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Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi: Reanimo, Band 2
Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi: Reanimo, Band 2
Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi: Reanimo, Band 2
Ebook200 pages2 hours

Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi: Reanimo, Band 2

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Band 2 der turbulenten Komödie rund um die berühmteste Gletschermumie der Welt: Das sympathische Männerquartett Ötzi, Charly, Dimitri und der Pathologe sind wieder unterwegs, sorgen für allerlei Missverständnisse, tappen in Fettnäpfchen und unterhalten mit komischen Dialogen.
Eine witzige Screwballkomödie mit Ötzi als charismatischen Anführer.
LanguageDeutsch
Release dateMar 5, 2018
ISBN9788872836446
Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi: Reanimo, Band 2

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    Book preview

    Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi - Gernot Werner Gruber

    Preis.

    Teil 1:

    Das Alpha

    1 Bruder Luh

    „Du hast das Ave-Maria heute wieder wunderbar gesungen, Bruder Karl", sagte der Abt süßlich. Charly Weger hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass man ihn hier im Kloster bei seinem Taufnamen rief. Das war zuletzt in der Pflichtschule so gewesen. Was wiederum viel zu lange her war, um sich zu erinnern. Gerade bei jemandem wie Charly Weger, der es seit einiger Zeit ganz und gar nicht mehr so recht mit dem Erinnern hatte. Aber der Freund an seiner Seite, den alle Bruder Luh An nannten, half ihm auch dieses Mal.

    „Schönes Ave", sagte sein Kumpan und klopfte ihm zwischen die Beine.

    Charly Weger stoppte seinen Löffel kurz vor dem Mund, schluckte langsam und murmelte gelangweilt ein „Des Herrn Dank ist das spärliche Brot des armen Mannes" in die Runde. Seine Worte zauberten den bärtigen Patres an der langen Tafel ein Lächeln ins Gesicht. Zu mehr Ablenkung von der Ursuppe war Charly im Moment aber nicht bereit.

    „Ihr seid heute genau ein halbes Jahr bei uns!" Der Abt gab nicht auf. Er wollte die beiden Klosterbrüder, die aus der Menge der übrigen Klosterbrüder durch das Fehlen eines Bartes herausstachen, in ein Gespräch verwickeln.

    „Auch wenn man die Zeit halbiert, vergeht sie trotzdem", sagte Charly Wegers Freund. Niemand ahnte, welch stolzes Alter er und seine Weisheiten in sich trugen.

    5.300 Jahre war ein unglaubliches Alter und eine imposante Zahl. Fast genauso viele Sprüche und Aphorismen hatten die Mitbrüder in den letzten Monaten aufgeschrieben. Die Sprüche waren im Klosteralltag willkommen, um die monotonen Wiederholungen der schon zu oft gehörten Bibelverse durch völlig neue Perspektiven zu unterbrechen.

    Darüber, dass Bruder Luh freiwillig den Kochdienst übernommen hatte, weil er die Speisen von Bruder Wilfried so gar nicht mochte, waren die anderen ordentlichen Ordensbrüder unendlich seelenfroh. Das lag nicht nur daran, dass Bruder Luh eine kleine, leise Revolution angezettelt hatte, die damit endete, dass der Abt eine Festanstellung als Abräumer, Abwäscher und Küchenputzfrau erhielt, sondern wohl auch an der täglichen Vorspeise. Die Ursuppe hatte es in sich. Bei den Zutaten vertraute Luh An, die ehemalige Gletscherleiche, auf jahrtausendealtes Wissen.

    Da war zunächst die Prunkrinde, die er zwischen zwei Steinen zermalmte und in die Suppe gab. Hinzu kam ein dunkler Saft von einer Konsistenz, wie man sie heute von altem Balsamico kennt. Der Sirup bestand aber aus Katzenminze, Eibennadeln, Wermut, Beifuß und Engelswurz. Besenginster und Schlafmohn machten die Suppe zu etwas Besonderem. Zu guter Letzt rührte Luh noch Stinklattich hinein und würzte mit Muskat und Habichtskraut. Es war eine Fülle an halluzinogener Botanik, die er mit seinem Gehilfen in den Wäldern rund um das Kloster sammelte. Charly Weger war sehr talentiert, um Luh An beim Aufspüren zu helfen. Das müsse wohl daher kommen, dass er früher schon beruflich einmal irgendetwas mit Schnüffeln gemacht hatte, war Charly überzeugt. „Was genau, weiß der …", grummelte er vor sich.

