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Die verborgene Stadt: Darkhanium Band 2
Die verborgene Stadt: Darkhanium Band 2
Die verborgene Stadt: Darkhanium Band 2
Ebook487 pages6 hours

Die verborgene Stadt: Darkhanium Band 2

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About this ebook

In einem herrlichen Tal im hohen Norden Cirunas, umgeben von einem Ring unüberwindlicher Berge, liegt die Stadt Sepharis - Zentrum des Königreichs Londurin. Lediglich ihren Bewohnern und einigen Verbündeten des Reiches ist der geheime, verborgene Weg dorthin bekannt.
Eines Tages aber wird das Reich von einer Bande verfeindeter Wilder aus den finsteren Wäldern Tiizlas überfallen. Eine grössere Abteilung der hehren Streimacht des Reiches, unter der Führung des jungen Kommandanten Joran, verfolgt die blutrünstigen Angreifer über die Grenzen des Landes hinaus und durch die Weiten der verschneiten Wildnis und stellt sie am Saum des feindlichen Reiches. Noch während des Kampfes aber stellt sich heraus, dass Joran sein dunkles Gefühl nicht trog und weit mehr hinter dem Überfall steckt, als es auf den ersten Blick scheint.
Dunkle Mächte bedrohen das Königreich, und die Sicherheit der geschützten Stadt scheint nicht länger gewährleistet. Von banger Furcht getrieben, wagt Joran einen verzweifelten Versuch, seine Truppen durch die tödliche Einöde der Eiswüste zu führen, um auf kürzestem Weg in seine bedrohte Heimat zurückzukehren. Doch auch er und sein Gefolge schweben in Gefahr, werden sie doch von einem schwarzen Schatten verfolgt, der Finsteres im Schilde führt.
LanguageDeutsch
PublisherTWENTYSIX
Release dateMar 5, 2018
ISBN9783740743352
Die verborgene Stadt: Darkhanium Band 2
Author

Peter Bur

Geboren am 20. Oktober 1982 in Biel in der Schweiz. Seit 2016 verheiratet und wohnhaft in Ipsach, nahe Biel. Schreibt seit 1998 nebenberuflich und mit wachsendem Eifer an seinem gewaltigen Fantasy-Epos Darkhanium, einem Werk, dessen Umfang ihm wohl noch ein ganzes Leben an Schreibartbeit abverlangen wird - oder vielleicht auch zwei.

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    Book preview

    Die verborgene Stadt - Peter Bur

    Impressum

    Kapitel 1

        Bald hatte er es geschafft. Nur noch ein paar Schritte, dann würde er endlich das Schlachtfeld vom Hügel aus überblicken können. Die martialischen Laute des Gefechtes vernahm er schon seit einer Weile; das Klingen und Krachen der Waffen und das wilde Geschrei vieler Kehlen durchwirkten die kalte Luft und breiteten sich in der Stille jener ansonsten menschenverlassenen und tief verschneiten Winterlandschaft weit aus.

    Aldaram, sein kräftiges schwarzes Schlachtross, sank mit jedem Schritt tief in die weisse Schneeschicht ein und hinterliess eine deutlich erkennbare Spur, die sich schlangengleich durch das hügelige Gelände zog. Der Hengst war angetan mit einer schweren schwarz-roten Rüstung über einem wallenden Tuch von scharlachroter Farbe, das vom Wappen der Königsstadt Sepharis geziert wurde – einem schwarzen feuerspeienden Adler. Stolz schnaubte er, atmete in der eisigen Luft graue Dunstwolken aus, die sich rasch verflüchtigten. Er zeigte bereits erste Anzeichen von Erschöpfung, denn er hatte eine lange, beschwerliche Reise hinter sich, und seinem Rücken war eine schwere Last aufgebürdet.

    Der Ritter, der ebenfalls von Kopf bis Fuss in einen prächtigen schwarz und rot lackierten Stahlpanzer gehüllt war, stemmte die Beine in die Steigbügel, um über die Kante des grossen Hügels zu spähen. Doch es gelang ihm lediglich, einige undeutliche, verschwommene Bewegungen wahrzunehmen – selbst für seine kundigen Augen viel zu wenig, um die Lage wirklich einschätzen zu können.

    Joran Saller lehnte sich wieder ungeduldig in den wohlgeformten, reich verzierten Sattel zurück und wartete. Mit seiner behandschuhten Hand tätschelte er liebevoll den kräftigen, mit Stahlplatten gepanzerten Hals seines Pferdes, das mit stolzen Bewegungen gemächlich die mächtige Hügelschulter erklomm und sich unermüdlich durch den tiefen Schnee vorankämpfte, der das ganze Land unter sich begrub.

    Gut so, du hast es beinahe vollbracht, Aldaram. Nur noch wenige Schritte trennen uns vom Kamm, sprach Joran mit einer wohlklingenden, warmen Stimme, die jedoch ein wenig vom schweren, reich geschmückten Helm verzerrt wurde, der auf seinem Haupt ruhte.

    Durch diese Worte bestärkt, trabte das Schlachtross das letzte Stück des Hügels hinauf und blieb auf dem breiten Grat schnaubend stehen. Nun konnte Joran das Kriegsgeschehen auf der Ebene endlich betrachten, und er machte sich sogleich ein Bild der gegenwärtigen Lage. Ruhig glitt sein Blick über das tosende Schlachtfeld, das sich unter ihm ausbreitete, und seine Augen erfassten jede Kleinigkeit.

    Der lange Hang, auf dem er stand, lief geschwungen in eine weite Ebene aus, die unter einer dicken Schneeschicht lag. Weit dehnte sie sich in alle Richtungen aus, abgegrenzt durch einen gewaltigen Wald aus verschneiten Tannen, dessen finsterer Saum dem Hügel gegenüberstand. Gross und mächtig waren die Nadelbäume, die dunklen, harzigen Stämme alt und stark, und die ausladenden Äste bildeten stolze Kronen, obwohl sie vom Gewicht des Schnees niedergedrückt wurden. Wie ein gewaltiger Wall standen sie da, Geheimnisse und Schrecken bergend, die sich in ihren Tiefen tummelten.

