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Die zweite Reise
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Die zweite Reise

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Eine Stadt steht vor dem Fall … Ein Mann steht vor einem neuen Leben … Ein Bündnis steht auf des Messers Schneide … Und fünf Auserwählte, die sich wieder auf die Reise begeben müssen … Die loyalistischen Truppen in New Paris sehen sich mit einer Übermacht konfrontiert, der sie nicht lange widerstehen werden können. Aber sie zögern nicht und bezahlen mit ihren Leben für jede Minute, die sie den Kindern, den Frauen und den anderen Zivilisten zur Flucht verschaffen. Sinnas Dillingham, der viel zu junge Kommandant der Stadt, weiß, dass dies seine letzte Mission sein wird. Im Land der Zwerge binden innere Machtkämpfe die Kräfte, die doch so bitter zur Verteidigung des Reiches benötigt werden. Kann es noch rechtzeitig gelingen, einen König zu krönen, der mit starker Hand die Clans wieder einigt? Hoffnung ist rar in diesen Tagen auf Locondia. Selbst die fünf ungleichen Reiter sind sich uneins. Sie brechen wieder auf, doch jeder nimmt einen anderen Weg. „Die zweite Reise“ ist der zweite Band der „Fünf ungleiche Reiter“-Saga, die Fantasy und Science-Fiction in sich vereinigt.
LanguageDeutsch
Release dateJan 23, 2015
ISBN9783957446695
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    Die zweite Reise - Jannis B. Ihrig

    begonnen.

    1. Kapitel – Was wollt ihr eigentlich?

    Goldia, Hauptstadt des Reiches des Silbernen Hammers Morgen des ersten Tages nach dem Fall von New Paris

    Du kannst mir nicht entkommen.

    Die Stimme schien überall und gleichzeitig nirgendwo zu sein. Erwin hechtete durch die ewige Dunkelheit, verfolgt von irgendetwas.

    Renn nicht weg! Es verzögert nur das Unvermeidliche.

    Erwin dachte nicht daran, stehen zu bleiben. Er rannte immer weiter in die Dunkelheit, in der Hoffnung, so der unheimlichen Stimme zu entkommen.

    Es hat keinen Sinn, vor mir wegzurennen. Niemand kann sich selbst entkommen.

    „Lass mich in Ruhe! Verschwinde!", schrie er …

    … und erwachte. Erwin schreckte hoch und wusste einen Moment lang nicht mehr, wo er war. Er blickte sich im Zimmer um und erinnerte sich dann. Dies war eines der Gästezimmer der Goldenen Zitadelle, das Erwin bezogen hatte, nachdem die Schlacht um Goldia zu Ende gewesen war. Erwin zitterte am ganzen Leib und versuchte, sich zu beruhigen.

    Sein Blick schweifte durch das Zimmer: Es war, wie der Rest der Zitadelle, prunkvoll. Das Bett und ein Tisch mitsamt den Stühlen waren aus gutem Holz gefertigt, das aus dem Elfenreich importiert worden sein musste, während der Boden, die Wände und die Decke aus Gold bestanden. Zudem gab es ein großes Glasfenster und wie der Zufall es wollte, befand es sich in der richtigen Ausrichtung, um die Morgensonne hereinzulassen. Wirklich ein bemerkenswerter Zufall, wenn man bedachte, dass die Stadt Goldia noch vor einem Tag komplett unter der Erde gelegen hatte und nur wegen der mächtigen Magie das Flammenden Prinzen, die den halben Berg wegsprengt hatte, ans Tageslicht gekommen war. Es würde vermutlich lange dauern, bis die Zwerge sich an die Sonne gewöhnen konnten.

    Lautes Klopfen riss Erwin aus seinen Gedanken und eine sanfte Stimme ertönte: „Ich bin es, April."

    Erwin ging zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand April, die Wassermagierin, die sichtlich erleichtert aussah. „Guten Morgen, April."

    „Guten Morgen, Erwin. Ist mit dir alles in Ordnung? Ich habe dich schreien gehört", fragte April besorgt.

    „Ähm, ja, ich hatte einen Albtraum. Kein Wunder, wenn man bedenkt, was wir so alles durchmachen mussten. Tut mir leid, falls ich dich erschreckt habe."

    „Ist schon in Ordnung." April sah Erwin an und dieser erwiderte den Blick.

    Es entstand eine peinliche Pause. April wusste, dass Erwin etwas belastete, was mehr war als nur ein Albtraum, und Erwin ahnte, dass April es wusste.

    Die Wassermagierin brach das Schweigen und sprach weiter: „Ich habe dir eine neue Robe mitgebracht", wobei sie Erwin eine schneeweiße Robe reichte.

    Erwin nahm sie entgegen und bemerkte: „Danke. Dann fiel sein Blick auf ein Zeichen auf der Rückseite: eine Sonne, die von einem Ring umgeben war. „Das ist ja die Robe eines vollwertigen Lichtmagiers, stellte Erwin erstaunt fest.

    „Ja, diese Robe hat mir einer der Flüchtlinge gegeben. Er selbst ist auch ein Lichtmagier und bot mir diese Robe sofort an, als ich herumgefragt hatte."

    „Du hast für mich nach einer neuen Robe gesucht?", fragte Erwin teils erstaunt, teils gerührt.