    Luh wollte wissen wer.

    „So ein Dingstier zum Fliegen …, erwiderte Charly. „Weiß der Geier, wie das heißt!

    Luh runzelte die Stirn und führte die Suche nach den Pflanzen für die Ursuppe fort. Denn die Jahreszeit war gut für die Spezialzutat. Und nach der schnüffelte Charly Weger in der Tat wie eine Trüffelsau. In kurzer Zeit fand er ausreichend Glücksbringerpilze. Luh An war hochzufrieden. Aber selbst ohne Spezialzutat herrschte in den Nachmittagsstunden im Kloster immer eine wunderbare Stimmung wie seit Jahrhunderten nicht mehr.

    Bruder Luh war ein Meister der Bibelinterpretation, obwohl er dieses Schriftstück anfangs gar nicht kannte. Es war einfach zu neu. Nicht aus seiner Zeit. Die Bibelnachmittage liefen immer nach einem ähnlichen Muster ab. Wenn der letzte Bruder seinen Löffel niederlegte und der Abt mit dem Abräumen begann, legte Bruder Leonhard Bruder Luh die Bibel hin. Charly Weger grinste derweil mit den anderen um die Wette, wegen der Erkenntnis, dass der Abt wohl vom Abräumen komme.

    Der jetzige Mönch Bruder Luh – und der im vorigen Leben als Gletscherleiche sehr berühmte Mann – öffnete das Buch der Bücher nach dem Zufallsprinzip. Er las einen oder zwei Verse und erklärte dann seinen Mitbrüdern, wie er die Dinge sah. Meist sehr praktisch, ohne viel philosophischen Schnickschnack auf den Punkt gebracht. Seine Weisheiten, die er ein paarmal wiederholte, wurden dann zu einem Mantra, das die Patres zunächst in den Bann zog. Dann in einen Sog und immer weiter hinein in eine innere Zufriedenheit, die ihre Augen nicht mehr in dieselbe Richtung schauen ließen und ihren Atem schwerer machten. Ihr Herzschlag wurde langsamer und schien zu schleichen. Bis schließlich nach kaum einer Viertelstunde ihre Köpfe nach hinten kippten. Ihre Münder öffneten sich, gleichzeitig schlossen sich ihre Augen. So ließen Charly Weger und Luh An die Patres im Speisezimmer an der großen Tafel zurück. Auch der Abt schlief regelmäßig auf die Küchentücher gebettet und zusammengekauert unter der großen Spüle.

    Luh An strotzte nach dem Essen nur so vor Kraft und Wissenshunger. Charly Weger hingegen hatte einen unbändigen Drang nach Ordnung. Er räumte dann das ganze Kloster auf und wusch die Wäsche für seine Mitbrüder oder machte sämtlichem Unkraut im Klostergarten den Garaus. Ihre Motivation lag bei beiden wohl an der Tatsache, dass Luh An aus einem Flachmann, den ein russischer Freund ihm beim Klostereintritt übergab, immer einige Tropfen in die Suppenteller gab, die vor Charly Weger und ihm standen. Die Kombination aus Ursuppe und dem russischen Serum hatte eine unglaubliche Wirkung auf die kognitive Fähigkeit der beiden.