    Dies war der grosse Tannenwald von Tiizla, und erst wenige wagemutige Männer des Königreichs hatten es gewagt, das unheilvolle und legendenumrankte Schattenreich unter den verflochtenen Nadelzweigen zu betreten, und noch weniger waren je zurückgekehrt, um von ihren Taten zu berichten. Der Wald war die Heimat der Lukher, eines mächtigen und streitbaren Barbarenvolkes, das seit ewigen Zeiten mit dem Königreich Londurin im Krieg stand. Obgleich diese Wilden durch eine weglose, todbringende Eiswüste von den Grenzen des zivilisierten Reichs getrennt waren, drangen sie immer wieder plündernd und mordend ins Hoheitsgebiet des Königs ein, verwüsteten Dörfer und Siedlungen der Krone, schändeten die wehrlosen Bewohner und stifteten Unheil und Schrecken. Selbst die grossen Städte, wie Tjorin, Orovin oder Sepharis selbst, waren nicht gänzlich gefeit gegen ihre Übergriffe.

    An diesem Tage lieferte sich eine Abteilung der schlagkräftigen und gut organisierten Streitmacht aus der stolzen Hauptstadt, welche weit über die Grenzen ihres Landes hinaus gerühmt wurde, ein blutiges Gefecht gegen dieses wilde Volk. Obwohl die Barbaren einmal mehr in der Überzahl waren, glaubte Joran schon nach einem einzigen Blick zu wissen, dass die Streitkräfte des Reiches einen weiteren ruhmvollen Sieg erringen würden. Denn während die Wilden – allesamt grosse, kräftige Leute mit zerzausten hellen Haaren und struppigen Bärten, die sich in zottige Tierfelle hüllten, welche zur Abschreckung mit vielerlei Fangzähnen, Hörnern oder Krallen geschmückt waren – ohne jegliche Planung ungestüm drauflos schlugen, nicht ahnend, was die Kampfgenossen zur selben Zeit taten, fochten die Soldaten der Stadt in geordneten Gruppen, angeführt von gewissenhaften Hauptleuten. Die sepharischen Truppen waren nicht nur hervoragend gepanzert und ausgerüstet, sie wussten auch gut mit Schild, Schwert und Lanze umzugehen. Gnadenlos stiessen sie den scharfen, glänzenden Stahl in die Leiber der brüllenden Barbaren, derweil sie sich selbst vor den schmetternden Hieben ihrer Feinde schützten, die mit grobschlächtigen Keulen, schweren Äxten oder Hämmern aus sprödem Eisen bewaffnet waren.

    Joran konnte von seiner erhöhten Stellung aus das gesamte Schlachtfeld mühelos überblicken. Beruhigt stellte er fest, dass auf Seiten der Königlichen lediglich eine Handvoll Soldaten von den wuchtigen Schlägen der Barbaren niedergemacht worden waren, während aufseiten der Lukher beinahe schon ein Viertel ihrer Leute ihr Leben gelassen hatten. Doch dies verwunderte den Ritter nicht im Mindesten, denn er gewann den Eindruck, dass die Wilden sich am heutigen Tage besonders ungeschickt anstellten und sich in ihrer chaotischen Kampfweise nicht selten selbst in die Quere kamen.

    Und eben diese Beobachtung erfüllte ihn mit Unbehagen. Ihm fiel auf, dass er in dem hektischen Durcheinander auf der Ebene keinen Anführer der Wildlinge ausmachen konnte – einen Häuptling oder Kriegsfürsten, der zumindest ansatzweise für Ordnung in seiner Horde und ein halbwegs planvolles Vorgehen sorgte. Niemals zuvor hatten die Lukher es gewagt, ohne die Anwesenheit eines solchen in den Kampf zu ziehen, denn in ihrem archaischen Glauben galten diese Auserkorenen als Verkörperung ihrer blutigen Kriegsgötter. Die Gegenwart dieser meist gewaltige Hünen mit einer besonders abschreckenden Ausstrahlung stellte sicher, dass die Geister der Gefallenen in allen Ehren in ihr düsteres Segensreich einkehren konnten. Fehlte ein Kriegsfürst auf dem Schlachtfeld, waren die Barbaren ewiger Verdammnis geweiht, was ihnen ein grösseres Schrecknis war, als die namenlosen Wesen, die im Wald von Tiizla umgingen.

    Dieses merkwürdige Verhalten seiner Feinde liess den Ritter nachdenklich werden. Sein Blick schweifte vom Geschehen des Schlachtfeldes ab und verlor sich in der Leere. Fragen beschäftigten seinen Verstand, deren Beantwortung ihm nicht möglich war. Ein ungutes Gefühl, wie die Vorahnung eines schrecklichen Ereignisses, beschlich sein Herz gleich einem bösen Schatten.

    Ein lautes, schrilles Wiehern schreckte ihn auf, und er fuhr erbebend aus den Tiefen seiner Überlegungen. Aldaram tänzelte unruhig auf dem Grat des Hügels umher, stellte die Ohren gerade auf und schnaubte. Stolz und majestätisch nickte das Schlachtross mit seinem Haupt und scharrte mit den Vorderhufen im tiefen Schnee.

    Joran beugte sich wieder über den Sattel, beklopfte den Hals des Hengstes und sprach beruhigend auf ihn ein. Das Tier musste irgendetwas gewittert haben, denn sonst würde es nicht in solch aufgeregter Weise gebärden. Der Ritter wusste, dass sein junges Reittier geschult worden war, degestalt auf mögliche Gefahren oder Geräusche zu reagieren. Doch er fragte sich, was dieses Gebaren ausgelöst haben mochte, denn ausser den üblichen Waffenlauten der nahen Schlacht vermochte er nichts wahrzunehmen.

    Als sich der schwarze Hengst wieder beruhigte, horchte Joran konzentriert in die Ferne, versuchte, etwas auszumachen, was das Verhalten Aldarams hätte erklären können. Doch er vernahm nur die Geräusche des wilden Kampfes, die fast tierartigen Schreie der angreifenden Barbaren, das Klirren von Metallrüstungen, das krachenden Getöse schmetternder Hiebe und das grässliche Ächzen sterbender Menschen.