    „Ja, die hast du dringend notwendig, wenn man dich so ansieht."

    Erwin blickte an sich herab und musste zugeben, dass dies noch untertrieben war. Die blaue Robe, die er von April in der Wüste bekommen hatte, war mehr zerrissen als heil und zudem nicht mehr blau, sondern bräunlich, was dem vergossenen, inzwischen getrockneten Blut, teils von Erwins Feinden, teils von ihm selbst, zu verdanken war. Die alte Robe sah so aus, wie sich Erwins Seele anfühlte. Nichts war mehr von seiner Naivität übrig geblieben, stattdessen war seine Seele von dem, was er miterleben musste, zerkratzt und verunreinigt. Es war schwer vorstellbar, dass Erwins altes Leben als Lehrling an der Akademie des Lichts erst vor zwei Wochen geendet hatte.

    „Danke, April. Eine neue Robe ist genau das, was ich jetzt brauche."

    April lächelte und zog sich dann zurück, damit Erwin sich umziehen konnte.

    „Warte, April! Was ist eigentlich mit deiner Mutter?"

    Aprils Mutter Neptunia war nach der Schlacht verschwunden, doch April konnte jetzt Entwarnung geben: „Meine Mutter ist noch gestern Abend wieder aufgetaucht. Das Kämpfen hatte sie sehr erschöpft, weshalb sie vorübergehend ohnmächtig in einer Gasse lag. Dann aber hat sie sich zur Zitadelle geschleppt, wo wir sie gefunden und sofort ins Bett gesteckt haben. Sie schläft noch immer und sollte am besten nicht geweckt werden."

    „Vorsicht, die Natter wacht auf", vernahm die Silberne Natter.

    „Bleib cool, Kumpel. Diese Stahlfesseln, mit der wir sie am Bett fixiert haben, könnte nicht mal ein Kampfroboter brechen", versuchte eine zweite Stimme zu beruhigen.

    „Der Roboter mit den Augen bestimmt schon", erwiderte die erste Stimme skeptisch.

    Zuerst war die Sicht der Natter verschwommen, doch allmählich wurde alles wieder klar. Sie starrte an eine steinerne Decke, bis sie den Kopf drehte und bemerkte, dass sie sich in einem rustikalen Bett befand, welches aus Holzplanken bestand und eine Strohmatte besaß, soweit sie es fühlen konnte. Die Fesseln waren tatsächlich aus Stahlbändern und somit selbst für sie nicht zu brechen. Sie reckte weiter ihren Kopf und konnte nun die beiden Besitzer der Stimmen erblicken und gleichzeitig erkennen, dass sie sich in der Zelle eines Verlieses befand. Vor den Gitterstäben standen zwei menschliche Soldaten. Der eine, der zuerst gesprochen hatte, schien einer arabischen Familie zu entstammen, während der zweite eindeutig asiatische Vorfahren hatte.

    „Ich meine, hast du dieses … Ding gesehen?", setzte der Araber wieder an.

    „Ja, zugegeben, der ist unheimlich. Und damit meine ich nicht die Toten, die er in der Forschungsstation hinterlassen hatte. Ich habe ihn kurz nach der Schlacht gesehen. Er hat geblutet. Sandfarbenes Blut tropfte aus den Ritzen seiner Panzerung. Und dann erst diese Augen!", fügte der Asiate hinzu.

    „Als wäre er keine Maschine mehr", befürchtete der Araber.

    „Was aber dann?", fragte der Asiate.

    Plötzlich hörten sie ein Geräusch und zuckten zusammen. Es war das typische Surren von Robotergelenken. „Meine Herren, ich wurde zu Ihnen geschickt, um Ihnen bei der Bewachung der Gefangenen zu helfen."

    Die Natter sah den beiden Soldaten die Erleichterung an, die sie verspürten, nachdem sie sahen, dass es nur ein kleiner Delta-Gatling-Roboter war, der die Steintreppe herunterkam. Dieser vierbeinige Spinnenroboter war nicht länger als einen Meter und trug auf seinem Rücken eine einzelne Gatling. Er wurde hauptsächlich für Wachdienste und Patrouillen innerhalb von Gebäuden eingesetzt.

    „Verdammt noch mal, schleich dich nicht an, Robot", fauchte der Asiate den Roboter an.

    „Entschuldigung, Herr. Das wird nicht wieder vorkommen", entschuldigte sich der Roboter.

    „Das will ich auch hoffen, setzte der Araber hinzu. Dann wendete er sich der Treppe zu, die nach oben in die Zitadelle führte. „Ihr beiden passt weiter auf die Natter auf. Ich gehe mal kurz nach oben und sage Bescheid, dass unsere kleine Schlange hier aufgewacht ist.

    Die Natter überlegte kurz, ob sich jetzt vielleicht eine Gelegenheit bot, ihre Bewacher zu überlisten und zu fliehen. Doch sie verwarf alle Fluchtpläne. Die Wache schien sehr gut über sie informiert zu sein, sodass sie nicht einmal im Traum daran denken würde, ihr die Fesseln abzunehmen. Sie musste erst auf eine günstige Gelegenheit für die Flucht warten, bevor sie sich wieder auf ihren Auftrag konzentrieren konnte.