    Luh An, der Mann aus dem Eis, stillte seinen Heißhunger nach Wissen seit einem halben Jahr in der Bibliothek des Klosters. Er war besonders talentiert im substanzgestützten Hochgeschwindigkeitslesen. Dabei nahm er ein Buch in die Hand, öffnete es und blickte auf einer Doppelseite nach links oben und dann nach rechts unten. Es sah so aus, als würde er nur schnell das Buch durchblättern. Während dieser intensiven Lesenachmittage hat der einstige Mensch aus der Kupferzeit über 3.000 Bücher verschlungen. Das ist sehr viel für jemanden, dessen Beruf die moderne Archäologie noch nicht einwandfrei bestätigen konnte. Die Wissenschaft konnte mit Sicherheit nur sagen, dass er lange Zeit einfach nur eine Gletscherleiche gewesen war. Unter den Werken, die Bruder Luh gelesen hatte, waren Werke von Thomas von Aquin, Pius mit irgendeiner römischen Ziffer, einem italienischen Adeligen namens Franziskus, Karl May, einige Schundromane in Heftform aus einer Burg, aber auch Il Decamerone und die Nibelungensaga. Aber auch das Autonomiestatut von Südtirol, vieles von Castaneda, Jack Berry und Edgar Wallace, die Bedienungsanleitung einer elektrischen Kettensäge, das I Ging, sämtliche Enzykliken aller möglichen Päpste, die Werke von Seneca, Platon und Aristoteles, abwechselnd dazu die 15 kompletten Jahrgänge der Zeitschrift Bravo. Dann war da noch das Tagebuch von Bruder Walter, der 1969 infolge eines LSD-Trips direkt von der Hippie-Kommune an der Côte d’Azur mit einem Citroën Méhari ins Kloster kam. Den Wagen hatte Charly Weger übrigens vor einigen Tagen in der Klosterscheune unter einer zentimeterdicken Staubschicht entdeckt und blitzblank poliert. Der Eismann las währenddessen das Handbuch dazu. Ebenso hatte sich Luh An in jede Menge Sekundärliteratur und Unmengen theologischer Abhandlungen vertieft. Alles, was man in einer Klosterbibliothek halt so fand.

    Abends, als die Mitbrüder langsam wieder in die Realität zurückfanden, waren sie stolz auf die rechtschaffen gemeisterte Bibelstunde und die geleistete Putz- und Gartenarbeit. Nicht weniger stolz war natürlich Charly Weger, der in diesen Tagen von der Putzfrau Reinhilde vom Fleck weg geheiratet worden wäre. Es blieb aber keine Zeit für Romantik. Bruder Luh und Bruder Karl machten sich wieder in die Küche auf, wärmten etwas Suppe mit einigen Beilagen auf und beglückten so die ganze Runde erneut. Nach einer kurzen Abendansprache des Gletschermannes kehrte bald Ruhe ein. Für alle außer ihm selbst. Er hatte noch sehr viel zum Lesen und zum Verstehen. Meist blieb er wach bis nach vier Uhr morgens.

    An einem Freitag im April um 6:04 Uhr morgens war es dann soweit. Bruder Luh wusste, dass nun der Tag gekommen war. Also bereitete er mit Charly Wegers Hilfe ein sagenhaftes Frühstück für die noch sehr schlaftrunkenen Patres zu. Die waren, einer nach dem anderen, verstört aus ihren Zellen gekrochen, weil Bruder Charly lauthals eine Heavy-Metal-Version von „Halleluja" durch das Kloster grölte. Irgendwie schien Bruder Charly die entscheidende Entwicklung dieses Tages intuitiv zu spüren, obwohl der Gletschermann seinen treuen Kumpanen nicht darüber eingeweiht hatte, was nun im Anmarsch war.

    Das Frühstück wurde in allgemeiner Heiterkeit verbracht, so als würde einer der Klosterinsassen an diesem Tag Geburtstag feiern. Gegen Ende spürten aber alle, dass Bruder Luh dem heutigen Tag mit seiner Aura ein eigenartiges Gewicht verlieh. Langsam wurde die anfängliche Ausgelassenheit von gespannter Erwartung verdrängt. Als man schließlich weder ein Kauen noch ein Schlucken mehr im Raum hörte, stand Bruder Luh, der Eismann, auf und begann zu sprechen:

    „Kru war ein Mann, der vor ganz, ganz langer Zeit lebte. Seither sind viele Menschenleben vergangen. Das weiß ich. Auch meine Leben sind zwischenzeitlich vergangen. Sie waren immer so kurz wie ein Furz."

    Diese Formulierung hatte auf die Lachmuskeln von zwei der Anwesenden eine unglaubliche Wirkung: auf Charly Weger und Bruder Walter. Letzterer hatte vor ziemlich genau 48 Jahren an die Klosterpforte „geklopft". Etwas zu vehement, wie die meisten damaligen Klosterbrüder meinten. Seine berauschte Autofahrt nahm nämlich ein abruptes Ende, als die vordere Stoßstange seines Vehikels auf das verschlossene Tor des Klosters traf. Durch die Trägheit der Masse und die eingeschränkte Reaktionsfähigkeit nach zwei Jahren Hippie-Kommune, gepaart mit der damals fehlenden Minimalausstattung mit Sicherheitsgurten, folgte dem ersten Rums ein weiterer kleinerer. Walter beendete seinen Flug über die nach vorne geklappte Windschutzscheibe mit dem Gesicht am Tor. In Erinnerung daran ahmte sein schneidezahnloses Lächeln heute noch ein offenes Tor nach. Bruder Luhs Reim sorgte bei Bruder Charly und Bruder Walter für einen veritablen Lachkrampf.