    Doch dann drangen plötzlich weitere Geräusche in seine geschärften Ohren. Sie schienen sich von hinten an ihn anzuschleichen, immer lauter und deutlicher. Er hörte die unverkennbaren Klänge schwerer Panzer, das Schnaufen mehrerer Pferde und gedämpfte, durch Helme verzerrte Stimmen.

    Joran zog sanft, doch bestimmend an den ledernen Zügeln und befahl seinem treuen Hengst damit, sich umzuwenden. Das kräftige Pferd gehorchte und vollbrachte eine majestätisch elegante Drehung und blieb seitwärts auf der langen Hügelkuppe stehen. Diese Position ermöglichte es dem Ritter sowohl die Schlacht als auch die nahenden Personen im Auge zu behalten.

    Regungslos beobachtete Joran die berittenen Truppen, wie sie sich ihm gemütlich und ohne jegliche Hast näherten, seiner tiefen Spur im weissen Teppich folgend. Stolz und königlich wehten die Banner der Hauptstadt, einen feuerspeienden schwarzen Adler auf rotem Feld zeigend, im eisigen Wind, der in schwachen Böen über das Land strich. Der Kern dieser doch grossen Gruppe bildeten etwa fünfzig Panzerreiter, edle Ritter in mächtigen Plattenrüstungen auf kräftigen Pferden, die sich ausdauernd durch den Schnee voranarbeiteten. Neben ihnen her ritten gut hundert Reiter auf grossen, bedrohlich wirkenden Wölfen mit zotteligen Fellen, meist grau oder weiss. Sowohl die Soldaten als auch die leichtfüssigen Tiere waren nicht so schwer ausgerüstet wie die Ritter und wirkten schon aus der Ferne schneller und behänder. Hinter den Kämpfern kamen schliesslich noch etliche schwer beladene Schlitten, die Ausrüstung, Zelte, Proviant und allerlei anderes aufgebahrt hatten.

    Joran Saller beobachtete das ganze Treiben geduldig von seiner Warte aus. Er sass ruhig in seinem Sattel und blickte vom Hügel herunter auf die dahinstampfende Kavallerie. Die bleiche Wintersonne, die hoch und fern am blassblauen, wolkenlosen Himmel stand, kaum fähig, auch nur das Geringste zu erwärmen, liess die schwarz-roten, blankpolierten Rüstungen aufblitzen.

    Als die vordersten Reiter den Rand des geschwungenen Hügels erreichten, erscholl eine laute Stimme und befahl ihnen zu halten. Die Berittenen blieben am Fuss der Anhöhe stehen und verstummten. Es folgte ein Moment des Schweigens, und nur die Laute der tobenden Schlacht, das leise Hecheln einiger Wölfe und das Schnauben der edlen Pferde durchbrach die Stille des Landes.

    Einem weiteren Befehl der lauten Stimme folgend, drängten die vorderen Ritter ihre jeweiligen Tiere zur Seite. Die geschlossene Gruppe teilte sich wie ein lebendiger stählerner Vorhang, und aus der Mitte trat ein hochgewachsenes, königliches Pferd, anmutig und schön. Die grosse Decke, welche dem braunen Ross auf den Schultern lag und bis zu den Knöcheln herabreichte, war mit schönen Mustern bestickt, die funkelnden Rüstungsteile waren mit Gold überzogen, und geschickte Hände hatten sie verziert. Im mächtigen, geschmückten Sattel sass ein Ritter, dessen prunkvoller Panzer ebenfalls in Gold erstrahlte, wie ein winziger Splitter der Südlandsonne. Seine mit feinen Gravuren versehene Rüstung bestach durch noch mehr verzierende Bestandteile als diejenigen der anderen Ritter. Aus einer Halterung in der Mitte des prächtigen Topfhelms schossen grosse schwarze Vogelfedern empor und bildeten eine stolze Zier, die im Wind leicht raschelte.

    General Eodol Harkland brachte sein braunes Pferd zum Stehen, indem er die Zügel nach hinten riss; das stolze Tier wieherte. Er blickte den hohen Hügel hinauf zu Joran, der ihn respektvoll mit einer Faust auf der Brust begrüsste.

    Kommandant Saller, wie beurteilen Eure fachmännischen Augen das Geschehen der Schlacht? fragte der General trocken, ohne den Gruss zu erwidern. Kommen die Infanteristen zurecht, oder ist unser Erscheinen auf der Ebene dringend erforderlich?

    Ich glaube nicht, dass unsere Anwesenheit wirklich vonnöten ist, Herr General, antwortete Joran in höflichem Ton. Unsere Fusstruppen haben trotz der Überzahl der Lukher die Lage im Griff. Soweit ich es zu beurteilen wage, wird unser Anblick allein wohl schon genügen, um diese Wilden in die Flucht zu schlagen.

    Das hört man gern, meinte der General emotionslos. Das bedeutet also, dass mein Plan aufgegangen ist.

    So ist es, Herr General, erwiderte Joran. Es war wahrlich ein geschickter Zug, die beiden verschiedenen Stämme zu trennen, die an der Zerstörung des Dorfes und am Raub des Schildes beteiligt waren. Der Kampf des heutigen Morgens hat uns keinen einzigen Verlust eingebracht, und wir haben die wertvolle Beute bereits aus den dreckigen Händen dieser Barbaren entreissen können, die Ihrer Majestät so wichtig ist. Wie ich bereits erwähnt habe, wird auch dieses Gefecht hier schon bald vorüber sein.

    Dann gibt es demnach nichts mehr zu melden, Herr Kommandant? fragte Harkland, während er sein tänzelndes Pferd zügelte.

    Leider doch, Herr General, sprach Joran. Als Erstes möchte ich noch anmerken, dass ich das Gefühl habe, dass die Lukher wahrscheinlich Verstärkung aus dem Wald erhalten haben, denn sie erscheinen mir zahlreicher als heute morgen, als wir sie stellten und vom anderen Stamm trennten. Was mich aber mehr beunruhigt, ist die Tatsache, dass ich bis anhin noch nirgendwo einen Kriegsherren ausmachen konnte. Die Lukher kämpfen völlig kopflos, ohne die tückische List eines Anführers. Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache.