    Während die Natter sich den Kopf darüber zerbrach, wie sie ihre eingeschränkte Bewegungsfreiheit wieder entfesseln konnte, musste ein anderer Delta-Gatling-Roboter die Erfahrung machen, dass es keine gute Idee war, einem Ork auf den Fuß zu treten.

    „Sie können doch nicht einfach so einen 50.000 Kolonialdollar teuren Roboter gegen die Wand treten, Herr!"

    „Nun, dass deine … Eisenspinne jetzt zerschmettert an der Wand liegt, scheint aber das Gegenteil zu beweisen", erwiderte Janok gereizt.

    „Janok, du solltest dich entschuldigen", ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm.

    „Bei wem ich mich entschuldige, entscheide immer noch ich, kein anderer, erst recht keine Tarborianerin, erwiderte Janok scharf. Doch dann wandte er sich dem menschlichen Techniker zu und entschuldigte sich: „Es war keine Absicht. Ich bog gerade um diese Ecke, als Ihre Eisenspinne den Gang heruntergeflitzt kam und mir auf den Fuß trat. Da habe ich sie reflexmäßig weggetreten.

    Der Techniker seufzte: „Sie wären aber der Erste, der einen hundert Kilogramm schweren Roboter einfach so wegtritt. Wie soll ich meinem Vorgesetzten erklären, dass einer unserer Roboter nun Schrott ist, nachdem er Ihren Weg gekreuzt hat?"

    „Keine Sorge, er wird Ihnen glauben, da ich zufällig Zeuge dieses ungewöhnlichen Aufeinandertreffens wurde."

    Der Techniker sprang auf, drehte sich um und salutierte: „Herr Irving Anderson."

    „Bitte kein Salutieren vor mir. Ich bekleide offiziell keinen militärischen Rang mehr und stehe so als Zivilist vor Ihnen", bemerkte Irving.

    „Ich respektiere Sie auch nicht wegen irgendwelcher Titel, sondern wegen Ihrer Leistung in der gestrigen Schlacht."

    ‚Mit einem gigantischen Kampfläufer ist das auch kein Kunststück‘, dachte Irving missmutig, ließ sich aber nichts anmerken und sagte stattdessen: „Lassen Sie sich beim Aufsammeln der Bruchstücke nicht weiter stören." Dann wendete er sich an Janok und Schimascha, die hinter ihm standen.

    Weil man Irving während seiner Kindheit immer eingetrichtert hatte, dass die Neutralität und Isolation der Menschheit das Beste für die Urvölker Locondias sei, hätte er nie erwartet, einem Ork und einer Tarborianerin zu begegnen. Noch weniger aber, dass sich diese beiden an einem Ort befinden konnten, ohne sich gegenseitig an die Kehle zu springen. ‚Es sind seltsame Zeiten‘, dachte Irving, bevor er mit dem Gespräch begann: „Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Mein Name ist …"

    „Irving Anderson. Wir haben schließlich Ohren, kam ihm der Ork zuvor. „Ich bin Janok und die Tarborianerin heißt Schimascha.

    Irving musste sich daran gewöhnen, dass die Urvölker von Locondia meistens keine Nachnamen trugen, auch nicht in den vielbevölkerten Städten. Dafür geizte das einfache Volk nicht mit Zusätzen, die die besonderen Merkmale eines Individuums hervorhoben, während es bei den Höhergestellten Familiennamen gab. Ein Beispiel waren die Clans der Zwerge.

    „Irving reicht. Anderson ist der Name meiner Familie", klärte Irving auf.

    „Dann muss es ja eine bedeutende Familie sein", bemerkte Schimascha.

    Da es tatsächlich der Wahrheit entsprach, nickte Irving nur und versuchte nicht, das menschliche Konzept der Nachnamen zu erläutern. Stattdessen setzte er das Gespräch fort: „Ich muss zugeben, ich habe noch nicht völlig verstanden, was eigentlich in Locondia vor sich geht."

    Der Ork zuckte mit den Schultern: „Was gibt es da viel zu sagen? Die Schattenelfen haben mithilfe der Dämonen und, nehmen Sie es mir nicht übel, Ihrer Mitmenschen die Macht im Elfenreich an sich gerissen und drohen nun, ganz Locondia zu unterwerfen."

    „Und welche Rolle spielen die fünf ungleichen Reiter? Wer oder was sind die überhaupt?", fragte Irving.

    „Ich frage mich auch manchmal, was eigentlich von uns erwartet wird", murmelte Janok.

    Als auf Irvings Gesicht ein überraschter Ausdruck erschien, erklärte Schimascha: „Wir beide gehören zu den ungleichen Reitern. Und eigentlich kann ich Ihnen über uns nicht mehr sagen, außer dass wir von Erwin dem Sonnenelfen höchstpersönlich prophezeit wurden und jeder von uns einen ungewöhnlichen Kampfgefährten hat. Die dürften Ihnen garantiert schon aufgefallen sein."

    Irving nickte. Der Landtintenfisch, der schwarze Drache, der Albinoskorpion, der Basilisk und der Greif waren schwer zu übersehen.

    „Warum wir aber so bedeutend sein sollen und welche Rolle wir in diesem Geschehen spielen, kann keiner von uns sagen. Bei der Axt meines Vaters, ich weiß nicht mal, warum ich das Ganze überhaupt mitmache, statt die Sümpfe meiner Heimat zu durchstreifen", maulte Janok.