    Bruder Luh ließ sich dadurch aber nicht irritieren.

    „Kru war ein starker Mann. Er baute ein großes Haus. Alle Menschen, die in der Umgebung wohnten, kamen immer wieder zu ihm und priesen ihn für das, was er geschaffen hatte. Kru begann, mit den Menschen zu sprechen. Jeden Tag mehr. Dann bestimmte er, dass die Menschen nur mehr an gewissen Tagen zu ihm kommen konnten, um seinem Werk zu huldigen. Bald begann er, ihnen auch noch andere Regeln aufzuerlegen: Wie sie leben sollten, was sie nicht tun sollten, was schon, wie sie essen sollten, was sie essen sollten. Alles das verkündete er ihnen. Die Menschen begannen, sich danach zu richten. Und dann begann er sogar andere nach diesen Regeln zu richten. Das war Krus Macht. Das Leben der Menschen wurde aber nicht besser, sondern viel schlechter, weil es plötzlich Gut und Böse gab. Vorher gab es nur tun oder nicht tun. Es gab eine Frage: Brauche ich das, um zu leben? Wenn das Nein da war, war es nicht. Machte der Mensch es nicht. Später gab es immer mehr Personen wie Kru. Ihre Macht nennt ihr nun Religion. Ist nicht für die Menschen gemacht."

    Im Raum atmete man nicht mehr. Wäre ein Renaissance-Maler anwesend gewesen, hätte er den Moment wohl festgehalten unter dem Titel „Die zehn verlorenen Brüder". Nummer 11 hatte noch Tränen in den Augen und begann wieder ein unterdrücktes Lachen, sein lückenhaftes Grinsen verriet ihn aber. Für Walter barg der Moment viele Déjà-vus in sich und erinnerte im Ansatz an den Geruch von Revolution mit einer Prise Gras. Das ließ seine Synapsen Vorfreude auf ein Comeback der lustigen Zeiten zelebrieren. Bruder Nummer 12, Charly Weger, hatte mit seinem Freund Ötzi sowieso schon dermaßen viel erlebt, dass ihn diese Erkenntnis nicht schockte, im Gegenteil, er stand geradezu auf solche Abwechslungen. Mit der Routine hatte er es sowieso nicht. Denn sie setzte voraus, sich an jede Menge Regeln halten zu müssen, und um sich daran halten zu können, müsste man sich erstmal an sie erinnern.

    Charly Weger bemerkte den ernsten Blick im Gesicht des Eismannes, den er nicht zu deuten wusste. Gott sei Dank sorgte dieser selbst sofort für Aufklärung:

    „All die heiligen Bücher, die nach Kru in der Zeit nach meinem ersten Leben geschrieben wurden, sind seinem Beispiel gefolgt. Mit demselben Ergebnis. Darum muss ich die Menschen von diesem falschen Weg abbringen. Dafür muss ich euch verlassen. Das ist nicht schön, aber notwendig. Charly, wir machen wieder eine Reise. Der Abt zitierte die Bibel in Psalm 32, 8–9: „Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten. Seid nicht wie Rosse und Maultiere, die ohne Verstand sind. Die Brüder blickten ihn mit großen Maultieraugen an.

    Charly schlug sofort vor, für die Reise das etwas in die Jahre gekommene Gefährt von Bruder Walter in Betrieb zu nehmen. Bruder Luh stimmte zu. Beide kramten rasch noch ein paar persönliche Dinge zusammen. Ebenso nahmen sie eine bisher ungeöffnete Reisetasche mit, die ihnen der russische Freund Dimitri und ein britischer Freund beim Klostereintritt überlassen hatten. Ihr Freund, der Pathologe, – soweit erinnerte sich der Gletschermann – nannte das Gepäckstück „Notfallkoffer".

    Der Citroën Méhari glänzte wie vor fast 50 Jahren. Der Pförtner wurde mit einem Kanister zur nächstgelegenen Tankstelle geschickt. Da der Tag ein sehr sonniger war, störte es auch nicht, dass das Verdeck des Wagens über die Jahre einigen klostereigenen Nagetieren zum

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