    General Harkland schwieg einen Augenblick und liess sich die Worte seines Kommandanten durch den Kopf gehen. Dann meinte er: Es ist wahrlich seltsam, denn noch nie sind diese Wilden das Wagnis eingegangen, ohne Kriegsherren gegen uns ins Feld zu ziehen. Doch ob Euer ungutes Gefühl hier angebracht ist, erscheint mir fraglich, Herr Kommandant. Es sollte Euch eher beruhigen, denn wenn keiner die Lukher führt, ist es für uns ein Leichtes, sie zu besiegen.

    Das mag sicher der Wahrheit entsprechen, Herr General, doch sollte man nicht ausser Acht lassen, dass die Lukher dadurch noch unberechenbarer geworden sind, selbst für Euch oder mich, fügte Joran seine Bedenken hinzu.

    Wie Ihr meint, Kommandant Saller, sagte Harkland trocken. Aber bedenkt, dass der Anführer vielleicht schon heute morgen mit dem anderen Stamm vertrieben worden sein könnte. Das würde einiges erklären. Doch nun sollten wir zur Tat schreiten, ehe der Tag sich dem Ende neigt, denn wer weiss, was in der Nacht alles aus diesem finsteren Wald kriecht. Ich möchte mich nach Sonnenuntergang wirklich nicht so nah an seinem Saum aufhalten.

    Nach diesen Worten hob er seinen rechten Arm hoch in die kalte Luft und befahl den wartenden Truppen, den breiten Hügel zu erklimmen. Und während die Berittenen den geschwungenen Hang erstiegen, wendete Joran sein unruhiges Pferd, so dass er wieder gerade auf das Schlachtfeld herabblicken konnte.

    Noch immer sahen seine suchenden Augen nirgends eine Spur von einem Kriegsfürsten. Stattdessen wurde er in den Reihen der Lukher einiger Gestalten gewahr, die nicht dem üblichen Angesicht dieses Volkes entsprachen, und dies machte ihn stutzig. Sie waren kleiner und schmächtiger gewachsen, keine solch bärenartige Hünen mit struppigem Haar und bärtigen Gesichtern, und sie kämpften mit Speeren oder altertümlichen Kurzschwertern; einige besassen gar kleine Rundschilde, die mit Tierfellen überzogen waren und ihre Gewandung verriet mehr handwerkliches Geschick. Das ungute Gefühl in seinem Magen verstärkte sich bei ihrem Anblick. Er wurde den Verdacht nicht los, dass sich bald schon etwas Unerwartetes und Schreckliches ereignen würde.

    Als er die anderen Reiter bemerkte, die sich zu beiden Seiten auf dem breiten Hügelkamm aufreihten, um dann in einer gewaltigen Welle auf die Feinde herabzustossen, erwachte Joran aus seinen düsteren Gedanken. Zu seiner Linken erkannte er nun den Generalen in seiner verzierten goldenen Rüstung, zu seiner Rechten Major Malik Lawler, den obersten Anführer der hier versammelten Wolfsritter.

    Auf ein Kommando Harklands nahmen die Berittenen ihre Lanzen und Wappenschilde aus den Halterungen an den Flanken ihrer Reittiere und bereiteten sich auf den Kampf vor. Auch Joran streifte seinen Schild über den linken Unterarm und ergriff die lange, hölzerne Lanze. Dann wartete er auf den Angriffsbefehl.

    Harkland liess sich damit etwas Zeit, sandte erst seinen eigenen erfahrenen Blick über die verschneite Ebene und beobachtete kurz das blutige Treiben. Sein braunes Pferd überragte den Hengst seines Kommandanten um gut einen Pferdekopf, doch war Aldaram etwas kräftiger gebaut als der Braune, der auf langen Stelzen stand. Beide Tiere schnaubten, als würden sie sich gegenseitig anfeuern.

    Eine gewisse Anspannung ergriff seinen Körper, je länger Joran auf den Befehl warten musste. Er sah, dass es den Lukhern nun gelungen war, einige weitere tapfere Soldaten zu töten, und er war sich seiner eigenen Worte nicht mehr ganz sicher. Womöglich war die Kavallerie doch nicht so überflüssig, wie er erst angenommen hatte, und es schien ihn gar zu drängen, endlich ins Kampfgeschehen einzugreifen. Sein Herz pochte in der schwer gepanzerten Brust; er konnte den rasenden Puls deutlich im Kopf spüren. Sein reich geschmückter Topfhelm drückte ihm schwer auf die Schultern.

    Auch Aldaram wurde von einer inneren Unruhe geplagt. Der schwarze Hengst war noch sehr jung und hatte bislang nur wenig Kampferfahrung sammeln können. Joran hatte ihn erst vor einem halben Jahr erworben, und doch verstand er sich bereits besser mit ihm als mit seinem vorherigen Schlachtross, das bei einem Gefecht unweit der Hauptstadt von einer gewaltigen Streitaxt gefällt wurde, die ihm ein Lukher in die Brust getrieben hatte.

    Noch immer schwieg General Harkland und starrte auf die Ebene herunter, wo sich der Schnee an einigen Stellen schon rot gefärbt hatte. Die in kleinen Gruppen kämpfenden Soldaten schienen immer noch die Oberhand zu besitzen, doch auch ihre Verluste häuften sich nun rascher. Die Lukher verstanden es mittlerweile besser, die kleinen Truppen aufzuspalten und im Einzelkampf die teilweise unerfahrenen oder verschüchterten Krieger niederzustrecken. Mit wildem Gebaren und beeindruckendem Gebrüll vermochten die blonden Hünen so manchen Soldaten zu erschrecken.

    Plötzlich übertönte eine mächtige Stimme all die anderen Geräusche und liess gar einige der wartenden Tiere scheuen, die immer noch unbewegt auf dem Hügel standen. Ein riesiger Barbar, der gerade einen älteren Sepharier mit seiner gewaltigen Doppelaxt enthauptet hatte, bemerkte die lange Reihe berittener Krieger und meldete es seinen Stammesgefährten. Schnell scharten sich gut vier Dutzend blutrünstige Lukher um den vermeintlichen Anführer und traten todesmutig der Übermacht auf der Anhöhe entgegen, brüllend und kreischend.