    „Wer gehört noch zu den Reitern?", fragte Irving weiter.

    „Nun, wie schon erwähnt, wären da ich und der Greif, begann Janok aufzuzählen. „Schimaschas Kampfgefährtin ist die weiße Goliathskorpionin Alba, dann wären da noch Erwin mit Debecia, dem weiblichen Riesentintenfisch, und Gribus, der Zwerg mit dem steinernen Gesicht. Der reitet Hämatit, den Grünzeug fressenden Drachen. Und zu guter Letzt GKR-3443 mit dem Basilisken Snake.

    Als der Ork GKR-3443 erwähnte, verhärteten sich Irvings Gesichtszüge. „Was genau hat dieser Roboter mit Euch zu tun, Ork?"

    Janok, völlig überrascht vom plötzlichen emotionalen Umschwung des Menschen, sah ihn an. „Was er mit mir zu tun hat? Er ist einer von uns und ich hatte schon das Vergnügen, an seiner Seite zu kämpfen. Zugegeben, er ist mir etwas unheimlich, so als Maschine, doch eigentlich ganz in Ordnung."

    „In Ordnung?, fauchte ihn Irving an und Kristalle brachen aus seinen Schultern hervor. „Er ist ein Roboter mit einem gravierend tödlichen Defekt. Er hat mehrere gute Männer und Frauen auf dem Gewissen. Jetzt muss ich mir anhören, dass er ein legendärer Reiter sein soll, dessen Kommen seit Jahrhunderten prophezeit und erwartet wurde?!

    Weder Janok noch Schimascha wussten, wie sie auf diesen Ausbruch reagieren sollten.

    „Falls du Probleme mit mir hast, solltest du mir das ins Gesicht sagen, statt hinter meinem Rücken zu hetzen."

    Diese halb digitale, halb lebendige Stimme jagte Irving einen eiskalten Schauer über den Rücken. Er drehte sich um und sah GKR-3443 in die Augen. Am liebsten hätte der Mensch mit seiner Magie dem Elektro-Cyborg den Stahlschädel mitsamt diesen unnatürlichen Augen weggeblasen, doch er riss sich zusammen. Für den Moment.

    Der Roboter starrte ihn an und wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. GKR-3443 war einerseits wütend darüber, wie dieser kümmerliche Mensch auf ihn herabschaute, so wie es alle Menschen mit Robotern taten. Doch gleichzeitig konnte er dessen Wut verstehen. An dem Metall, aus dem er bestand, klebte Blut. Und nicht gerade wenig.

    Zum Glück kam in diesem Moment Gribus um die Ecke, erblickte erstaunt das Grüppchen vor sich, erfasste die Lage blitzschnell und entschärfte sie, indem er einfach sagte: „Was auch immer ihr gerade machen wolltet, es muss warten. Wir alle werden nämlich im großen Saal erwartet."

    Tatsächlich gab es genug Gründe, sich an einen großen Tisch zu setzen und offene Fragen zu beantworten. Zum Beispiel die, warum ein Teil der Menschen auf einmal hier war und die Stadt gegen die Dämonen verteidigt hatte, während der andere Teil genau mit diesen verbündet war. Zudem gab es noch das Problem, dass Goldia und alle anderen Städte des Clans des Silbernen Hammers nun führungslos waren, da mit Theron der letzte Clanangehörige verstorben war. Die Clanlinie, die häufiger mit Todesfällen bestraft als mit Zuwächsen gesegnet gewesen war, befand sich am Ende. Glücklicherweise aber hatte Theron mehrere Berater, die die Regierungsgeschäfte übernehmen konnten. Trotzdem bedurfte es eines neuen Königs, bevor das Volk unruhig wurde.

    Im Saal der Goldenen Zitadelle stand vor dem Thron ein großer, langer Tisch, an dem sich mehrere Personen versammelt hatten. Neben den bereits erwähnten Beratern des toten Königs befanden sich als elfische Vertreter König Maximilian der Vierte und sein Bruder Monarchius am Tisch, während der grimmige Kommandant Dillingham als Vertreter der Menschen anwesend war. Man sah ihm an, dass er sich unwohl unter den „Nichtmenschen" fühlte. Kein Wunder, schließlich war er ein überzeugter Prohumanist, also ein Anhänger von politischen Lehren, welche den Menschen als anderen intelligenten Wesen überlegen ansahen. Zu guter Letzt befanden sich noch die fünf Kampfgefährten der Reiter im Saal, welcher groß genug für sie war, ohne dass es eng wurde. Alle warteten auf die Letzten, welche kurz darauf eintrafen.

