Das frühere Leben in einem Forsthaus: Damals war es
By Dieter Kühn
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Dieter Kühn
geboren und aufgewachsen in einem Forsthaus, beruflich technisch orientiert, aber immer mit der Natur verbunden, letztlich einen Lebenstraum erfüllt und zu den Wurzeln zurückgekehrt.
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Das frühere Leben in einem Forsthaus - Dieter Kühn
Bilderverzeichnis
0. Zur Einstimmung
Ein Forsthaus im Wald, mitten in der Natur, die reine Romantik, ein ruhiges und herrliches Leben. So und ähnlich mögen gestresste Großstädter denken. War das wirklich so?
Sicher nicht! Wenn Sie die Lebensumstände etwas nachempfinden möchten, dann bitte Strom abstellen, das Bad abschließen, Telefon und Auto stilllegen, keine Gespräche mit den Nachbarn, alle Wege zu Fuß oder bestenfalls mit dem Fahrrad zurücklegen, Einkäufe höchstens einmal in der Woche in mindestens zwei km Entfernung erledigen. Ach ja schaffen Sie sich ein paar Eimer für Frisch- bzw. Schmutzwasser an, denn ihr Trinkwasser müssen Sie von der Pumpe holen und das Schmutzwasser im Eimer nach draußen tragen. Ihre Notdurft verrichten Sie bei jedem Wetter draußen im Herzhäuschen.
Bild 1 Holzpumpe
Bild 2 Herzhäuschen
So könnten Sie langsam die Lebensumstände nachempfinden. Wer kennt also heute noch den Lebensrhythmus in „einsamen" Forsthäusern vor etwa 100 Jahren?
Wohl kaum noch jemand. Das durch den Förster bewohnte Forsthaus gibt es immer seltener. Den Charakter von vor 100 Jahren hat es ohnehin verloren. Wer wird schon so alt, dass er sich hundert Jahre und mehr zurückerinnern kann?
Ich kann das auch nicht, trotz meines Alters von fast 80 Jahren. Aber was sind schon die paar fehlende Jahre in der Menschheitsgeschichte.
Ich bin in einem Forsthaus geboren (siehe Titelfoto). Bis zu meinem 18. Lebensjahr habe ich in einem Forsthaus gelebt. Meine Kindheit und einen Teil meiner Jugend habe ich also in einem Forsthaus erlebt. Das hat mich bleibend geprägt. Nur Flucht und Vertreibung, Kriegs- und Nachkriegswirren haben mein Leben in einem Forsthaus mehrmals unterbrochen oder den Umzug in ein anderes erzwungen. Außerdem machte die Zeit im und nach dem 2. Weltkrieg das Leben in einsamen Forsthäusern mit Sicherheit nicht einfacher. Heute lebe ich wieder in einem Forsthaus. Damit habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt. Allerdings sind die heutigen Lebensbedingungen völlig andere. In manchen Punkten hat sich jedoch nicht viel verändert.
Die Beschreibungen auf den folgenden Seiten entstammen also dem eigenen Leben und Erleben. Sie sind somit authentisch und wahr.
Sehr bestimmend waren für das Leben im Forsthaus immer auch die vier Jahreszeiten, das Wetter und immer der Sonnenauf- und -untergang.
Sicher, die Tätigkeit des Försters unterlag den „Obrigkeitsvorschriften". Der Förster bekam ein eher schmales Gehalt. Dafür gehörten Land, Wiese und Wohngebäude zu seinen Privilegien. Deshalb musste auch die Frau des Försters für den Lebensunterhalt mit sorgen.
Ihr oblag es, sicher mit Unterstützung ihres Gatten, der Kinder und anderer HelferInnen, durch Bestellung des Landes, Pflege der Wiesen und des Hausgartens sowie durch Halten von Vieh, erheblich zum Lebensunterhalt beizutragen.
Forsthäuser lagen meist weit ab vom Dorf; Strom und anderen zivilen Luxus kannte man nicht. Dafür waren andere Tugenden, heute unbekannt oder sehr selten, Teil des kargen aber harmonischen Lebens. Denn eigentlich gab es immer etwas zu tun.
Die wenigen Mußestunden füllten sich mit lesen, Erzählungen durch die Großmutter oder gelegentlicher Besucher und mit der Hausmusik. Mindestens einer in der Familie konnte ein Instrument spielen; die anderen sangen zum Spiel oder einfach nur so aus Lebensfreude.
Selbstversorgung war das „Zauberwort"! Das bedeutete Erzeugung und Verarbeitung der Produkte von Garten, Feld, Stall und Wald. Einrichtungen wie Scheune mit Tenne und Heuboden, Stall, Keller, Mieten für Heu und Stroh und Früchte, Backofen, Räucherkammer, Pökeltopf, Milchkanne, Zentrifuge oder Butterfass sind nur eine Auswahl, die eingerichtet, unterhalten, gepflegt und gefüllt werden mussten.
Die Frau des Försters führte als Hausfrau im „Inneren das Regiment. Sie verwertete alles und machte oft aus wenigem viel; nichts durfte umkommen. Die ganze Familie war in den Lebensablauf eingebunden. Auch Kinder, ob groß oder klein hatten ihre Aufgaben. Alle mussten anpacken. Die heutige „Fürsorge
gegenüber den Kindern mit z.B. bringen zur und holen von der Schule waren undenkbar. Erfahrung, Können und Inspiration waren die bestimmenden Faktoren für die Hausfrau.