    Eodol Harkland atmete die kalte Luft tief ein, als er die Wilden nahen sah. Dann wandte er seinen behelmten Kopf zur Seite und warf seinem jungen Kommandanten einen bedeutungsvollen Blick zu. Joran wusste nichts zu erwidern, denn irgendwie verschlug es ihm die Sprache.

    Während sich die Barbaren waffenschwingend näherten, schon fast den Fuss des Hügels erreicht hatten, hob Harkland seinen Arm. Noch einmal sah er sich kurz um, vergewisserte sich, ob seine Reiter auch wirklich bereit waren, und liess den Arm dann schwungvoll nach unten gleiten.

    Mit dem Aufschrei: Für Sepharis und das Königreich Londurin! senkten die Reiter ihre Lanzen und gaben den Tieren die Sporen. Wie eine gewaltige Lawine stürmten sie auf die etwas stockenden Barbaren herab, weissen Schnee aufwirbelnd, der sich in feinen Wolken im Wind zerstreute.

    Krachend wie der Donner eines gewaltigen Gewitters trafen die Reiter auf die furchtlosen Lukher, die gnadenlos niedergeritten wurden. Wer nicht von einer Lanze durchbohrt wurde, der kam unter die Hufe eines wiehernden Pferdes oder wurde gar von den blitzenden Zähnen eines Wolfes zerfetzt. Die Wilden hatten keine Chance, obwohl sie es tatsächlich schafften, eine Handvoll Reiter mit in den Tod zu reissen, indem sie einfach blindlings drauflos schlugen.

    Ein Jubel brach aus, als auch die bereits etwas ermüdeten Fusstruppen der königlichen Streitmacht auf die Ankunft ihrer Reiterei aufmerksam wurden. Mit neuem Mut und frischer Stärke warfen sie sich wieder ins Gefecht.

    Die Kavallerie trennte sich nach dem ersten verheerenden Stoss auf und eilte einigen geschwächten Kompanien zu Hilfe, die gewisse Schwierigkeiten mit besonders wilden Lukhern bekundeten, oder rückte denjenigen Feinden zu Leibe, die sich bisher kaum am Gefecht beteiligt hatten und nun in den Wald zu fliehen begannen.

    Joran Saller hielt sich anfangs an der Seite des Goldenen Generals auf, der von einer Leibwache aus vier Rittern umgeben war. Auch wenn sie hin und wieder einige Wilde mit ihren mächtigen Lanzen aufspiessten, begaben sie sich nicht ins Innere der Schlacht, sondern hielten immer noch vergebens nach einem barbarischen Kriegsherren Ausschau. Allmählich aber wurde Harkland es leid, nur am Rande des eigentlichen Getümmels auf und ab zu reiten. Er war ein erfahrener Kämpfer und nicht umsonst ein General der vielleicht schlagkräftigsten Armee des Kymmerischen Kaiserreichs. Er gab seinen Mannen den Befehl, ins Herz der Schlacht vorzudringen, und preschte, einen alten Kriegsgesang anstimmend, durch den knöcheltiefen Schnee davon.

    Joran aber verhielt noch einen Augenblick länger am Rande des Geschehens. Es störte ihn sehr, nirgends einen Anführer der Lukher auszumachen, als wäre dies ein erster Beweis seiner düsteren Vorahnungen, die ihn seit dem frühen Morgen heimsuchten. Die Anwesenheit der seltsamen Krieger mit den bemalten Gesichtern, deren er bereits auf dem Hügel gewahr geworden war, verstärkten sein mulmiges Gefühl noch, denn es schien ihm, als hätte er sie schon einmal gesehen, auch wenn er sich an keine Begebenheit erinnern konnte. Sie waren ihm auf eigentümliche Art vertraut und doch gänzlich fremd, und etwas in ihm war davon überzeugt, dass diese Wilden hier nicht sein durften.

    Plötzliches Geschrei liess den jungen Ritter auffahren. Er schleuderte seinen wachsamen Blick in Richtung des Waldes, der unweit von ihm entfernt dunkel und bedrohlich in den Himmel ragte wie ein Heer uralter und schweigender Riesen. Eine Gruppe Wolfsritter hatte dort gerade einige Lukher in die Flucht geschlagen, als sie überraschend von einer Übermacht übefallen wurden. Eine Horde Barbaren stürmte zwischen den stolzen Stämmen der hohen Tannen hervor und spülte gleich einer Welle über die Soldaten herein. Selbst mit der Unterstützung ihrer grossen Wölfe kamen sie gegen die Wildlinge nicht an und fielen unter ihren Hieben.

    Joran glaubte in diesem Hinterhalt die List eines Häuptlings zu erkennen, und als tatsächlich ein riesiger Kerl mit einer gespickten Keule in der Pranke, gekleidet in das eisgraue Fell eines grossen Wolfes, dessen Schädeldach er auf dem Kopf trug, aus dem Wald fegte und gerade den letzten Sepharier mitsamt seines Reittieres niederschlug, verspürte der Ritter so etwas wie Erleichterung und trieb Aldaram daraufhin entschlossen in den Kampf.

    Viele Barbaren gingen dem Kommandanten und seinem mächtigen Streitross aus dem Weg, sprangen zurück und liessen ihn unbehelligt passieren. Nicht aber der mächtige Häuptling, der sich zu voller Grösse aufrichtete und den Ritter mit üblen Worten in seiner rauen und heidnischen Sprache herausforderte.

    Im auflodernden Feuer der Kampfeswut holte Joran das Letzte aus seinem Pferd heraus, das wie ein Sturmwind durch die tiefe Schneeschicht donnerte. Er senkte die gewaltige Lanze und zielte auf die kaum bekleidete haarige Brust des brüllenden Lukhers, der seine grobe Keule schwang.

    Krachend stiess die Lanze des Ritters in den kräftigen Körper des Wilden, der von der gewaltigen Wucht des Treffers von den Beinen gerissen wurde, einige Fuss weit durch die Luft segelte und dann hart aufschlug.