    Von der rechten großen Treppe, die ins Innere der Zitadelle führte, kam die kunterbunte Fünfergruppe, während Erwin und April die linke hinabschritten. Wortlos setzten sich die Dazugekommenen an den Tisch, außer GKR-3443 natürlich. Abgesehen davon, dass sein massiver Roboterkörper nicht darauf ausgelegt war, eine Sitzposition einzunehmen, besaßen die Zwerge keinen Stuhl, der das Gewicht des Roboters hätte aushalten können. Also stand er am Tisch. Die Reiter, die Vertreter der Elfen und Menschen sowie die zwergischen Berater saßen an den beiden länglichen Seiten des Tisches verteilt, während an der dem Thron zugwandten kurzen Seite ein einzelner Zwerg saß, der sich sogleich von seinem Stuhl erhob. Er war mit einer blausilbernen Robe, die das hervorstechende Bild des Silbernen Hammers trug, bekleidet. Da die anderen Berater nur gewöhnliche Stoffroben trugen, war es für jeden ersichtlich, dass dieser Zwerg der oberste Berater sein musste.

    Der Zwerg begann zu reden: „Ich danke Ihnen, dass Sie sich hier versammelt haben. Da die gestrige Schlacht ein gewaltiges Chaos sowohl in der Stadt als auch in unserer Gesellschaft hinterlassen hat und es zudem einige Unklarheiten gibt, was hier los ist, der Zwerg sah zu den beiden Menschen hinüber, „ist es dringend erforderlich, diese offenen Fragen zu beantworten. Doch zuerst will ich mich im Namen aller Bewohner dieser Stadt bei unseren Elfenfreunden, bei den fünf ungleichen Reitern und bei den Menschen, die uns überraschenderweise beigestanden haben, bedanken: Danke.

    Während alle, auch Irving, den Dank gern annahmen, blieb Dillinghams Gesicht, aus dem schon die gesamte Zeit über die Verachtung heraustropfte, unbewegt. Der Zwerg sah oder beachtete es nicht, als er sich den Menschen direkt zuwandte und weitersprach: „Ich bin Tropandus, der oberste Berater des verblichenen Königs. Somit wären wir aber schon bei einer der wichtigsten Fragen. Es sind Gerüchte im Umlauf, dass Sie sich mit den Dämonen verbündet hätten, was aber wohl durch Ihr Eingreifen in die gestrige Schlacht als eindeutig widerlegt angesehen werden kann."

    Dillingham schüttelte den Kopf und begann zu erklären: „Das stimmt nur zur Hälfte. Tatsächlich haben auch wir Verräter in unseren Reihen. Sein Gesicht verkrampfte sich. „Unser … Reich ist gespaltet: Wir gegen die Dämonenanhänger.

    „Wie ist es dazu gekommen?", fragte Erwin subtil anklagend.

    Dillingham sah ihn scharf über den Tisch hinweg an: „Das müsstet ihr Elfen doch wohl am besten wissen."

    Monarchius seufzte: „Also seid ihr Menschen ebenfalls vor der Versuchung schneller Macht nicht gefeit."

    „Ja, die dunkle Seite der Macht hatte schon immer eine anziehende Wirkung", murmelte Irving.

    „Wie bitte?", fragte Schimascha nach.

    „Nichts", war die hastige Antwort.

    „Doch wie ist denn nun die genaue Lage bei euch Menschen?", hakte Janok nach.

    „Das geht dich nichts an, Ork, erwiderte Dillingham unerbittlich und packte dabei so viel Verachtung in die einzelne Silbe des Wortes „Ork, dass die Menge für eine gesamte Hetzschrift ausgereicht hätte.

    Dies blieb dem Ork nicht verborgen und er reagierte verärgert darauf: „Sie mögen keine Orks, wie?"

    „Ich mag keine Nichtmenschen, doch das steht nicht zur Debatte."

    Der schnelle Tritt gegen das Schienbein, den Irving Dillingham verpasste, erfolgte nicht schnell genug. Das Wort „Nichtmensch entschlüpfte rasch dessen Mund und breitete sich wie ein eisiger Nebel im Saal aus. Deshalb legte Irving seine Hand auf die Schulter des Kommandanten und flüsterte ihm eindringlich ins Ohr: „Gehen Sie jetzt besser raus, Herr Kommandant. In die Worte „Herr Kommandant packte Irving genauso viel Verachtung, wie es Dillingham bei dem Wort „Ork getan hatte.

    Der Kommandant sah ihn wütend an, schien aber dann zu beschließen, eine Konfrontation hinauszuschieben und wortlos den Saal zu verlassen.

    Irving blickte peinlich berührt in die Runde und sah in mehrere entgleiste Gesichter. Es galt unter allen Regierenden Locondias als Eklat, Rassismus bei politischen Sitzungen offen zu zeigen. Genau genommen war dies der schlimmste Eklat, den man sich leisten konnte. Und das wusste Irving: „Ich würde ja gern für das Verhalten des Kommandanten um Entschuldigung bitten. Doch so ein Verhalten kann man nicht entschuldigen."

    „Wir nehmen Ihre Entschuldigung trotzdem an, sagte Tropandus und die anderen Teilnehmer nickten. Damit war die peinliche Situation erst einmal vom Tisch und Tropandus verlangte, bevor er zum nächsten Punkt kam, nur: „Ich muss aber darauf bestehen, dass Ihr Vorgesetzter nicht mehr an unseren Versammlungen teilnimmt.

    Irving nickte. Das war ihm auch lieber so. Dillingham mochte zwar ein guter Kommandant sein, seine Abneigung gegenüber Nichtmenschen war jedoch erstaunlich stark. Irving hätte nicht gedacht, dass ein Kommandant sich nicht zusammenreißen konnte, wie man es von einem hochgestellten Armeeangehörigen erwarten würde. Er verscheuchte seine Gedanken um Dillingham und konzentrierte sich wieder auf Tropandus, der den nächsten Punkt ansprach.

