mit zahnlosem Mund öffnete und krächzte: »Was gibt’s denn, Mrs. Clanton?«
»Kommen Sie schnell, Jeff, es ist etwas Schreckliches passiert!«
»All right«, knurrte der Mann, »ich komme sofort.«
Aber der alte Kuhtreiber Jeffrey Coleman vermochte auch nichts an der Tatsache zu ändern, daß die sieben Kühe und die vier Pferde verschwunden waren.
»Rufen Sie sofort Harvey!« befahl ihm die Frau.
Der Cowboy kratzte sich den Kopf. »Ja, aber Madam, was soll er denn noch tun?« entgegnete der alte Cowboy.
»Was er tun soll? Ich weiß es auch nicht. Er muß die Tiere suchen. Er muß den Banditen folgen.«
Der Cowboy Coleman stellte sich vor, wie sein Kamerad Jim Harvey einer Bande von Rustlern folgen würde! Das Bild war geradezu unsinnig, denn der alte Mann konnte kaum noch laufen und lebte eigentlich nur auf der Ranch, weil sich Ike Clanton nicht entschließen konnte, den altgedienten Cowboy wegzuschicken.
»Sie reiten sofort in die Stadt«, befahl die Rancherin dem vierundsechzigjährigen Coleman.
Der nickte. »Wie wär’s mit einem Becher Kaffee, Mrs. Clanton?«
»Ja, gehen Sie rüber. Der Kaffee steht auf dem Herd, und Brot, Butter und Käse finden Sie auf dem Tisch. Aber beeilen Sie sich.«
Der Cowboy nickte, machte ein paar Schritte vorwärts und blieb dann stehen.
»Eine Frage noch, Mrs. Clanton, womit soll ich reiten?«
Die alte Frau griff sich erschrocken an die Kehle.
Ja, womit sollte er denn reiten? Die Pferde waren doch verschwunden.
Aber drüben im Schuppenanbau stand das alte Wagenpferd, das aus einem ähnlichen Grunde noch auf der Ranch war wie der Cowboy Jim Harvey; es war auch alt und so gut wie unbrauchbar geworden.
Die Frau entschloß sich, selbst in die Stadt zu fahren. Sie ließ den Wagen anspannen und befahl den alten Cowboys, die Gewehre zu holen, um am Ranchtor und drüben auf der anderen Seite am Corral Wache zu halten.
»Unsinn ist das«, meinte der alte Harvey krächzend. »Glaubt sie vielleicht, daß die Kerle noch einmal wiederkommen, um sich eine blaue Bohne abzuholen? Die sind längst mit den Gäulen und den Kühen über alle Berge…«
Als Martha Clanton die Stadt erreicht hatte, fuhr sie den hochrädrigen Ranchwagen in die Hauptstraße, die Allen Street, und hielt vor dem Sheriffs Office.
Es war immer noch das gleiche Haus, in dem einst Gesetzesmänner amtiert hatten, deren Namen im ganzen Westen einen großen Klang hatten: Wyatt Earp, Luke Short, Morgan Earp und Virgil Earp.
Seit der riesige Texaner Luke Short im Sommer den Job als Sheriff aufgegeben hatte, saß nun der lettische Auswanderer Minor Letko auf diesem Posten. Er war ein mittelgroßer Mensch von bläßlichem Aussehen, mit hellem Haar und grauen Augen.
Als Letko jetzt die alte Frau angehört hatte, zuckte er mit den Schultern. »Tut mir leid, Mrs. Clanton, aber was soll ich da tun?«
»Das fragen Sie mich? Ich denke, Sie sind der Sheriff«, entgegnete die Frau rauh.
Der Mann, der genau wußte, wen er da vor sich hatte, meinte, ohne es am nötigen Respekt vor der Mutter des berühmten Ike Clanton fehlen zu lassen:
»Es tut mir leid, Madam, aber ich sehe keine Möglichkeit, Ihnen zu helfen…«
Er sah keine Möglichkeit! Sie verzichtete darauf, ihm zu erklären, daß es hier eine ganze Reihe Gesetzesmänner gegeben hatte, die ganz sicher eine Möglichkeit gesehen hätten. Sie suchte Ivor Chattaway auf, der mit ihr verwandt war und in der Freemont Street ein großes Holzlager hatte.
Aber der grauhaarige Chattaway fuhr sich unbehaglich durch den Kragen.
»Es tut mir leid, aber ich weiß wirklich nicht, wie ich dir helfen soll. Ich habe keine Leute, die ich auf die Ranch schicken könnte. Und außerdem glaube ich doch, daß Ike jeden Tag kommen muß…«
Und ihn hatte die Rancherin immer für einen echten Freund gehalten.
Well, es blieb ihr nichts anderes übrig, als den nächsten Verwandten aufzusuchen.
Es war Joel McCoy, der Butcher, der früher immer mit Ike zusammengehalten hatte. Aber auch er gab ihr eine ähnliche Antwort. Er, der Zimmermann Gandram, der Blacksmith Fulham, der Holzarbeiter Fleming und noch sieben andere Leute, die mit den Clantons verwandt waren.