    Joran spürte einen heftigen Schlag im Arm, als sich die Spitze seiner Waffe in den Lukher bohrte und mit einem splitternden Knacken entzweibrach. Mit lauten Befehlen brachte er Aldaram kurz vor dem düsteren Waldrand zum Halten. Der schwarze Hengst vollbrachte auf Anweisung seines Reiters eine elegante Drehung, denn Joran wollte sichergehen, dass er den Häuptling auch wirklich getötet hatte. Mit grimmigem Gesicht suchte er die Leiche des Lukhers im Gewirr der toten Wolfsritter.

    Ein gewaltiger Schrecken suchte ihn heim, als er sah, wie sich sein tot geglaubter Gegner stöhnend erhob. Der grosse Barbar richtete ächzend seinen Oberkörper auf und betrachtete benommen und verärgert zugleich die Spitze der hölzernen Ritterlanze, die sich tief in seine linke Schulter gebohrt und diese völlig zertrümmert hatte. Der Schmerz musste unerträglich sein, und Blut quoll in Strömen aus der grässlichen Wunde. Dennoch hielt der Wildling den betäubenden Qualen mit einem zornigen Grollen stand und ergriff mit seiner unverletzten Hand den abgebrochenen Schaft der Lanze, um ihn mit einem Brüllen aus der toten Schulter zu reissen.

    Als dies getan war, kämpfte er sich auf die Beine und suchte taumelnd, doch keineswegs kampfunfähig nach seiner Keule, die er im Sturz verloren hatte. Er fand sie im Schnee liegend und hob sie auf. Dann küsste er ihren robusten, mit Leder und Fellstreifen umwickelten Griff und liess einen bärengleichen Schrei entgleiten.

    Als er den Ritter erkannte, der ihn niedergeworfen hatte und nun erstarrt auf seinem kräftigen Pferd sass, schien gewaltige Wut in ihm aufzukochen. Er knurrte und entblösste dabei sein gelbliches furchteinflössendes Gebiss, während er mit langen Schritten auf die Leiche eines Wolfsritters zustapfte. Ein hämisches Grinsen im wüsten, bärtigen Gesicht, begann er den toten Soldaten vor den Augen des entrüsteten Ritters genüsslich zu verstümmeln und forderte diesen damit erneut heraus.

    Die grässliche Tat des Lukhers liess Zorn in Joran aufkommen, die seinen Schrecken vertrieb. Seine linke Hand krampfte sich um den Riemen seines Schildes, und er biss die Zähne fest zusammen, um die Wut zu zügeln. Er wollte nicht kopflos gegen diesen Wilden ankämpfen, der aber gleichwohl einer Strafe für sein schändliches Verhalten bedurfte. Nicht länger soll dieser Unhold das Antlitz der Sonne geniessen, schwor sich der Ritter.

    Schnaufend warf Joran seine abgebrochene Lanze mit einer schwungvollen Bewegung in den Schnee. Dann griff er an seine Seite und zog das wunderschöne Schwert seines Vaters aus der mit filigranem Gold beschlagenen Scheide. Singend fuhr die edle silbrige Klinge aus dem schwarzen Leder und funkelte wie ein Stern im blassen Licht des kalten Tages. Der Griff der Waffe war aus poliertem schwarzem Holz gefertigt, und ein Knauf aus Gold schmückte ihn. Die geschickten Hände eines Zwergs hatten der Parierstange, die ebenfalls aus Gold geschaffen war, die Gestalt eines stolzen Adlers verliehen, der seine Schwingen im Gleitflug weit ausgebreitet hatte. In meisterhafter Vollendung hatte der zwergische Schmied nicht nur das Gefieder des Vogels mit feinsten Gravuren angedeutet sondern auch die scharfe Klinge mit einem vielschichtigen geometrischen Muster versehen und feinste Runen in den Stahl geritzt. Dieses Schwert war eine Einzelanfertigung, das Geschenk eines wandernden Taroxon, der sich damit vor fast dreissig Jahren bei Cyberius Saller bedankte, einem der letzten grossen Helden Sepharis, weil dieser ihn und einige seiner Freunde gerettet hatte. Und seit seinem heroischen Tod wurde die Waffe von Joran geführt, Cyberius' jungem Sohn.

    Als der verwundete Barbar sah, wie der stolze Ritter sein Schwert zum Kampf zog, hob er seine grobschlächtige Keule in die Luft und schwang sie in weitem Bogen, während sein linker Arm schlaff von der blutenden Schulter hing. Deutlich zeigte er mit diesem Gebaren, dass er sich nicht vor einem schwer gepanzerten, berittenen Reiter fürchtete.

    Bevor Joran sein Schlachtross zum Angriff drang, bäumte sich Aldaram trotz der schweren Last wiehernd auf und ruderte anmutig mit den kräftigen Vorderbeinen in der Luft. Dann preschte er los, schnaubend wie ein wütender Stier.

    Noch bevor der heranstürmende Ritter ihn erreichte, schlug der hünenhafte Barbar seine Waffe mit grosser Wucht in den Schnee und schleuderte seinem Gegner eine weisse Wolke entgegen, um diesem die Sicht zu nehmen und ihn durcheinander zu bringen. In der Tat konnte Joran für einen kurzen Augenblick nur noch aufgewirbelten Schnee erkennen, der an seine Rüstung prasselte, und sah sich gezwungen blind draufloszuschlagen. Zischend fuhr seine stählerne Klinge durch die Luft und traf. Doch nur einen Herzschlag später prallte etwas hart gegen seinen Rücken und warf ihn stöhnend nach vorn.

    Der Lukher hatte sich nach seiner hinterlistigen Schneeattacke rasch um die eigene Achse gedreht und dann seine Keule mit aller Kraft in den Rücken des vorbeiziehenden Ritters geschlagen. Dieser Hieb verursachte ein grosse Delle in der schweren Rüstung, und die spitzen Metalldornen durchdrangen gar den Panzer, blieben aber im darunterliegenden Kettenhemd hängen.

    Nach diesem Treffer stürzte Joran beinahe vom Rücken seines Pferdes. Er verlor den Halt in seinem Sattel und rutschte, vom Gewicht der Rüstung heruntergezogen, langsam zur Seite. Doch mit aller Kraft hielt er sich an Zügel und Sattel fest und kämpfte sich ächzend nach oben, bis er wieder aufrecht sass.