Der Förster ist Amtsperson. Sein Ansehen war groß; sein Lohn war eher klein. Die Aufgaben im Forstwesen sind mit den heutigen kaum vergleichbar. Eine Spezialisierung und Arbeitsteilung, wie heute, gab es damals nicht. Wer führt heut noch das Auszeichnen mit dem Beil durch? Jungwuchspflege und Kulturpflege der neuen Anpflanzungen sind Relikte der Vergangenheit. Einschlag und Holztransport werden heute mit Großgeräten erledigt. Der Kahlschlag und Wiederaufforstung der Kahlflächen sind Vergangenheit.
Keiner wird mehr in unseren Breiten das Rücken von Holz mit dem Pferdegespann durchführen. Es ist bestenfalls eine Ausnahme. Große Trucks bewegen sich auf den Forstwegen und hinterlassen ihre Spuren. Eine Langholzfuhre mit dem Pferdegespann gehört ins Museum. Kein Förster hat mehr, wie früher, ein Gespann zum Rücken und Abfahren des Holzes.
Ausstellen von Lesescheinen für Holz, Sammelerlaubnisse für Beeren und Pilze sind Vergangenheit. Nur bei wertvollem Schnittholz sind Kluppe, Nummerierschlägel und Kubiertabelle im Einsatz. Der Holzverkauf hat neue Dimensionen. Der Verkauf durch den Förster beschränkt sich auf gelegentliche Selbstwerber oder Kleinverkäufe. Aber selbst hierbei findet die Rechnungslegung über Sachbearbeiter in der Oberförsterei statt.
Das Beobachten der Natur, sammeln von Fakten und Erkenntnissen waren früher Grundaufgaben des Försters. Heute geht man „wissenschaftlich" und zentral an solche Aufgaben heran.
Sicher führt der Förster auch heute noch die Waldarbeiter. Sie werden immer weniger und ihre Lohnabrechnung und die Lohnauszahlung sind zentral organisiert.
Die früher so häufig tätigen Kulturfrauen (Hedehexen) gibt es so gut wie nicht mehr. Zu jedem Forsthaus gehörten früher Forstlehrlinge (Eleven). Heute sind sie in entsprechenden zentralen Einheiten zu finden.
Jagd und Hege haben heute einen anderen Stellenwert. Nicht selten findet man die Einstellung: „Ein gutes Reh ist ein totes Reh", denn Holzertrag steht oben an.
Den Kampf gegen die Wilddieberei gibt es in der früheren Art und Weise und Umfang nicht mehr. Aber Jagd und Jagdführung leistet der Förster auch heute noch. Viele Förster bemühen sich dabei, das Brauchtum zu pflegen und zu bewahren.
Bild 3 Forsthaus Bunterschütz 1947 bis 1949
Mein Traum
In meinen vielen Arbeitsjahren,
einen Traum konnte ich mir stets bewahren.
Mit Aufwand, Arbeit, langem Streben,
erfüllte sich mein Traum des Lebens.
Ein Forsthaus, wie in Kindertagen,
Sollt`s für mich sein, muss ich euch sagen.
Die Kindheit, die ist längst vorbei.
Geblieben ist die Träumerei.
1. Arbeiten auf Feldern und Wiesen
Zu jedem Forsthaus gehörten Felder, Wiesen und ein Gemüsegarten. Ohne sie wäre wohl ein Leben und Überleben nicht möglich gewesen. Das waren keine riesigen Ländereien, aber sie bildeten das Fundament für die Ernährung.
Mit einfachen Hilfsmitteln und Geräten und mit umso größerer Sorgfalt wurde mit Feldern und Wiesen umgegangen und der Gemüsegarten gepflegt.
Im Wechsel baute man Feldfrüchte wie Rüben, Kartoffeln und Getreide an. Sie bildeten die Grundlage für die eigene Ernährung und die Versorgung des Viehbestandes. Im Gemüsegarten wuchsen die verschiedenen Kulturen, die für die Eigenversorgung unerlässlich waren.
Der „Kreislauf" der Feldbestellung begann stets im Herbst. Jetzt wurde die Furche für das Wintergetreide gezogen; im Frühjahr für Kartoffeln und andere Feldfrüchte.
Der Einscharpflug mit dem eigenen Pferd zog Furche um Furche und bereitete so den Acker für die Aussaat vor. Der Einscharpflug musste mit Geschick und Können geführt werden, um eine gleichmäßige Furche zu ziehen. Nicht jeder verfügte über die erforderlichen Fähigkeiten, so dass auch oft die Hilfe von ortsansässigen Bauern von Nöten war.
Zur Bodenvorbereitung gehörten auch die Versorgung des Bodens mit Humus- und Nährstoffen. Also mussten Mist (Stalldung) oder Gründung in den Boden eingebracht werden. Zur Bodenverbesserung durch Gründung wurden die abgeernteten Getreidefelder gewählt. Die Stoppeln und Reste der Getreidehalme pflügte man leicht unter. Nur 10 bis 15 cm tief wurde der Boden umgeworfen oder nur gegrubbert, um Lupine oder Seradella einzusäen. Diese Pflanzen lieferten sowohl organische Stoffe als auch über ihr Wurzelwerk eine Stickstoffanreicherung im Boden. Teilweise nutzte man die Kultur auch als Viehfutter. So wurden und werden den leichten Böden Brandenburgs doch ansehnliche Erträge abgerungen.
Bei diesen und anderen Feldarbeiten war die ganze Försterfamilie im Einsatz. Bei den nur kleinen Flächen - zu einer Försterei gehörten etwa 3 bis 4 ha Acker- und Wiesenfläche - bestimmten einfache Arbeitsgeräte und überwiegend Handarbeit das Bild. Also war körperlicher Einsatz gefragt.