Niedergeschlagen stand die alte Frau auf der Allen Street neben ihrem Wagen und blickte hinunter auf das Haus, in dem einst der große Wyatt Earp den Stern getragen hatte. Dort stand in der Toreinfahrt des Hofes Minor Letko, der Sheriff. Als er ihren Blick auf sich gerichtet sah, wandte er sich unbehaglich ab.
Die Rancherin überquerte die Straße und hielt auf den großen Ecksalon zu, auf dessen Fassade ein berühmter Name stand: »Crystal Palace«.
Als sie die Pendeltüren auseinanderschob, blickte der Keeper ihr aus erstaunten Augen entgegen.
»Mrs. Clanton, das ist aber ein seltener Besuch. Seit der großen Geburtstagsfeier vor Jahr und Tag, die Ihr Sohn Phin hier veranstaltet hat, haben wir uns nicht mehr gesehen. Was darf ich Ihnen geben?«
Die Frau winkte ab. »Danke, ich möchte nichts. Ich wollte nur etwas fragen.«
Sie erklärte dem Keeper, weshalb sie in die Stadt gekommen war.
»Was soll ich Ihnen da sagen, Madam. Ich weiß nicht. Die Sache ist ziemlich eigenartig. Das ganze sieht nach einem Rustler-Überfall aus. Natürlich muß der Sheriff mit einer Posse nach den Banditen suchen. Schießlich gehört die Ranch ja zu seinem Distrikt.«
Wieder suchte die Frau Minor Letko auf. Der hatte gerade den Hof auf der anderen Seite verlassen wollen.
Aber die Rancherin hielt ihn auf und beschwor ihn, sich auf die Suche nach den Dieben zu machen.
»Das habe ich ja vor, Madam. Aber ich muß erst die Leute zusammentrommeln. Vergessen Sie nicht, ich bin nicht Wyatt Earp. Wenn ich pfeife, kommt niemand. Für mich ist es nicht einfach, eine Posse in die Sättel zu bringen.«
Die Frau fuhr tief enttäuscht auf die Ranch zurück. Es war später Nachmittag, als sie dort ankam.
Mitten in der Nacht wurde Martha Clanton durch ein hartes, klirrendes Geräusch geweckt. Sie sprang auf, riß das Gewehr ihres toten Sohnes Billy von der Wand, lud es durch und sah, noch ehe sie die Tür zur Küche öffnete, daß eines der Fenster zertrümmert worden war.
Sie lief mit dem Gewehr hinaus, aber nirgends war eine Menschenseele zu entdecken. Schweratmend lehnte sie am Eingang und lauschte in die Nacht hinaus.
Dann ging sie hinüber zum Bunkhaus.
Aber von den beiden Cowboys war nichts zu hören. Sie mußten das Klirren des Glases überhört haben.
Wer hatte die Scheibe eingeworfen? Was hatte das zu bedeuten?
Die Frau fror plötzlich, ging ins Haus zurück und schlug eine Pferdedecke um ihre Schultern. Mit dem Gewehr im Arm blieb sie neben dem Fenster sitzen.
Aber draußen blieb alles still.
Es war schon Tag geworden, als sie erwachte und draußen die quäkende Stimme Colemans vernahm; gleich darauf war auch sein Schritt zu vernehmen.
Sie sprang hastig hoch, eilte zur Tür und sah den alten Kuhtreiber herankommen.
»Madam, Sie müssen sofort kommen. Es ist irgend etwas mit Harvey passiert.«
Die Frau überquerte den Hof und fand den alten Cowboy ohnmächtig auf seinem Lager.
»Was ist denn mit ihm?« fragte sie entsetzt über das Aussehen Harveys.
Coleman wußte es auch nicht. Die Nacht über hatte er nichts gehört, da er selbst immer wie ein Murmeltier zu schlafen pflegte. Und als er vorhin aufgestanden war, hatte er den Kameraden bewußtlos vorgefunden.
Als die Frau den Ohnmächtigen aufzurichten versuchte, sah sie zu ihrem namenlosen Entsetzen eine Blutlache unter seinem Rücken.
Es gab keine Zweifel: der Cowboy James Harvey war von einem Messerstich lebensgefährlich verletzt worden, und trotz verzweifelter Bemühungen starb der alte Cowboy kurz vor Mittag.
Die Frau spannte den Wagen wieder an und fuhr erneut in die Stadt.
Diesmal tat sie einen Gang, den sie sonst niemals getan hätte: sie suchte das Haus des Mayors auf.
Noch immer war der grauhaarige John Clum Bürgermeister von Tombstone.
Aber Mrs. Clanton hatte Pech: Clum war vor Tagen mit der Overland weggefahren, um drüben in Kalifornien eine Zeitung aufzusuchen, die ihn zu einem Vortrag über Indianer-Reservate eingeladen hatte.
Verzweifelt stand die alte Frau auf der Freemont Street und sah sich nach allen Seiten um.
Es gab hier Dutzende von Menschen, die sie kannten,