    „Ein zweites Problem besteht darin, dass Goldia ohne König ist und dass es keinen direkten Thronerben gibt. Das wird zu Spannungen führen."

    „Spannungen mit wem?", fragte Janok.

    „Natürlich mit unseren reizenden Nachbarn, polterte einer der anderen zwergischen Berater dazwischen und sein Tonfall ließ erahnen, dass er nicht viel von seinen „reizenden Nachbarn hielt. „Da unsere Adligen immer nur jene ihres Standes geheiratet haben, ist so gut wie jeder Clan mit jedem anderen verwandt. Das heißt, jedes Königshaus der drei anderen Reiche kann und wird Ansprüche auf den Thron geltend machen, um das Reich des Silbernen Hammers dem eigenen einzuverleiben."

    „Ich ahne, was das bedeutet", murmelte Gribus und sprach damit aus, was alle dachten.

    Tropandus nickte: „Der allgemeine Waffenstillstand, den wir optimistisch als ein Bündnis der Reiche bezeichnen, wird aufgehoben werden und ein zweiter Bürgerkrieg wird Einzug in dieses Reich halten. Das ist so schon schlimm genug, da sich jetzt aber die Dämonen erheben, käme dies einem Todesurteil gleich. Ein zersplittertes, sich selbst bekämpfendes Reich wäre für die Dämonen ein leichtes Spiel. Auch mit einem König wird es schon schwierig genug sein, die anderen Königshäuser zu überzeugen, sich mit uns zu verbünden."

    „Moment mal, das klingt aber so, als hätten Sie bereits eine Lösung für unser Königsproblem", bemerkte Gribus.

    „Nun, zumindest eine Idee. Wir, also ich und meine Untergebenen, haben uns überlegt …"

    Tropandus konnte den Satz nicht beenden, denn in diesem Moment ertönte ein schriller Ton, woraufhin Irving einen kleinen Kommunikator aus seiner Jackentasche zog, sich diesen ans Ohr hielt und ungehalten hineinsprach: „Ja, was ist? Fassen Sie sich kurz, ich bin hier in einer wichtigen Besprechung!" Der Anrufer tat, wie befohlen, denn nur wenige Sekunden später sprang Irving vom Stuhl auf.

    „Ist irgendwas?", wollte Tropandus wissen, dem anzumerken war, dass ihm diese unhöfliche Unterbrechung nicht gefiel.

    „Bei unseren Sanitätszelten vor der Stadt hat sich eine wütende Menge gebildet und versucht, Zugang zu erlangen. Noch hält sie sich zurück. Doch die Situation droht zu kippen", antwortete Irving.

    „Warum sollten unsere Leute Ihre Sanitätszelte belagern?", fragte Monarchius beunruhigt.

    Irving schluckte kurz, entschloss sich dann aber, es zu offenbaren: „Es ist durchgesickert, dass wir einige Dämonen in unseren Sanitätszelten behandeln."

    Die Volksseele kochte. Gut eintausend Zwerge und Elfen hatten sich auf der Ebene vor der Stadt versammelt und standen nun laut protestierend vor den großen, grünen Sanitätszelten mit den roten Kreuzen, in denen Sanitäter trotz der Unruhe immer noch um die Leben ihrer Patienten kämpften. Nur eine Reihe von Soldaten, die mit großen Schilden, Schlagstöcken und Tränengasgranaten bewaffnet waren, versuchte die Menge zurückzuhalten. Unterstützt wurden die Soldaten von mehreren BPRs, Beta-Polizei-Robotern, die mit jeweils zwei Wasserwerfern bewaffnet und so ideal für das Ruhigstellen von aggressiven Mengen geeignet waren. Die Lage war angespannt und es kamen immer mehr Personen dazu, sodass die Menge stetig größer wurde.

    „Macht Platz! Die Reiter kommen!", schrie auf einmal eine zwergische Wache hinter der Menge. Diese reagierte sofort und öffnete eine große Schneise, die die fünf ungleichen Reiter und die anderen Teilnehmer der Versammlung passieren konnten. Flankiert wurde die Gruppe von den Zwergenwächtern der Stadt, doch eigentlich waren sie in diesem Moment überflüssig. Die Wut richtete sich nicht gegen die Reiter. Vielmehr hegten die meisten die Hoffnung, dass die Reiter jetzt zum Angriff auf die Zelte blasen würden. Doch das taten sie nicht. Stattdessen baute sich Irving, von den wüsten Beschimpfungen der Menge attackiert, demonstrativ vor der Soldatenlinie auf.

    Erwin forderte ihn auf: „Erklärt Euch! Ist es wahr, dass Ihr Dämonen Zuflucht gewährt?"

    „Ja, es stimmt", sagte Irving schlicht.

    Erwin starrte ihn an und schien auf eine Erklärung zu warten. Als der Elf merkte, dass Irving unaufgefordert keine geben würde, fragte er nach: „Und warum? Sie sind unsere Feinde. Sie müssen ausgelöscht werden." Ein gewisser Ton, der eine drohende Eskalation ankündigte, schwang mit.