    Der heftige Schlag bereitete dem Ritter einige Schmerzen, doch ausser einer ordentlichen Prellung schien er keinen Schaden angerichtet zu haben. Der schwere Harnisch und der Kettenpanzer hatten den Ritter vor Brüchen und ernsthaften Verletzungen bewahrt, die ein solcher Hieb mühelos hätte verursachen können.

    Etwas gereizt zerrte Joran an den Zügeln und wendete sein Pferd erneut, um zu sehen, ob der Barbarenführer immer noch aufrecht stand. Er war sich sicher, dass seine Klinge etwas getroffen hatte, doch wusste er nicht, wo er den Wildling erwischt hatte.

    Abermals packte ihn der Schreck, als er den Lukher tatsächlich noch stehen sah. Der gewaltige Kerl grinste ihn mit finsterem Gesicht an und leckte mit der Zunge das Blut, das von einer Schnittwunde über der Wange in das Gewirr seines struppigen Bartes floss.

    Nun hatte der junge Ritter endgültig genug von seinem Widersacher. Er musste diesen dreckigen Hund einfach töten, das geboten ihm seine Ehre und der eigene Stolz. Schliesslich war er der Kommandant einer mächtigen Armee, ein ausgebildeter und vielgerühmter Offizier und Ritter, und mit einem solchen Barbaren sollte er doch fertig werden. Er erhob sein schönes Schwert und richtete die Klinge herausfordernd auf den Lukher, der darob höhnisch zu lachen begann.

    Mit einem kurzen Fersendruck drängte er seinen Hengst zum Laufen, und Aldaram bahnte sich einen Weg durch den Schnee. Das Rüstzeug und die zusätzlichen Waffen, die an den Hüften des Pferdes baumelten, schepperten metallisch, als sie aneinander prallten.

    Wieder schwang der Wilde seine todbringende Keule mit einem Arm, wirbelte sie über seinem Kopf durch die eisige Luft. Auch er hatte genug vom Spielen und wollte dem Ganzen nun ein Ende setzen. Mit grossem Ungestüm hieb der Lukher auf den herandonnernden Ritter ein, wobei er wie ein Bär brüllte. Seine Waffe traf dröhnend auf den dreieckigen Wappenschild und schlug diesen weit davon.

    Joran kümmerte sich nicht darum, dass die ledernen Riemen seines Schildes durch die Wucht des Aufpralls rissen, und er seinen Schild einbüsste, der davongeschleudert wurde. Er hielt sich mit grossem Geschick aufrecht im Sattel und hieb seine Klinge zielsicher in den Nacken des ungeschützten Lukhers. Dieser schrie laut auf, taumelte blutspuckend noch einige Schritte weiter und fiel dann vornüber in den Schnee, wo er reglos liegen blieb.

    Joran zügelte sein Pferd, liess es wenden und steuerte es auf den gefallenen Barbaren zu. Er kämpfte sich in voller Rüstung aus dem Sattel und trat, beinahe knietief in die Schneedecke einsinkend, auf den grossen Kerl zu. Sein Schwert hielt er kampfbereit in der Faust, als er mit dem gestiefelten Fuss den riesigen Körper anstiess. Nichts geschah, der Wilde rührte sich nicht.

    Da er wissen wollte, welchen Kriegsfürsten er in diesem Kampf niedergestreckt hatte, drehte er den schweren Leib mühsam um. Und einmal mehr suchte ihn der kalte Griff des Entsetzens heim, denn kaum hatte er den toten Wilden auf den Rücken gewendet, erkannte er, dass es sich nicht um einen jener gefürchteten Anführer handelte. Dieser Mann war vielleicht kein gewöhnlicher Lukher gewesen, doch ein Kriegsfürst war er ebensowenig.

    Joran starrte beklommen auf die Leiche seines Gegners nieder, sah in die glanzlosen, erstorbenen Augen, die nun trüb waren. Das Unbehagen kehrte auf krabbelnden Beinen wieder und schlug seine eisigen Klauen in sein pochendes Herz. Nirgendwo konnte er bei dem Barbaren die Zeichen ausmachen, die Symbole ihrer heidnischen Kriegsgötter, die ihn als Auserkorenen und Kriegsführer ausgewiesen hätten. Soweit der Ritter erkennen konnte, trug der tote Hüne keine auffälligen Schmucknarben, Feuermale, Tätowierungen oder Amulette auf sich, die seine besondere Stellung innerhalb ihrer primitiven Stammeskultur zweifelsfrei belegt hätten.

    Seufzend kehrte der Kommandant dem Gefallenen daraufhin den Rücken, und nachdem er seinen Schild aufgehoben hatte, mühte er sich wieder in den Sattel. Mit einem kurzen Befehl trieb er den stolzen Hengst an und ritt ins Herz der tobenden Schlacht.

    Kapitel 2

    Talina Norrik wich mit einer geschickten Bewegung einer niederfahrenden Streitaxt aus, die, ihr Ziel verfehlend, mit einem dumpfen Poltern im Schneeboden aufschlug. Der bärtige, grauhaarige Lukher, der diese grobschlächtige Waffe führte und nun in geduckter Haltung seitwärts der Kriegerin stand, richtete seine eisblauen Augen, die unter den buschigen Brauen hervorblitzten, zornig auf seine Gegnerin. Sein vernarbtes, hässliches Gesicht verzog sich zu einer widerwärtigen Maske, während in seiner breiten Brust ein dröhnendes Knurren aufstieg.

    Talina aber liess sich von diesem Barbaren keineswegs einschüchtern, auch wenn er bedeutend grösser war als sie und über mehr Kraft verfügte. Noch bevor der Wilde seine Axt aus dem Schnee heben konnte, schlug sie ihren Wappenschild in einer ausholenden Geste gegen seinen Schädel, und der Mann torkelte benommen zurück.

    Aber ehe Talina auch nur die Zeit für einen einzigen Gedanken fand, vernahm sie ein bedrohliches Gebrüll hinter sich. Geistesgegenwärtig wirbelte sie herum und brachte gerade noch rechtzeitig ihren Schild zwischen sich und einen gespickten Streitkolben. Es krachte ohrenbetäubend, und die Wucht des heftigen Schlages warf sie nach hinten.