    „Sie sind unsere Gefangenen, gab Irving scharf zurück, „und als solche haben sie das Recht auf eine angemessene Behandlung.

    „Recht auf eine angemessene Behandlung? Ich glaube, Dämonen kennen weder das Wort ‚Recht‘ noch dessen großen Bruder ‚Gerechtigkeit‘", warf Janok trocken ein.

    Erwin wurde sichtbar wütend: „Das ist ein Schlag in das Gesicht eines jeden, der gegen die Dämonen gekämpft hat. In das Gesicht eines jeden, der gesehen hat, wie seine Freunde und Verwandten von den Dämonen niedergemetzelt wurden. Die Dämonen kennen keine Gnade und verdienen keine."

    „Nur weil unsere Feinde Bestien sind, sollen wir es ihnen gleichtun?", fragte Irving, worauf Erwin kurz stockte.

    „Wir sind und wir werden keine Bestien, nur weil wir Bestien ausmerzen. Unsere Welt war ein friedvoller Ort, bevor sie kamen und die Herzen unserer Brüder und Schwestern vergifteten. Sie sind der Grund allen Leids auf dieser Welt", erwiderte Erwin. Zustimmende Rufe kamen aus der Menge, durch welche Erwin weiter angestachelt wurde.

    Irving spürte, wie er die Kontrolle über die Lage verlor. Doch er durfte nicht nachgeben. Wenn man seine Grundsätze verrät, egal wie gut der Grund dafür ist, wie kann man dann noch an sich selbst glauben? Irving würde jedenfalls kein Massaker zulassen. ‚Was für ein Glück, dass Dillingham nicht hier ist‘, dachte Irving. ‚Er hätte sich garantiert von seiner Ablehnung leiten lassen und entweder die Dämonen der Menge zum Fraß vorgeworfen oder harte Abwehrmaßnahmen befohlen. Die ohnehin schon angeknackste Beziehung zwischen den Menschen und den Urvölkern wäre völlig ruiniert, wenn die Menge mit Tränengas und Wasser überschüttet werden würde.‘

    Irving sah Erwin an und sagte schließlich: „Na gut."

    Erwin entspannte sich sichtlich und lächelte: „Ich hatte gehofft, dass Ihr vernünftig werden würdet."

    „Lasst mich aussprechen, fiel Irving ihm ins Wort. „Ja, ich bin vernünftig. Ich habe erkannt, dass unsere Grundsätze nicht mit den Ihrigen vereinbar sind. Also werden wir mit unseren Gefangenen gehen.

    Todesstille und erstarrte Gesichter. Der letzte Satz traf alle, selbst die Menschen, mit so einer Wucht, die selbst der Faustschlag eines Zyklopen nicht hätte haben können. Einer der Soldaten löste sich aus der Reihe und während sich die Lücke hinter ihm sofort schloss, trat er an Irving heran und fragte ihn, in sein Ohr flüsternd: „Herr Anderson, sind Sie sich sicher? Kommandant Dillingham wird es gar nicht gefallen, wenn Sie hinter seinem Rücken solche Entscheidungen treffen."

    „Seien Sie still, zischte Irving, „und vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue. Der Soldat schwieg und zog sich in die Reihe zurück.

    Nun blickte Irving nach hinten: „Worauf wartet ihr? Ich sagte, wir gehen. Macht unsere Verletzten und die Gefangenen transportbereit! Ich will, dass wir innerhalb eines Tages verschwunden sind!" Er wartete nicht auf die Reaktion der Soldaten, sondern untermalte seine Entscheidung, indem er auf die Reihe zuschritt. Die Soldaten wichen zurück und machten Platz, weil sie nicht wussten, wie sie sich verhalten sollten.

    „Warten Sie! Das können Sie nicht machen!"

    Irving drehte sich um und tat so, als wäre er überrascht. Dabei war genau das passiert, was er sich erhofft hatte. Tropandus rannte auf ihn zu und fiel auf die Knie.

    „Bitte gehen Sie nicht. Ohne Sie ist die Stadt ein gefundenes Fressen für all unsere Feinde. Egal ob Zwerg, Schattenelf oder Dämon, jeder Feind würde ein leichtes Ziel vorfinden. Der Zwerg blickte demütig zu Boden. „Die Dämonen haben unsere Mauer eingerissen, unsere tapferen Soldaten getötet oder verletzt und unseren Kampfwillen gebrochen. Bitte! Wir brauchen Sie!

    Wieder angespannte Stille. Dann ein Wutschrei. „Was soll das? Es war Erwin, der wie ein Blitz auf den Zwerg und den Menschen zuraste. „Warum werft Ihr Euren Stolz für diese Verräter weg?! Das letzte Wort zog er in die Länge, während er in die Luft sprang und sich mit wutverzerrter Miene den beiden näherte. Seine Hände glühten wie zwei kleine Sonnen auf und jedem wurde mit Schrecken klar, dass gleich ein Unglück passieren würde.

    Plötzlich raste eine grüne Faust heran. Sie traf Erwins linke Gesichtshälfte und veränderte so seine Bahn. Genau genommen ging er augenblicklich zu Boden und flog nicht einmal einen halben Meter weit. Beim Aufprall grub Erwin seine Hände in das harte Gestein, das sofort von der Lichtenergie geschmolzen wurde. Der gesamte Granit in einem Umkreis von einem Meter um Erwin herum zerfloss.