    Ihr linker Unterarm schmerzte, so stark war der Hieb gewesen, doch ansonsten war sie unverletzt. Vor sich sah sie nun einen zwar kleinen, jedoch äusserst kräftig gebauten Lukher, der bereits wieder seinen Streitkolben in schwungvollen Drehungen durch die Luft wirbelte.

    Talina duckte sich keuchend unter einem sausenden Schlag hindurch, der ihr mühelos den Schädel mitsamt Helm zertrümmert hätte. Dann senkte sie ihren Schild, holte mit dem rechten Arm aus und schlug ihr Schwert gegen das stämmige Bein des Wildlings. Die lange, geschmeidige Stahlklinge schnitt tief in den Oberschenkel und zerfetzte den Muskel.

    Der Lukher schrie entsetz auf und hielt sich die blutende Wunde, während er von der Kriegerin zurückwich. Sein Gesicht hatte für den Augenblick seinen grimmigen Ausdruck verloren und verzog sich in Linien der Qual.

    Talina aber verspürte keinerlei Mitleid mit einem solchen Kerl, richtete sich wieder auf, in der Absicht dem Verwundeten den Rest zu geben. Doch dazu kam sie vorläufig nicht, denn der Wildling mit dem grauen Zottelhaar hatte sich mittlerweile von ihrem Schildschlag erholt und stürzte sich erneut auf sie.

    Wieder reagierte die Kriegerin blitzartig und wehrte einen tödlichen Schlag mit dem zerbeulten Schild ab. Das scharfe Axtblatt grub sich in den schwarzen Adler des Wappens und blieb darin stecken. Talina nutzte dies aus, stiess ihren linken Arm mit aller Kraft hoch, wodurch ihr Gegner, der seine Axt nach wie vor mit beiden Händen umklammert hielt, gezwungen war, ihrer Bewegung zu folgen. Gleichzeitig führte sie mit dem Waffenarm einen tiefen Streich, dergestalt mit ihrem Schwert den nun ungeschützten Bauch des Barbaren aufschlitzend.

    Der Mann stöhnte, liess seine Waffe entfahren und presste seine groben Hände auf die tödliche Wunde. Das Blut floss in dünnen Rinnsalen durch die Spalten seiner Finger und färbte den Schnee rot. Mit einem letzten gequälten Seufzer sackte er schliesslich tot zusammen.

    Talina jedoch blieb noch immer keine Zeit zum Verschnaufen, denn der andere Lukher hatte in seinem Schmerz zu neuer Wut gefunden. Mit rauem Geschrei griff er die Kriegerin abermals an und erhoffte sich ein leichtes Spiel, da sie mit dem Rücken zu ihm stand. Mit voller Wucht schlug er seinen Streitkolben gegen ihren behelmten Kopf.

    So schnell und geschmeidig wie eine Raubkatze tauchte Talina erneut unter dem schmetternden, doch einfallslosen Hieb hindurch, nutzte die kurze Zeitspanne, um mit dem Arm aus den ledernen Schlaufen ihres Schildes zu schlüpfen, das wegen der darinsteckenden Streitaxt nur zur Last geworden war, und sich vom Lukher wegzudrehen. Dann war sie bereit zum Angriff und zögerte damit keinen Augenblick. Mit beiden Händen erhob sie ihr blutbesudeltes Schwert zum Schlag und liess es niederfahren.

    Der kleine, stämmige Mann hatte sich gerade umgewendet, als ihn die edle Schneide traf und ihm das Gesicht spaltete. Mit heiserer Stimme hauchte er sein Leben aus und fiel mit einem dumpfen Krachen auf seinen toten Gefährten.

    Keuchend blieb Talina über den beiden stehen, ihr silbriges Schwert fest in der behandschuhten Hand. Tief sog sie die kalte Winterluft in ihre Lungen und atmete wabernde Dampfwolken aus, die rasch vom trockenen Ostwind zerstreut wurden. Endlich war es ihr vergönnt, sich ein wenig zu erholen und einen Augenblick lang ruhig durchzuatmen, denn ihr kleiner Trupp hatte eben eine wilde Gruppe Barbaren niedergemacht.

    Kurz liess sie einen prüfenden Blick über die Umgebung schweifen. Noch immer tobte die Schlacht in unverminderter Härte. Vor wenigen Augenblicken waren die Berittenen eingetroffen und demonstrierten nun den Lukhern ihre überlegene Stärke. Diese aber gaben sich noch lange nicht geschlagen und liessen sich nicht vertreiben. Mit zähem Willen hielten sie den sepharischen Streitkräften entgegen, denn sie wurden von einer Horde seltsamer Kämpfer unterstützt, die mit den Kriegern anderer Stämme aus dem nahen Wald gestürmt kamen. Sie selbst hatte zwar noch keinen dieser fremdartigen Wilden bekämpft, doch gesehen hatte sie schon einige, und sie wusste sich nicht zu erklären, woher dieses Volk stammte und warum es an der Seite der Lukher gegen die Truppen aus Sepharis focht.

    Talina Norrik bekleidete trotz ihres jungen Alters bereits den Rang einer Majorin, da sie einer wohlhabenden Familie von Offizieren entsprang und eine meisterliche Schwertkämpferin war. Auch hatte sie sich schon in einigen Gefechten als kühne Anführerin erwiesen und war als furchtlose Streiterin bekannt.

    Doch all diese grausamen Kämpfe, daran sie bereits teilgenommen hatte, hatten ihre umwerfende Schönheit nicht zu beeinträchtigen vermocht. Noch immer bewahrte sie sich ein bildhaftes, liebreizendes Antlitz unter dem harten Stahl, das nicht durch Narben oder andere Wundmale entstellt wurde. Ihr Gesicht war ebenmässig und makellos, die Haut hell und geschmeidig, milchfarbener Seide gleich. Ihre grossen, geschwungenen Augen waren von einem hellen Blau und schimmerten wie reine Edelsteine. Sie hatte langes goldblondes Haar, dass unter dem Helm hervorquoll, ihr in

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