    Ein Aufschrei des furchtsamen Erstaunens ging durch die Menge. Nur Janok blieb unbeeindruckt. Kein Wunder, schließlich kochte er vor Wut. Man sah ihm an, dass er sich nur mit Mühe davon abhalten konnte, in die Raserei zu verfallen. „Bist du völlig verrückt geworden, Erwin?, schrie er. „Was ist mit dir los?

    Doch Erwin hörte ihn nicht. Er kniete nur im flüssigen Gestein, das nicht einmal sein Gewand ansengte, geschweige denn ihn. Und die Stimme war wieder da.

    Na, na, na. So was lässt du dir doch nicht bieten.

    „Nein, das tue ich nicht", flüsterte Erwin.

    Gut, endlich wirst du vernünftig. Zerschmettere ihn!

    Erwin stand auf und ballte seine Hände zu Fäusten. Dann sprach er mit unheimlich tiefer Stimme: „Dieser Schlag war dein letzter, Ork." Seine Hände begannen zu glühen, als Lichtenergie in sie hineinfloss. Doch Erwin ließ sie nicht frei.

    „Erwin, beruhige dich, verdammte Axt! Was soll das denn werden?", rief Janok ihm zu.

    „Das wirst du sehen, Ork." Immer mehr Licht floss in die Hände, doch es konnte nicht ausströmen, also musste es sich enger zusammenpressen. Das Licht wurde fester und nahm Formen an, die sich um die Hände schmiegten.

    „Nein, das kann nicht sein", keuchte Monarchius.

    Dann zeigten sich Erwins neue Waffen vollendet. Um seine Hände hatten sich Klingen gebildet. Sie waren einen halben Meter lang und bestanden aus purem Licht.

    „Das kann nicht sein, keuchte Monarchius erneut. „Das hat noch niemand geschafft.

    „Was hat noch niemand geschafft?", fragte Schimascha und Nervosität schwang in ihrer Stimme mit.

    „Dem Licht eine feste Gestalt zu geben. Licht ist eine Energie und es ist schon unglaublich schwer, sie in ihre flüssige Form, das Lichtensa, zu bringen. Eine feste Form ist eigentlich unmöglich", erklärte Maximilian hektisch und aufgewühlt, während Erwin einfach nur dastand.

    Doch dann schnellte der Reiter nach vorn und schlug mit der linken Klinge nach dem Ork, der sich zwischen ihn und die Menge gestellt hatte. Ein schriller Laut hallte über die Ebene, als Janok den Angriff blitzschnell mit einem seiner Schwerter abwehrte. Auch den zweiten Schlag konnte der Ork abblocken. Doch Erwin hatte gerade erst angefangen. Jedem Hieb folgte ein weiterer. Es war ein wahrer Klingensturm, den Erwin entfesselte, aber Janok konnte diesem problemlos standhalten.

    ‚Jetzt dreht er völlig durch‘, dachte Janok. ‚Ich muss den Kampf beenden, bevor einer von uns verletzt wird.‘ Nur hatte Janok das Problem, dass Erwin diese Bedenken nicht teilte. Es war eindeutig, dass der Elf ihn töten oder zumindest verletzen wollte.

    Einige der menschlichen Soldaten und zwergischen Wächter wollten eingreifen, doch sie wurden von ihren Befehlshabern zurückgehalten. Dieser Klingensturm hätte sie blitzschnell in ihre Einzelteile zerlegt. Erwins wilde Schnelligkeit, die ständig zunahm, war erstaunlich. Obwohl Janok sich einzig und allein auf die Verteidigung konzentrierte, vermochte er nur mit Mühe und Not, die Schläge abzuwehren.

    „Erwin, komm wieder zu …" Janok konnte den Satz nicht beenden. Es ertönte ein grässliches Knacken, als eins von Janoks Schwertern brach. Erwins Klinge hatte es zerschmettert. Jeden Schwertkämpfer hätte der plötzliche Verlust eines Schwertes so sehr überrascht, dass eine Lücke in seine Verteidigung gerissen worden wäre. Doch Janok war nicht jeder. Augenblicklich erfasste sein Verstand die Situation und blitzschnell ließ Janok das verbliebene Schwert herumwirbeln, sodass er Erwins Angriffe weiterhin abwehren konnte. Die Menge staunte über diese meisterhaften Schwertkünste.

    Doch leider folgte das zweite Schwert dem Beispiel des ersten. Wieder ein fürchterliches Knacken und nun verblieb Janok keine Waffe mehr. Dies nutzte Erwin sofort aus und er ließ seine Klingen wie einen Hurrikan über den Brustpanzer von Janoks Rüstung toben. Janok schrie auf und ein Schwall aus Blut und Eisensplittern flog von dem Ork weg. Erwin jagte seine Klingen immer wieder in Janoks Brust hinein, sodass er Ströme an Blut und Fleisch entfesselte. Der Ork konnte nichts machen. Er war im Klingensturm gefangen.

    „Schluss damit!" Endlich hatte sich jemand aus der Schockstarre lösen können. Es war Irving, der einen Schattenblitz entfesselte. Erwin sah nicht einmal hin,

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